Stadtökologie Flashcards
Definition
• Teildisziplin
• beschäftigt sich mit städtischen Biozönosen, Biotopen und Ökosystemen,
• deren Organismen und Standortbedingungen sowie mit Struktur, Funktion und Geschichte urbaner Ökosysteme
• integriertes Arbeiten mehrerer Wissenschaften
aus unterschiedlichen Bereichen
• Ziel einer Verbesserung der Lebensbedingungen und einer dauerhaften umweltverträglichen Stadtentwicklung
Natur der ersten Art
ursprüngliche Naturlandschaft
• Feuchtgebiete, Wälder
• renaturierte Moore
Natur der zweiten Art
landwirtschaftliche Kulturlandschaft
• Streuwiesen, Triften, Heiden
• Maiskulturen
Natur der dritten Art
gärtnerischer Anlagen
• Landschaftsparke
• Kübelpflanzungen
Natur der vierten Art
spezifisch urbanindustrielle Natur
• ruderale Stadtwälder
• Herbizidvegetation
Durch welchen Tendenzen (nach Müller, 1977) ist die Tierwelt in den Städten ausgezeichnet?
- Plötzliche Abnahme des Artenreichtums bestimmter Ordnungen
- Bevorzugung einzelner Arten
- Deutliche Verringerung der Diversität
Zerstörung und Isolierung von Habitaten
- Biotopverinselung
- Isolierte Berggipfel
- Isolierte Gewässer
- isolierte Wälder
- Nadelwald isoliert Laubwald
Folgen der Habitat-Fragmentierung
- Verkleinerung von Lebensräumen
- Räumliche Trennung von Populationen und (Rest-)Habitaten
- Randeffekte
Folgen der Isolation
- kein Austausch zwischen verschiedenen Populationen mehr möglich
- Verlust von angrenzenden Habitaten mit Teillebensraumfunktionen
- Verringerte Anzahl Organismen vor Ort und solcher, die ein Habitat besuchen
Wie hängt Fragementierung mit dem Allee-Effekt zusammen?
Fragmentierung vermutlich als Grundlage
• „Umgekehrte innerspezifische Konkurrenz“
Individuenzahl sinkt unter bestimmten Schwellwert, Population stirbt langfristig aus
• Begründungen
- Probleme bei der Partnersuche
- Anhäufung schädlicher Allele
- reduzierte Effizienz bei der Nahrungssuche
- Probleme bei der Abwehr von Räubern
• Ursachen
- Jagd
- Lebensraumfragmentierung
- klimatische Veränderungen
- usw
Artenreichtum in der Stadt
- Tiere, die nährstoffarme Gebiete bevorzugen
* keine Jagd, Mensch kein Fein, sondern sogar Futterquelle
Was macht das Klima in der Stadt aus?
• Wärmeinseleffekt
- durch dichtstehende Gebäude und Rückstrahlung
• Dunstglocke
- Wärmestrahlung wird nicht mehr gut abgegeben, Austausch von Luftmassen
• Hydrodynamischer Effekt
- Böden verdichtet, gezielte Absenkung des Grundwassers, Oberfläche versiegelt
- > Regen sickert nicht ein
• Luftchemischer Effekt
- dichte Industrialisierung
• Erhöhtes Lichtangebot
- Lichtverschmutzung, Blau- und UV-Licht lockt Insekten an
- > Billionen sterben
Pflanzen in der Stadt
- deutlicheres schnelleres Abblühen
* erhöhte Temperatur hat Auswirkung auf Verhältnis von C3- zu C4-Pflanzen
Was sind die Ursachen für den Temperaturanstieg in der Stadt?
• Erhöhte Absorption der Sonneneinstrahlung durch
Mehrfachreflexion
• Hohe Wärmespeicherkapazität von Häuser/Straßen,
die nachts die Wärme abgeben
• Verminderung der nächtlichen Wärmeabstrahlung
durch gegenseitige Abschirmung bzw. Reflexion an
Aerosol
• verringerte bzw. fehlende Vegetation
• schnelle, unterirdische Abführung des Regenwassers
• hohe Eigenwärmeproduktion der Stadt durch Industrie,
Verkehr, Hausbrände
Ausbildung von Grenzschichten
• Stadthindernisschicht
- Erdoberfläche bis mittleres Dachniveau
• Urbane Grenzschicht
Dachniveau bis atmosphärische Grenzschicht
Welche Einflüsse auf den Stadtboden und welche Folgen entstehen?
