Föderalistische Herausforderungen & Probleme Flashcards
Demographischer Wandel
- starkes Bevölkerungswachstum
- Urbanisierung → Menschen ziehen in Großstädte
Sperrminorität =
Anteil der Stimmenden, der notwendig ist, um eine Vorlage mit Doppelmehr-Erfordernis (Verfassungsänderung) zu Fall zu bringen
- vor allem bei kleinen deutschsprachigen Kantonen problematisch, da außenpolitisch skeptisch
- früher weniger problematisch
- Doppelmehr seltener
- demographische Unterschiede im 19. Jahrhundert noch nicht so ausgeprägt
theoretische Sperrminorität
Volksmehr: 1 Person, 1 Stimme
Ständemehr: 1 Kanton, 1 Stimme
23 Standesstimmen (20 + 6 x 1.5) → 11.5 reichen für Ablehnung
=> theoretische Sperrminorität: 9%
reale Sperrminorität
20-25%
Reformmodelle: Überblick
oft eingebracht, politische Chancen aber gering → benötigt Verfassungsänderung, die an Ständemehr scheitert
- funktioniert bei Gemeinden
- bei Kantonen sind Chancen gleich Null (s. GE & VD, BS & BL)
- qualifiziertes Ständemehr
- demographische Gewichtung
- Gewichtung besonderer Minderheiten
- qualifiziertes Volksmehr
- Modell des stärkeren Mehrs
Vorschlag: qualifiziertes Ständemehr
nur 2/3 der Kantone Zustimmung
Vorschlag: demographische Gewichtung
- Genfer Modell
- bevölkerungsstärkste Kantone: 3 Stimmen
- mittlere Kantone: 2 Stimmen
- kleine Kantone: 1 Stimme
- Territorialreform
- Reduktion der Anzahl der Kantone
Vorschlag: Gewichtung besonderer Minderheiten
Städtemodell: große Städte bekommen zusätzliche Standesstimme
Vorschlag: qualifiziertes Volksmehr
mindestens 52.5% Ja → anderslautendes Ständemehr überstimmt
Vorschlag: Modell des stärkeren Mehrs
- prozentual höheres wird als gültig erklärt
- Vorteil: offener Wettbewerb zwischen Demokratie & Föderalismus
Größe der kantonalen Volkswirtschaften
kantonales BIP:
- ca. 50%: ZH, BE, VD (Waadt), GE (Genf)
- hinzu kommen für 80%: AG, SG, BS, TI, LU, BL, ZG
- Rest ist praktisch unbedeutend
Wirtschaftskraft pro Einwohner
- relativ gleich verteilt
- überdurchschnittlich hoch: BS, ZG, GE, ZH
Ressourcen für staatliche Aufgaben
- besonders stark:
- ZG, SZ, NW, OW → “Steuerparadiese”
- ZH, BS, GE
- besonders schwach: VS, JU
Großregionen
- interkantonale Konkordate
- Probleme des Horizontalföderalismus
- Bsp.
- Ostschweiz
- Espace Mittelland
- Zentralschweiz
- immer relevanter für Wirtschaft & Gesellschaft (zB Migros)
Agglomerationen: allg.
- tädtisches Siedlungsgebiet
- alles, was man noch ansatzweise zur Stadt dazurechnen kann
- zB. Effretikon zu ZH
- Pendlerverkehr
Agglomerationen: Probleme & Lösungen
- Problem:
- Menschen tragen nicht dort zur Wirtschaft bei, wo sie Steuern zahlen und politisch mitbestimmen
- Städte: hohe Ausgaben für Infrastruktur
- Umland: geringe Mitbestimmung
- Lösung:
- Zweckverbände
- funktionieren ganz gut, aber teilweise eingeschränkt (Demokratiedefizit)
- vertikale Kooperation: Tripartite Agglomerationskonferenz (TAK)
- horizontale Kooperation: z.B. Metropolitanverein Zürich (120 Gemeinden, 8 Kantone)
- aber: nur Beratung, keine Entscheidungskompetenz
- Zweckverbände
Agglomerationen: weitere Vorschläge
- Agglomerationsorganisationen mit Mitgliedervorteilen
- FOCJ (functional overlapping competing jurisdiction)
- einzelne demokratisch legitimierte Organisationen für Aufgaben
Gebietsreformvorschläge für Dezentralisierung
- öffentliche Güter entsprechen Präferenzen der Stimmbürger
- fiskalische Äquivalenz (gesamte Kosten, gesamter Nutzen)
- Versuchslabor für Innovationen
- fördert Wettbewerb
- soziale Kontrolle, milizmäßiges Engagement
Gebietsreformvorschläge für Zentralisierung
- gewisse Leistungen nicht unterhalb kritischer Größe möglich
- Nutzenstreuung (andere bekommen auch etwas “vom Kuchen ab”, obwohl sie nicht zahlen) ist geringer, je größer die Gebietskörperschaft
- räumliche Interdependenzen
- sinkende Durchschnittskosten
- raschere Umsetzung von Innovationen → Globalisierung
Regionaler Ausgleich: Überblick
topografische Unterschiede (Mittelland vs. Berggebiete) → Gefälle der Standortgunst und -attraktivität
- Mindeststandards
- dezentrale Standortförderung
- Förderprogramme
- Finanz- und Lastenausgleich (NFA)
regionaler Ausgleich: Setzung von Mindeststandards
- (z.B. durch Kantone)
- Schulwesen
regionaler Ausgleich: Dezentrale Standortförderung
- (durch überparteieliche Koalition)
- SBB-Netz
- Postautokurse
- Nationalstraßennetz
- Alpen-Tunnel
regionaler Ausgleich: Besondere Förderprogramme
- Berggebietsförderung
- seit 2008: “Neue Regionalpolitik”
regionaler Ausgleich: NFA
Finanz- und Lastenausgleich (NFA)
1. kompensiert Unterschiede bzgl. Steuerkraft, Ressourcen 2. kompensiert Unterschiede öffentlicher Lasten 1. geographisch bzw. topographisch 1. Nationalstraßen für Transitverkehr 2. sozialdemographisch 1. “armer” Kanton → geringe Steuerkraft, hohe Sozialausgaben 2. Hochschulen 3. horizontal (z.B. Gemeinden/Kantone untereinander) 4. vertikal (z.B. Bund & Kantone)
Kritik an NFA
Unübersichtlichkeit
ständig neue, komplizierte Verflechtungen
ökonomische Ineffizienz
“Überversorgung”
(2 Alpen-Tunnel, 2 internationale Flughäfen)
kein sozialer Ausgleich
untere soziale Schichten profitieren weniger
Loyalty- oder Exit-Gesellschaft
USA (Exit-Gesellschaft)
- Auswanderer
- freie Wohnortswahl essentiell für Besiedelung
- viele Ressourcen
- Individualismus
Schweiz (Loyalty-Gesellschaft)
- heimatverbunden, sesshaft
- Armut
- Freiheit wird kollektiv verstanden
- Solidarität
Regionaler Egoismus
- kleine, ländliche Kleinkantone sind begünstigt
- bilden Dauerkoalition für ihre Anliegen
- “Solidarität” nur relevant, wenn es um regionale Disparitäten geht
- Problemzonen heute: Agglomerationsränder, Mittelland, Stadtzentren→ kaum Aufmerksamkeit
Wann stimmt Bevölkerung zu?
