F326-350 Flashcards
- Muss der Betriebsrat zustimmen, wenn der Betriebsinhaber ein
Alkoholverbot im Betrieb erlassen will?
Ein Alkoholverbot ist ein Fall einer allgemeinen Ordnungsvorschrift.
Es handelt sich also um einen Fall der erzwingbaren Mitbestimmung nach § 97 (1) Z.1
ArbVG.
Bei der erzwingbaren Mitbestimmung ist die Zustimmung des Betriebsrats keine
Voraussetzung für die Rechtswirksamkeit.
Der Betriebsinhaber kann eine Maßnahme, soweit sie in sein Weisungsrecht fällt,
einfach anordnen.
(Beispiele: Alkoholverbot, Rauchverbot, Verhalten in Ruheräumen)
Derartige Weisungen des AG kann der BR mit einem Antrag an die Schlichtungsstelle
bekämpfen, und damit eine Regelung in Form einer Betriebsvereinbarung erzwingen.
Die Schlichtungsstelle kann aber auch auf Antrag des Betriebsinhabers tätig werden.
(Erzwingbare Betriebsvereinbarungen können nicht gekündigt werden.)
(Auch Nachwirkung dieser ist daher unmöglich.)
- Wann spricht man von qualifizierten Fragebögen und inwiefern ist
diese Qualifikation für die Mitbestimmung des Betriebsrates von
Bedeutung?
Personalfragebögen: Schriftstücke, die Fragen enthalten, die sich auf die Person des
bereits eingestellten oder in Aussicht genommenen Arbeitnehmers beziehen.
Zu unterscheiden:
- Fragebögen, die nur Angaben über die fachlichen Voraussetzungen für die
Verwendung oder allgemeine Angaben zur Person des Arbeitnehmers enthalten
- Fragebögen mit darüber hinausgehenden Fragen (qualifizierte Fragebögen)
Die Einführung von qualifizierten Personalfragebögen wäre ein Fall einer
notwendigen Mitbestimmung des Betriebsrats (§ 96 Abs. 1 Z.2).
Daher können solche ohne Zustimmung des Betriebsrats nicht rechtswirksam
eingeführt werden.
Beispiele für mitbestimmungsfreie Fragen:
Geburtsdatum, dem Vor- und Zunamen, der Wohnadresse, dem Familienstand,
Ausbildung und bisherigen Tätigkeiten
- Erläutern Sie das Verhältnis von Mitwirkung des Betriebsrates bei
Personalfragebögen und dem Persönlichkeitsschutz des Arbeitnehmers!
Verhältnis von BR-Mitwirkung & Persönlichkeitsschutz des AN:
Alle Fragestellungen in Personalfragebögen sind selbst mit Zustimmung des
Betriebsrats nur dann zulässig, wenn die Persönlichkeitsrecht des AN,
insbesondere dessen Intimsphäre, nicht verletzt werden.
Ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des AN wäre auch eine Verletzung der
Fürsorgepflicht des AG.
Eine Frage nach dem Bestehen einer Schwangerschaft ist generell unzulässig.
Fragen nach der Zugehörigkeit zu politischen Parteien, Gewerkschaften oder
Religionsgemeinschaften, werden regelmäßig nicht zu rechtfertigen sein.
(Ausnahme: Tendenzbetriebe)
Eine Offenbarungspflicht bezüglich strafbarer Handlungen widerspräche dem
Resozialisierungsgedanken und ist daher abzulehnen.
Ausnahmen: Wenn die Position des Arbeitnehmers eine Identifikation mit dem
Unternehmen nahelegt, und bei Interdependenz der strafbaren Handlung mit dem
Tätigkeitsbereich)
- Sind Betriebsvereinbarungen zu Personalfragebögen für Stellenwerber
rechtsverbindlich?
Die Frage der Rechtswirkungen von Betriebsvereinbarungen auf noch nicht im
Unternehmen beschäftigte Arbeitnehmer spricht das Problem an, ob eine
Betriebsvereinbarung über ihren persönlichen Geltungsbereich hinaus auch
potenzielle Arbeitnehmer normativ erfassen kann.
