5 Quantitative Erhebungsmethoden (Sedlmeier) Flashcards
Mündliche Befragung: Vorteile und Nachteile
Vorteile:
- Umfassenderes Bild der befragten Person, z.B. durch nonverbale Signale
- Reaktion auf befragte Person möglich, z.B. durch Nachfragen oder Erklären
- Flexible Reaktion auf neue Ideen und Erkenntnisse
- Bei sensiblen Themen ergiebiger, wenn Vertrauensverhältnis besteht
Nachteile:
- Kosten und Zeitaufwand für beide beteiligten Parteien
- Ungünstig bei sensiblen Themen, da Befragte besorgt um Anonymität sein könnten
Schriftliche Befragung: Vorteile und Nachteile
Vorteile:
- Sehr ökonomisch und hohes Maß an Standardisierung
- Kein Interviewer-Einfluss und höherer Grad an Anonymität
Nachteile:
- Geringe Rücklaufquote (oft unter 50%)
- Oft keine oder nur unvollständige Ausfüllung der Fragebögen
- Keine Aussagen darüber möglich, in welchem Kontext der Fragebogen ausgefüllt wurde und wie lange die Bearbeitungszeit gedauert hat
- Mangelnde Flexibilität, z.B. wenn wichtige Aspekte im Fragebogen ausgelassen
Benutzen neuer Technologien
Traditionelle Befragungsformen –„Face-to-face“-Interview und Papierfragebogen – werden immer öfter durch Telefoninterviews und elektronische Fragebögen ersetzt
- Telefonbefragung
- Elektronische Fragebögen
- Emails oder Chatting
Telefonbefragung
- Deutlich ökonomischer als herkömmliche mündliche Befragung
- Teilweise Wahrnehmung nonverbale Signale -> aber Beobachtung entfällt
- Lösung: Computertelefonie mit Bildübertragung?
Elektrische Fragebögen
- Deutlich ökonomischer als Papierfragebögen
- Befragte glauben eher an Gewährleistung der Anonymität -> offeneres Antworten
- Weniger nachvollziehbar und kontrollierbar als bei Papierfragebögen, wer den Fragebogen ausgefüllt hat
Emails oder Chatting
- Flexibles Eingehen auf Äußerungen der Versuchsteilnehmer
- Zumindest eingeschränkte Verfügbarkeit von Zusatzinformationen, z.B. Reaktionszeit, Rechtschreibung
- Bislang jedoch kaum Erfahrungswerte über Vor- und Nachteile
Festgelegte Antwortmöglichkeiten (quantitative Befragung)
- Bei überwiegender Mehrzahl der psychologischen Studien, in denen Befragung stattfindet
- Vorteile:
- > Schnell und leicht auswertbare Ergebnisse
- > Einfacher und weniger aufwendig für Befragte
- > Bessere Vergleichbarkeit und Standardisierung
- Antwortmöglichkeiten müssen theoretisch fundiert sein
Freie Antwortmöglichkeiten (qualitative Befragung)
- Weit häufigere Verwendung bei mündlichen als bei schriftlichen Befragungen
- Eröffnen Forscher Möglichkeit, wirkliche Neuigkeiten zu erfahren
- > V.a. zu Beginn einer neuen Forschungsrichtung sehr nützlich
- Nachteil: meist mühselige Analyse der Gesprächsaufzeichnungen
- Analyse in Zahlen (Häufigkeit für bestimmte Kategorien) oder verbalen Zusammenfassungen
Einzelbefragung
- Bei mündlichen Befragungen oft unumgänglich -> hohes Maß an Flexibilität seitens des Befragenden notwendig
- Bei sensiblen Themen weniger Zurückhaltung als in Gruppe -> Vertrauensverhältnis wichtig!
