5 Quantitative Erhebungsmethoden (Sedlmeier) Flashcards

1
Q

Mündliche Befragung: Vorteile und Nachteile

A

Vorteile:

  • Umfassenderes Bild der befragten Person, z.B. durch nonverbale Signale
  • Reaktion auf befragte Person möglich, z.B. durch Nachfragen oder Erklären
  • Flexible Reaktion auf neue Ideen und Erkenntnisse
  • Bei sensiblen Themen ergiebiger, wenn Vertrauensverhältnis besteht

Nachteile:

  • Kosten und Zeitaufwand für beide beteiligten Parteien
  • Ungünstig bei sensiblen Themen, da Befragte besorgt um Anonymität sein könnten
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2
Q

Schriftliche Befragung: Vorteile und Nachteile

A

Vorteile:

  • Sehr ökonomisch und hohes Maß an Standardisierung
  • Kein Interviewer-Einfluss und höherer Grad an Anonymität

Nachteile:

  • Geringe Rücklaufquote (oft unter 50%)
  • Oft keine oder nur unvollständige Ausfüllung der Fragebögen
  • Keine Aussagen darüber möglich, in welchem Kontext der Fragebogen ausgefüllt wurde und wie lange die Bearbeitungszeit gedauert hat
  • Mangelnde Flexibilität, z.B. wenn wichtige Aspekte im Fragebogen ausgelassen
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3
Q

Benutzen neuer Technologien

A

Traditionelle Befragungsformen –„Face-to-face“-Interview und Papierfragebogen – werden immer öfter durch Telefoninterviews und elektronische Fragebögen ersetzt

  • Telefonbefragung
  • Elektronische Fragebögen
  • Emails oder Chatting
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4
Q

Telefonbefragung

A
  • Deutlich ökonomischer als herkömmliche mündliche Befragung
  • Teilweise Wahrnehmung nonverbale Signale -> aber Beobachtung entfällt
  • Lösung: Computertelefonie mit Bildübertragung?
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5
Q

Elektrische Fragebögen

A
  • Deutlich ökonomischer als Papierfragebögen
  • Befragte glauben eher an Gewährleistung der Anonymität -> offeneres Antworten
  • Weniger nachvollziehbar und kontrollierbar als bei Papierfragebögen, wer den Fragebogen ausgefüllt hat
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6
Q

Emails oder Chatting

A
  • Flexibles Eingehen auf Äußerungen der Versuchsteilnehmer
  • Zumindest eingeschränkte Verfügbarkeit von Zusatzinformationen, z.B. Reaktionszeit, Rechtschreibung
  • Bislang jedoch kaum Erfahrungswerte über Vor- und Nachteile
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7
Q

Festgelegte Antwortmöglichkeiten (quantitative Befragung)

A
  • Bei überwiegender Mehrzahl der psychologischen Studien, in denen Befragung stattfindet
  • Vorteile:
  • > Schnell und leicht auswertbare Ergebnisse
  • > Einfacher und weniger aufwendig für Befragte
  • > Bessere Vergleichbarkeit und Standardisierung
  • Antwortmöglichkeiten müssen theoretisch fundiert sein
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8
Q

Freie Antwortmöglichkeiten (qualitative Befragung)

A
  • Weit häufigere Verwendung bei mündlichen als bei schriftlichen Befragungen
  • Eröffnen Forscher Möglichkeit, wirkliche Neuigkeiten zu erfahren
  • > V.a. zu Beginn einer neuen Forschungsrichtung sehr nützlich
  • Nachteil: meist mühselige Analyse der Gesprächsaufzeichnungen
  • Analyse in Zahlen (Häufigkeit für bestimmte Kategorien) oder verbalen Zusammenfassungen
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9
Q

Einzelbefragung

A
  • Bei mündlichen Befragungen oft unumgänglich -> hohes Maß an Flexibilität seitens des Befragenden notwendig
  • Bei sensiblen Themen weniger Zurückhaltung als in Gruppe -> Vertrauensverhältnis wichtig!
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10
Q

Gruppenbefragung

A
  • Vorteile:
  • > Ökonomischer als Einzelbefragung
  • > Bei Untersuchung von Gruppenprozessen inhaltlich sinnvoller
  • > Ziele der Befragung: Brainstorming und Fokusgruppen
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11
Q

