Grundrechtsdogmatik des Grundgesetzes Flashcards
Beschreibe die “Grundrechtsberechtigung”!
“Wer darf sich auf Grundrechte berufen?”
= Grundrechtsfähigkeit = Grundrechtsträgerschaft
= persönlicher Schutzbereich
-> GR sind höchstpersönlich; grds. kann sich nur der GR-Träger auf das GR berufen.
a) Jedermannsrechte / Deutschenrechte
aa) “Jeder” -> Auch Nicht-Staatsbürgern (Art. 3 I Gleichbehandlungsgrundsatz; Art. 5 III Meinungsfreiheit)
- > Menschenrechte
bb) “Deutscher” -> Bürgerrechte! stehen grds. nur dem Staatsvolk (Art. 116 I GG - Def. “Deutscher” iSd GG) itS zu.
Beispiel: Art. 8 GG (Versammlungsfreiheit); Art. 9 (Vereinigungsfreiheit); Art. 38 I iVm Art. 20 (Wahlrecht).
Problem: Grundrechtsberechtigung von Ausländern?
I. Nicht EU-Ausländer
Lösung 1: Art. 2 I GG als Auffanggrundrecht
Aber: Art. 1, Art. 19 II (Einschränkbarkeit, Wesensgehalt auch hier), Art. 3 I (Gleichbehandlung)
Lösung 2: Anwendung nur auf Deutsch ISd 116 I
(+) Wortlautgrenze der Deutschengrundrechte beachten.
Merke: Nicht zwangsläufig gleicher Schutz durch Art. 2 I, da ggf. größere Beschränkungsfreiheit
Wo ist die Unionsbürgerschaft geregelt?
Art. 20 AEUV
Wie sieht es mit der Grundrechtsberechtigung von EU-Ausländern (Unionsbürger) aus?
Lösung 1: Deutschen-GR auch für Unionsbürger
u.a. wegen des Diskriminierungsverbotes Art. 18 AEUV (umstritten!)
(+) mit dem Telos vereinbar; GG von ‘49; Europäische Integration.
(-) Wortlautgrenze
-> Hier kann sich EU-Ausl. direkt auf GR berufen
Lösung 2: Gleicher Schutz über das Auffanggrundreht des Art. 2 I GG.
Beachte: nicht, wenn EU-Recht keine Anwendung findet, wie etwa bei Art. 16 II GG (Staatsbürgerschaftsrecht)(BVerfG)
(+) Wortlautgrenze
-> Hier nur auf Art. 2 I GG (freie Pers.entfaltung)
Gibt es eine Grundrechtsberechtigung vor der Geburt und nach dem Tod?
Grds.: Nur Lebende sind grundrechtsfähig! Ab Geburt bis Tod.
Aber (hM / BVerfG): sog. “postmortaler Persönlichkeitsschutz”
Schutz der Menschenwürde über den Tod hinaus (BVerfGE 30, 173, 194) schwindet mit Verblassen der Erinnerung an den Verstorbenen
Welche Auswirkungen hat der postmortale Persönlichkeitsschutz auf die Organentnahme? Kann diese auch gegen den Willen des Betroffenen erfolgen?
Nach § 3 II TPG: Organe dürfen nur entnommen werden, wenn der irreversible Hirntod eingetreten ist.
In Deutschland nur mit entspr. Verfügungsberechtigung!
Wie sieht es mit noch nicht Geborenen aus?
Erweiterung auf Embryo / Nasciturus (BVerfG):
Schutz durch Art. 2 II 1 und Art. 1 I GG
I. Streit: Beginn des Schutzes?
Lösung 1: Verschmelzung Ei / Samenzelle
Lösung 2: Nidation (BVerfG)
II. Streit: Grundrechtsträgerschaft (+) / (-)?
Lösung 1: Grundrechtsträgerschaft (+)
Lösung 2: Nur durch obj. Normen der Verfassung geschützt
Wo gibt es Altersgrenzen im Grundgesetz? Grundrechtsmündigkeit von Minderjährigen
Altersgrenzen im GG: nur bei Art. 12a (Verpflichtung zum Dienst an der Waffe) und Art. 38 II GG
Auch: Geschäftsfähigkeit, Entscheidung über Konfession (RelKErzG) usf….
Lösung 1: gleitende Altersgrenzen
Individuelle Einsichts- und Entscheidungsfähigkeit (Grundrechtsreife)
Lösung 2: starre Altersgrenzen
Grenzen, die der Gesetzgeber generell gezogen hat auch im Bezug zu GR (Art. 4, 5 GG: § 106 BGB, § 5 RelKErzG)
Kann man freiwillig und deutlich erkennbar auf Grundrechte verzichten?
–> “Mir ist egal ob ihr in meine Wohnung kommt oder nicht, ich hab eh nichts zu verbergen!” = Verzicht
Lösung 1: Art. 9 III 2 GG “Verzicht nicht möglich”
ABER: 16 I, 6 III, 7 III 3 (Wortlaut -> grds. möglich)
Lösung 2: Argumentationssache (Funktion der GR)
Wenn kein klarer Wortlaut, soll auf die Funktion der Grundrechte eingegangen werden. Eher subjektiv oder eher objektiv?