• natürliche und technogene Substrate • Verdichtungen und Versiegelungen • Grundwasserabsenkungen, Kanalisierung • Teilabgrabungen • höherer pH-Wert • örtlich höherer Humusgehalt (Hortisole) • Nähr- und Schadstoffeinträge
Folgen
- dichter
- trockener
- alkalischer
- variabler im nährstoffgehalt
- schadstoffreicher
- Versalzung durch Tausalze
“Ritzendreck”
- hoher Anteil an organischem Material
- dreimal höhere mikrobielle Aktivität
- Schadstoffe aus dem Autoverkehr effektiv zurückgehalten
- durch Ritzen kann Wasser eindringen als auch verdunsten
Stressfaktoren für Straßenbäume
- Aerosolpartikel
- Immision vom CO, NOx, SO2
- Erwärmung
- Bodeneintrag und Bodenversiegelung
- Streusalz
- falsche Schnittmaßnahmen
- Bodenabtrag
- Schwermetalle
- mechanische Beschädigung
- Versorgungsleitungen
- Grundwasserabsenkung
Was macht die Stadtflora aus?
- Pflanzenarten des Biotoptypes Stadt
- generell sind alle Großgruppen des Pflanzenreiches in der Stadt vertreten
Rückkopplung des Stadtklimas und der Böden auf die
Stadtflora
• die Umweltfaktoren wirken sich auf die Zusammensetzung der Vegetation aus
• im städtischen Lebensraum herrscht im Gegensatz zum Umland eine andere Vegetation vor
- mehr sklerophytische (lederblättrig, immergrüne,
hartlaubige) Arten
- weniger mesophytische Arten (der mäßig feuchten
Standorte, wenig Verdunstungsschutz)
- kaum hygrophytische Arten (angepasst an nasse,
feuchte und schattige Standorte)
Zusammensetzug der Stadtflora
- Bebauung und Versiegelung nimmt zum Zentrum hin zu
- Artenzahlen von Flechten, Moosen und Pilzen nimmt zum Zentrum ab
- Artenzahl der Samenpflanzen ist im Stadtzentrum größer als im Umland
- Industriebrachen sind im Vergleich sehr artenreich (vor allem Neophyten)
- Artenreichtum hat nichts mit Stadtgröße zu tun
Zusammensetzug der Stadtflora
- Einteilung nach Verbreitungstypen
• Urbanophil
5,5% extrem: Hordeum murinum
7,0% mäßig: Oenothera biennis, Solidago canadensis
• 11,3% Urbanoneutral
viele Ubiquisten,
Trittpflanzen (Plantago major, Polygonum aviculare), Pioniergehölze, wie Betula pendula, Salix caprea, Acer pseudoplatanus
• 53,1% Urbanophob
extrem: nahezu alle Orchideen, die meisten Gentianaceen, Liliaceen und viele Cyperaceen
23,1% mäßig: Waldpflanzen (Anemone nemorosa, Primula elatior)
• Als charakteristische Stadtpflanze gelten nur urbanophile!