Brainstorming

A
  • Finden kreativer Lösung für ein Problem
  • Merkmale: Nicht-Bewertung der Äußerung und Einbindung in Gruppenprozess
  • Nachteil: „schnelle“ Teilnehmer dominieren, „langsame“ werden demotiviert
  • Abhilfe: Nominal Group Technique: Gruppenmitglieder notieren Einfälle zunächst für sich selbst, Sammlung der Einfälle erst nach gewisser Zeit
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12
Q

Fokusgruppen

A

Beschäftigung mit vorher festgelegter Fragestellung

  • Z.B. wenn kein umfassender Einblick in Lebenswelt der Erforschten
  • Ideal: Forscher stellt keine Fragen, Gruppe leistet – unbeeinträchtigt von Vorstellungen des Forschers – gesamte Arbeit
  • Gruppe muss dafür für den zu untersuchenden Fokus interessiert werden
  • Häufig Preisgabe von relativ intimen Informationen durch vertrauensvolle und offene Atmosphäre -> bei anderem kulturellen Hintergrund oder anderer Sprache im Einzelinterview nur schwer zu erreichen
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13
Q

Wie sehr standardisieren?

A
  • Befragung soll so weit standardisiert werden, wie es für Untersuchung einer Forschungsfrage sinnvollerweise möglich ist
  • Vorteile hoher Standardisierung: vergleichbare Aussagen der Befragten, leichte Auswertung
  • Nachteile: ohne entsprechende theoretische Vorarbeit möglicherweise Vorenthalten interessanter und wichtiger Info, weil im (unzureichend) geplanten Interview nicht erfragt
  • Geringe Standardisierung:
  • Narratives oder episodisches Interview (selten in der Psychologie)
  • Gruppendiskussionen
  • Minimalmaß an Struktur notwendig: Fragen nach interessierenden Einzelheiten, Verhalten bei Abschweifen, wann Beendung des Interviews -> Leitfaden
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14
Q

Leitfaden-Interviews

A
  • Z.B. Fokussiertes Interview, halbstandardisiertes Interview, problemzentriertes Interview, Experten-Interview, ethnografisches Interview
  • Leitfadenerstellung: detaillierte Gedanken, was man wissen möchte; auf welche Fragen/ Fragenkomplexe möchte man antworten bekommen
  • > Festlegung des äußeren Ablaufs: Begrüßung, Einführung des Themas, Einsatz technischer Hilfsmittel, zeitliche Vorgaben, Abschluss des Interviews
  • Gedächtnisstütze während des Interviews: Wortlaut und Reihenfolge unwichtig
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15
Q

Standardisiertes Interview

A
  • Fragen und Abfolge sind vorgegeben

- > Mündlich: bei Analphabeten oder Interesse am nonverbalen Verhalten

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16
Q

Erhebung bei Großteil psychologischer Studien

A

Standardisierte Fragebögen und Tests

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17
Q

Standardisierte Verfahren

A
  • Theoriearbeit muss vorher geleistet werden
    (Leitfaden-Interviews: Theoriearbeit beginnt meist erst nach Datenerhebung richtig)
  • Auswertung: Ergebnisse meist Zahlen -> statistische Verfahren
  • (Nichtstandardisierte Verfahren: Ergebnisse in Zahlen transformieren oder mit sehr aufwendigen Verfahren verbal interpretieren)
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18
Q

Wichtigste Schritte beim Erstellen standardisierter Fragebögen und Tests

A
  1. Theoretische Vorarbeit
  2. Entscheidung über Form des Fragebogens
  3. Auswahl der Items (mit anschließender Revision): häufig Faktorenanalyse, um unpassende Items auszusondern
  4. Itemanalyse (Schwierigkeits- und Trennschärfenanalyse, mit anschließender Revision der Itemauswahl) (Trennschärfe = Item misst dasselbe wie gesamte Testskala)
    Ziel der Itemanalyse: brauchbarer Kompromiss zwischen Schwierigkeit und Trennschärfe (abhängig von Intention des Tests, z.B. Hochbegabten-Test = mehr S., weniger T.)
  5. Reliabilitätsbestimmung
  6. Validitätsbestimmung
  7. Normierung: Umwandlung der Rohwerte in Testwerte für unterschiedliche Gruppen -> Konstruktion einer Normalverteilung für die Testwerte mit festgelegtem Mittelwert und festgelegter Streuung
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19
Q

