VL 4: Verhaltenstherapie Neuentwicklungen, „Dritte-Welle“ Verfahren und Integrative Techniken Flashcards

1
Q

Entwicklungsphasen der Verhaltenstherapie

A
  1. Phase Behaviorismus = Lerntheorien (klassische und
    seit 50er Jahren operante Konditionierung
  2. Phase Kognitive Wende / Kognitivbehaviorale
    Phase = Kognitive Modelle
    seit 70er Jahren Soziale Lerntheorien
  3. Phase „Dritte Welle“ = Integrative Ansätze
    seit 90er Jahren (Emotionen, Achtsamkeit),
    spezifische Therapien
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2
Q

Was ist die „Dritte Welle“ der Verhaltenstherapie?

A

• Begriff “Dritte Welle” geprägt von Steven Hayes (2004)
• Seit 90er Jahre Erweiterung der VT um bisher vernachlässigte Aspekte
• Parallele Entwicklung durch unterschiedliche Psychotherapeut:innen
• Beispiele: Schematherapie (Young, 1990), Dialektisch-Behaviorale Therapie (Linehan,
1993)
• „Dritte Welle“ beinhaltet eine heterogene Sammlung an Verfahren, welche die „klassische“
KVT ergänzen

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3
Q

Was haben die Neuentwicklungen gemeinsam?

A

• Stärkerer Fokus auf die Veränderung der Funktion psychologischer Ereignisse (z.B. statt Veränderung der Denkinhalte: Übung von
Akzeptanz der Gedanken)
- Verbindung von Verhaltensänderung mit der Förderung von Akzeptanz in Bezug auf inneres
Erleben
• Stärkerer Fokus auf die therapeutische Beziehung
• Integration neuer Konzepte: Achtsamkeit, Akzeptanz, Emotionen, Beziehung

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4
Q

Emotionen

A

„Emotionen sind Reaktionsmuster auf
auslösende Ereignisse,
welche den Organismus darauf
vorbereiten, möglichst effektiv
in einem bestimmten Kontext zu
handeln.“

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5
Q

Komponenten von Emotionen

A
  1. Ausdruck = Kommunikation der Gefühlszustände
  2. Subjektives Erleben
  3. Neurophysiologische Veränderungen = handlungsvorbereitende Funktion
  4. Kognition = Bewertung/Bedeutung (nicht unbedingt bewusst
  5. Motivation = Bedürfnisse/Ziele, Aufmerksamkeit, Handlungstendenz
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6
Q

Emotionsregulation - Definition

A

= „Fähigkeit, Emotionen zu
tolerieren, sich ihrer gewahr zu sein, sie in Worte zu
fassen und adaptiv zu nutzen, um emotionale Belastung
zu regulieren und um Bedürfnissen und Zielen gerecht
zu werden“

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7
Q

Emotionsregulation - Relevanz und Ziel

A

• Relevanz: Emotionsregulation bei psychischen
Störungen oft gestört
- > Defizite in der Emotionsregulation sind mit psychischer
Belastung1 und geringerem Wohlbefinden assoziiert2
• Ziel der Therapie: Funktionale und adaptive
Emotionsregulation
1Miu

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8
Q

Achtsamkeit

A

• Achtsamkeitspraxis basiert auf buddhistischen Meditationsansätzen
• Übung von Achtsamkeit: bewusste Lenkung der Aufmerksamkeit auf die Erfahrung des
gegenwärtigen Augenblicks
- > Atem, Körperempfindungen, Gedanken, Gefühle, Geräusche

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9
Q

Aspekte von Achtsamkeit in der buddhistischen Meditationstradition

A

• Shamata (sanskrit ‚ruhiges Verweilen‘) = Konzentration,
ruhiger, klarer Geist, Übung der ständigen
Verstrickungstendenz des Geistes entgegenzuwirken
• Vipassana (pali ‚Einsicht‘) = die Dinge zu sehen,
wie sie wirklich sind