Gruppenbefragung
- Vorteile:
- > Ökonomischer als Einzelbefragung
- > Bei Untersuchung von Gruppenprozessen inhaltlich sinnvoller
- > Ziele der Befragung: Brainstorming und Fokusgruppen
Brainstorming
- Finden kreativer Lösung für ein Problem
- Merkmale: Nicht-Bewertung der Äußerung und Einbindung in Gruppenprozess
- Nachteil: „schnelle“ Teilnehmer dominieren, „langsame“ werden demotiviert
- Abhilfe: Nominal Group Technique: Gruppenmitglieder notieren Einfälle zunächst für sich selbst, Sammlung der Einfälle erst nach gewisser Zeit
Fokusgruppen
Beschäftigung mit vorher festgelegter Fragestellung
- Z.B. wenn kein umfassender Einblick in Lebenswelt der Erforschten
- Ideal: Forscher stellt keine Fragen, Gruppe leistet – unbeeinträchtigt von Vorstellungen des Forschers – gesamte Arbeit
- Gruppe muss dafür für den zu untersuchenden Fokus interessiert werden
- Häufig Preisgabe von relativ intimen Informationen durch vertrauensvolle und offene Atmosphäre -> bei anderem kulturellen Hintergrund oder anderer Sprache im Einzelinterview nur schwer zu erreichen
Wie sehr standardisieren?
- Befragung soll so weit standardisiert werden, wie es für Untersuchung einer Forschungsfrage sinnvollerweise möglich ist
- Vorteile hoher Standardisierung: vergleichbare Aussagen der Befragten, leichte Auswertung
- Nachteile: ohne entsprechende theoretische Vorarbeit möglicherweise Vorenthalten interessanter und wichtiger Info, weil im (unzureichend) geplanten Interview nicht erfragt
- Geringe Standardisierung:
- Narratives oder episodisches Interview (selten in der Psychologie)
- Gruppendiskussionen
- Minimalmaß an Struktur notwendig: Fragen nach interessierenden Einzelheiten, Verhalten bei Abschweifen, wann Beendung des Interviews -> Leitfaden
Leitfaden-Interviews
- Z.B. Fokussiertes Interview, halbstandardisiertes Interview, problemzentriertes Interview, Experten-Interview, ethnografisches Interview
- Leitfadenerstellung: detaillierte Gedanken, was man wissen möchte; auf welche Fragen/ Fragenkomplexe möchte man antworten bekommen
- > Festlegung des äußeren Ablaufs: Begrüßung, Einführung des Themas, Einsatz technischer Hilfsmittel, zeitliche Vorgaben, Abschluss des Interviews
- Gedächtnisstütze während des Interviews: Wortlaut und Reihenfolge unwichtig
Standardisiertes Interview
- Fragen und Abfolge sind vorgegeben
- > Mündlich: bei Analphabeten oder Interesse am nonverbalen Verhalten
Erhebung bei Großteil psychologischer Studien
Standardisierte Fragebögen und Tests
Standardisierte Verfahren
- Theoriearbeit muss vorher geleistet werden
(Leitfaden-Interviews: Theoriearbeit beginnt meist erst nach Datenerhebung richtig) - Auswertung: Ergebnisse meist Zahlen -> statistische Verfahren
- (Nichtstandardisierte Verfahren: Ergebnisse in Zahlen transformieren oder mit sehr aufwendigen Verfahren verbal interpretieren)
Wichtigste Schritte beim Erstellen standardisierter Fragebögen und Tests
- Theoretische Vorarbeit
- Entscheidung über Form des Fragebogens
- Auswahl der Items (mit anschließender Revision): häufig Faktorenanalyse, um unpassende Items auszusondern
- Itemanalyse (Schwierigkeits- und Trennschärfenanalyse, mit anschließender Revision der Itemauswahl) (Trennschärfe = Item misst dasselbe wie gesamte Testskala)
Ziel der Itemanalyse: brauchbarer Kompromiss zwischen Schwierigkeit und Trennschärfe (abhängig von Intention des Tests, z.B. Hochbegabten-Test = mehr S., weniger T.) - Reliabilitätsbestimmung
- Validitätsbestimmung
