VerwR AT- Unbest Rechtsbegriffe u Ermessen Flashcards
Was sind unbest Rechtsbegriffe?
= Elemente des Tatbestandes einer Norm, deren Inhalt – anders als etwa bei Orts- oder Zeitangaben – nicht eindeutig bestimmt werden kann
- zB „öffentliches Interesse“, „Gemeinwohl“, „Unzuverlässigkeit“, „Eignung“
- Unbestimmte Rechtsbegriffe werden in zwei Fallgruppen
unterschieden:
a. unbest Rechtsbegriffe ohne Beurteilungsspielraum
b. unbest Rechtsbegriffe mit Beurteilungsspielraum
I. Unbestimmte Rechtsbegriffe ohne Beurteilungsspielraum (=die Regel)
- grds hat VerwBehörde bei unbest Rechtsbegriffen kein Beurteilungsspielraum; trotz aller Unbestimmtheit einzelner Tatbestandselemente existiert dann nur eine (normativ) „richtige“ Entscheidung
- In diesen Fällen ist die von der Behörde getroffene Entscheidung über die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs gerichtlich voll überprüfbar (ist eine Person bspw. „unzuverlässig“ oder „geeignet“)
- Begründet wird dies unter Verweis auf das Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG, da eine Bindung der Gerichte an die Feststellungen der Verwaltung mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes unvereinbar sei
II. Unbestimmte Rechtsbegriffe mit Beurteilungsspielraum (= die Ausnahme)
- in best Ausnahmefällen ist gerichtliche Überprüfbarkeit der behördlichen Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe jedoch eingeschränkt;
= der Behörde kommt bei der Anwendung
dieser unbest Rechtsbegriffen also ein Beurteilungsspielraum zu, so dass unterschiedliche „richtige“ Entscheidungen existieren. - Ob im Einzelfall ein Beurteilungsspielraum der Verwaltungsbehörde besteht, ist durch Auslegung des jeweiligen unbestimmten Rechtsbegriffs zu ermitteln
- bestimmte Fallgruppen, in welchen ein Beurteilungsspielraum der Behörde besteht.
Fallgruppen der Unbestimmten Rechtsbegriffe mit Beurteilungsspielraum
- Prüfungs-, prüfungsähnliche und Schulentscheidungen
- zB bei Notenvergabe wird durch VerwGericht nur geprüft, ob Verfahrensvorschriften durch Prüfer missachtet wurden
- Prüfer hat Beurteilungsspielraum - Beamtenrechtliche Eignungs- und Leistungsbeurteilungen
- zB Entscheidung über den Aufstieg in eine höhere Besoldungsgruppe - Entscheidungen wertender Art durch weisungsfreie und/oder pluralistisch besetzte Sachverständigen-
oder Interessenvertreterausschüsse
- zB Entscheidung über die didaktische und pädagogische Eignung von Schulbüchern - Prognose- und Risikobewertungsentscheidungen, insbesondere im Bereich des (öffentlichen)
Wirtschafts- und Umweltrechts
- zB Maßnahmen zur Sicherung eines Kernkraftwerks
RF-Seite der gebundenen Entscheidung u der Ermessensentscheidung
I. Gebundene Entscheidung
1. Erfüllung des TB (+)
2. RF: Verpflichtung zum Ergreifen einer
bestimmten Maßnahme durch die Behörde
II. Ermessensentscheidung
- Erfüllung des TB (+)
- RF
a. Ausübung des Entschließungsermessens
- Entscheidung über das Ergreifen, also das „Ob“ einer gesetzlich vorgesehenen Maßnahme
b. Ausübung des Auswahlermessens
- Entscheidung zwischen verschiedenen Verhaltensoptionen, also über das „Wie“ einer gesetzlich vorgesehenen Maßnahme
Wie erfolgt die Einräumung von Ermessen durch das Gesetz?