Von dem Wortlaut des § 96 Abs. 1 Z 2 ArbVG sind auch Einstellungsfragebögen
mitumfasst, also der Mitbestimmung der Belegschaft unterworfen.
a Die normative Wirkung von Betriebsvereinbarungen für Stellenwerber ist einseitig
verpflichtend: Die BV verpflichtet den Arbeitgeber, einen mit den
Persönlichkeitsrechten in Einklang stehenden Fragebogen vorzulegen.
Seine Befugnis, rechtlich gedeckte Fragebögen ausfüllen zu lassen, ist nicht nur
personen-, sondern auch betriebsbezogen: Sie wird durch Zulassungsnormen
legitimiert und gleichzeitig durch Verbotsnormen beschränkt.
Dies verpflichtet den Arbeitgeber, auch Einstellungswerbern nur zulässige Fragen zu
stellen, da der Betriebsrat ansonsten die Beseitigung rechtswidriger Fragebögen
verlangen kann.
Notwendige Betriebsvereinbarungen können auch jederzeit fristlos gekündigt werden.
- Fall: Der Arbeitgeber verpflichtet sich im Arbeitsvertrag, für jedes
studierende Kind eines Arbeitnehmers monatlich ein Kindergeld in der
Höhe von € 30,– zu bezahlen. Gleichzeitig verlangt der Arbeitgeber von
den Arbeitnehmern, die dieses Kindergeld beanspruchen, die
entsprechenden Daten der Kinder, insb an welcher Universität welches
Studium vom Kind absolviert wird. Wäre eine solche Datenermittlung
mitbestimmungspflichtig?
Es handelt sich (meines Erachtens nach) um eine Maßnahme der Datenermittlung iSd.
§ 96a Abs.1 Z.1, was eigentlich einen Fall der notwendigen Zustimmung mit
Zwangsschlichtung darstellen würde.
Jedoch verlangt der AG die Daten zur Überprüfung, ob die Kinder der AN ein
Studium absolvieren, weshalb von der Erfüllung seiner Pflicht aus dem Arbeitsvertrag
auszugehen ist, nämlich der Leistung des Kindergelds.
Eine Umgehung des § 96a liegt hier wohl nicht vor.
- Ein Personalinformationssystem ermittelt und verarbeitet derart viele
Daten der Arbeitnehmer, dass sich ein umfassendes Persönlichkeitsprofil
des Arbeitnehmers erstellen lässt und damit gleichzeitig eine
Kontrollmaßnahme im Sinn des § 96 ArbVG vorliegt. Welches
Mitspracherecht des Betriebsrats ist zu beachten, § 96a ArbVG oder § 96
ArbVG?
Es ist von einem Vorrang der notwendigen Mitbestimmung auszugehen.
Wenn sich Personalinformationssysteme von bloßen Personalverwaltungssystemen zu
Systemen der Leistungs- und Verhaltenskontrolle entwickeln, dann kommt nicht mehr
§ 96a ArbVG, sondern § 96 Abs. 1 Z 3 ArbVG (Kontrollmaßnahmen, welche die
Menschenwürde berühren) zur Anwendung.
- Ist eine Mitarbeiterbeurteilung bzw. ein
Mitarbeiterbeurteilungssystem mitbestimmungspflichtig?
Die Einführung eines Systems zur Mitarbeiterbeurteilung ist immer dann
mitbestimmungspflichtig gemäß §96a Abs. 1 Z.2 (also im Sinne einer notwendigen
Mitbestimmung mit Zwangsschlichtung), wenn Daten erhoben werden, die nicht
durch die betriebliche Verwendung gerechtfertigt sind.
Unter Mitarbeiterbeurteilungssystem sind dabei alle Bewertungen von Arbeitnehmern
nach bestimmten Kriterien wie Flexibilität, Zuverlässigkeit oder Risikobereitschaft zu
verstehen.
Außerdem zu beachten ist aber, dass personenbezogene Daten, die
automationsunterstützt ermittelt und verarbeitet werden, jedenfalls schon nach § 96a
Abs. 1 Z 1 ArbVG mitbestimmungspflichtig sind (notwendige BV mit
Zwangsschlichtung).
