VL11 Erbe und Umwelt I: Verhaltensgenetik der Persönlichkeit/Intelligenz; Heritabilität und Erblichkeitsschätzungen Flashcards
Was ist Heritabilität (Erblichkeit)?
Anteil der Merkmalsvarianz in einer Population, der auf genetische Unterschiede zurückgeht. Wird oft als h²-Wert ausgedrückt: h² = VG / VM (genetische Varianz geteilt durch Gesamtvarianz). Gilt für Populationen, nicht für einzelne Individuen!
Was bedeutet die Aussage „Die Erblichkeit der Intelligenz beträgt 50%“?
Falsch: “Mein IQ ist zu 50% genetisch bedingt und zu 50% umweltbedingt.” Richtig: 50% der Unterschiede zwischen Individuen in einer Population sind auf genetische Variationen zurückzuführen. Erblichkeit ist kein fixer Wert, sondern variiert je nach Population, Umwelt und Alter.
Welche Faktoren beeinflussen die Heritabilität eines Merkmals?
Genetische Variation: Höhere genetische Unterschiede = höhere Heritabilität. Umweltvariation: Homogenere Umwelt = höhere Heritabilität (da Unterschiede eher genetisch sind). Alter: Heritabilität von Intelligenz steigt im Laufe des Lebens (von ~40% in der Kindheit auf ~70% im Erwachsenenalter).
Welche Methoden gibt es zur Schätzung der Heritabilität?
Adoptionsstudien: Vergleich von Adoptivkindern mit biologischen & Adoptiveltern. Zwillingsstudien: Vergleich zwischen eineiigen (EZ, 100% Gene) und zweieiigen (ZZ, 50% Gene) Zwillingen. Kombinierte Methoden: Kombination aus Adoptions- und Zwillingsstudien zur präziseren Schätzung.
Was ist der Unterschied zwischen quantitativer und molekularer Verhaltensgenetik?
Quantitative Verhaltensgenetik: Schätzt den Anteil der genetischen Einflüsse auf Verhaltensmerkmale (z. B. IQ). Molekulare Verhaltensgenetik: Untersucht spezifische Gene, die mit bestimmten Merkmalen assoziiert sind.
Wie funktioniert eine Adoptionsstudie zur Erblichkeitsschätzung?
Vergleich von Adoptivkindern mit biologischen Eltern (genetische Einflüsse) und Adoptiveltern (Umwelteinflüsse). Hohe Korrelation mit biologischen Eltern → hoher genetischer Einfluss. Hohe Korrelation mit Adoptiveltern → hoher Umwelteinfluss.
Wie funktioniert eine Zwillingsstudie zur Erblichkeitsschätzung?
Vergleich zwischen eineiigen (EZ) und zweieiigen Zwillingen (ZZ). Höhere Korrelation bei EZ als ZZ → stärkerer genetischer Einfluss. Erblichkeitsschätzung mit der Falconer-Formel: h² = 2 × (rEZ - rZZ)
Beispiel: Wenn rEZ = 0,85 und rZZ = 0,60 → h² = 2 × (0,85 - 0,60) = 50%.
Welche zentralen Ergebnisse liefert die „Minnesota Study of Twins Reared-Apart“?
Getrennt aufgewachsene eineiige Zwillinge (EZ) haben eine hohe IQ-Korrelation (~0,7). Evidenz für starken genetischen Einfluss auf Intelligenz (~70% Erblichkeit in dieser Studie). Aber: Nicht-geteilte Umwelt hat ebenfalls signifikante Effekte.
Welche methodischen Probleme gibt es bei Erblichkeitsschätzungen?
Zwillingsstudien: EZ teilen oft eine ähnlichere Umwelt als ZZ → Umwelt kann den genetischen Effekt überschätzen. Selektive Partnerwahl der Eltern beeinflusst genetische Ähnlichkeit. Adoptionsstudien: Selektive Platzierung (Adoptivkinder in ähnliche Umfelder vermittelt). Adoptivfamilien nicht immer repräsentativ für Gesamtbevölkerung.