Beispiele für Neophyten
• Gewöhnliches Hundszahngras
- ursprünglich Indien
- Trittfest, trockenfest und etwas salztolerant
- nördlich der Alpen, besonders entlang des Rheins
Brandenburg und Lausitz
• Beifußblättriges Traubenkraut (Ambrosia)
- Nordamerika, urbanophil
• kanadische Goldrute
- lästiger Fremdling
- wurde im 19. Jahrhundert gezielt angepflanzt, um die Bienenweide zu verbessern
• ist eine mäßig urbanophile Pflanze
Fauna in Berlin
Berlin: knapp 50 verschiedene Säugetierarten = über 2/3 aller Arten, die in der weiteren Umgebung Berlins vorkommen
Vorteile der Stadt für die Fauna
• reichhaltiges Nahrungsangebot
• oft günstige klimatische Bedingungen
• Schutz vor natürlichen Feinden
• Habitatmosaik, hohe Heterogenität (Vielzahl von Siedlungsstrukturen, Flächennutzungen, Kleinsthabitaten), damit Vielfalt von Lebensräumen: Gewässer, Moore, Trockenrasen, “Felswüste aus Beton„
-> in Großstädten häufig mehr Arten als in der umliegenden Agrarlandschaft
Nachteile der Stadt für die Fauna
• Habitatzerstörung, Totalverlust, aber auch starke Fragmentierung und Isolation
• Eintrag von Pestiziden, Insektiziden und anderen Schadstoffen
• Lärmbelästigungen (Verkehr, …)
• Lichtbelästigung
• erhöhte Temperatur
-> in Großstädten fehlen viele Arten, die es sonst nur in lange gewachsenen, relativ stabilen Ökosystemen gibt
Historische Entwicklung der Stadtfauna
• schon vor Siedlungsgründungen einige Tierarten in menschlicher Nähe (Kulturfolger, v.a. Insekten)
• erste Siedlungen & Städte
- Anlegen von Vorräten
- Voraussetzung für Ansiedlung von Vorratsschädlingen
• schnelle Verbreitung durch Handel
• Besiedlung der Städte durch Tiere fast gleichzeitig mit ihrer Entstehung
weiteres Allgemeines zum Kulturfolger
• Hemerophile
- Arten, die dem Menschen in seine Kulturlandschaften nachfolgen
- profitieren von anthropogenen landschaftsverändernden Maßnahmen
• Hemerophobe
- Kulturflüchter
Kulturfolger
ARTEN DES EPILITHIONS
= aus Felsenlandschaften stammend
• vertikale Gebäudewände mit Ähnlichkeiten in Struktur, Exposition & Substrat → „Kunstfelsen“
• teilweise größere Populationen als in ursprünglichen Habitaten (viele Vertreter der Vögel)
• Bsp
- Zweifarbfledermaus
- Mauersegler
- Steinmarder
Kulturfolger
ARTEN DES ARBOREALS
= aus Wäldern stammend • Parkanlagen, Friedhöfe, Gärten etc • Bsp - Amsel - Eichhörnchen - Rotfuchs
Kulturfolger
ARTEN DES MEDITERRANEIS
• Tendenz zur Bildung von Exklaven auf „Wärmeinseln“ Mitteleuropas • Südhänge, Talkessel, aber auch Städte • Bsp - Speispinne - Girlitz
Kulturfolger
SYNANTHROPIE
• im menschlichen Siedlungsbereich Existenz neuer ökologischer Angebote / Lizenzen
- von Tierarten zu Nischen realisiert
- Ausbildung einer Anthropobiozönose
Anpassung einer Tierart an menschlichen Siedlungsbereich geht soweit, dass sie nicht auf Ergänzung ihrer Population von außen angewiesen ist
• Bsp
- Silberfischchen
- Heimchen
Heim- und Haustiere
• durch Aussetzen oder Entweichen
• spielen in Städten große Rolle
• Bsp
- Hunde, Katzen, Papageien, Schildkröten etc
Stadttiere
Bsp Rotfuchs - Abhängigkeit welcher Ressourcen?
