Institutionen und Funktionsweisen des Föderalismus Flashcards
Verfassungsrevision Kantonswechsel
- Kantonswechsel einer Gemeinde muss nur noch von Gemeinde & Parlament abgesegnet werden
- früher musste gesamte Schweiz darüber abstimmen
- 1970er: Schaffung des Kantons Jura durch Abspaltung von Bern
Rechte der Kantone: Überblick
- Souveränität
- Gleichberechtigung
- Mitwirkung Willensbildung auf Bundesebene
Kantone: Souveränität
- Existenz der Kantone ist garantiert
- Freiheit innerer Organisation (z.B. eigene Verfassung, die Bundesverfassung nicht widersprechen darf)
- Freiheit der Wahl ihrer Behörden (Gemeindeautonomie)
- keine politische Kontrolle durch Bund, lediglich auf rechtlichem Wege möglich
- ausgedehnte Kompetenzen
- eigene finanzielle Ressourcen ⇒ Steuerhoheit
Kantone: Gleichberechtigung
- rechtliche Gleichheit, keiner hat Sonderstellung
- gleichberechtigte Mitwirkung an Willensbildung auf Bundesebene
- je 2 Sitze im Ständerat
- je 1 Ständestimme bei Ständemehr
- Ausnahme Halbkantone: jeweils nur Hälfte
Mitwirkung der Kantone an der Willensbildung auf Bundesebene: Überblick
→ vertikale Institutionen des Föderalismus
- Zweikammersystem
- Ständemehr
- Standesinitiative
- Kantonsreferendum
- vorparlamentarisches Vernehmlassungsverfahren
Zweikammersystem
- →Ständerat & Nationalrat
- Ständerat als Repräsentation der Kantone
Ständemehr bei Volksabstimmungen zu wichtigen Fragen
- Mehrheit der Kantone müssen Gesetz auch in Mehrheit befürworten
- Mehrheit des Volkes bestimmt Standesstimme (> 50% Ja ⇒ Kanton: Ja)
→ schützt ehem. Sonderbundskantone - zustimmendes Stände- und ablehnendes Volksmehr
- kommt manchmal vor, ist aber selten (Heiratsstrafe, Asylrechtsmissbrauch)
Standesinitiative
- Gesetzesvorschlag an Parlament
- Wirkung ziemlich gering
- Funktionen: Protest, Werbung für Partei, Lobbying
Kantonsreferendum
- →8 Kantone müssen Petition einbringen
- bisher nur ein mal vorgekommen: 2003 Steuerpaket
Zusammenarbeit der Kantone allg.
- Unterschied zu USA: Zusammenarbeit zwischen Kantonen
- Zusammenarbeit ist Pflicht
Konkordate
- = interkantonale Vereinbarungen (multilaterale Verträge)
- Ziel→Koordination, gemeinsame Infrastruktur
- Verbreitung: starke Zunahme, regionale Abdeckung
- Bsp.: Vereinheitlichung der obligatorischen Schule, Polizei, Verkehr…
- politische Funktion→Bundesregelung verhindern (zB Fremdsprachen an Schulen)
Konkordate: Probleme
- Demokratiedefizit→Regierung handelt aus, Parlament hat wenig Einfluss
- Schwerfälligkeit→Einstimmigkeit vonnöten (bei vielen Kantonen in einem Konkordat problematisch)
- widersprechen Bundesstaatsprinzip
kantonale Konferenzen
- Direktoren & Fachbeamtenkonferenzen→Volkswirtschaft, Gesundheitsdirektoren etc.
- Regionalkonferenzen der Kantonsregierungen→Ostschweiz, “Alpen-OPEC” (Gebirgskantone) etc.
- Konferenz der Kantonsregierungen→alle Kantonsregierungen
Gemeinden: allg.
