Somatische Differenzialdiagnose Neuropsychiatrie Flashcards
Vorbemerkung
Organische Erkrankungen und psychoaffektiver Zustand bedingen sich gegenseitig, moderiert durch die Physiologie (Immunsystem) und die Psychologie (Schmerzempfinden)
- Zusammenhang zwischen organischen Erkrankungen und dem psychoaffektiven Zustand ist unbestritten
- aber: Zusammenhänge sind komplex, monokausale Zusammenhänge irreführend
- relevante Aspekte: Sensitivität für die psychischen Folgen organischer Erkrankungen; Implikationen für die Therapieplanung ableiten
- Grenzen: Vorstellung aller Krankheitsbilder nicht möglich; medizinische Differenzialdiagnose kann nicht behandelt werden
Differenzialdiagnose
Gesamtheit aller Diagnosen, die alternativ als Erklärung für die erhobenen Symptome in Betracht gezogen wurden
Warum somatische Differentialdiagnosen?
Grundfrage: Liegen somatische Ursachen psychischer Störungen vor? Hat eine somatische Erkrankung psychische Ursachen?
- somatisches Screening durch Fach-/ Hausärzte und Zusammensrbeit ermöglicht ganzheitliche Betrachtung der Symptomkonfiguration
Warum somatische Differenzialdiagnose 2.0
Komprbidität: Biopsychosoziale Krankheitsmodelle implizieren, dass psychische und körperliche Störungen auch parallel nebeneinander bestehen können
Modelle:
1. Störungen unterschiedlicher Ätiologie beeinflussen sich wechselseitig
2. Störungen haben gemeinsame neurobiologische Wurzel
Verknüpfungsmöglichkeiten:
1. Psychische Störung evoziert körperliche Symptome
2. körperliche Erkrankung ruft psychische Störung hervor
Beispiele:
- Angst und Ulceruserlrankung, Chronischer Schmerz und Depressionen, pharmakologisch bedingte psychische Symptomatik, sekundäre Angstsyndrome durch neurologische oder endokrinologische Erkrankungen
Organische Erkrankung mit psychischen Symptomen
- Folsäuremangel: Folge Depression
- Morbus Wilson: Folge Depression/Psychose
- Sarkoidose: Folge Depression/Persönlichkeitsveränderung
Organisch psychische Störungen
Zentralnervöse Erkrankungen, die mit psychischen Störungen einhergehen
- neurodegenerative Erkrankungen betreffen zunehmend funktionelle Systeme
- Psychotrope Substanzen, neurotoxische Prozesse und Entzug wirken oft auf spezifische Transmittersysteme
- Bspl. Demenz, Delir, Entzugssyndrome etc
Neurologische Erkrankungen mit psychischen Symptomen (neuropsychoatrie)
Gruppen von Erkrankungen:
1. akute mechanische Traumata (z.B. SHT)
2. Vaskuläre Insulte (z.B. Infarkte)
3. Demyelinisierung und Entzündungen (z.B. MS)
4. Neurodegenerationen (AD)
Weiterhin:
Tumorerkrankungen
Epilepsien
Neurotoxische Prozesse
Neurologische Erkrankungen mit psychischen Symptomen: Schädel-Hirn-Trauma
- Depression häufig, Manie seltener
- Angststörungen häufig: Ausprägung abhängig von Lage der Läsion
- Apathie und Persönlichkeitsveränderungen: häufig nach frontaler Beteiligung
Neurologische Erkrankungen mit psychischen Symptomen: Cerebrovaskuläre Insulte
- poststroke Depression: kann ein Jahr andauern und ist Prädiktor für Re-Integrationserfolg. Eher durch anterior und linksseitige Infarkte evoziert
- poststroke GAD (Generalised Anxiety disorder): bei 25% der PatientInnen
- Involuntary Emotion Expression Disorder (IEED) regulationsproblem mit frontaler Ursache
Neurologische Erkrankungen mit psychischen Symptomen: Parkinson Demenz
- Depression häufig (40-50% Prävalenz)
- Assoziiert mit erhöhter Reizbarkeit und Angstzuständen
- Panikanfälle häufig (25%)
- dopamintherapie kann psychotische Phänomenen bedingen
Neurologische Erkrankungen mit psychischen Symptomen: Alzheimer Demenz
- primär Anhedonie (Ausbleiben fröhlicher Gefühle), Reizbarkeit und Verlust von Interessen
- zunehmende Apathie
- Angstzustände, die Aggressivität bedingen können
Neurologische Erkrankungen mit psychischen Symptomen: Multiple Sklerose
- große Bandbreite an psychischen Veränderungen: Major Depression (Prävalenz: 40-60%), Manie, IEED
- prominent ist die Demoralisierung (Adaptionsdefizite) Psychische Symptome nicht mit Schweregrad der Einschränkungen korreliert
- depressive Symptome können durch die Aktivierung des Immunsystems bedingt sein
Neurologische Erkrankungen mit psychischen Symptomen: Epilepsie
-Depressionen - teilweise intermittierend
- bei Temporallappenepilepsie: höhere Wahrscheinlichkeit für Manie mit Reizbarkeit und Hyperaktivität, sowie für psychotische Symptome. Bei letzterer auch Negativsymptomatik (Herabsetzung/Minderung von psychischen Merkmalen) möglich
Grundsätze der somatischen Differenzialdiagnostik
Hypothesengeleiteter diagnostischer Prozess: jede diagnostische Stufe ist durch vorangegangene Befunde (somatisch/psychisch) begründet
1. Vermeidung einer bloßen Ausschlussdiagnostik
2. Orientierung am individuellen Syndrom
3. Diagnose ist Grundlage der Arbeitshypothese: Verlauf der Therapie kann eine diagnostische Reevaluation indizieren.
Übertrag an Praxis: Somstische Differenzialdiagnose erfordert sorgfältige medizinische Anamnese und eine vollständige körperliche Untersuchung
Beispiel Angststörung
- mit somatischen Symptomen verbunden
Diagnostisches Verfahren: - nach Ausschluss normaler Angst folgt somatisches Screening
- hirnorganische Anfälle müssen über Verlaufsaspekte differenziert werden
- Fülle potenzieller Organerkrankung erschwert Diagnose, daher Diagnosekriterien nach DSM-IV-TR