7 Qualitative Forschung Flashcards
Zielsetzung qualitativer Forschung: Drei Sichtweisen
1) Ergänzung zu konventionellen Verfahren
2) Gleichberechtigte Ansätze
3) Alternative zum konventionellen Ansatz
1) Ergänzung zu konventionellen Verfahren
- Viele Mainstream-Forscher arbeiten auch mit qualitativen Methoden, z.B. Befragung nach Eindrücken nach Experiment, nicht/nur teilweise strukturierte mündliche Interviews, …
- Qualitative Forschung ist jedoch mehr als bloß eine Ergänzung
2) Gleichberechtigte Ansätze
- Bei manchen Fragestellungen ist qualitative Vorgehensweise geeigneter, z.B. bei Untersuchung des Bewusstseins
- Qualitative Forschung schließt große Lücke im wissenschaftlichen Vorgehen, indem sie Wege aufzeigt, wie man systematisch Theorienbildung betreiben und somit induktive Vorgehensweise weniger fehleranfällig machen kann
- > Zentrale Rolle bei Entwicklung, nicht bei Überprüfung von Theorien
- > Häufig beziehen sich Theorien darauf, wie Menschen ihre Umwelt erleben und mit ihr umgehen
3) Alternative zum konventionellen Ansatz
- Wenn es keine von uns unabhängig existierende Welt inkl. Gesetzmäßig ablaufender psychischer Prozesse gibt, ist es auch wenig sinnvoll, nach allgemeinen Gesetzmäßigkeiten für diese Welt zu suchen
- Es ist nicht sinnvoll etwas zu quantifizieren, was nicht quantifizierbar ist (z.B. Inhalte eines Diskurses)
- Forschungsgegenstand: Weltbilder oder Konstruktionen der untersuchten Personen und deren Auswirkung auf Erleben und Verhalten
- > Analyse und Aufdecken allgemeiner Muster oder Strukturen
Die wissenschaftliche Methode: Qualitative Version
- Qualitative Analyse
- Fragestellung
- Begriffs- und Kategorienfindung
- Analyseinstrumentarium - Qualitative oder quantitative Analyse
- Anwendung des Analyseinstrumentariums je nach Gegenstand und Ziel der Analyse unter Zuhilfenahme quantitativer Verfahren - Qualitative Analyse
- Rückbezug der Ergebnisse auf die Fragestellung
- Interpretation
Wissenschaftliche Methode der qualitativen Forschung nach Miles und Huberman
- Mehrzahl qualitativ arbeitenden Forscher identifiziert sich eher mit diesem Modell
- Keine vorstrukturierte lineare Abfolge -> Forschungsprozess kann überall beginnen
- Datensammlung, Datendarstellung, Datenreduktion, Schlussfolgern: ziehen/verifizieren
Zeitliche Strukturierung der Bestandteile des qualitativen Forschungsprozesses (Miles & Huberman)
- Datenreduktion vor, während oder nach Datensammlungsperiode
- Datenerstellung und Schlussfolgern während oder nach Datensammlungsperiode
- Datenreduktion + Datenerstellung + Schlussfolgern = Analyse
Vielfalt qualitativer Ansätze
- Anzahl der Ansätze unüberschaubar groß, weil sie manchmal nur für Untersuchung einer bestimmten Fragestellung konzipiert wurden
- Nach Tesch (1990) gibt es (neben der Reflexion) drei Typen qualitativer Forschung, die sich danach unterscheiden, worin der Schwerpunkt des Forschungsinteresses besteht:
- > Merkmale der Sprache zu untersuchen
- > Regelmäßigkeiten zu entdecken
- > Bedeutung eines Textes oder einer Handlung zu verstehen
- Die Grenzen zwischen einzelnen qualitativen Verfahren sind oft unscharf und die benutzten Begriffe nicht immer eindeutig definiert
Qualitative Inhaltsanalyse
- Dient zur systematischen Bearbeitung von Protokollen kommunikativer Prozesse
- Analyseverfahren für Texten, aber auch für musikalisches, bildliches, plastisches o.ä. Material, das in Form eines Protokolls festgehalten ist
- Keine Vorgaben für die Datensammlung, keine Festlegungen in Bezug auf die Verwendung des Analyseergebnisses für die Theoriebildung
- Abgrenzung von quantitativer Inhaltsanalyse: Kontext und „latente Sinnstrukturen“ werden nur unzureichend erfasst, Logik der Analyse zu wenig linguistisch fundiert
- > Überwindung dieser Unzulänglichkeiten durch höhere Flexibilität
- Abgrenzung zur „freien Textinterpretation“: willkürliche und verzerrte Interpretationen werden durch hohes Ausmaß an Strukturiertheit vermieden
- Drei Arten der Inhaltsanalyse nach Mayring
Mayring (1995) schlägt drei Arten von Inhaltsanalyse vor
- Zusammenfassende Inhaltsanalyse: Material wird so reduziert, dass die wesentlichen Inhalte übrig bleiben –> Ergebnis: überschaubarer Kurztext
