4. Gerichtshof Flashcards
Merkmale
Sitz: Luxemburg
Gegründet 1952
Aufgabe: „Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung“ von Verträgen
sowohl supranational als auch ein intergouvernementales Organ
in der Literatur:
- Verfassungsgericht, welche das Verhältnis zwischen den EU-Institutionen klärt
- Verwaltungsgericht, das die Legalität von Entscheidungen, die in Verwaltungen getroffen werden überprüft
- Revisionsinstanz gegenüber des Gerichts
GEU besteht aus 2 Gerichten:
- Gerichtshof
- Gericht (1988 errichtet als „Gericht erster Instanz“ — Vertrag von Lissabon umbenannt in Gericht und Aufwertung zu einer eigenständigen Rechtssprechungsinstitution mit Vertrag von Nizza)
- bis 2016 noch Gericht für den Öffentlichen Dienst
Vertrag von Lissabon:
- permanente gerichtliche (Fach-)Kammern neben dem GEU
- hat das GEU generell gestärkt
- durch Rechtsprechungskompetenzen bezogen auf die Politikfelder
- erweiterte Grundrechte-Charta
Das Gericht ist für Entscheidungen:
- im ersten Rechtszug über die in den Art. 263, 265, 268, 270 und 272 genannten Klagen zuständig
- Ausnahme Klagen nach 257 gebildeten Fachgericht übertragen werden
- Gegen die Entscheidungen des Gerichts kann beim Gerichtshof ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel eingelegt werden
kann:
-Zwangsgelder/Pauschalbeträge verhängen bei Vertragsverletzungsverfahren
kann seine Position im EU-Insitutionsgefüge selber mitgestalten — durch wegweisende Urteile (Rechtsprechung, Vorrang des EU-Rechts vor dem nationalen Recht)
Kompetenzen durch internationale Verträge (z.B. im Europäischen Stabilitäsmechanismus)
Aufgaben
Vertragsverletzungsverfahren (Art. 258-260 AEUV):
-Überwachung des Verhaltens der Mitgliedstaaten
Nichtigkeits- Anfechtungsklagen (Art. 263-364 AEUV):
-Überwachung der Rechtsmäßigkeit des Handelns von EU-Organen
Untätigkeitsklagen (Art. 265 AEUV):
-EU-Organe zum Handelnd auffordern
Vorabentscheidungsverfahren bzw. Vorlageverfahren (Art. 267 AEUV):
- Klärung über die Auslegung der Verträge
- Gültigkeit und Auslegung der Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union
Gutachten über eine geplante Übereinkunft der EU mit Drittstaaten/int. Organisationen
Aktivitätenprofil
Rechtssachen und Urteile seit 1990 deutlich zugenommen:
- Untätigkeitsklagen jedoch selten
- Großteil der Klagen im Zusammenhang mit Vertragsverletzungsklagen
erstes Zwangsgeld: 2000
erstes Pauschalgeld: 2005 (Frankreich)
Vorabentscheidungen, die insbesondere von Verbänden strategisch genutzt werden, gehen über den GEU um politikgestalterisch tätig zu werden
Subsidarität:
- Klärung der Frage, unter welchen Umständen die EU befugt ist, vor den Mitgliedstaaten tätig zu werden
- schließt tätig werden der EU aus, wenn eine Angelegenheit auf nationaler, regionaler oder kommunaler Ebene wirksam durch die Mitgliedstaaten geregelt werden kann
- verankert durch Vertrag von Lissabon
- nationale Parlamente sorgen dafür das es eingehalten wird („Frühwarnsystem“)
Benennung und Zusammensetzung
Regierungen jedes Mitgliedstaates benennen im gegenseitigen Einvernehmen die Richter: (aktuell 27, Kammer 3/5, große Kammer 13)
- auf 6 Jahre
- Wiederwahl möglich
- werden versetzt alle 3 Jahre gewählt
- Stellungnahme von einem Ausschuss über die Eignung der Bewerber
Voraussetzung für die Nominierung ist die Befähigung für die Ausübung der höchsten richterlichen Ämter im Ursprungsland und Gewähr der Unabhängigkeit:
Präsident wird von den Richtern gewählt:
- 3 Jahre
- Wiederwahl möglich
- steht der Verwaltung vor
Ausschuss:
-7 Mitglieder
-Kreis aus ehemaligen Mitgliedern des Gerichtshofs und des Gerichts