Wie verändert sich die Heritabilität von Intelligenz über das Leben?
Kindheit: ca. 40% Erblichkeit → Umwelt spielt große Rolle. Jugend: steigt auf 50–60%. Erwachsenenalter: steigt auf 70%, da Menschen zunehmend ihre Umgebung nach genetischen Präferenzen gestalten.
Welche Rolle spielt die Umwelt für Intelligenz?
Frühe Umwelt (Elternhaus, Bildung, Ernährung) beeinflusst kognitive Entwicklung stark. Gemeinsame Umwelt verliert mit dem Alter an Einfluss, nicht-geteilte Umwelt wird wichtiger. SES (sozioökonomischer Status) beeinflusst Intelligenzentwicklung deutlich.
Welche genetischen Effekte beeinflussen die Erblichkeit?
Additive genetische Effekte (VA): Direkt vererbte Genvariationen. Nicht-additive genetische Effekte (VNA): Dominanzeffekte (Interaktion innerhalb eines Gens). Epistasie (Interaktion zwischen verschiedenen Genen). Erblichkeit im weiten Sinne (VA + VNA) ist meist größer als Erblichkeit im engen Sinne (nur VA).
Warum variiert die Heritabilität zwischen Populationen?
Unterschiedliche genetische Variabilität zwischen Populationen. Unterschiedliche Umweltbedingungen (z. B. Bildungssystem, Ernährung).
Beispiel: In einer homogenen Umwelt ist Erblichkeit höher, da Umweltunterschiede minimal sind.
Warum bleibt die Heritabilität trotz Umweltveränderungen konstant?
Interventionen (z. B. Bildung, Ernährung) erhöhen den Durchschnittswert eines Merkmals, aber nicht die Variabilität.
Beispiel: Eine Bildungsreform erhöht das allgemeine IQ-Niveau, aber nicht die Erblichkeit von Intelligenz.
Was sind die zentralen Erkenntnisse der Erblichkeitsforschung zur Persönlichkeit?
Persönlichkeit hat eine moderate Erblichkeit (~40–60%), je nach Eigenschaft. Neurotizismus & Extraversion haben höhere Heritabilität als Gewissenhaftigkeit & Verträglichkeit. Gemeinsame Umwelt hat kaum Einfluss auf Persönlichkeit, nicht-geteilte Umwelt ist wichtiger.
Was bedeutet „geteilte“ und „nicht-geteilte“ Umwelt in der Verhaltensgenetik?
Geteilte Umwelt: Faktoren, die Geschwister gemeinsam haben (z. B. Elternhaus, sozioökonomischer Status). Nicht-geteilte Umwelt: Individuelle Erlebnisse (z. B. unterschiedliche Freundeskreise, Lehrer, Krankheiten). Einfluss auf Intelligenz: Geteilte Umwelt hat großen Einfluss in der Kindheit, verliert aber mit dem Alter an Bedeutung.
Was ist die Falconer-Formel zur Berechnung der Heritabilität?
h² = 2 × (rEZ - rZZ)
rEZ = Korrelation der eineiigen Zwillinge, rZZ = Korrelation der zweieiigen Zwillinge. Beispiel: rEZ = 0,85, rZZ = 0,60 → h² = 2 × (0,85 - 0,60) = 50%.
Warum steigt die Heritabilität von Intelligenz mit dem Alter?
Gen-Umwelt-Korrelationen verstärken genetische Effekte über die Zeit. Menschen gestalten ihre Umwelt zunehmend nach ihren genetischen Präferenzen („aktive Gen-Umwelt-Korrelation“). Früher stärkerer Einfluss der gemeinsamen Umwelt nimmt mit der Zeit ab.
Welche drei Arten von Gen-Umwelt-Korrelationen gibt es?