- Normierung: Umwandlung der Rohwerte in Testwerte für unterschiedliche Gruppen -> Konstruktion einer Normalverteilung für die Testwerte mit festgelegtem Mittelwert und festgelegter Streuung
Potenzielle Probleme bei der Gestaltung und Anordnung von Items
- Soziale Erwünschtheit
- „Zusatzinformationen“ in der Frage
- Gestaltung der Antwortvorgaben
- Praktische Interpretation von Skalenwerten
Soziale Erwünschtheit
Kontrolle durch Itemkonstruktion und –selektion
- Bei vergleichbaren Items: Item mit geringerer sozialer Erwünschtheit auswählen
- „Ich schließe nicht leicht Bekanntschaften“ statt „Ich bin wenig kontaktfreudig“
Kontrolle durch Antwortmodus
- Entscheidung zwischen mehreren Items mit vergleichbarer sozialer Erwünschtheit
- „Ich helfe gern, wenn jemand in Schwierigkeiten ist“ (Hilfsbereitschaft) vs. „Ich gebe immer mein Bestes“ (Leistungsbereitschaft)
Kontrolle durch Tempo-Instruktion
- Befragte haben wenig Zeit, sich über soziale Erwünschtheit Gedanken zu machen
Kontrolle durch garantierte Anonymität
Kontrollskalen, um Tendenz einer Person einzuschätzen, sozial erwünscht zu antworten
- Getrennte Auswertung für Personen mit hoher und niedriger Tendenz
„Zusatzinformationen“ in der Frage
- Bei steigender Zahl von Antwortvorgaben sinkt Wahrscheinlichkeit, dass spezifische Vorgabe ausgewählt wird
- Wenn bei gleicher Antwortanzahl eine sehr relevante nur mit eher irrelevanten vergleicht wird, steigt Wahrscheinlichkeit, dass erstere ausgewählt wird
- Lösung: vorherige inhaltliche Analyse, um alle relevanten Antwortmöglichkeiten zu finden
- Zeitraum, der in der Frage angesprochen wird (Ärgernisse der letzten Woche vs. des letzten Jahres) -> präzisere Formulierung (welche Art von Ärgernissen ist gemeint?)
- Änderung der Vergleichsrichtung = Umkehrung der Vergleichsurteile (Ausgangsbasis hat mehr Gewicht)
Gestaltung der Antwortvorgaben
Unipolare (0 bis 10) vs. bipolare (-5 bis +5) Skalenwerte
- Höhere Einschätzung bei bipolarer Skala
Kleinere vs. größere Intervalle in den Antwortmöglichkeiten
- Tendenz zur Mitte -> bei größeren Intervallen größerer Mittelwert
- Lösung: direkt nach (relativer) Häufigkeit fragen
Allgemein: Antworten in der Mitte werden häufiger angekreuzt als Antworten am Rand
- Lösung: unterschiedliche Varianten der Skala ausgeben und Werte mitteln
Praktische Interpretation von Skalenwerten
- Skalenwerte sind häufig nicht eindeutig interpretierbar
- Lösung: Skalenwerte mit gut interpretierbaren Verhaltensmaßen verbinden, oder direkt mit Verhaltensmaßen arbeiten (Skalenwerte: z.B. Zufriedenheit mit eigener Ehe auf einer Skala von 0-10, Verhaltensmaße: Anzahl, Länge und Schwere der Streitereien pro Woche)
Interviewereffekte
- Interviewer sollte sich seiner Meinungen und Einstellungen in Bezug auf befragte Gruppe/Thema der Befragung bewusst sein, um nicht durch gezeigte Erwartungen/Vorurteile das Verhalten der Befragten zu beeinflussen
- > Vermeidung von suggestiven Formulierungen und voreiligen Interpretationen
- Inhaltliche Kompetenz, Interesse für Thema und andere Menschen, Flexibilität bei sich ändernden Situationen, psychische Belastbarkeit
- Ältere Interviewer scheinen insgesamt erfolgreicher zu sein als jüngere
Antwortverweigerung
- Verweigerungsquote bei mündlichen Befragungen geringer als bei schriftlichen
- Was hat Interviewte davon? Geld, Aufklärung über Untersuchungsergebnisse, Mitteilungsdrang
Theoriengenerierung vs. Theorienüberprüfung
- Bei Start neuer Forschungsrichtung: Entwicklung eines standardisierten Fragebogens verfrüht, da nicht alle inhaltlichen Aspekte erfasst sind
- Erkenntnisse aus nicht-standardisierten Befragungen für Modifikationen nutzen
