Art. 1 Menschenwürde Flashcards
Besonderheit der Menschenwürde
Die Achtung der Menschenwürde ist unmittelbar geltendes Recht.
(Davor auch völkerrechtlich lediglich “soft law”).
Was bedeutet die (1.) Funktion der Menschenwürde als staatsrechtliches Grundprinzip?
- Mehr als ein bloßes Staatsziel
- Nach herrschender Meinung auch ein subjektives Recht (= jedermann kann sich auch darauf berufen)
Sowohl status positivus als auch negativus.
Ist die Menschenwürde eigentlich ein Grundrecht? Was spricht dafür, was dagegen?
(+) Überschrift “Die Grundrechte”
(-) Art. 1 II “Die nachfolgenden Grundrechte..”
(-) Art. 79 III “Grundsätze” =/= Grundrecht?
-> (+) kann Grundsatz und gleichzeitig ein subj. GR sein.
(+) Art. 142 spricht im Bezug auf Art. 31 von den in Art. 1-18
Diskussion im Gutachten führen, wenn sich ein Beschwerdeführer im SV auf die Menschenwürde (als subj. GR) beruft.
A. Schutzbereich der Menschenwürde?
A. Positive Definitionen:
I. Mitgifttheorie
Von Gott / der Natur mitgegebener Wert.
Aber: Eben kein vom Staat verliehener Wert
= Von Anfang an
II. Leistungstheorie
Menschenwürde als Ergebnis erfolgreicher Persönlichkeitsbildung / Identitätsbildung
= Von dort an
III. Anerkennungstheorie
MW als der Gesellschaft erwachsene Eigenschaften / Werte, die dem Einzelen zugebilligt und von der Gesellschaft geachtet werden.
B. Negative Definitionen (hM):
IV. Luhmann: (Leistungstheorie)
Menschen können nur als Objekt behandelt werden.
Nur der Mensch selbst, kann bestimmen, wer er ist.
Der Mensch wird nur in seiner Beziehung zum Staat gesehen.
V. BVerfG
Der Mensch ist zuerst Subjekt. Die Menschenwürde ist verletzt, wenn der Mensch zum bloßen Objekt des Staates gemacht wird. Zumindest aber muss eine “verächtliche Behandlung” vorliegen (= Abhörurteil). Dies ist in jedem Einzelfall festzustellen.
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Hieraus ergeben sich 3 Teilbereiche des Schutzbereichs:
I. Körperliche und seelische Integrität
(Bsp. Folter, Brechung des Willens durch Drogen oder Hypnose,..
II. Prinzipielle rechtliche Gleichheit
(Bsp. Sklaverei / Leibeigenschaft, Diskriminierungen,..)
III. Gewährung des Existensminimums
Eingriff in die Menschenwürde?
(P) Eingriff = Def. des Schutzbereichs
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Typische Eingriffe in die MW:
- Folter, systematische Erniedrigung
- Entzug des Existenzminimums (Anspruch auf Sozialhilfe ableitbar aus Art. 1? str.)
- Menschenhandel, Sklaverei
- > Vergleichbarkeit abwägen
Kann ein Eingriff in die Menschenwürde gerechtfertigt werden?
Nein.
“unantastbar”.
Bei Schutzbereichsauslegung und Eingriffsdefinition schon indizieren.
Also: Eingriff = Verfassungswidrigkeit
Kann die Menschenwürde mit anderen Grundrechten abgewogen werden (“kollidierendes Verfassungsrecht”)?
Nein.
Beispielsfall: Gäfgen
- 6 Jähriger entführt
- Verhaftung
- Täter gesteht, verschweigt Aufenthaltsort
- Gefahr im Verzug -> Lebensgefahr des Kindes
- Folter (Schläge, Tritte, Misshandlung) des Täters durch Polizei, um Aufenthaltsort herauszufünden
Frage: Beeinträchtigung der Menschenwürde des Täters, wenn dieser sich auf die Menschenwürde beruft?
I. Vorprüfung - Menschenwürde als subj. Grundrecht?
(-) 79 III: “Grundsatz”
Aber: Spricht nichts dagegen, dass Grundrecht und gleichzeitig Grundsatz
(+) “Die Grundrechte”
(-) erst Absatz 2: “Die NACHFOLGENDEN Grundrechte”
Aber: nur wenn die nachfolgenden (auch) Grundrechte sind, heißt das nicht, dass die Menschenwürde nicht auch eines ist.
(+) Dem GR wird vom Staat am meisten Wirksamkeit und Schutzwürdigkeit zugesprochen; insb. im Hinblick auf Beeinträchtigungen des Einzelnen.
Ergebnis: Die Menschenwürde ist ein subj. GR.
II. Schutzbereich?
- positive Definitionen wegen Schwammigkeit aussondern (hM: nur neg. Def. möglich)
- negative Definitionen:
I. Dührig (“Objekt staatlichen Handelns”)
Eingriff liegt vor.
Aber: zu weit.
II. BVerfG (“Verächtlichmachung”)
Behandlung führt zu Erniedrigung und somit zur Negierung der Subjektqualität = Verächtlichmachung.
Aber: Ausnahmsweise gerechtfertigt; weil anderes Leben dadurch gerettet?
-> “unantastbar” = Jeder Eingriff stellt eine Verletzung dar.
-> Hier jedoch auch Menschenwürde des Kindes verletzt:
Schutzpflicht es Staates vs. Menschenwürde des Täters.
-> Keine Abwägung zwischen Menschenwürde des einen und Menschenwürde des anderen = Kein Typusbegriff, sondern ein absoluter.
Beispielsfall:
- Unternehmer U engagiert (freiwillige) Stripperinnen
- Umbau beantragt
- Genehmigung des Antrags mit Berufung auf die Menschenwürde der Stripperinnen abgelehnt
(+) Verobjektivierung der Frauen -> Verächtlichmachung durch “Zur-Schau-Stellen”
(-) Freiwilligkeit der Frauen -> Art. 1 I ist keine Erziehungsklausel und soll nicht als Würdegebot verstanden werden.
Schließt die Einwilligung die Verletzung der MW aus?
Nach BVerfG kommt es nicht auf die MW des Individuums, sondern auf die der Menschheit als solcher in ihrem Wesen an (“Gattungswesen”).
-> Bsp. “human enhancement” - Veränderung des menschlichen Wesens als solches.