lebenswichtige Infrastruktureinrichtungen (Staudämme, Lawinenverbauungen)
- breite Zustimmung, unabhängig von Wohnort
Wunschbedarf (Sportzentren, Umgehungsstraßen)
- geringe Zustimmung außerhalb der betroffenen Gemeinde
Umgang mit Separatismus - Kanton Jura: allg.
1815: katholisches, francophones Jura wird protestantischem, deutschsprachigem Bern zugerechnet
- Konflikte sind vorprogrammiert
- Bevölkerung gespalten in “Separatisten” und “Berntreue”
Jura: Trennungsverfahren
- Berner: stimmen Sie dem Verfahren zu?
- Jura: bei Bern bleiben oder Trennung?
- waren Bezirke gegen neuen Kanton: Wollt ihr in den alten oder den neuen?
- waren Grenzgemeinden anders als Bezirk: Wollt ihr in den alten oder den neuen?
- Volk & Stände: Änderung der Bundesverfassung? (für Jura als neuen Kanton)
Schaffung Jura: hierbei hervorzuheben
- Ablehnung ethnisch territorialer Prinzipien der Staatsgründung
- Separatisten hatten auf ethnischer Zugehörigkeit beharrt, Bern hat sich erfolgreich dagegen gesperrt
- Gegensatz zu gängiger internationaler Praxis der Konfliktlösung (z.B. Kosovo)
- schweizerische Tradition des multikulturellen Staats
- Schaffung des Kantons als föderalistische Bewährungsprobe
- hätte auch anders ausgehen können
- Rolle des Bundes diskret, Kantone lassen Jurassiern relativ freie Hand
- kreativer Minderheitenschutz
- Grenzveränderungen dieser Art nun von Verfassung garantiert
- Lösung von Minderheitenfragen durch territoriale, direktdemokratische Selbstbestimmung
Verhältnis zwischen Bund & Kantonen
begegnen sich wie unabhängige Staaten
- Bund kann auf Wunsch in Kantonen intervenieren (auch militärisch)
- aber keine “Bundesexekution”
- Bund ist darauf angewiesen, dass Kantone Gesetze aus eigenem Willen umsetzen
- finanzielle Anreize
Rolle des Bundesgerichts allg.
- oberste Gerichtsbarkeit überprüft Übereinstimmung kantonaler Gesetze mit Verfassung
- auch Entscheide zu politischen Fragen
- Frauenwahlrecht AI 1989
höchstrichterliche Verfassungspolitik
- Gratwanderung zwischen
- föderalistischer Autonomie (Preisgabe der Grundrechte)
- rigide Durchsetzung (Auseinanderdriften des gesellschaftlichen Zusammenhalts)
- garantiert Grundrechte
- unlängst stärkere Intervention
- Steuerpolitik
- Einbürgerungspraxis
- Wahlgesetze
- Kritik: Richterstaat
überprüft nicht Verfassungskonformität auf Bundesebene, nur in Kantonen
Richter als Gesetzgeber
- hohe Konsenshürde für Bundesentscheidungen
→ manche Gesetze längst überholt - Bundesgericht behebt dies mit Entscheidungen
- Zivilgesetzbuch
Vollzug der Bundesgesetze durch Kantone: hoher Konsens bei Bund & Kantonen
- gute, umfängliche Umsetzung
- so, wie von Bund gedacht
Vollzug der Bundesgesetze durch Kantone: hoher Bundes- , tiefer Kantonskonsens
- unvollständige Umsetzung
- absolute Minimalanforderungen
Vollzug der Bundesgesetze durch Kantone: tiefer Bundes-, hoher Kantonskonsens
- diffuse Bundesgesetzgebung
- starke, aber unterschiedliche Kantonsinteressen
- Gesetze werden anders umgesetzt als ursprünglich geplant
- s. VA+GE Grundstücksverkauf an Ausländer
Vollzug der Bundesgesetze durch Kantone: tiefer Konsens bei Bund & Kantonen
- kaum Umsetzung
- z.B. Gesundheitswesen, Moorschutz