8. Binnenmarkt Flashcards
Einordnung
Binnenmarkt definiert als ein Raum ohne Binnengrenzen:
- freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital (Art. 26 AEUV)
- bereits im Vertrag der EWG von 1957 angelegt
- seit 1968 keine Zölle, auf Einfuhren aus Drittstaaten gemeinsame Zollansätze(Zollunion)
- 1.1.93 einheitlicher Markt mit der EU
- Änderung durch Vertrag von Lissabon: Wettbewerbsregeln ausschließliche Zuständigkeit der EU
- Binnenmarktagenda viele Erfolge (bspw. Abschaffung der Roaming-Gebühren)
- Bereiche die noch Ausbau bedürfen (bspw. Dienstleistungen)
Ökonomische Integration
(Busch/Matthes 2020) zwei positiven wirtschaftlichen Effekten von wirtschaftlicher Integration:
- Handelsgewinne:
- durch zollfreien Verkehr von Waren,
- den Verzicht auf Grenzkontrollen,
- Beseitigung nichttarifärer Handelshemmnisse,
- die gegenseitige Anerkennung von Produkt- und Produktionsvorschriften
- oder deren Harmonisierung - Wettbewerbseffekte:
- durch räumliche Ausdehnung des Marktes und zu Größenvorteilen in der Produktion führen können - Effizienzgewinne:
- gesteigerter Wettbewerb zwischen Firmen ineffiziente Strukturen abgebaut werden - Innovationseffekte:
- Diffusion von neuen Technologien erzielt,
- durch den freien Kapitalverkehr (ausländische Direktinvestitionen) ermöglicht - Politiksynergien:
- Wirtschaftspolitik = Arbeits- und Sozialpolitik
- Freizügigkeit für Arbeitnehmer und Selbstständige die wirtschaftliche Betätigungen und Erwerbsmöglichkeiten für diese Gruppe vergrößert
Wirtschaftliche Integration umfasst:
- Stufe:
- Freihandelszone durch die Abschaffung zwischenstaatlicher Zölle und nicht-tarifärer Handeslhemmnisse - Stufe:
- gemeinsamer Zoll gegenüber Drittländer außerhalb der Zollunion - Stufe:
- Gemeinsamer Binnenmarkt - Stufe:
- Wirtschafts- und Währungsunion - Stufe:
- Politische Union
- schwierig umzusetzen — neue Institutionen notwendig (bspw. eine „echte“ EU-Regierung)
(Busch/Matthes 2020) Form des regionale begrenzten Binnenmarktes kann auch negative, handelshemmende Folgen haben:
- wenn der gemeinsame Außenzolltarif verhindert das Anbieter aus Drittstaaten ihre Waren in den Binnenmarkt liefern
- insbesondere bei der Gemeinsamen Landwirtschaftspolitik der Fall
Rolle des Gerichtshofs der EU
Entwicklung und Weiterentwicklung der Freiheiten durch:
- Mitgliedstaaten (11 EU-Außenminister forderten 2012 eine politische Union — GB hat in den 80er und 90er-Jahren viele Deregulierungs- und Liberalisierungsprojekte angestoßen)
- Kommission: (EU-Binnenmarkt-Kommissar Frits Bolkestein, 13.1.04 Entwurf zur Beseitigung von zwischenstaatlichen Hemmnissen für den freien Handel mit Dienstleistungen vorgelegt)
- Europäisches Parlament (forderte eine Überarbeitung der Vorgaben zur Anerkennung von Berufsqualifikationen bzw. die Einführung eines EU-Berufsausweises
Gerichtshof hat sich als eigenständiger Akteur bei der Durchsetzung und Weiterentwicklung der 4 Binnenmarktfreiheiten hervorgetan:
-Dassonville-Entscheidung (Mengenmäßige Handelsbeschränkungen (z.B. Kontigente) im Binnenmarkt wurden als nicht zulässig befunden
-Cassis de Dijon: Prinzip der gegenseitigen Anerkennung, Handelsbeschränkungen können erlassen werden zum Schutz der öff. Gesundheit
-Niederlassungsfreiheit wurde zu einer allgemeinen Personenfreizügigkeit
—Freizügigkeit losgelöst von einer wirtschaftlicher Betätigung zu einem Aufnahmerecht (inklusive Sozialleistungen)
Exkurs — Rinderwahn (BSE-Krise)
- 84: Tod von Rindern in England
- 93: Übertragung auf Menschen nachgewiesen
- 96: EU verbietet Export von Rinderprodukten aus GB
- sukzessive Lockerung
Rolle der Kommission
Weißbuch der Kommission (1985) zur Vollendung des Binnenmarktes durch den Abbau und die Beseitigung materieller, technischer und steuerlicher Schranken zwischen den Staaten:
- hohe Zielerfüllungsquote:
- statt Harmonisierung (positive Integration) der technischer Details durch einstimmige Entscheidungen im Rat
- Harmonisierung nur auf Festlegung grundlegender Anforderungen