Potenzielle Probleme bei der Gestaltung und Anordnung von Items

A
  • Soziale Erwünschtheit
  • „Zusatzinformationen“ in der Frage
  • Gestaltung der Antwortvorgaben
  • Praktische Interpretation von Skalenwerten
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20
Q

Soziale Erwünschtheit

A

Kontrolle durch Itemkonstruktion und –selektion

  • Bei vergleichbaren Items: Item mit geringerer sozialer Erwünschtheit auswählen
  • „Ich schließe nicht leicht Bekanntschaften“ statt „Ich bin wenig kontaktfreudig“

Kontrolle durch Antwortmodus

  • Entscheidung zwischen mehreren Items mit vergleichbarer sozialer Erwünschtheit
  • „Ich helfe gern, wenn jemand in Schwierigkeiten ist“ (Hilfsbereitschaft) vs. „Ich gebe immer mein Bestes“ (Leistungsbereitschaft)

Kontrolle durch Tempo-Instruktion
- Befragte haben wenig Zeit, sich über soziale Erwünschtheit Gedanken zu machen

Kontrolle durch garantierte Anonymität

Kontrollskalen, um Tendenz einer Person einzuschätzen, sozial erwünscht zu antworten
- Getrennte Auswertung für Personen mit hoher und niedriger Tendenz

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21
Q

„Zusatzinformationen“ in der Frage

A
  • Bei steigender Zahl von Antwortvorgaben sinkt Wahrscheinlichkeit, dass spezifische Vorgabe ausgewählt wird
  • Wenn bei gleicher Antwortanzahl eine sehr relevante nur mit eher irrelevanten vergleicht wird, steigt Wahrscheinlichkeit, dass erstere ausgewählt wird
  • Lösung: vorherige inhaltliche Analyse, um alle relevanten Antwortmöglichkeiten zu finden
  • Zeitraum, der in der Frage angesprochen wird (Ärgernisse der letzten Woche vs. des letzten Jahres) -> präzisere Formulierung (welche Art von Ärgernissen ist gemeint?)
  • Änderung der Vergleichsrichtung = Umkehrung der Vergleichsurteile (Ausgangsbasis hat mehr Gewicht)
22
Q

Gestaltung der Antwortvorgaben

A

Unipolare (0 bis 10) vs. bipolare (-5 bis +5) Skalenwerte
- Höhere Einschätzung bei bipolarer Skala

Kleinere vs. größere Intervalle in den Antwortmöglichkeiten

  • Tendenz zur Mitte -> bei größeren Intervallen größerer Mittelwert
  • Lösung: direkt nach (relativer) Häufigkeit fragen

Allgemein: Antworten in der Mitte werden häufiger angekreuzt als Antworten am Rand
- Lösung: unterschiedliche Varianten der Skala ausgeben und Werte mitteln

23
Q

Praktische Interpretation von Skalenwerten

A
  • Skalenwerte sind häufig nicht eindeutig interpretierbar
  • Lösung: Skalenwerte mit gut interpretierbaren Verhaltensmaßen verbinden, oder direkt mit Verhaltensmaßen arbeiten (Skalenwerte: z.B. Zufriedenheit mit eigener Ehe auf einer Skala von 0-10, Verhaltensmaße: Anzahl, Länge und Schwere der Streitereien pro Woche)
24
Q

