6 Vorlesung Flashcards
Kausalhypothesen
Die Hypothese „Je gewalthaltiger ein konsumiertes Computerspiel, desto stärker die Aggressionsneigung“ impliziert Kausalität: Weil das Spiel gewalthaltig ist, verhält man sich aggressiver.
Gewalthaltigkeit (UV) —–> Aggression (AV)
Die zu erklärende Variable heißt abhängige Variable (AV). Die zur Erklärung herangezogenen Variablen heißen unabhängige Variablen (UV).
Bedingungen für Kausalität (bzw. hohe interne Validität)
Kausale Interpretationen im Sinne der internen Validität sind nur dann gerechtfertigt, wenn drei Bedingungen erfüllt sind:
- Kovariation (gemeinsames Variieren zweier oder mehrerer Merkmale): Es liegt eine Kovariation von UV und AV vor.
- Zeitliche Vorgeordnetheit (Präzedenz): Die Variation in der UV ist eher aufgetreten als die Variation in der AV.
- Ausschluss von Alternativerklärungen durch Drittvariablen: Die Kovariation zw. UV und AV ist nicht durch Drittvariablen zu erklären, die sowohl die UV als auch die AV beeinflussen.
Variation in der unabhängigen Variablen
Ausgangspunkt zur Unterscheidung von Forschungsansätzen:
Die Variation in der UV kann entweder natürlich sein (d.h. sie ist schon vorhanden) oder induziert bzw. künstlich hergestellt werden.
a) Natürliche Variation
- Korrelativer Forschungsansatz
- z.B. Unterschiede zwischen aggressiven und nicht-aggressiven Kindern im Hinblick auf die Konsumhäufigkeit aggressiver Computerspiele.
- Typische Hypothesenform: “Je-desto” (Beispiel: Je höher der „Video Game Violence Index“, desto höher die Aggression).
- Statistischer Kennwert: Korrelation zwischen UV und AV.
b) Induzierte bzw. künstlich hergestellte Variation
- Experimenteller und Quasi-experimenteller Forschungsansatz
- z.B. Experimentelle Manipulation der Gewalthaltigkeit eines Computerspiels.
- Typische Hypothesenform: “Wenn-dann” (Beispiel: Wenn man ein gewalthaltiges Spiel spielt, ist man danach aggressiver als wenn man ein nicht-gewalthaltiges Spiel spielt).
- Statistischer Kennwert: Differenzen der UV Ausprägungen hinsichtlich ihrer AV-Mittelwerte
Korrelativer Forschungsansatz
Ansatz, bei der zwei oder mehr Variablen (sowohl die UV als auch die AV) systematisch gemessen werden und dann die Zusammenhänge zwischen den gemessenen Variablen bestimmt werden.
Querschnitts- vs. Längsschnitterhebung
- Querschnittserhebung: ein Messzeitpunkt
- Längsschnitterhebung: mehrere Messzeitpunkte; bezeichnet als „Panel“, wenn dieselben Personen zu mehreren Messzeitpunkten teilnehmen.
- Dabei kann die UV wie auch die AV auf verschiedene Weisen gemessen werden (siehe Sitzung Datenquellen).
- Prototyp ist jedoch: Fragebogenstudie.
Vorteile und Nachteile des korrelativen Forschungsansatzes
Vorteile
- Ökonomisch.
- Ziehen einer großen und repräsentativen Stichprobe möglich.
- Eröffnet Möglichkeiten, falls die UV nicht manipuliert werden kann (z.B. Intelligenz, Persönlichkeitsmerkmale, Schulabschluss).
Zentrale Nachteile
- Präzedenzproblem (Kausalitätsbedingung 2 nicht sichergestellt).
- Konfundierungsproblem (Kausalitätsbedingung 3 nicht sichergestellt).
-> Korrelative Designs sind demnach ungeeignet Hypothesen über Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge
zu prüfen.
Präzedenzproblem
Ausgangsituation:
- Eine Kontrolle der zeitlichen Vorgeordnetheit der UV ist in korrelativen Designs nicht (ohne weiteres) möglich, wenn die UV und die AV simultan erhoben werden.
- Bei der Bedingung der Vorgeordnetheit geht es nicht darum, was zuerst gemessen wurde, sondern darum, was zuerst aufgetreten ist.
- In experimentellen Designs ist die zeitliche Vorgeordnetheit besser kontrollierbar, da eine Manipulation der UV vor der Messung der AV stattfindet. Der Versuchsleiter hat die alleinige Kontrolle darüber, wann die UV auftritt.
Aber: Es gibt Möglichkeiten, das Problem zumindest teilweise etwas zu entkräften
- Manchmal ist die zeitliche Vorgeordnetheit logisch begründbar (z.B. elterlicher Erziehungsstil – Verhaltensprobleme im Jugendalter).