- Bei gut ausgearbeiteten Theorien -> Theorienüberprüfung durch Erarbeitung fundierter Fragebögen
Theoriengenerierung vs. Theorienüberprüfung
- Bei Start neuer Forschungsrichtung: Entwicklung eines standardisierten Fragebogens verfrüht, da nicht alle inhaltlichen Aspekte erfasst sind
- Erkenntnisse aus nicht-standardisierten Befragungen für Modifikationen nutzen
- Bei gut ausgearbeiteten Theorien -> Theorienüberprüfung durch Erarbeitung fundierter Fragebögen
Theoriengenerierung vs. Theorienüberprüfung
- Bei Start neuer Forschungsrichtung: Entwicklung eines standardisierten Fragebogens verfrüht, da nicht alle inhaltlichen Aspekte erfasst sind
- Erkenntnisse aus nicht-standardisierten Befragungen für Modifikationen nutzen
- Bei gut ausgearbeiteten Theorien -> Theorienüberprüfung durch Erarbeitung fundierter Fragebögen
Sensible Themen
Bei umfassender Untersuchung eines Themas:
- Vertrauensvolle persönliche Basis und Gewährleistung der Anonymität
- Am besten: mündliches, wenig strukturiertes Interview -> mehrere anstatt nur eins
Bei gemachter theoretischer Arbeit und Bestreben nach generalisierbaren Aussagen:
- Schriftliche Befragung mit Gewährleistung der Anonymität
Ablaufplanung
- Bei jeder Art der Befragung Klärung des zeitlichen und organisatorischen Ablaufs: Finanzierung, Personal, Zeitumfang, Umgang mit wenig Rücklauf, Beendigung
- Besonders wichtig beim mündlichen Interview
Probedurchgänge
Mit Probanden der Zielgruppe -> Vermeidung von „Betriebsblindheit“
Gestaltung von Fragebögen und standardisierten Interviews
Vor Einsetzen (auch vor Probedurchgang) Fragen auf Sinnhaftigkeit, Verständlichkeit und passende Reihenfolge überprüfen:
- Ist jede Frage erforderlich? Wiederholungen? (evtl. funktional) Sequenzeffekt?
- Einfache und eindeutige Formulierung? (Zu allgemein oder Doppelverneinung?)
- Sensibel genug formuliert? Angemessene Antwortvorgaben?
- Beantwortbare Fragen? Wenig informativ? (Jeder antwortet mit ja)
- Eindeutige Interpretation möglich? Genügend Abwechslung?
- Extreme Quantifizierung? (immer, alle, nie, keiner)
- Gut durchdachte Eröffnungs-/Schließungsfragen?
Theorie und Beobachtung
In der Psychologie wird meist gut ausgearbeitete Theorie genutzt, um Beobachtung zu strukturieren und systematisch zu planen
-> erst Theorie, DANN Beobachtung
Offen oder verdeckt?
- Verdeckt selten möglich: Untypische Reaktionen bei offener Beobachtung dauern meist aber nur kurz an, und normalisieren sich schnell wieder
- Beobachtungen in natürlichen sozialen Kontexten (Kneipe, Kaufhaus) häufig offen, werden dennoch nicht bemerkt -> ethische Vertretbarkeit
- Verdeckt Beobachtungen sind in vielen Fällen unethisch, v.a. bei Nachteilen für Beobachtete
- Beobachtungen sollten –wenn möglich– offen durchgeführt werden
Wie sehr in die Beobachtungssituation eingreifen?
- Bei selten auftretenden Verhaltensweisen -> Präparierte Situationen (bekannt durch Piaget)
- > Häufig in Entwicklungspsychologie (z.B. Beobachten von Lösungsstrategien)
- Gezielte Variation der Untersuchungsbedingungen
- Z.B. Crusco & Wetzel (1984): Männer gaben weiblicher Bedienung mehr Trinkgeld als Frauen
- > Gaben mehr Trinkgeld, wenn sie berührt wurden (Schulter/Hand: kein Unterschied)
- Beobachtungssituation kann auch in Gänze neu geschaffen werden
- > Bei vielen Experimenten in psychologischen Laboren der Fall
- Bei Generalisierungen aufs Alltagsleben: möglichst wenig Eingreifen
- Bei Kausalschlüssen: Ausschluss von Alternativerklärungen in Laborexperimenten mit maximaler Kontrolle
Teilnehmend oder nicht?