Interviewereffekte

A
  • Interviewer sollte sich seiner Meinungen und Einstellungen in Bezug auf befragte Gruppe/Thema der Befragung bewusst sein, um nicht durch gezeigte Erwartungen/Vorurteile das Verhalten der Befragten zu beeinflussen
  • > Vermeidung von suggestiven Formulierungen und voreiligen Interpretationen
  • Inhaltliche Kompetenz, Interesse für Thema und andere Menschen, Flexibilität bei sich ändernden Situationen, psychische Belastbarkeit
  • Ältere Interviewer scheinen insgesamt erfolgreicher zu sein als jüngere
25
Antwortverweigerung
- Verweigerungsquote bei mündlichen Befragungen geringer als bei schriftlichen - Was hat Interviewte davon? Geld, Aufklärung über Untersuchungsergebnisse, Mitteilungsdrang
26
Theoriengenerierung vs. Theorienüberprüfung - Bei Start neuer Forschungsrichtung: Entwicklung eines standardisierten Fragebogens verfrüht, da nicht alle inhaltlichen Aspekte erfasst sind - Erkenntnisse aus nicht-standardisierten Befragungen für Modifikationen nutzen - Bei gut ausgearbeiteten Theorien -> Theorienüberprüfung durch Erarbeitung fundierter Fragebögen
Theoriengenerierung vs. Theorienüberprüfung - Bei Start neuer Forschungsrichtung: Entwicklung eines standardisierten Fragebogens verfrüht, da nicht alle inhaltlichen Aspekte erfasst sind - Erkenntnisse aus nicht-standardisierten Befragungen für Modifikationen nutzen - Bei gut ausgearbeiteten Theorien -> Theorienüberprüfung durch Erarbeitung fundierter Fragebögen
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Theoriengenerierung vs. Theorienüberprüfung
- Bei Start neuer Forschungsrichtung: Entwicklung eines standardisierten Fragebogens verfrüht, da nicht alle inhaltlichen Aspekte erfasst sind - Erkenntnisse aus nicht-standardisierten Befragungen für Modifikationen nutzen - Bei gut ausgearbeiteten Theorien -> Theorienüberprüfung durch Erarbeitung fundierter Fragebögen
28
Sensible Themen
Bei umfassender Untersuchung eines Themas: - Vertrauensvolle persönliche Basis und Gewährleistung der Anonymität - Am besten: mündliches, wenig strukturiertes Interview -> mehrere anstatt nur eins Bei gemachter theoretischer Arbeit und Bestreben nach generalisierbaren Aussagen: - Schriftliche Befragung mit Gewährleistung der Anonymität
29
Ablaufplanung
- Bei jeder Art der Befragung Klärung des zeitlichen und organisatorischen Ablaufs: Finanzierung, Personal, Zeitumfang, Umgang mit wenig Rücklauf, Beendigung - Besonders wichtig beim mündlichen Interview
30
Probedurchgänge
Mit Probanden der Zielgruppe -> Vermeidung von „Betriebsblindheit“
31
Gestaltung von Fragebögen und standardisierten Interviews
Vor Einsetzen (auch vor Probedurchgang) Fragen auf Sinnhaftigkeit, Verständlichkeit und passende Reihenfolge überprüfen: - Ist jede Frage erforderlich? Wiederholungen? (evtl. funktional) Sequenzeffekt? - Einfache und eindeutige Formulierung? (Zu allgemein oder Doppelverneinung?) - Sensibel genug formuliert? Angemessene Antwortvorgaben? - Beantwortbare Fragen? Wenig informativ? (Jeder antwortet mit ja) - Eindeutige Interpretation möglich? Genügend Abwechslung? - Extreme Quantifizierung? (immer, alle, nie, keiner) - Gut durchdachte Eröffnungs-/Schließungsfragen?
32
Theorie und Beobachtung
In der Psychologie wird meist gut ausgearbeitete Theorie genutzt, um Beobachtung zu strukturieren und systematisch zu planen -> erst Theorie, DANN Beobachtung
33
Offen oder verdeckt?
- Verdeckt selten möglich: Untypische Reaktionen bei offener Beobachtung dauern meist aber nur kurz an, und normalisieren sich schnell wieder - Beobachtungen in natürlichen sozialen Kontexten (Kneipe, Kaufhaus) häufig offen, werden dennoch nicht bemerkt -> ethische Vertretbarkeit - Verdeckt Beobachtungen sind in vielen Fällen unethisch, v.a. bei Nachteilen für Beobachtete - Beobachtungen sollten –wenn möglich– offen durchgeführt werden
