Klassifikation & ICD-11 Flashcards
Kategoriale Diagnostik
Informationen in Kategorien; daraus bildet man Diagnosen -> nur qualitative Aussagen möglich
Probleme: Informationsverlust, dichotome KLassifikation (Störung ja nein), Stigmatisierungsgefahr, nicht reproduzierbare Definitionsunterschiede in Epidemiologie
Dimensionale Diagnostik
Ausmass von Eigenschaften/Merkmalen wird gemessen -> qualitative und quantitative Unterscheidungen
Probleme: Erschwerte Handhabbarkeit, reduziert Phänoment-Komplexität auf eine Dimension (-> es kann einfacher sein, statt auf einer Skala einzuordnen einfach eine klare Diagnose zu stellen)
Dimensionale Diagnostik: Pro
- geht von quantitativen und qualitativen Unterschieden aus
- Entspricht weitgehend dem Vorgehen in der Grundlagenforschung der Psychologie
- Vorteil in der Psychopathologie: es können auch subklinische Fälle erfasst werden (manche Probleme erfüllen nicht ganz die Definition, sind unterhalb der Schwelle, die Leute leiden aber trotzdem
Dimensionale Diagnostik: Contra
- Erschwerte Handhabbarkeit
- reduziert Phänomen-Komplexität in der Regel auf eine einzelne Dimension
-> manchmal ist es einfacher, konkrete Diagnose zu haben und sich nicht auf einer Skala einzuordnen, manche Störungen sind zu komplex und müssen auf mehreren Dimensionen festgehalten werden.
Prototypen-Ansatz (neu)
- gründet auf der Existenz von ‚konzeptionellen Einheiten‘ (Synonym: normative Prototypen)
- bestehen aus idealen Kombinationen von Merkmalen
- Merkmale variieren auf einer Dimension von ‘typisch‘ zu ‚weniger typisch‘ zentrale & periphere Einheiten
- Typische Merkmale sind ‚Kernsymptome‘
DSM
Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM) der American Psychiatric Association -> american bible
- Auf psychische Störungen beschränkt bzw. alleinig auf psychische Störungen fokussiert
ICD
Klassifikationssystem der WHO -> global, mehrsprachig, multidisziplinär, transparent, unabhängig von Interessenkonflikten
Für alle Krankheiten/Störungen; eigenes Kapitel für psychische
Alternativen zur ICD: RDoC
Research Domain Criteria
Pro
* gemeinsame Sprache für Forscher, die psychische Störungen untersuchen
* logische Zuordnungen möglich und Reduktion von unsinnigen Überschneidungen
Contra
* Komplexere psychische Prozesse fehlen in der Matrix (z.B. Stigmatisierungswirkung)
* “Einheitssprache“ ist gut für Diagnostik, aber auch für die Ätiologieforschung?
* bisher keine therapeutische Anwendung, auch nicht für Pharmako- und somatische Therapieansätze
Alternativen zur ICD: HiTOP
Hierachical Taxonomy of Psychopathology
Pro
* Vereinfachung der jetzigen 20-Störungsgruppen-Struktur
* weitgehend mit dimensionalem Ansatz verbunden -> Stärke der Ausprägung wird miteinbezogen
* Komorbiditäten könnten vermieden werden (innerhalb der Spektra) zB hat Person nicht nur Essstörung sondern auch Borderline -> kann in einem Begriff vereinigt werden
Contra
* Nicht alle Störungsgruppen werden abgedeckt: z.B. neurocognitive, neurodevelopmental, Impulse control disorders, auch seltene Störungen nicht (zB ADHS, Autismusspektrum, Demenz)
* Persönlichkeitsstörungen nehmen (bisher) übermässigen Platz ein
* fragliche Innovationsfähigkeit für Differenzierungen: nicht aus dem HiTOP-System heraus zu erwarten zB langanhaltende Trauer
Alternativen zur ICD: Global Mental Health
Verzicht auf Enddiagnose, sondern endet mit Syndromebene