urbane Füchse sind abhängig von 3 Ressourcen:
1) Schlupfwinkel und Verstecke für den
Tag
2) Bau zum Werfen und Nachwuchspflege
3) Nahrung anthropogener Herkunft (Fleisch-, Knochenreste, Abfälle…)
- Sind diese begrenzt, findet man wenige bis keine Füchse
Stadttiere
Bsp Rotfuchs -
Hypothesen als Erklärung zur Präsenz
• Population Pressure Hypothese
- Populationsdruck durch hohe Dichten im Umland
- urbane Lebensräume sind suboptimal -> fungieren als Senke
- Migration; keine genetischen Differenzen
• Urban Island Hypothese
- Stadtspezifische Verhaltensanpassungen
- nutzen städtischen Ressourcen
- (Gründer)population genetisch isoliert von umliegender ländlicher
Stadttiere
Bsp Rotfuchs -
Folgen
- Unterschiede in genetischer Diversität zu ruralen Populationen
- genestische Drift
- Aktive Erschließung eines neuen Lebensraums
Stadttiere
Bsp Stadtvögel -
Verhaltensänderungen
• viel höhere Populationsdichten • reduzierte individuelle Territoriengröße • vermindertes Migrationsverhalten • verlängerte Brutsaison (mehr Bruten) • Veränderungen im nahrungsbedingten Verhalten • erhöhte intraspezifische Aggressivität • Langlebigkeit • Veränderungen der circadianen Aktivitätsperiodik (künstliches Lichtregime) • Veränderungen der Lebensgewohnheiten: - Verwendung anthropogener Objekte als Unterschlupf und Brutplatz • verringerte Fluchtdistanz
Neozoen einschleppen in Städten
• Bsp Miniermotte: invasiv und aggressiv, siet knapp 20 Jahren
- Ambivalente, anthropozentrische Argumentation: Die
Rosskastanie ist nämlich selbst ein Neophyt (~1576)
- Bisher kein dauerhafter Schaden an den Bäumen
beobachtet, „Schaden“ ist eher ästhetischer Natur
Urbanisierung bewirkt Homogenisierung
• Expansion von nicht einheimischen Arten
• Verschwinden von einheimischen, insbesondere
seltener Arten
• Homogenisierer:
- Synantrope Tiere und Pflanzen (Urbanophile)
- z.B. omnivore, granivore Höhlenbrüter (Vögel),
kleine Raubtiere, Insekten
Offene Fragen
• zur Biodiversität
- „Arche Noah-Funktion“ für seltene Arten vs.
Homogenisierung
- Wo kommt die hohe Artenzahl in der Stadt her?
„Intermediate disturbance hypothesis“
- Allgemein gültig für terrestrische und aquatische
Systeme gleichermaßen?
• zur Habitat-Fragmentierung
- Grundlage für Allee-Effekt oder für Radiation?
Intermediate disturbance hypothesis
• produktiven Gemeinschaften, schnell wachsende Arten -> hohe Störungsfrequenzen bewirken maximale Diversität
(jedoch selbst bei stärkeren Störungen artenarm, z.B. Fettwiesen, nährstoffreiche Gewässer)
• nährstoffarme Habitaten, langsam wachsende Arten
-> geringere Störungen bewirken maximale Diversität (artenreiche Gemeinschaften existieren oft in Lebensräumen mit geringer Produktion, z.B. nährstoffarme Gewässer, Magerrasen)
Aquatische Stadtökologie -
PHYSIKALISCHE STRUKTURARMUT
- Kanalisierung & Regulierung von Flüssen
- ab 13. Jh. Wassermühlen: Mühlenstaue
- Mittelalter: Wehrfischerei
- Bau von Verbindungskanälen (verschalt)
- Physikalische Strukturarmut behindert genetischen Austausch zwischen Populationen
- Kanäle u.ä. sind Wanderungshindernisse: keine Struktur zur Orientierung, keine Richtströmung
Aquatische Stadtökologie -
BELASTUNG
• Atmosphärische Einträge • Direkteinträge aus Industrie • diffus Einträge -> Schwermetalle -> PAK, PCB, Phenole -> Organometalle
Aquatische Stadtökologie -
SCHLUSSFOLGERUNG
• Berlin: meisten Gewässer allein anthropozentrisch zweckbestimmt: Empfänger von +/- gereinigten Abwasser und Schifffahrtswege
• Gegensatz zu terrestrischen Stadt-Habitaten:
- Stadt mit vergrößertem ökologischen Nischen-Potenzial
- Ballungsraum-Gewässer strukturell verödete und chemisch multipel belastete Habitate für euryöke Arten