34
Wie sehr in die Beobachtungssituation eingreifen?
- Bei selten auftretenden Verhaltensweisen -> Präparierte Situationen (bekannt durch Piaget) - > Häufig in Entwicklungspsychologie (z.B. Beobachten von Lösungsstrategien) - Gezielte Variation der Untersuchungsbedingungen - Z.B. Crusco & Wetzel (1984): Männer gaben weiblicher Bedienung mehr Trinkgeld als Frauen - > Gaben mehr Trinkgeld, wenn sie berührt wurden (Schulter/Hand: kein Unterschied) - Beobachtungssituation kann auch in Gänze neu geschaffen werden - > Bei vielen Experimenten in psychologischen Laboren der Fall - Bei Generalisierungen aufs Alltagsleben: möglichst wenig Eingreifen - Bei Kausalschlüssen: Ausschluss von Alternativerklärungen in Laborexperimenten mit maximaler Kontrolle
35
Teilnehmend oder nicht?
- Bsp. für teilnehmende Beobachtung: Jahoda, Lazarsfeld & Zeistel (1932) - > Auswirkungen von Langzeitarbeitslosigkeit in Marienthal (bei Wien) - In Psychologie sind längere teilnehmende Beobachtungen eher selten - Rosenhan et al. (1973): Einschleichen in Psychiatrie ohne entdeckt zu werden - Durch teilnehmende (oft verdeckte) Beobachtungen: tiefe Einblicke in unübliche Situationen - Nachteil: „going native“ -> nach einiger Zeit des Mitlebens schwierig objektiv zu bleiben
36
Wie sehr standardisieren?
- Wenig standardisieren, wenn wenig bekannt, um wichtige Verhaltensweisen nicht zu übersehen / viel standardisieren, wenn umfassende Theorie besteht - Zeitstichprobe (Beobachtung zu bestimmten Zeiten) vs. Ereignisstichprobe - Generell: Beobachtungen sollen so sehr standardisiert werden, wie möglich - > Erleichtert Beobachtung, ermöglicht Vergleichbarkeit, vereinfacht Auswertung
37
Selbstbeobachtung
Klassische Form: Introspektion (Beobachtung eigener Denk- und Urteilsprozesse) - Professor als VP, Assistent als VL -> „Selbstbeobachter“ soll besser erfassen als VL - Wurde im Laufe der Zeit aufgegeben -> Selbstbeobachtung gewinnt wieder an Bedeutung: Forschung nach Bewusstseinszuständen
38
Kritik an Selbstbeobachtung
- Kritik von Nisbett & Wilson (1977): geringe Genauigkeit, möglicherweise kaum Zugriff auf eigene kognitive Prozesse möglich - White (1988): Argumente von Nisbett & Wilson treffen nur teilweise zu -> Beschriebene Studien mit untrainierten College-Studenten/unerfahrenen Forschern
39
Ericsson & Simon (1984): Bedingungen unter denen Selbstbeobachtung sinnvoll ist
- Bei expliziten Denkprozessen: Wie muss man vorgehen, um IKEA-Regal aufzubauen? - Nicht bei automatischen Denk- und Handlungsprozessen: Fahrrad fahren - Selbstbeobachtung braucht Übung - Ein zweiter geschulter Beobachter assistiert bei der Selbstbeobachtung - Hindernis: sofort Interpretation der Beobachtung -> Berichten der Interpretation - > Zweiter Beobachter sensibilisiert Selbstbeobachter - > Sollte inhaltlich Bescheid wissen, um Selbstbeobachter zu verstehen
40
Non-reaktive Beobachtung
- Beobachtung von Spuren -> kann keine Reaktion vom Beobachteten hervorrufen - > z.B. Graffiti, die auf Weltanschauungen von Jugendlichen hindeuten; Flaschen im Müll auf Alkoholkonsum; verkaufte Lebensmittel über Ernährungsgewohnheiten - Studium von Statistiken oder Archiven, z.B. Steuerstatistik, Zeitungsüberschriften, … - Müssen sich nicht immer auf Vergangenes beziehen - > Auch verdeckte Beobachtungen können non-reaktiv sein - Gigerenzer (2004): in 3 Folgemonaten nach 9/11 mehr Tode durch Autounfälle als durch Terroranschläge auf Flugzeuge -> Furcht vor Terroranschlägen steigerte Risiko, tödlich zu verunglücken (Autofahren gefährlicher als Flugzeug)
41
Fehlermöglichkeiten bei Beobachtungen
- Ungenaue Beobachtungen - Reaktivität der Beobachteten - Observer-Bias - Interpretationsfehler - Gedächtnisfehler