- ausdrückliche Einräumung: „[Tatbestand], so hat die Behörde nach -pflichtgemäßem Ermessen- zu entscheiden, […]“
- Umschreibung: „[Tatbestand], so -kann- die Behörde […]“
- Einräumung aus dem Zusammenhang: „Wer Verkehrsvorschriften nicht beachtet [= Tatbestand], ist -auf Vorladung- der Straßenverkehrsbehörde oder der von ihr beauftragten Beamten verpflichtet, an einem Unterricht über das Verhalten im Straßenverkehr teilzunehmen.“ (§48 StVO)
Ermessenseinräumung:
1. Sonderfall: intendiertes Ermessen
- zw gebundenen Entschedungen (Muss-Vorschriften) u Ermessensentscheidungen (Kann-Vorschriften) stehen sog “Soll-Vorschriften” (=intendiertes Ermessen)
- „Ein schriftlicher oder elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt ist mit einer Begründung zu versehen. [= „Muss-Vorschrift“]
- Die Begründung von Ermessensentscheidungen soll auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist [= „Soll-
Vorschrift“].“ - ein Abweichen von dieser Vorgabe darf nur in atypischen Fällen erfolgen
- Die Darlegungslast liegt dabei bei der Behörde, welche entgegen der grundsätzlichen Vorgabe des Gesetzes
handeln (oder auch nicht handeln) möchte
Was bedeutet es, wenn Behörde ihr Ermessen nicht pflichtgemäß ausübt?
- Maßnahme der Behörde ist rechtswidrig: Unterscheidung zw Anfechtungs- u Verpflichtungssituation!
- ob dies der Fall ist, kann gemäß § 114 S. 1 VwGO gerichtlich
überprüft werden
- Ermessensunterschreitung/ Ermessensnichtgebrauch
= wenn das Gesetz der Behörde zwar Ermessen einräumt, diese von ihrem Ermessen aber überhaupt keinen Gebrauch macht
- Ein Grund hierfür kann darin liegen, dass sich die Behörde irrtümlich für gebunden hält.
- Ermessensüberschreitung
= wenn die Behörde eine nicht mehr im Rahmen der ermessensbegründenden Vorschrift liegende Rechtsfolge wählt;
- zB: Die Behörde kann für die Beglaubigung einer Urkunde laut der Gebührenordnung je nach Aufwand eine Gebühr zwischen 10,– und 50,– Euro erheben, erhebt aber
im konkreten Fall eine Gebühr in Höhe von 100,– Euro.
- Ermessensfehlgebrauch
= wenn die Behörde ihr Ermessen nicht entsprechend
dem Zweck ausübt, welchen die ermessensbegründende Vorschrift verfolgt
a) Ermessensmissbrauch: Die Behörde verfolgt mit ihrer Maßnahme einen sachfremden Zweck; zB: Entzug der Gaststättenerlaubnis, weil der innerhalb der Behörde zuständige Sachbearbeiter in der Gaststätte seiner Meinung nach „unfreundlich“ bedient wurde und es dem Gaststättenbetreiber nunmehr „heimzahlen“ will
b) Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme: Die Behörde trifft eine ungeeignete, nicht erforderliche oder unangemessene Entscheidung.
RF eines Ermessensfehlers bei Anfechtungssituation
- jeweilige Maßnahme wird durch das Verwaltungsgericht aufgehoben, sofern sie den Kläger (auch) in seinen Rechten verletzt
RF eines Ermessensfehlers bei Verpflichtungssituation
- Begehrt der Kläger ein Handeln der Behörde, welches diese ermessensfehlerhafterweise ablehnt, so kann das Gericht das Ermessen der Verwaltung prinzipiell nicht ersetzen.
- Wird etwa ein beantragter ErmessensVA von der Behörde ermessensfehlerhaft abgelehnt, so kann das Gericht die Behörde regelmäßig nicht zum Erlass des betreffenden VA, sondern lediglich zur ermessensfehlerfreien Neubescheidung (= nochmalige Entscheidung über den Antrag) des
Klägers verpflichten
Was bedeutet “Ermessen”
= dass der Behörde auf der RF-Seite der entsprechenden Norm eine Hdl-freiheit eingeräumt wurde
- Gesetz verwendet dann Formulierungen wie: “kann/ darf/ ist befugt/ ist berechtigt”
- Gegenbegriffe die eine gebundene Entscheidung implizieren: “ist/ muss”
Ermessen wenn die RF-Seite Formulierung mit “soll” verwendet?
- > Behörde muss idR die im Gesetz beschriebene RF treffen
- in zu prüfenden Ausnahmefällen darf sie abweichend entscheiden
WICHTIG: dass “soll” ist näher am “muss” als am “kann”