- Explizierende Inhaltsanalyse: bei unklaren Textteilen wird Zusatzmaterial herangezogen, um Textstellen zu explizieren/verständlich zu machen
- Strukturierende Inhaltsanalyse: vorher festgelegte Ordnungskriterien, filtert bestimmte Struktur aus Material heraus
- > Strukturierungsdimensionen müssen aus Fragestellung abgeleitet und theoretisch begründet werden
- 2004 Ergänzung: induktive Kategorienbildung: Schrittweise Entwicklung von Kategorien aus dem Material, Fragestellung wirkt sich auf provisorische Festlegung der Kategorien aus
- > „Intercoder-Reliabilität“: Besonders in Anfangsphase begleitende (formative) Reliabilitätsprüfung, bei der mehrere „Inhaltsanalytiker“ ihre Codierungsergebnisse vergleichen; auch abschließende Reliabilitätsprüfung
Grounded Theory
- Wahrscheinlich am besten ausgearbeiteter, qualitativer sozialwissenschaftlicher Ansatz, von Barney Glaser und Anselm Strauss; später mehrfache Modifizierung
- Ziel: Entwicklung von auf empirische Forschung geründete (grounded) Theorien
- Datengrundlage: Texte im weiteren Sinn (transkribierte Interviews, Notizen während des Forschungsprozesses, Beobachtungsprotokolle usw.), die systematisch analysiert werden
- > Aus Analyse resultieren Konzepte und Einsichten oder Schlussfolgerungen (sog. Memos), die miteinander vernetzt werden und als Grundlage für Entwicklung einer Theorie dienen
- Keine eindeutige Festlegung der erkenntnistheoretischen Grundannahmen: meisten Anwender gehen von unabhängig existierender Realität aus, auf die zugegriffen werden kann
- Mittlerweile verschiedene Versionen der Grounded Theory
Verschiedene Versionen der Grounded Theory
Unterscheidung darin, ob Ansatz als „Kunstlehre“ oder „Technik“ verstanden wird
- V.a. Auswirkung auf Analyseprozess
- Glaser: Kategorien sind unmittelbar aus Daten ersichtlich, Transkribieren ist Zeitverschwendung, für guten Analytiker sind wichtige Inhalte offensichtlich
- Strauss: Methode muss lehr- & lernbar sein, detaillierte Regeln für Codierung
Codieren
Codiervorgang als Interaktion mit einem Text, bei der Interpretationen immer wieder am Text überprüft werden müssen
- Zeilenweises Codieren (Line Coding)
- Fokussiertes Codieren (focused coding)
Zeilenweises Codieren (Line Coding)
Für jede Zeile oder kleine Texteinheit wird versucht, eine geeignete Zusammenfassung zu finden, indem man die darin vorkommenden Aktionen oder Ereignisse definiert
-> Aufteilung in kleine Bedeutungseinheiten soll persönliche Interpretationen bzw. unreflektiertes Übernehmen verhindern
Fokussiertes Codieren (focused coding)
Zusammenfassen größerer Textteile oder Extrahieren übergreifender Themen
Offenes Codieren
- Zeilenweises und fokussiertes Codieren = „offenes Codieren“
- Ergebnis: Konzepte und Kategorien (Kategorien stärker ausdifferenziert)
- Bei Ableitung von Konzepten und Kategorien sollte immer „Methode des konstanten Vergleichs“ (constant comparison) angewandt werden
Methode des konstanten Vergleichs
Daten (Textstellen) in demselben und in unterschiedlichen Interviews miteinander vergleichen, aber auch resultierende zeilenweise und fokussierte Codes, sowie Einbettung der Konzepte und Kategorien in Kontext des analytischen Geschehens
- Bei Diskrepanzen muss Analyse revidiert werden
- Methode des konstanten Vergleichs soll sicher stellen, dass Analyseergebnisse so objektiv wie möglich -> sollte in allen Stadien der Analyse verwendet werden
Axiales Codieren
Umstrittener (von Glaser nicht empfohlener) Schritt in Codierungsarbeit
- Dimension einer Kategorie wird spezifiziert
- Als zentral angesehene Kategorien (Achsenkategorien) werden in Beziehungsnetz eingebettet, das aufgrund sehr kurzer Textsegmente, aber auch größerer Textabschnitte oder sogar des gesamten Textes erstellt wird
- Bsp.: Wenn man viel getrunken hat (Kontext) hat man (Bedingung) Kopfschmerzen (Achsenkategorie). Dann nimmt man Aspirin (Handlungsstrategie) und bald darauf geht es einem wieder besser (Konsequenzen).
- Schema des axialen Codierens nach Böhm:
Kontext und intervenierende Bedingungen, ursächliche Bedingungen und Handlungsstrategien spielen in die Kategorie. Kategorie spielt in Konsequenzen.