- Erläutern Sie die Problematik von Telefonregistrieranlagen unter dem
Aspekt der Mitbestimmung des Betriebsrates!
Gemäß § 96 Abs. 1 Z. 3 bedürfen technische Systeme zur AN-Kontrolle, sofern diese
die Menschenwürde berühren, einer notwendigen Betriebsvereinbarung zu ihrer
Rechtswirksamkeit.
Ein Beispiel für ein System, dass die Persönlichkeitsrechte des AN bereits verletzt,
nicht nur berührt, wäre eine Telefonabhöranlage.
Ein besonderes Problem sind Telefonregistrieranlagen.
Telefonregistrieranlagen erfassen die anrufende Nummer, die angerufene fremde
Nummer, die Höhe der Gesprächsgebühr und die Uhrzeit des Gesprächs.
Das Gespräch wird nicht aufgezeichnet.
Der VwGH hat 1987 entschieden, dass Telefonregistrieranlagen nicht
mitbestimmungspflichtig sind, weil sie die Menschenwürde nicht berühren würden,
weil ein Mithören der Gespräche nicht möglich ist.
Diese Meinung des VwGH kann nicht geteilt werden.
Bereits das Registrieren der äußeren Gesprächsdaten gehört in den
Schutzbereich der Persönlichkeitsrechte.
Insbesondere deshalb, weil auch aus den äußeren Gesprächsdaten Rückschlüsse
auf den Inhalt möglich sind.
Es handelt sich jedoch um den verzichtbaren Bereich des Persönlichkeitsschutzes.
Somit ist eine solche Maßnahme mit Zustimmung des Betriebsrats (Notwendige
Mitbestimmung nach § 96 Abs. 1 Z. 3) und der betroffenen AN möglich.
OGH 2002: Die Einführung eines elektronischen Telefonkontrollsystems durch den Dienstgeber, das die Nummern der angerufenen Teilnehmer systematisch und vollständig, den jeweiligen Nebenstellen zugeordnet, erfasst, berührt selbst dann die Menschenwürde im Sinn des § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG, wenn durch Betätigen einer Taste am Telefonapparat hinsichtlich der dann besonders gekennzeichneten Gespräche die Endziffern der Rufnummer im System unterdrückt werden. Bietet der Dienstgeber hinsichtlich eines derartigen Telefonkontrollsystems den Abschluss einer die Persönlichkeitsrechte der Dienstnehmer ausreichend wahrenden Betriebsvereinbarung an, kann er - verweigert der Betriebsrat die Zustimmung - mit dem Vorbringen, die Einführung der Kontrollmaßnahme berühre dann nicht mehr die Menschenwürde, gemäß § 96a Abs 2 ArbVG die Schlichtungsstelle anrufen.
- Fall: Einem Außendienstmitarbeiter wird vom Dienstgeber ein PKW
zur Verfügung gestellt. In dem PKW ist ein GPS-System installiert, über
welches der Arbeitgeber von 8.00 bis 18.00 Uhr jederzeit die Position des
Arbeitnehmers bestimmen kann. Wäre ein solches System
mitbestimmungspflichtig?
Durch die Verwendung des GPS kann der AG den Außendienstmitarbeiter während
seiner gesamten Dienstzeit überwachen.
Dies bedeutet nicht nur örtliche Kontrolle, sondern auch Leistungskontrolle.
Die Permanenz dieser Kontrolle und die Möglichkeit, jeden „Schritt“ des AN im
Dienst zu verfolgen, ist hier so stark ausgeprägt, dass es sich um eine
mitbestimmungspflichtigen Kontrollmaßnahme iSd § 96 Abs.1 Ziffer 3 ArbVG
(Notwendige Betriebsvereinbarung) handeln wird.
- Wer kann in welcher Form gegen eine unzulässige Kontrolleinrichtung
des Arbeitgebers Maßnahmen setzen?
Arbeitnehmer haben das Recht, eine unzulässige Maßnahme zu boykottieren, insoweit
das möglich ist.