-Mitglieder der höchsten einzelstaatlichen Gerichte
-und der Juristen von anerkannt hervorragender Befähigung
—ausgewählt werden, von denen einer vom EP vorgeschlagen wird
—Rat erlässt einen Beschluss zur Festlegung der Vorschriften für die Arbeitsweise und einen zur Ernennung der Mitglieder dieses Ausschusses (beschließt auf Initiative des Präsidenten des Gerichtshofs)
Politischer Einfluss
Cassis-de-Dijon-Entscheidung (1979):
- Grundsatz des europäischen Binnenmarkt
- zentrales Merkmal: Ware die in einem Mitgliedsstaat unter bestimmten Vorschriften produziert wurde darf in einem anderen Importland in dem andere Vorschriften zur Produktion gelten verkauft werden (Bsp. Bier [Reinheitsgebot])
- nach Scharpf (2008) entsteht hieraus: ein „regulativer Wettbewerb“ (bei dem zwischen Produkten die nach unterschiedlichen Standards hergestellt wurden, ausgewählt werden kann)
- Alter und Meunier-Aitsahlia (1994) haben sich mit dem Urteil auseinandergesetzt und neu interpretiert als „Erneuerung“ des Integrationsprozesses
- Autoren argumentieren, Bedeutung des Urteils sie zu sehen, dass die Kommission einen Gegenentwurf zur wechselseitigen Anerkennung auf den Weg gebracht hat: Harmonisierungsagenda
- neuer Zugang zur EU-Integration führte zur Mobilisierung vieler verschiedener Gruppen (Politisierung von Integration und im Endeffekt zu mehr Integration)
Intregation:
- durch Rechtsprechung (z.B: Bereich der Gleichstellung der Geschlechter)
- Gerichtsurteile bieten strategische Ausgangs- oder Anknüpfungspunkte für integrationsfreudige EU-Organe wie die Kommission
GEU kann die politische Natur seiner Urteile „maskieren“ und vor einer politischen Auseinandersetzung „schützen“ (Burley and Mattli 1993: law as mask and shield)
-Blauberger und Martinsen (2020): benötigen mask and shield nicht immer
—Permissiver Konsensus (Mobilität/Absicherung von Arbeitskräften)
—politische kontroverse Themen erfordern die mask (z.B. bei Subventionen), allerdings für die Staaten
—unerwünschte Integrationsschritte erfordern shield (z.B. Freizügigkeit)
—ablehnender Konsensus (z.B. Sozialleistungen für Migranten aus EU-Staaten)
Kommission:
- in der Vergangenheit auf das Urteil des GEU berufen um seine Liberalisierungsagenda voranzutreiben
- freiwillige Befolgung der urteile des GEU werden von Blauberger und Schmidt (2017) als ein Zeichen für den großen politischen Einfluss des GEU, gesehen
Alter und Meunier-Aitsahalia (1994) drei Möglichkeiten zum politischen Einfluss:
- opening political access to self-interested individuals
- launching ideas into the policy-making arena
- provoking political responses through bold argumentation and unpopular verdicts
Institutioneller Einfluss
nationale Gerichte zunehmend mit dem GEU zusammenarbeiten und auf diese Weise eine institutionelle Hierarchie in den Ländern eine Veränderung erfahren hat
(Judicial Empowerment of Low-level courts)
Kooporationsform führt dazu dass die höheren Gerichte daraufhin verstärkt das Gespräch mit dem GEU gesucht haben, um die Hierarchie wieder herzustellen
Fazit
-einzigartige Organisation (stellt die Judikative eines Staatenbundes dar)
-Schaffung des Binnenmarktes und die Vertiefung der EU wäre ohne ihn nicht möglich gewesen
-ein politischer Akteur:
—nachträglich (z.B. Rahmen von Vertragsverletzungsverfahren)
—vorab (z.B. Rahmen des Vorabentscheidungsverfahren)
-besonders bemerkenswert, keine Durchsetzungs- bzw. Sanktionsmittel um seine Rechtsprechung umgesetzt werden zu gewährleisten
-Mitgliedstaaten setzten freiwillig die Urteile um (bringt die Legitimität des GEU zum Ausdruck)