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10
Q

Akzeptanz

A

= Bewusstes Annehmen einer absichtsvoll offenen, empfänglichen, flexiblen und nicht
urteilenden Haltung gegenüber dem Erleben im gegenwärtigen Augenblick
• Offenheit für alle Dimensionen des inneren
Erlebens ohne eigene schmerzhafte
Gefühle, Gedanken oder Erinnerungen
bekämpfen oder beeinflussen zu müssen
• Haltung der Offenheit, Gegenwartsorientierung,
von Mitgefühl, Güte und
Bereitschaft in Bezug auf die eigenen
Erfahrungen

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11
Q

Acceptance & Commitment
Therapy (ACT)

A
  • Begründer = Steven Hayes
  • Indikation & Kerninhalte = Achtsamkeit, Mitgefühl und
    Wertefokussierung
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12
Q

Dialektisch-behaviorale
Therapie (DBT)

A
  • Begründer = Marsha Linehan
  • Indikation = Borderline Persönlichkeitsstörung,
    Essstörungen, PTBS u.a.
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13
Q

Grundannahmen ACT und Ausgangspunkt

A

• Menschliches Leiden und psychischer Schmerz sind normale Prozesse
• Schmerz und Leiden sind zwei unterschiedliche Dinge
• Leiden entsteht nicht durch Schmerz, sondern durch den Kampf gegen den Schmerz
Ausgangspunkt = Universalität des menschlichen Leidens
= > je mehr wir gegen etwas ankämpfen/vermeiden, desto mehr vergrößert sich unser Leiden ( Finger Trap)

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14
Q
  • Kontrollagenda
A

= Menschen haben eine „Kontrollagenda“
- > Problem: Menschen haben prinzipiell keine Kontrolle über große Teile ihrer gedanklichen, emotionalen und
physiologischen Reaktionen

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15
Q

Psychische Inflexibilität - Zusammenspiel

A
  • Erlebensvermeidung
  • Kognitive Fusion
  • Festhalten am Konzeptselbst
  • Untätigkeit und beharrliches Vermeindungsverhalten
  • Mangelnde Werteklarheit
  • Dominaz der vorgestellten Vergangenheit & Zukunft
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16
Q

Experiential avoidance

A

= Schmerz (oder andere unangenehme Gefühle) zu vermeiden führt zu mehr Schmerz
- > Bereitschaft und Akzeptanz
als Alternative zu dem Versuch,
Gefühle zu kontrollieren und zu
bekämpfen

17
Q

ACT: Ziele

A

• Nicht die Reduzierung von Symptomen oder Störungen im engeren Sinne, sondern vielmehr
der Aufbau eines engagierten und sinnerfüllten Lebens
• Wird erreicht durch größere psychische Flexibilität und kontextuelle Kontrolle

18
Q

ACT: Therapeutische Prinzipien

A

Achtsamkeit - > fördert -> Akzeptanz - > ermöglicht - > Commitment und Werteorientierung

19
Q

Committed Action

A

= Handle entsprechend deiner Werte

20
Q

ACT: 6 Behandlungsschritte

A
  1. Achtsamkeit
  2. Akzeptanz
  3. Kognitive Defusion
  4. Selbst−als−Kontext
  5. Persönliche Werte formulieren
  6. Engagiert Handeln
    (Commitment)
    = Hexaflex
21
Q

ACT – Kognitive Defusion

A
  • > Förderung von kognitiver Defusion:
    • Metaphern, z.B.: „Stellen Sie sich diesen Gedanken als Schmetterling vor, der gerade auf Ihrer Hand
    gelandet ist“
    • Meditative Übungen, z.B. Beobachter:in der eigenen Gedanken
    • Erlebnisbasierte Übungen, z.B. Bewertung vs. Eigenschaft, Sich selbst beim Denken
    zuschauen
    • Verändern sprachlicher Konventionen, z.B. „Ich habe den Gedanken, dass ich wertlos bin“ vs. „Ich
    bin wertlos“
    • Paradoxien, z.B. „Denken Sie NICHT an einen Dinosaurierer“
22
Q