- Bsp. für teilnehmende Beobachtung: Jahoda, Lazarsfeld & Zeistel (1932)
- > Auswirkungen von Langzeitarbeitslosigkeit in Marienthal (bei Wien)
- In Psychologie sind längere teilnehmende Beobachtungen eher selten
- Rosenhan et al. (1973): Einschleichen in Psychiatrie ohne entdeckt zu werden
- Durch teilnehmende (oft verdeckte) Beobachtungen: tiefe Einblicke in unübliche Situationen
- Nachteil: „going native“ -> nach einiger Zeit des Mitlebens schwierig objektiv zu bleiben
Wie sehr standardisieren?
- Wenig standardisieren, wenn wenig bekannt, um wichtige Verhaltensweisen nicht zu übersehen / viel standardisieren, wenn umfassende Theorie besteht
- Zeitstichprobe (Beobachtung zu bestimmten Zeiten) vs. Ereignisstichprobe
- Generell: Beobachtungen sollen so sehr standardisiert werden, wie möglich
- > Erleichtert Beobachtung, ermöglicht Vergleichbarkeit, vereinfacht Auswertung
Selbstbeobachtung
Klassische Form: Introspektion (Beobachtung eigener Denk- und Urteilsprozesse)
- Professor als VP, Assistent als VL -> „Selbstbeobachter“ soll besser erfassen als VL
- Wurde im Laufe der Zeit aufgegeben
-> Selbstbeobachtung gewinnt wieder an Bedeutung: Forschung nach Bewusstseinszuständen
Kritik an Selbstbeobachtung
- Kritik von Nisbett & Wilson (1977): geringe Genauigkeit, möglicherweise kaum Zugriff auf eigene kognitive Prozesse möglich
- White (1988): Argumente von Nisbett & Wilson treffen nur teilweise zu -> Beschriebene Studien mit untrainierten College-Studenten/unerfahrenen Forschern
Ericsson & Simon (1984): Bedingungen unter denen Selbstbeobachtung sinnvoll ist
- Bei expliziten Denkprozessen: Wie muss man vorgehen, um IKEA-Regal aufzubauen?
- Nicht bei automatischen Denk- und Handlungsprozessen: Fahrrad fahren
- Selbstbeobachtung braucht Übung
- Ein zweiter geschulter Beobachter assistiert bei der Selbstbeobachtung
- Hindernis: sofort Interpretation der Beobachtung -> Berichten der Interpretation
- > Zweiter Beobachter sensibilisiert Selbstbeobachter
- > Sollte inhaltlich Bescheid wissen, um Selbstbeobachter zu verstehen
Non-reaktive Beobachtung
- Beobachtung von Spuren -> kann keine Reaktion vom Beobachteten hervorrufen
- > z.B. Graffiti, die auf Weltanschauungen von Jugendlichen hindeuten; Flaschen im Müll auf Alkoholkonsum; verkaufte Lebensmittel über Ernährungsgewohnheiten
- Studium von Statistiken oder Archiven, z.B. Steuerstatistik, Zeitungsüberschriften, …
- Müssen sich nicht immer auf Vergangenes beziehen
- > Auch verdeckte Beobachtungen können non-reaktiv sein
- Gigerenzer (2004): in 3 Folgemonaten nach 9/11 mehr Tode durch Autounfälle als durch Terroranschläge auf Flugzeuge -> Furcht vor Terroranschlägen steigerte Risiko, tödlich zu verunglücken (Autofahren gefährlicher als Flugzeug)
Fehlermöglichkeiten bei Beobachtungen
- Ungenaue Beobachtungen
- Reaktivität der Beobachteten
- Observer-Bias
- Interpretationsfehler
- Gedächtnisfehler
Maßnahmen gegen ungenaue Beobachtungen
- Aufzeichnung der Beobachtung -> sorgfältige Planung, evtl. Drehbuch
- Schulungen für Beobachter
- Erhöhung des Standardisierungsgrades
- Beobachtungsgüte überprüfen: Vergleich der Ergebnisse mehrerer Beobachter
Reaktivität der Beobachteten und Gegenmaßnahmen
- Abschätzung der Größe des direkten Beobachtungseffekts durch Befragung von Bezugspersonen („Ist Tilman sonst auch so aufgedreht?“)