Von Gesundheit über Störungen zu schweren Verläufen:
Asomtomatisch -> nicht spezifischer Stress -> Subsyndromal -> voll definitiertes Syndrom -> Persistenz -> Behandlungsresistenz
Aber: kaum Forschung dazu
Alternativen zur ICD: Neuroscience-Orientierung
- umfassende Matrix aus “Konstrukten“ und “Analyse-Einheiten“
- Konstrukte sind bestimmte biopsychosoziale Funktionseinheiten, z.B. der Motivation, Kognition und des Sozialverhaltens
- Analyse-Einheiten sind von einander abgrenzbare Biomaterialien, Regelkreise oder Zugangswege (Selbstauskünfte oder Fremdbeurteilung)
Besonderer Schwellenwert der ICD
- Lebenszeitprävalenz von psychischen Störungen: 12.2 – 48.6%
- 12-Monatsprävalenz: 8.4 – 29.1% (Zahlen ohne neurologische Erkrankungen)
Treatment Gap bei psychischen Störungen
= absolute Differenz zwischen der wahren Prävalenz einer Störung und der behandelten Personen einer Bevölkerung, welche von der Störung betroffen sind
- Entwickelte Länder: 35% - 50%
- Entwicklungsländer: 76% - 84% -> viel höherer Treatment Gap
Menschen mit psychischen Störungen erhalten weltweit häufiger ihre Behandlung bei primären Gesundheitsversorger als bei spezialisierten Experten
Fachkräftemangel in Psychischem Gesundheitsbereich
76% der Länder (= 86% der Weltbevölkerung) haben weniger als 1 psychiatrische Pflegekraft pro 100’000 Einwohner
Neuerungen: Gründe für Revision der ICD
- Anbindung an andere Terminologiesysteme
- Einbindung von mehr Definitionen, bessere Abbildung relevanter Details
- mehrsprachig
- Benutzerfreundlichkeit, elektronische Dokumentation
Neuerungen: Revisionsziele
- Klinischer Nutzen: Kommunikation, Implementierung in klinischer Praxis, goodness-of-fit, Nutzerfreundlichkeit, Nützlichkeit (z.B. bezüglich Auswahl von Interventionen)
- Wissenschaftlicher Nutzen
- Kulturübergreifende Anwendbarkeit
Neuerungen: Kendall-Kriterien bei neuen Diagnosen
1) vorhandene Akzeptanz bei Expert:innen
2) einheitliches Symptommuster
3) einheitliche Ätiologie und typischer Verlauf
4) vorhandene spezifische Therapieverfahren
Neuerungen: Spezifische Stress-assoziierte Störungen
- akute Belastungsreaktion entfernt, weil Krankschreibung nach kürzlichem traumatisierenden Erlebnis nicht abnormal
- neu: komplexe PTBS
- neu: anhaltende Trauma-Störung
- integriert bei reaktiver Bindungsstörung: Reaktive BS bei Kindern
- integriert bei Bindungsstörung bei Kindern mit Enthemmung: klammernde Bindung
Struktur der ICD-11
- 55’000 Krankheiten, Symptome, Verletzungsursachen
- 17’000 Codes
- 28 Kapitel
- Annäherung an dimensionalen Ansatz
- Harmonisierung von DSM und ICD
- Vermeidung von präzisen Anforderungen an Symptome (zB Dauer oder Cut-Offs)
- kulturbezogene Anleitungen
- Lebensspannenansatz
- neue Diagnosen
Neue Diagnosen: Katatonie
primär psychomotische Störung (früher Subtyp der Schizophrenie)
- stupor, Mutismus, Negativität, Grimacen, Echolalia
Neue Diagnosen: Bipolar Typ II
definiert durch Erscheinen mind. 1 hypomanischen Episode und einer depressiven Episode
Neue Diagnosen: Body Dismorphic Disorder
persistente Präopukation mit mind. 1 Defekt, der für andere nicht sichtbar ist
Neue Diagnosen: Olfactoriy Reference Disorder
persistente Präokupation mit Glaube, dass man einen faulen Körpergeruch absondert. Anderen fällt das aber nicht auf.
Neue Diagnosen: Hoaring Disorder
Gehäuftes horten von Dingen