42
Maßnahmen gegen ungenaue Beobachtungen
- Aufzeichnung der Beobachtung -> sorgfältige Planung, evtl. Drehbuch - Schulungen für Beobachter - Erhöhung des Standardisierungsgrades - Beobachtungsgüte überprüfen: Vergleich der Ergebnisse mehrerer Beobachter
43
Reaktivität der Beobachteten und Gegenmaßnahmen
- Abschätzung der Größe des direkten Beobachtungseffekts durch Befragung von Bezugspersonen („Ist Tilman sonst auch so aufgedreht?“) - Rosenthal-Effekt: Beobachtete reagieren auf Erwartungen des Beobachtenden - > Auch Pygmalion-Effekt -> griechische Mythologie - Gegenmaßnahme: Blind- bzw. Doppelblindstudie -> Beobachtete (und Beobachtende) wissen nicht, welche Ergebnisse erwartet werden
44
Observer-Bias und Gegenmaßnahmen
- Effekte, die die Wahrnehmung des Beobachters systematisch verfälschen - Halo-Effekt: Gesamteindruck bzw. bestimmtes Merkmal beeinflusst Wahrnehmung anderer Merkmale - Observer-Drift: Standard des Beobachters verändert sich über die Zeit hinweg systematisch - > Z.B. durch Ermüdung, nachlassende Motivation, zunehmende Vertrautheit mit Beobachtungsgegenstand - > V.a. Problem, wenn Beobachtungskategorien nicht genau definiert sind - Gegenmaßnahme: hohes Maß an Standardisierung und Beobachtungsperioden, die Beobachter ohne Konzentrationsverlust durcharbeiten kann - Kontrasteffekt: unmerklich bessere Leistungen werden nach schlechter überbewertet - Anker-Effekt: mittelmäßige Leistung wird als sehr gut kategorisiert - > Auch alle folgenden mittelmäßigen Leistungen werden als sehr gut eingeschätzt - Gegenmaßnahme: Standardisierung -> genaue Spezifikation der zu benutzenden Bewertungskategorien
45
Interpretationsfehler und Gegenmaßnahmen
- Irrelevante Einflüsse (z.B. Aussehen, soziale Herkunft) haben Einfluss auf Interpretation - Gegenmaßnahme: hohes Maß an Standardisierung -> durch gründliche theoretische Vorarbeit gewährleistet
46
Gedächtnisfehler und Gegenmaßnahmen
- Systematische Verfälschung von Gedächtnisinhalten, wenn Beobachtungen aus Gedächtnis wiedergegeben werden - Gegenmaßnahme: Videoaufnahmen oder unmittelbare Protokollierung mit möglichst gut standardisierter Vorgabe; Schulung der Beobachter
47
Wann welche Form von Beobachtung?
- Am Anfang einer Forschungsrichtung: Beobachtung so frei wie möglich - Bei Theorieprüfung: hohes Maß an Standardisierung
48
Was sollte vor der Beobachtung vorbereitet sein?
Zumindest grober Ablaufplan sollte vorliegen (ähnlich der mündlichen Befragung) - Wann beobachten? Wie verhalten? Was beobachten? … - Technische Belange und vorheriges Training der Beobachter
49
Generalisierbarkeit von Befragungs- und Beobachtungsergebnissen
- Externe Validität: bei für die Population repräsentativer Stichprobe können Ergebnisse auf die Population generalisiert werden - Repräsentativität hängt von Aspekten der verwendeten Situationen und der untersuchten Personen ab
50
Auswahl der Situation
- Bei Verhalten, das stark von sozialen Werten, Normen und der Ab- und Anwesenheit anderer Personen abhängig ist -> Beobachtungsstudie/Interview in entsprechender Situation - Wenn Untersuchungsergebnisse nicht von Untersuchungssituation abhängen, z.B. bei Wahrnehmung oder Informationsverarbeitung -> Untersuchung im Labor
51
Auswahl der Studienteilnehmer
- Getrennte Analyse nach Einkommen, Alter, usw. - Zufallsauswahl, z.B. aus dem Melderegister -> bester Garant für hohe externe Validität - 1948 falsche Vorhersage von Wahlergebnissen trotz „Quotenmethode“: - Republikaner im Durchschnitt wohlhabender und besser ausgebildet -> hatten mit höherer Wahrscheinlichkeit Telefon und lebten in schöneren Gegenden innerhalb der vorgegebenen Wohnbezirke -> leichter aufzufinden und zu interviewen - Republikaner-Kandidat wurde fälschlicherweise Wahl-Sieg vorausgesagt