evidenzbasierte Behandlung Flashcards
Evidenzbasierte Medizin (EBM) /Behandlung
Integration der besten verfügbaren externen Evidenz aus systematischer Forschung mit der individuellen Expertise des Behandlers und den individuellen Werten und Erfahrungen des Patienten für Entscheidungsfindung in der Versorgung.
-> abhängig von methodischer Güte
CONSORT-Statement
= Consolidated Standards of Reporting Trials
Checkliste mit 22 Items/Standardbericht der Wirksamkeit
CONSORT Kriterien
= Qualitätskriterien klinischer Studien
- KG: kann je nachdem zu anderen Effektstärken führen
- Randomisierung: um Verzerrung zu vermeiden
- statistische Power
- reliable diagnostische Messinstrumente
- multidimensionale und multimodale Erfolgserfassung bei Definition eines primären Outcomes
- Diagnostik anhand strukturierter Interviews und blinder Rater
- Durchführung der THerapie mit Treatment-Manual
- Spezifizierung des Ausmasses des Trainings des Therapeuten
- prospektive STudie mit Follow Ups.
- Angabe der Drop-Out Raten
- Effektstärke, auch korrigiert falls ITT (Dropouts)
- Angabe der Sponsoren, Ethikvotum
Limitation von Einzelstudien
- Unüberschaubare Menge an Einzelinformatinoen
- Nachweis kleiner, aber doch realer Effekte wird verpasst
- Einzelstudien weisen einen Effekt nach, der in Realität keiner ist (false positive)
=> Narrative Reviews und Metaanalysen
Narratives Review
- Fasst den aktuellen Forschungsstand in einem Gebiet zusammen, indem einschlägige Literatur vorgestellt und kritisch kommentiert wird
- Auswahl der einbezogenen Literatur durch die Autoren, keine systematische Literaturrecherche
- Narrative Aufbereitung, keine Quantifizierung
Vorteile des narrativen Reviews
- geringe Kosten bei der Erstellung
- geringer Zeitaufwand bei der Erstellung
- Kann neben empirischen Befunden auch methodische und theoretische Aspekte thematisieren
- anschaulicher als andere Formen der Aggregation von Forschungsergebnissen
- subjektive Zusammenfassung der einschlägigen Literatur zu einem umschriebenen Thema
Limitationen des narrativen Review
- Subjektivität bei Auswahl und Bewertung der Primärstudien
- keine Informationen über Literatursuche und -quellen
- Keine standardisierte Evaluation der Qualität
- Unterschiedliche Studiengrössen und –qualität; Gewichtung der Studien erfolgt nicht bzw. erfolgt subjektiv
- Publication bias
Metaanalysen
= Quantitative Integration von mehreren Einzelstudien mit derselben Fragestellung
* Konvertierung von Veränderungen in Effektstärken
* Aggregation von Ergebnissen durch Berechnung von durchschnittlichen Effektstärken in den interessierenden Ergebnisvariablen über verschiedene Studien hinweg
Vorteile von Metaanalysen
- Einbeziehen einer Vielzahl von Studien und dadurch grosse SP
- Berücksichtigung von Stichprobenfehlern, Messfehlern und methodischen Artefakten
- Höhere externe Validität
- Gepoolter Schätzer für den Effekt (Quantifizierung)
- Ermittlung von Moderatoren/Mediatoren möglich
Nachteile von Metaanalysen
- Garbage-in/Garbage-out Problem: nicht objektiv
- Apples and Oranges: Integration der Ergebnisse gerechtfertigt?
- Publication bias: Variablenvermischung: Unterschiedliche Erfassung der Zielvariable in Primärstudien, Änderungssensitivität der Messinstrumente
PRISMA
= Qualitätskriterien, welche Metaanalysen berichten sollten (analog zu CONSORT für RCTs)
-> um Verzerrungen zu vermeiden, und den Standard zu halten
Evidenzbasierte Empfehlungen: Leitlinien
= schriftliche Empfehlungen bzw. systematisch entwickelte Entscheidungshilfen zur Diagnostik und Behandlung, die auf epidemiologischen und wissenschaftlichen Untersuchungen (evidenzbasiert) sowie Expertenwissen (klinische Erfahrung) basieren.
über Leitlinien
- Zielsetzung: Umfassende Aufbereitung des Wissens für evidenzbasierte Praxis (evidence based practice).
- Entwicklung kommt aus der Medizin
- beziehen sich auf definierten Bereich, i. d. R. auf ein bestimmtes (somatisches oder psychisches) Erkrankungsbild.