- unterste Ebene des Föderalismus, älteste politischen Institutionen
- heute→politische Gemeinden mit Einwohnerprinzip (seit Helvetischer Republik)
Gemeinden: Spezialformen
- Bürgergemeinden: Ortsbürgerrecht → Bestimmung über Allgemeingut
- Korporationen: Eigentümer von Landressourcen (Wald, Weiden etc.) → Pfäffikon SZ 12 000 CHF pro Person/Jahr
- Kirchgemeinden
- Schulgemeinden
Gemeinde: Größe
- Gemeinden fusionieren immer häufiger
- trotzdem: CH hat eher kleine Gemeinden (zB verglichen mit Skandinavien)
Gemeindeautonomie
- Bestandesgarantie (aber Zwangsfusion möglich)
- Organisationsfreiheit
- fiskale Autonomie (Gemeindesteuer-Hoheit)
- selbstständige Erfüllung der Aufgaben
⇒ im Osten tendenziell autonomer als im Westen
Bundesaufgaben: Rechtspolitik
- Grundrechte
- Handels- und Gewerbefreiheit
- Rechtsvereinheitlichunngen
- Straf- und Zivilprozessordnung
Bundesaufgaben: Nationale Infrastruktur
- ETH
- wissenschaftliche Forschung
- Bundesbahn
- Energiebereich
- Nationalstrassenbau
- Alpentransversalen
Wirtschaftspolitik: nach WWII
- nach innen:
- Protektionismus
- Wettbewerbsabsprachen
- Abschirmung gegen Konkurrenz aus anderen Ländern (insb. Agrarsektor)
- nach außen:
- liberaler Wettbewerbs weltweit (für Exporte)
Wirtschaftspolitik heute
- Freizügigkeitsabkommen mit EU
- Globalisierung
- WTO
→ selektive Wirtschaftspolitik von früher nicht mehr möglich
Bundesaufgaben: Sozialpolitik
- 1947 AHV (Alters- und Hinterlassenen-Versicherung
- Dreisäulenkonzept
- weitere “kleinere” Versicherungen, z.B. Arbeitslosigkeit, Invalidität etc. in 50ern
- Mutterschutz erst in 2000ern
Bundesaufgaben: Fiskal- und Finanzpolitik
- Mehrwertsteuer
- 2003: Schuldenbremse
- von DE kopiert
CH: Konsens statt Konkurrenz
- Nichtzentralisierung: alles, was nicht an Bund abgegeben ist, bleibt bei Kantonen
- Subsidiaritätsprinzip
- USA: Konkurrenz unter Staaten
- CH: Ausgleich, Zusammenarbeit zwischen Kantonen
- keine “klassische Gewaltenteilung, sondern Zusammenarbeit zwischen Regierung und Parlament
Warum in der Schweiz kein großer Zentralstaat entstehen konnte
- Direkte Demokratie
Bürger gewähren Verwaltung etc. deutlich weniger Mittel als Parlamente dies tun würden - Verbindung von Föderalismus & Demokratie
Da Volk abstimmen muss, wird dies in Regierung und Parlament bereits bei Ausarbeitung der Gesetze berücksichtigt - keine “implied powers”
- USA: Verfassungsänderungen selten, da Regierung über implied powers arbeiten kann
- CH: Verfassungsänderungen für jede einzelne Ausweitung der Bundeskompetenzen
Besonderheiten kantonale Regierungen
- Volkswahl durch Majorz
- Parteien kooperieren aber zum freiwilligen Proporz
- erweiterte direkte Demokratie
- Referenden
- Einzel- und Verwaltungsbeschlüsse → Finanzreferendum für Bauvorhaben
- fakultative Referenden, z.B. für Kantonsreferendum, Standesinitiative
- keine zweite Parlamentskammer
- erleichterter vorparlamentarischer Einfluss durch Verbände & Interessensgruppen
- einfachere parteipolitische Verhältnisse durch relativ homogene Bevölkerung
kleine Gemeinden
Legislative: Gemeindeversammlung
Exekutive: Kollegialbehörde (i.d.R. Ehrenamt)
Verwaltung: geringe professionelle Ressourcen, viel Ehrenamt
große Gemeinden
Legislative: Gemeindeparlament
Exekutive: Kollegialbehörde (i.d.R. Berufsamt)
Verwaltung: professionell, nur gelegentlich Ehrenamt
Gründe Ost-West-Gefälle bei Gemeindeautonomie
struktureller Determinismus
liegt an strukturellen Zwängen
→ Einwohnerzahl, Größe des Territoriums etc.