ACT - Werteorientierung und Commitment

A
  • Werteorientierung
    • Was ist Ihnen wirklich wichtig?
    • Was für ein Mensch möchten Sie sein?
    • Welche persönlichen Stärken möchten Sie entwickeln?
23
Q

• Paarbeziehung
• Elternschaft
• Familiäre Beziehungen
• Freundschaften / soziale Beziehungen
• Karriere, Beruf
• Persönliches Wachstum und Entwicklung
• Erholung, Freizeit
• Spiritualität / Glaube
• Gesellschaftliches Engagement
• Gesundheit, Wohlbefinden

A

= Werte-Domänen

24
Q

ACT: Indikation & Wirksamkeit

A
  • Indikation:
    • Breiter Einsatzbereich: Depression, chronische Schmerzen, körperliche Erkrankungen
  • Wirksamkeit
    • Breite empirische Belege für Wirksamkeit für verschiedenen Erfolgskriterien
    • Starke Evidenz bei chronischen Schmerzen
    • Gleich wirksam, ggf. sogar wirksamer als „klassische“ KVT
25
Q

Zusammenfassung ACT

A

• Basiert auf der Annahme der Universalität des menschlichen Leidens
• Fokus auf Reduktion des Leidens, nicht auf Reduktion der Beschwerden
• Förderung der Krankheitsbewältigung durch Akzeptanz der persönlichen Realität und
Bindung an individuell wichtige Werte und Ziele

26
Q

Dialektisch-Behaviorale Therapie - Linehan, 1993

A

• Seit 80er Jahren von Marsha Linehan entwickelt
• Basiert auf KVT und Zen-Philosophie
• Ursprünglich entwickelt für chronisch suizidale Pat. mit BorderlinePersönlichkeitsstörung
• Inzwischen erweitert für viele psychische Störungen mit gestörter
Emotionsregulation: PTBS, Essstörungen, Sucht u.a.

27
Q

DBT: Dialektische Haltung

A

Akzeptanz von Schmerz und Leid < - > Drängen auf Veränderung
= Ein Denken und Arbeiten mit
verschiedenen, meist gegensätzlichen
Standpunkten, um eine Balance und
lebendiges Gleichgewicht zwischen
Extremen zu finden

28
Q

DBT: Therapeut. Grundhaltung

A

= Engagement, Durchhaltevermögen, Demut

29
Q

DBT: Grundannahmen

A

• Jedes Verhalten der Patient:innen macht im subjektiven Kontext Sinn. Sie versuchen,
das Beste aus ihren gegenwärtig verheerenden Situationen zu machen.
• Borderline-Patient:innen wollen sich verbessern.
• Borderline-Patient:innen müssen sich stärker anstrengen, härter arbeiten und stärker
motiviert sein, um sich zu verändern, dies ist ungerecht.
• Borderline-Patient:innen haben ihre Probleme in der Regel nicht alle selbst
verursacht, sie müssen sie aber selber lösen.
• Patientinnen können in der DBT nicht versagen.
• Therapeut:innen, die mit Borderline-Patient:innen arbeiten, brauchen Unterstützung.