- Regelung der Details übertragen auf die europäischen Normungsorganisation - viel auf gegenseitige Anerkennung (negative Integration)
- sinnvoll, um Handelshemmnisse zu beseitigen
- positive Integration, um durch gemeinsame rechtliche Vorgaben grenzüberschreitende negative Externalitäten zu internalisieren (Scharpf 1998) - Einheitliche Europäische Akte (1987)
- Zieldatum für die Schaffung des Binnenmarktes definiert — Ende 1992
- hat Entscheidungsregeln in den Bereichen der für den Binnenmarkt relevanten Politiken verändert (mehr Mehrheitsentscheidungen)
- Maßnahmen führen zu einem Investitionsboom - seit 1999 verschiedene Programme und Aktionspläne
- Binnenmarkt stärken bzw. zu vollenden - (Busch/Matthes 2020) neue Programme legen nahe dass die Kommission den Binnenmartk weiter interpretiert
- sozialer Zusammenhalt, Lebensqualität - Mario Monti legt 2010 neue Strategie vor
- 2011 Binnenmarktakte durch die Kommission verabschiedet - Binnenmarktakte II
- Ziel: Binnenmarkt weiterentwickeln
- ungenutztes Potenzial als Wachstumsmotor ausschöpfen - neues wichtiges Element
- „grünes Wachstum“
- Maßnahmen die auf die öff. Meinung abzielen - vornehmlich gewählte Instrument — negative Integration
- Marktschaffung durch Beseitigung von Handelshemmnisse
Binnenmarkt für Dienstleistungen
Weiterentwicklung des Binnenmarktes für Dienstleistungen schwierig:
- Vorschriften des Ziellandes (Repräsentanznachweise, Nachweise über den wirtschaftlichen Bedarf, Kreditwürdigkeitsbescheinigungen) erschweren die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen
- geringere soziale Akzeptanz bzw. der politische Widerstand dagegen (Verlust von Arbeitsplätzen, Lohn-Dumping)
- Entwurf der Dienstleistungsrichtlinie (2004):
- Unternehmen, die Dienstleistungen in anderen Mitgliedstaaten erbringen wollen, sollten nur den Rechtsvorschriften des Landes unterliegen, in dem sie niedergelassen sind
2006 Kompromiss:
- Kontrolle des Dienstleisters durch das Bestimmungsland ermöglicht
- zentrale Rolle: Evelyne Gebhart
Vertrag von Amsterdam:
- durch Frankreich ein Artikel aufgenommen
- gemeinwohlorientierte Wirtschaftsformen gegenüber dem Wettbewerb in der Marktwirtschaft schützen soll
Entsenderichtlinie 1996:
- entsendende Unternehmen müssen bestimmte Mindeststandards einhalten (Mindestlohn im Aufnahmestaat)
- 2020 verschärft
Handlungsbedarf
Bereiche die eine stärkere Martköffnung benötigen:
- Energie
- Öff. Auftragswesen
- Digitalwirtschaft
- Kapitalmärkte
Energie:
-3 Pakete zu Harmonisierungs- und Liberalisierungsmaßnahmen des Energiebinnenmarktes
-2. Paket 2003: ermöglicht privaten Verbrauchern die freie Wahl des Gas- und Stromanbieters
-3. Paket 2009:
+Eigentumsrechte an den Übertragungs- und Fernleitunsnetzen,
+indem es eine Trennung der Netzaktivitäten von den Energiegewinnungs- und Energieversorgungsaktivitäten vorschreibt
-Schaffung eines Binnenmarktes für Energie wegen Preis- und Steuerunterschieden schwierig
Öff. Auftragswesen:
-1/5 der Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge werden europaweit ausgeschrieben
Digitalwesen:
- nationale Schranken für Online-Transaktionen
- verschiedene nationale Mehrwertsteuervorschriften
- Zusammenhang mit COVID-19: gemeinsamer Markt für Arzneimittel ausbaufähig ist
Vollendung des Binnenmarktes auf der Agenda der Kommission:
- trotz komplexer werdenden Problemen
- Rat der EU mittlerweile sehr viele Rechtsbereiche per Mehrheitsabstimmung entscheidet
Fazit
Binnenmarkt stellt ein Alleinstellungsmerkmal der EU dar:
- insbesondere nach 1985 weiterentwickelt
- gut entwickelt aber noch nicht vollständig
Impulse für die Weiterentwicklung des Binnenmarktes kamen vom:
- Europäischen Parlament
- den Mitgliedstaaten
- Kommission
- Gerichtshof der EU
einige Binnenmarktvorhaben haben heftige Kontroversen ausgelöst (DSGVO)
-Zeichen dafür das sich eine europäische Öffentlichkeit gebildet hat
das GB einen Binnenmarkt verlässt den es selbst mitgestaltet hat