Vermittelnd: Funktion (egal ob subjektiv/objektiv)
“Wir müssen uns anschauen, ob das GR der pers. Entfaltungsfreiheit dient oder vor allem der staatl. Willensbildung”.
Wenn 1. -> Dann Verzicht (beispielsweise Fernmeldegeheimnis) ABER auch hier: - Schwere und Dauer des Eingriffs - Gefahr des Missbrauchs der Verzichtsmöglichkeit - Notlage des Verzichtenden - Bindung für die Zukunft?
Wenn 2. -> Dann kein Verzicht möglich
(beispielsweise Wahlrecht)
Sind Personenmehrheiten und Organisationen auch grundrechtsberechtigt?
“Ausübung von GR im Zusammenschluss natürlicher Personen ist möglich: Jeder Einzelne kann eine VB erheben!”
Wie sieht es aber mit dem Zusammenschluss selbst aus?
Art. 19 III GG: Grundrechtsgeltung auch für inländische juristische Personen (Verein, GmbH, AG,…; Bund, Länder, Gemeinden, Kirchen,…)
-> Begriff der juristischen Person:
Weiter als der einfach-rechtliche, er schließt auch teilrechtsfähige Zusammenschlüsse (Bsp Betriebsrat) ein.
Wie wird inländisch (und damit auch ausländisch) iSd Art. 19 III GG definiert?
Wo ist der tatsächliche Sitz?
Es kommt auf das tatsächliche Aktionszentrum (“Sitz”) an.
Aber!: Gleichstellung von jurPers mit Sitz in Mitgliedsstaat der EU (+)
Erweiterung: BVerfG: Prozessgrundrechte (Art. 101 I 2, 103 I GG) auch für ausländische jurPers (+)
Was bedeutet “Wesensmäßige Anwendbarkeit” iSd Art. 19 III GG?
Lösung 1:
Nur bei GR, die an nat. Qualitäten des Menschen anknüpfen (Bsp Art. 1 I GG)
Lösung 2: (BVerfG / hM)
Nur, wenn Durchgriff auf die hinter der jurPers stehenden Menschen deren GR-Berechtigung als sinnvoll und erforderlich erscheinen lässt (ie personales Substrat)
Abweichende Regelung bei Personen des öffR?
(-), Arg.: “Konfusionsargument”
Gehören dem Staat an; können nicht gleichzeitig verpflichtet und berechtigt sein.
(-) auch, wenn diese privatrechtlich organisiert ist, aber eigentlich öffentliche Aufgaben wahrnehmen und jurPers des öffR wesentliche Ausübung haben
Ausnahme: Vattenfall GmbH Deutschland,
von einem EU-Mitgliedsstaat getragen, Atomausstieg.
Daraus folgt jedoch, dass es sich nicht um ein Organ der deutschen (!) Staatsgewalt handelt.
Zudem schützt man jur. Personen aufgrund eines “personellen Substrats” (weil Menschen dahinter stecken).
Dies kann nicht auf den schwedischen Staat als solchen Anwendung finden.
iE können auch inländische, jur. Personen des Privatrechts, die vollständig von einem EU-Mitgliedsstaat getragen werden auf Grundrechte berufen.
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Ausnahme: Art. 101 I 2 GG, 103 I GG (+)
wenn Einrichtung unmittelbar dem vom GR geschützten Lebensbereich zuzuordnen sind; in einem bestimmten Bereich vom Staat weisungsunabhängig sind.
Beispiel: Universitäten (Art. 5 III GG), Rundfunkanstalten, Kirchen,..
Grundrechtsbindung, wenn der Staat unternehmerisch tätig wird?
staatl. Adressaten der Grundrechtsbindung Art. 1 III GG
(Problem): Auch wenn Verw. zu Bedarfsdeckung handelt oder unternehmerisch tätig wird?
Verwaltungsprivatrecht: (+) Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben, Daseinsvorsorge (hM)
Bedarfsdeckung:
eA (-), weil eben auch privater Anteil betroffen und deshalb eingeschränkt
con: Private Investoren können sich ja entscheiden.
aA (+), wenn mehr als 50 % in öff. Hand. Andernfalls würde der Staat immer private Unternehmen gründen und sich somit aus der Grundrechtsbindung entziehen (Fraport-Entsch.)
Erwerbswirtschaftl. Betätigung:
eA (-), a.a.G.
aA (+), wenn mehr als 50 % öff. Hand, a.a.G.
Grundrechtsbindung auch bei privaten Adressaten?
Gibt es eine Drittwirkung der Grundrechte?
Man unterscheidet unmittelbare und mittelbare Drittwirkung der GR:
I. unmittelbar:
Bürger können sich im gegenseitigen Umgang miteinander auf die GR berufen.
II. mittelbar:
Gerichte müssen bei Auslegung von unbestimmten Rechtsbegriffen und Generalklauseln GR beachten.