Passiv: Kinder erben sowohl Gene als auch die Umwelt von ihren Eltern (z. B. intelligente Eltern bieten eine lernförderliche Umgebung). Evokativ: Genetische Merkmale rufen bestimmte Reaktionen der Umwelt hervor (z. B. ein sprachbegabtes Kind erhält mehr sprachliche Förderung). Aktiv („Nische-Suche“): Menschen suchen Umwelten, die zu ihrer genetischen Ausstattung passen (z. B. hochintelligente Personen wählen akademische Berufe).
Was versteht man unter der „Gen-Umwelt-Interaktion“?
Der gleiche genetische Einfluss kann sich in verschiedenen Umwelten unterschiedlich auswirken.
Beispiel: IQ-Erblichkeit ist in wohlhabenden Familien höher, weil Umweltunterschiede geringer sind. Reaktionsnorm-Modell: Gene legen Potenzial fest, Umwelt bestimmt, wie es realisiert wird.
Welche Rolle spielen epigenetische Mechanismen bei der Intelligenzentwicklung?
Epigenetik beeinflusst, welche Gene aktiv oder inaktiv sind. Frühe Umweltfaktoren (z. B. Stress, Ernährung) können Genexpression langfristig verändern.
Beispiel: Frühkindliche Vernachlässigung kann epigenetische Veränderungen verursachen, die kognitive Entwicklung hemmen.
Wie beeinflussen sozioökonomische Faktoren die Heritabilität der Intelligenz?
In wohlhabenden Gesellschaften ist die Erblichkeit von Intelligenz höher, weil Umweltunterschiede minimiert sind. In benachteiligten Umfeldern ist der Umwelteinfluss stärker, da Zugang zu Bildung und Ressourcen begrenzter ist.
“Scarr-Rowe-Hypothese”: In ärmeren Schichten ist die Erblichkeit des IQs niedriger.
Welche Bedeutung hat der Flynn-Effekt für die Erblichkeitsforschung?
IQ-Werte steigen weltweit seit Jahrzehnten (~3 Punkte pro Dekade). Spricht für starke Umwelteinflüsse auf Intelligenz (Bildung, Ernährung, technologische Entwicklung). Der Flynn-Effekt widerspricht nicht der hohen Erblichkeit von Intelligenz, da er Veränderungen auf Populationsebene beschreibt.
Welche Rolle spielt die Genetik in der Persönlichkeitsentwicklung?
Erblichkeit von Persönlichkeitseigenschaften liegt bei ca. 40–60%. Neurotizismus & Extraversion haben stärkere genetische Einflüsse als Verträglichkeit oder Gewissenhaftigkeit. Geteilte Umwelt hat kaum Einfluss auf Persönlichkeit, nicht-geteilte Umwelt ist entscheidend.
Welche Kritik gibt es an Erblichkeitsschätzungen?
Erblichkeit ist populationsspezifisch → Werte sind nicht einfach auf andere Gruppen übertragbar. Erblichkeit ist nicht deterministisch → Hohe Erblichkeit bedeutet nicht, dass Umwelt unwichtig ist. Methodische Probleme → Zwillings- und Adoptionsstudien haben Einschränkungen (z. B. selektive Platzierung, gemeinsame Umwelt).
Was bedeutet der Begriff Erblichkeit (Heritabilität)?
Erblichkeit (h²) beschreibt den Anteil der beobachteten Variabilität eines Merkmals in einer Population, der auf genetische Unterschiede zurückzuführen ist. Mathematisch: h² = VG / VM VG = genetische Varianz VM = Gesamtvarianz des Merkmals. Wichtig: Erblichkeit bezieht sich immer auf Gruppen, nicht auf Einzelpersonen!
Was ist bei der Interpretation von Erblichkeit zu beachten?
Kein fester Wert: Erblichkeit variiert je nach Population, Umwelt und Alter. Hohe Erblichkeit ≠ Unveränderlichkeit: Ein Merkmal kann erblich sein, aber dennoch durch Umweltfaktoren beeinflusst werden. Erblichkeit ist umweltspezifisch: In Umwelten mit großen Unterschieden kann der genetische Einfluss geringer erscheinen. Erblichkeit gibt keine Aussage über die Ursache eines individuellen Merkmals.