individualistischer Aktionismus
interessensmaximierende Akteure, die mal mehr, mal weniger Widerstand erhalten
Gruppierung der Kantone
- dezentralisiert, groß, konservatives Hinterland (ZH, GR, TG)
- dezentralisiert, klein, allgemein konservativ (AI, AR, GL, SZ, OW, NW, ZG)
- ausgeglichen, groß (BE, LU, SG, AG, UR, SO, VS)
- ausgeglichen, klein (BS, JU, SH, BL)
- zentralistisch (VD, TI, NE, FR, GE)
Föderalismus USA
dual federalism
- Schichttorte (layer cake)
- jeder hat klare Kompetenzen
- Vollzug eines Gesetzes auf gleicher Ebene wie Beschluss
Föderalismus CH
- Marmorkuchen (marble cake)
- Ebenen müssen ständig zusammenarbeiten
4 Varianten der Aufgabenteilung in CH: Überblick
- ausschließlich Bund / Kantone
- parallele Kompetenzen
- Vollzugsföderalismus
- ausschließlich Gemeinden
Ausschließlich Bund bzw. Kantone
nur Bund
- Verteidigung
- internationale Beziehungen
- Infrastruktur (Schienennetz, Autobahnen)
nur Kantone
- Erziehung/Schulen
- Polizei
- Kirchen
Parallele Kompetenzen (Bund/Kantone)
- Steuern
- Landwirtschaft
- Zivil- und Strafrecht
Vollzugsföderalismus
- Sozialversicherung
- Strassenverkehr
- Handel, Industrie
- Arbeitsgesetzgebung
- Umweltschutz
-> Bund entscheidet (Rahmengesetzgebung),
Kantone vollziehen (Anwendungsgesetze)
Ausschließlich Gemeinden
- lokale Straßen
- lokale Raumplanung
- Gas-, Elektrizitäts- und Wasserversorgung
- Gemeindesteuern
Ausgaben (Bund, Kantone, Gemeinden)
- keine Zentralisierung der Finanzen erkennbar
- Bereichsübergreifend: Kantone haben meiste Ausgaben
- flukturiert über die Zeit ein wenig, aber kein Trend erkennbar
- teilweise jedoch stark unterschiedlich
- Verteidigung 91% Bund
- Gesundheit 85% Kantone
- Wohnungswesen, öffentliche Einrichtungen 84% Gemeinden
Anteil der Staatsausgaben am Sozialprodukt
- CH im internationalen Vergleich relativ gering
- steigt in letzten Jahren aber deutlich an
Wirkung kantonaler Autonomie: Blockaden
Frauenstimmrecht
- 1971: Bundesgesetz (aber mit Übergangszeit, die nicht weiter definiert ist)
- 1989: AI noch immer nicht umgesetzt
- Frauen ziehen vor Bundesgericht → bekommen Recht
Wirkung kantonaler Autonomie: Innovationen
- CH lange Heroin-Epidemie
- ZH und andere Städte im Osten
- nicht mehr nur restriktive Maßnahmen, sondern gezielt Hilfe
- hat funktioniert
- andere Städte haben Konzept kopiert
- Westschweiz hätte aber nie zugestimmt, wenn von Anfang an Bundesregelung versucht worden wäre
→ “Kantone als Versuchslabor”