Methodik der Erstellung von Leitlinien
Stufe 1 (S1): Expertengruppe
Stufe 2 (S2):
- Formale systematische Evidence-Recherche (S2e) oder
- Formale Konsensfindung mit repräsentativen Experten (S2k)
Stufe 3 (S3): Leitlinie mit allen Elementen systematischer Entwicklung (systematische Evidence-Aufbereitung + formaler Konsensfindung)
Handlungsempfehlungen von Expertengruppen
- S1
- geringe wissenschaftliche Legitimation
- geringe politische Legitimation
- geringer Aufwand bei entwicklung
- EBM-Strategie nicht belegt, formalisierter Konsens nicht belegt, LL Gremium repräsentativ
Konsensbasierte Leitlinie
- S2k
- geringe wissenschaftliche Legitimation
- hohe politische Legitimation
- hoher Aufwand bei Entwicklung -> Priorisierung empfehlenswert
- EBM-Strategie nicht belegt, formalisierter Konsens belegt, LL Gremium repräsentativ
evidenzbasierte Leitlinie
- S2e
- hohe wissenschaftliche Legitimation
- geringe politische Legitimation
- hoher Aufwand bei Entwicklung -> Priorisierung empfehlenswert
- EBM-Strategie belegt, formalisierter Konsens nicht belegt, LL Gremium nicht repräsentativ
evidenz- und konsensbasierte Leitlinie
- S3
- hohe wissenschaftliche Legitimation
- hohe politische Legitimation
- sehr hoher Aufwand bei Entwicklung -> Priorisierung erforderlich
- EBM-Strategie belegt, formalisierter Konsens belegt, LL Gremium repräsentativ
Leitlinienempfehlung
= Evidenzgrad der vorliegenden Studien + Konsensusaspekte
Stufen der Evidenzbasierung
- Ia: Evidenz aufgrund von Metaanalysen randomisierter Studien
- Ib: Evidenz aufgrund von mindestens 1 randomisierten kontrollierten Studie
- IIa: Evidenz aufgrund von mindestens 1 gut angelegten kontrollierten Studie ohne Randomisierung
- IIb: Evidenz aufgrund von mindestens 1 gut angelegten quasi-experimentellen Studie
- III: Evidenz aufgrund von mindestens 1 gut angelegten nicht-experimentellen deskriptiven Studie (z.B. Fall-Kontroll-Studie)
- IV: Evidenz aufgrund von Berichten/Meinungen, Expertenkreisen, Konsensus-Konferenzen und/oder klinischen Erfahrungen anerkannter Autoritäten
Kriterien für die Graduierung (Konsensusaspekte)
- Konsistenz der Studienergebnisse
- Klinische Relevanz der Endpunkte und Effektstärken
- Nutzen-Risiko-Verhältnis
- Ethische, rechtliche, ökonomische Erwägungen
- Patientenpräferenzen
- Anwendbarkeit, Umsetzbarkeit
Graduierung und Formulierung von Empfehlungen
- Evidenzstärke hoch: starke Empfehlung -> A -> “soll”
- Evidenzstärke mässig: Empfehlung -> B -> “sollte”
- Evidenzstärke schwach: Empfehlung offen -> 0 -> kann
Befunde zum Science Practice Gap
- 40% der niedergelassenen akademischen Psychotherapeuten lesen regelmässig wissenschaftliche Zeitschriften
- 62% der niedergelassenen Tiefenpsychologen kennen sich überhaupt nicht, minimal oder nur etwas mit der Forschungsliteratur aus
- 40% der niedergelassenen englischen Therapeuten wissen, dass KVT bei Essstörungen die beste Evidenz aufweist; 7% wenden KVT bei Essstörungen an
- Behandlung von PTBS von britischen Psychotherapeuten mittels unterstützender Beratung obwohl diese keine Wirksamkeitsnachweise aufweist
-> In der Praxis wird viel gemacht, was aus Evidenzsicht nicht sinnvoll ist
Gründe für Science Practice Gap
- Rahmenbedingungen, Bildungsaspekte, persönliche Einstellungen
- Skeptische Haltung gegenüber Forschung und der Relevanz von Studien
- «Naiver Realismus»
- Persönlichkeit des Therapeuten wird als zentraler angesehen als andere Faktoren
- Übernahme ganzer Behandlungsansätze: Aufwändig und ggf. «identitätsfern»
- Fehlverständnis, was Evidenzbasierung bedeutet
Förderung der Evidenzbasierung
- Implementierung von Leitlinien
- Gesetzliche Regelungen
- Aus- & Weiterbildung
- Besserer Zugang zu evidenzbasierten Behandlungen
- Massnahmen zur Qualitätssicherung in der psychotherapeutischen Praxis
- Kollaborationsprojekte zwischen Praktikern und Psychotherapieforschern