Welche Annahmen liegen dem Adoptionsstudiendesign zugrunde?
Genetische Einflüsse: Adoptivkinder haben 50% Gene mit ihren biologischen Eltern gemeinsam. Umwelteinflüsse: Adoptivkinder wachsen in einer anderen Umwelt als ihre biologischen Eltern auf. Vergleich: Wenn Adoptivkinder ihren biologischen Eltern stärker ähneln als ihren Adoptiveltern, spricht das für einen genetischen Einfluss.
Wie schätzt man mit Adoptionsstudien die Erblichkeit eines Merkmals?
Vergleich von Korrelationen: Höhere Korrelation zwischen Adoptivkindern und biologischen Eltern → hoher genetischer Einfluss. Höhere Korrelation zwischen Adoptivkindern und Adoptiveltern → hoher Umwelteinfluss. Typische Formel zur Schätzung: h² = 2 × (r biologische Eltern & Kind – r Adoptiveltern & Kind)
Beispiel: Korrelation Kind & biologische Eltern: 0,40 Korrelation Kind & Adoptiveltern: 0,10 Erblichkeit = 2 × (0,40 – 0,10) = 0,60 (60%)
Welche Grundlagen und Annahmen unterliegen Zwillingsstudiendesigns?
Vergleich zwischen eineiigen (EZ, monozygot) und zweieiigen (ZZ, dizygot) Zwillingen. EZ teilen 100% ihrer Gene, ZZ nur 50% (wie normale Geschwister). Grundannahme: Wenn EZ ähnlicher sind als ZZ, ist dies auf genetische Einflüsse zurückzuführen. Gleiche Umweltannahme: EZ und ZZ teilen ihre Umwelt in gleichem Maße (kann problematisch sein). Erblichkeitsschätzung mit der Falconer-Formel: h² = 2 × (rEZ - rZZ)
Wie hoch ist die Erblichkeit von Kreativität bei Zwillingen?
Berechnung mit der Falconer-Formel: h² = 2 × (rEZ - rZZ) h² = 2 × (0,60 - 0,40) = 0,40 (40%)
40% der Variabilität in Kreativität ist genetisch bedingt, der Rest geht auf Umweltfaktoren zurück.
Welche methodischen Probleme oder Verzerrungen gibt es bei der Erblichkeitsschätzung anhand getrennt aufgewachsener eineiiger Zwillinge?
Umweltähnlichkeit kann überschätzt werden: Auch getrennte EZ können in ähnlichen Umwelten aufwachsen (z. B. gleiche soziale Schicht, ähnliche Erziehungsstile). Selektive Platzierung: Adoptivkinder werden oft in ähnlichen Familien untergebracht → Umwelt kann genetische Effekte überlagern. Unterschätzte Umwelteinflüsse: Auch wenn Zwillinge getrennt aufwachsen, können sie weiterhin Kontakt haben oder gleiche Interessen entwickeln. Problem der Repräsentativität: Getrennt aufgewachsene EZ sind selten → Ergebnisse schwer auf die Gesamtbevölkerung übertragbar. Verzerrungen durch Messfehler: IQ-Tests oder Kreativitätstests können Ungenauigkeiten aufweisen, die zu fehlerhaften Schätzungen führen.
Womit beschäftigt sich die Verhaltensgenetik?
Womit beschäftigt sich die quantitative
Verhaltensgenetik?
Definition der Erblichkeit
Definition der Erblichkeit 2
Was bedeutet: „Die Erblichkeit der Intelligenz beträgt 50%“?
Anwendungsbeispiel
Das einfache Adoptionsstudiendesign
Adoptionsdesign
Adoptionsdesign2
Erklärung der Schätzunterschiede: Nichtbeachtung
nicht-additiver (interaktiver) genetischer Effekte
Erklärung der Schätzunterschiede: Nichtbeachtung
nicht-additiver (interaktiver) genetischer Effekte2
Bestimmung der Erblichkeit anhand
von Zwillingsstudien