30
Q

Hierarchie der Therapieziele in der DBT

A
  1. Verringern von lebensbedrohlichem Verhalten oder Verhalten, das andere Menschen
    gefährdet
  2. Verringern von therapiezerstörendem Verhalten
  3. Verringern von Verhalten, das zu Krisen führt
    (z.B. auch Selbstverletzungen oder andere Selbstschädigungen)
  4. Verringern von Verhalten, welches Fortschritte in der Therapie gefährdet
  5. Verringern von Verhalten, welches die Lebensqualität beeinträchtigt
31
Q

DBT: Behandlungsstadien

A

Vorbereitungsphase
• Diagnostik, Aufklärung, Ziele, Non-Suizidvertrag
1. Therapiestadium: Schwerwiegende Probleme auf der Verhaltensebene
• Verbesserung der Überlebensstrategien, Therapie-Compliance, Skills
2. Therapiestadium: Probleme des emotionalen Erlebens
• Verbesserung der sozialen Integration und Interaktion
3. Therapiestadium: Probleme der Sinnerfülltheit
• Verbesserung der Lebensbejahung, Neuorientierung

32
Q

Basisstrategien - DBT

A

• Validieren
• Reaktionen des/der Patient:in ergeben Sinn und sind in einer bestimmten Situation
nachvollziehbar
• Zielt zunächst auf Akzeptanz und erst später auf Veränderung ab
• Problemlösen
• Z.B. Prioritäten setzten, Entscheidungen treffen, Lösungsprozesse, Verhaltensanalysen
• Kontingenzmanagement
• Raumzeitlicher Zusammenhang zwischen Reaktion und Konsequenz
• Fertigkeitentraining (Skillstraining)

33
Q

Definition „Skill“

A

= kognitive, emotionale und handlungsbezogene Fertigkeiten,
die sowohl kurz- als auch langfristig zu einem Maximum an positiven und Minimum an
negativen Erfahrungen führen.

34
Q

DBT-Skillstraining

A
  • Ziel: funktionalerer Umgang mit Emotionen
    = > Das Skills-Training zielt darauf ab, den Klienten praktische Fähigkeiten zu vermitteln, um besser mit emotionalen Dysregulationen, zwischenmenschlichen Konflikten und anderen Herausforderungen umzugehen.
  • Module
    • Achtsamkeit
    • Stresstoleranz
    • Umgang mit Gefühlen
    • Zwischenmenschliche Fertigkeiten
    • Selbstwert
35
Q

Zugangskanäle für Skills

A

• Sinnesbezogene Skills
• Gedankenbezogene Skills
• Handlungsbezogene Skills
• Körperbezogene Skills

36
Q

DBT: Indikation & Wirksamkeit

A
  • Indikation
    • Primär für Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) entwickelt
    • Mittlerweile Interventionsmanuale für zahlreiche psychische Störungen/Komorbiditäten:
    BPS mit Substanzabhängigkeit, PTBS, Essstörungen, antisoziale Persönlichkeitsstörungen
    u.a.
  • Wirksamkeit
    • Reduziert wirksam Symptomatik, Selbstverletzung und verbessert Funktionsfähigkeit
37
Q

Zusammenfassung DBT

A

• DBT wurde als spezifische Intervention für Borderline-Persönlichkeitsstörung entwickelt,
kommt heutzutage aber bei vielen Störungen mit gestörter Emotionsregulation zum Einsatz.
• DBT kombiniert Basistechniken der KVT (wie die Verhaltensanalyse) mit Techniken zum
Erlernen von Achtsamkeit und Akzeptanz.
• Teams, die mit DBT arbeiten, sollten alle darin geschult sein und regelmäßig supervidiert
werden.

38
Q

Kritik an der Dritten Welle

A

• Kontroverse Wellen-Metapher: keine Welle,
lediglich wissenschaftliche Weiterentwicklung
• Unwissenschaftlichkeit bzgl. der zugrundeliegenden Theorien

39
Q

Fazit

A

• Dritte-Welle-Verfahren integrieren die Arbeit an Emotionen, Achtsamkeit und Akzeptanz und
bedienen sich psychodynamischer Konzepte.
• Sie sind zunehmend in den verhaltenstherapeutischen Alltag integriert und aus vielen
Bereichen nicht mehr wegzudenken (z.B. DBT).
• Dritte-Welle-Verfahren sind wirksam, aber vermutlich nicht wirksamer als „klassische“ KVT.