- Es gibt längsschnittliche Korrelationsstudien, in denen wenigstens eine Kontrolle der Kausalrichtung prinzipiell möglich ist, z.B. das Cross-lagged Panel-Design.
Konfundierungsproblem
Ausgangssituation:
Korrelation (bzw. Kovariation) ist eine notwendige aber keine hinreichende Bedingung für einen Schluss auf kausale Effekte, denn …
…1. die Korrelation alleine ist nicht sensitiv für die Richtung der Kausalkette
Gewaltspiel -> Aggression: Unidirektionaler Effekt
Gewaltspiel Aggression: Bidirektionaler Effekt
… 2. die Korrelation muss nicht auf kausaler Verursachung der AV durch die UV (und/oder umgekehrt) beruhen, sondern kann auch durch eine Drittvariable bedingt sein (Scheinkorrelation), so dass ein Konfundierungsproblem besteht
Möglichkeiten zur Reduktion des Konfundierungsproblems
a) Konfundierte Variablen konstant halten
- > z.B. nur Jungen oder nur Mädchen untersuchen.
b) Konfundierte Variablen miterfassen und dann auspartialisieren (d.h. in der Auswertung statistisch rausrechnen)
- > z.B. Geschlecht; Lerngeschichte (vorgelebte Aggression); aggressive Persönlichkeit.
Voraussetzung für beide Möglichkeiten:
Man muss vorher wissen, welche Variablen die Schlussfolgerung stören könnten.
Fazit - Korrelativer Forschungsansatz
- Der korrelative Ansatz hat einige Vorteile (insbesondere geringer Aufwand), er ist jedoch als Beleg für kausale Zusammenhänge nicht bzw. nur sehr eingeschränkt geeignet.
- Er kann aber Hinweise auf Kausalität geben, insbesondere dann, wenn…
1. …eine interessierende UV prinzipiell nicht induziert werden kann.
2. …Vorkehrungen getroffen werden, die die interne Validität des Ansatzes erhöhen: - Verwendung eines Cross-lagged Panel-Designs
- Erhebung und Auspartialisierung potentieller Störvariablen.
Aber: Die ermittelte Korrelation kann selbst dann immer noch durch Störvariablen bedingt sein, die nicht miterhoben wurden.
Experiment
Untersuchungsanordnung zur Überprüfung von Kausalhypothesen, die folgende Kriterien erfüllt:
- Systematische Manipulation der unabhängigen Variablen (vermutete Ursache)
- > z.B. Ego Shooter x für 1h spielen. - Es gibt dabei mind. zwei experimentelle Bedingungen, üblicherweise Experimentalgruppe und Kontrollgruppe
- Experimentalgruppe: Ego Shooter x für 1h spielen.
- Kontrollgruppe: kein Ego Shooter (Videospiel ohne Aggressionsgehalt). - Messung der vermuteten Wirkung in der/den abhängigen Variablen
- > z.B. Aggressionsfragebogen (z.B. Aggression Questionnaire), Aggressions-IAT - Kontrolle von Störvariablen der Untersuchungssituation
- > z.B. Konstanz von Instruktion, Verhalten des Versuchsleiters, Raumtemperatur, Lärm - Kontrolle von personenbezogenen Störvariablen durch Randomisierung
Variation in der UV
Induktion bzw. künstliche Herstellung der Variation in der UV:
Während in korrelativen Designs die Variation der UV kaum zu kontrollieren ist, hat der Versuchsleiter in einem Experiment Kontrolle darüber, …
- …wann die UV auftritt (Gewährleistung der zeitlichen Vorgeordnetheit),
- …in welcher Untersuchungssituation die UV induziert wird,
- —welche Person welchen Wert auf der UV hat (d.h. Zuweisung zu den Bedingungen).
Man kann also (wie mit dem korrelativem Ansatz) die Kovariation zwischen UV und AV überprüfen, dabei nun aber auch sicherstellen, dass die Variation in der UV früher stattfindet als die Variation in der AV.
Störvariablen und Konfundierung
Unsystematische und systematische Störvariablen
- Unsystematische Störvariable: Drittvariable, die zwar mit der AV zusammenhängt, aber nicht mit der UV (z.B. Erziehungsstil).
- Systematische Störvariable: Drittvariable, die sowohl mit der UV als auch mit der AV zusammenhängt.
Konfundierung (konfundieren = vermengen, durcheinander geraten)
- Konfundierung der UV mit einer Drittvariablen: Die UV kovariiert mit einer Drittvariablen (z.B. das aggressive Videospiel dauert geringfügig länger).