- Rosenthal-Effekt: Beobachtete reagieren auf Erwartungen des Beobachtenden
- > Auch Pygmalion-Effekt -> griechische Mythologie
- Gegenmaßnahme: Blind- bzw. Doppelblindstudie -> Beobachtete (und Beobachtende) wissen nicht, welche Ergebnisse erwartet werden
Observer-Bias und Gegenmaßnahmen
- Effekte, die die Wahrnehmung des Beobachters systematisch verfälschen
- Halo-Effekt: Gesamteindruck bzw. bestimmtes Merkmal beeinflusst Wahrnehmung anderer Merkmale
- Observer-Drift: Standard des Beobachters verändert sich über die Zeit hinweg systematisch
- > Z.B. durch Ermüdung, nachlassende Motivation, zunehmende Vertrautheit mit Beobachtungsgegenstand
- > V.a. Problem, wenn Beobachtungskategorien nicht genau definiert sind
- Gegenmaßnahme: hohes Maß an Standardisierung und Beobachtungsperioden, die Beobachter ohne Konzentrationsverlust durcharbeiten kann
- Kontrasteffekt: unmerklich bessere Leistungen werden nach schlechter überbewertet
- Anker-Effekt: mittelmäßige Leistung wird als sehr gut kategorisiert
- > Auch alle folgenden mittelmäßigen Leistungen werden als sehr gut eingeschätzt
- Gegenmaßnahme: Standardisierung -> genaue Spezifikation der zu benutzenden Bewertungskategorien
Interpretationsfehler und Gegenmaßnahmen
- Irrelevante Einflüsse (z.B. Aussehen, soziale Herkunft) haben Einfluss auf Interpretation
- Gegenmaßnahme: hohes Maß an Standardisierung -> durch gründliche theoretische Vorarbeit gewährleistet
Gedächtnisfehler und Gegenmaßnahmen
- Systematische Verfälschung von Gedächtnisinhalten, wenn Beobachtungen aus Gedächtnis wiedergegeben werden
- Gegenmaßnahme: Videoaufnahmen oder unmittelbare Protokollierung mit möglichst gut standardisierter Vorgabe; Schulung der Beobachter
Wann welche Form von Beobachtung?
- Am Anfang einer Forschungsrichtung: Beobachtung so frei wie möglich
- Bei Theorieprüfung: hohes Maß an Standardisierung
Was sollte vor der Beobachtung vorbereitet sein?
Zumindest grober Ablaufplan sollte vorliegen (ähnlich der mündlichen Befragung)
- Wann beobachten? Wie verhalten? Was beobachten? …
- Technische Belange und vorheriges Training der Beobachter
Generalisierbarkeit von Befragungs- und Beobachtungsergebnissen
- Externe Validität: bei für die Population repräsentativer Stichprobe können Ergebnisse auf die Population generalisiert werden
- Repräsentativität hängt von Aspekten der verwendeten Situationen und der untersuchten Personen ab
Auswahl der Situation
- Bei Verhalten, das stark von sozialen Werten, Normen und der Ab- und Anwesenheit anderer Personen abhängig ist -> Beobachtungsstudie/Interview in entsprechender Situation
- Wenn Untersuchungsergebnisse nicht von Untersuchungssituation abhängen, z.B. bei Wahrnehmung oder Informationsverarbeitung -> Untersuchung im Labor
Auswahl der Studienteilnehmer
- Getrennte Analyse nach Einkommen, Alter, usw.
- Zufallsauswahl, z.B. aus dem Melderegister -> bester Garant für hohe externe Validität
- 1948 falsche Vorhersage von Wahlergebnissen trotz „Quotenmethode“:
- Republikaner im Durchschnitt wohlhabender und besser ausgebildet -> hatten mit höherer Wahrscheinlichkeit Telefon und lebten in schöneren Gegenden innerhalb der vorgegebenen Wohnbezirke -> leichter aufzufinden und zu interviewen
- Republikaner-Kandidat wurde fälschlicherweise Wahl-Sieg vorausgesagt