- Konfundierung des „Effekts“ einer UV mit einer Drittvariablen (Scheineffekt/Artefakt): Die Drittvariable kovariiert sowohl mit der UV als auch mit der AV, sie ist daher eine vollständige oder teilweise Ursache dafür, dass die UV und die AV „kovarieren“; entspricht also einer systematischen Störvariablen.
Typen systematischer Störvariablen
- Situationsbezogene Störvariablen (inkl. Versuchsleitungsbezogene Störvariablen): systematische Störeinflüsse, die in dem Untersuchungskontext entstehen (z.B. Lärm, Hitze, Geschlecht der Versuchsleitung).
- Personenbezogene Störvariablen: systematische Störeinflüsse, die auf die Versuchspersonen zurückzuführen sind (z.B. Geschlecht, Lerngeschichte).
Beispiel: Die beiden Drittvariablen (Lärm, Geschlecht) sind mit der UV konfundiert (d.h. sie kovariieren mit der experimentellen Bedingung).
Sie produzieren aber erst dann einen „Scheineffekt“ (Artefakt), wenn sie auch mit der abhängigen Variablen kovarieren, d.h.
- wenn die Aggression bei Lärm grundsätzlich höher ist,
- wenn Männer grundsätzlich aggressiver sind als Frauen
.
Kontrolle situationsbezogener Störvariablen
Ziel:
Es muss verhindert werden, dass sich die Untersuchungssituationen zwischen den experimentellen Bedingungen hinsichtlich solcher Variablen unterscheiden, die mit der AV korreliert sind.
Kontrollmöglichkeiten:
- Elimination von Störvariablen
- > Konsequenz: Die betreffende(n) situationsbezogene(n) Störvariable(n) existiert/ existieren nicht mehr.
- > z.B. Lärm (schalldichter Versuchsraum); manchmal flackernde Neonröhre austauschen; den gesamten Versuch computergestützt gestalten und damit die Variable „Versuchsleiter“ ausschalten. - Konstanthaltung von Störvariablen
- > Konsequenz: Die betreffende(n) situationsbezogene(n) Störvariable(n) existiert/existieren noch, hat/haben jedoch eine Varianz von Null (d.h. in jeder experimentellen Bedingung dieselbe Ausprägung).
- > z.B. Standardisierung der Untersuchung (gleicher Ablauf, gleiches Verhalten des VL, gleiche Instruktion, … ); gleiche Lärm- und Lichtverhältnisse; gleiche Tageszeit (z.B. bei Konzentrationstests); gleiche Jahreszeit (z.B. bei Befindlichkeiten). - Ausbalancierung von Störvariablen
- > Konsequenz: Die betreffende(n) situationsbezogene(n) Störvariable(n) existiert/existieren noch, ist/sind aber in jeder experimentellen Bedingung gleich verteilt (d.h. jede Ausprägung hat die gleiche Häufigkeit).
- > z.B. gleich viele Morgens- und Mittagsdurchgänge in den experimentellen Bedingungen. - Auspartialisierung von Störvariablen
- > Konsequenz: Die Daten werden im Nachhinein um den Einfluss der betreffenden miterhobenen situationsbezogenen Störvariable(n) bereinigt.
- > z.B. Lärmverhältnisse; Tageszeit der Untersuchung.
Kontrolle personenbezogener Störvariablen
Ziel:
Es muss verhindert werden, dass sich die Versuchspersonen zwischen den beiden Bedingungen hinsichtlich solcher Merkmale unterscheiden, die mit der AV korreliert sind.
Kontrolle durch die zentrale Eigenschaft eines Experiments:
- Randomisierung.
Evtl. zusätzlich Verwendung weiterer Kontrollmöglichkeiten:
- Parallelisierung bzw. Ausbalancierung hinsichtlich zentraler Störvariablen.
- Auspartialisierung zentraler Störvariablen
Randomisierung: Definition, Konsequenz, Vorteile
Definition:
- Zuweisung der Untersuchungseinheiten (i.d.R. Versuchspersonen) zu den experimentellen Bedingungen nach dem Zufallsprinzip, d.h. jede Untersuchungseinheit hat die gleiche Chance einer der experimentellen Bedingungen zugeordnet zu werden.
Konsequenz:
- Im Idealfall sorgt der Zufall dann dafür, dass alle personenbezogenen Störvariablen in allen experimentellen Bedingungen gleich verteilt sind, d.h. sie haben denselben Mittelwert und dieselbe Standardabweichung.
- Für diesen Idealfall gilt daher: die experimentellen Bedingungen unterscheiden sich nur in der experimentellen Manipulation (und evt. auch in situationsbezogenen Störvariablen), alle personenbezogenen Störvariablen kommen nicht als mögliche Alternativerklärung für Unterschiede in der AV in Betracht.
Vorteil:
Einzige Prozedur, die auch für unbekannte und/oder nicht erfassbare personenbezogene Störvariablen kontrolliert.