Auch ein individuelles Vorgehen mittels Beseitigungs- bzw. Unterlassungsklage durch
einen AN wäre möglich.
Ein individuelles Vorgehen durch einen Arbeitnehmer ist aber keinesfalls ratsam, da
sich die Unzulässigkeit der Maßnahme erst im Verfahren ergibt und der Arbeitnehmer
im schlimmsten Fall eine Entlassung riskiert.
Weitaus günstiger ist die Rechtsdurchsetzung auf kollektiver Ebene:
VwGH & VfGH:
Der BR kann einen Beseitigungsanspruch bezüglich einer unzulässigen, aber
errichteten Kontrollanlage, geltend machen.
Außerdem kann er gegen eine unzulässige, erst geplante Kontrollmaßnahme eine
Klage auf Unterlassung einbringen.
- Unter welchen betriebsverfassungsrechtlichen Voraussetzungen kann
der Betriebsinhaber eine Disziplinarmaßnahme verhängen?
Disziplinarmaßnahme: Ein rechtlich zulässiger Nachteil, der einem anderen zu dem
Zweck zugefügt wird, ihn für eine Verfehlung zu bestrafen und weiteren vorzubeugen.
Beispiele: Verwarnung, Verweis, Geldbuße, Entzug einer freiwillig gewährten
Leistung
Fällt ein Betrieb in den Geltungsbereich der Betriebsverfassung, so ist eine
Disziplinarmaßnahme nur dann zulässig, wenn sie in einer Betriebsvereinbarung oder
in einem Kollektivvertrag vorgesehen ist.
Es handelt sich um eine notwendige Betriebsvereinbarung gemäß § 96 Abs. 1 Z. 1
ArbVG.
Einzelvertragliche Vereinbarungen zwischen AG und AN sowie Vertragsschablonen
sind als Umgehung des § 96 absolut unzulässig.
1. Der Betriebsinhaber kann also nur dann eine Disziplinarmaßnahme verhängen,
wenn dies in einer Disziplinarordnung geregelt ist, welche durch Kollektivvertrag
oder notwendige Betriebsvereinbarung (§96) zustande gekommen ist.
2. Wenn Disziplinarordnung besteht, muss BR trotzdem im Einzelfall der
Verhängung der Disziplinarmaßnahme zustimmen. (§102 ArbVG)
Auch Kündigungen, Entlassungen, Versetzungen können in der Praxis als aus
Disziplinargründen erfolgen, diese unterliegen aber zusätzlich dem generellen
Kündigungs-, Entlassung-, und Versetzungsschutz.
- Was wären typische Disziplinarmaßnahmen im Sinn des § 102
ArbVG? Wären auch Geldstrafen denkbar?
Kündigungs-, Entlassung-, und Versetzungsschutz.
- Kann eine Disziplinarordnung eine Entlassung als
Disziplinarmaßnahme vorsehen?
Kündigungen, Entlassungen und Versetzungen als Disziplinarmaßnahmen sind
problematisch, da besondere Mitwirkungsrechte des BR für diese bestehen.
Trotzdem sind z.B. Entlassungen aus Disziplinargründen möglich, dies bedeutet aber
nicht, dass dadurch der Entlassungsschutz durch das Disziplinarrecht verdrängt wird.
Vielmehr unterliegen Kündigungen, Entlassungen und Versetzungen als
Disziplinarmaßnahmen zusätzlich zum Disziplinarrecht dem generellen Kündigungs-,
Entlassung-, und Versetzungsschutz.
- Kann durch Betriebsvereinbarung rechtsverbindlich die maßgebliche
wirtschaftliche Bedeutung für den Betrieb und damit die Anwendung eines
Kollektivvertrags abweichend von der wahren Sachlage festgelegt werden?
Gemäß § 9 ArbVG kommt für die ganze Belegschaft eines Mischbetriebs der KV zur
Anwendung, der für den Betrieb die maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung hat.
Die Frage, welcher Wirtschaftsbereich nun die maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung
für den Betrieb hat, kann in einer fakultativen BV gemäß § 97 Abs. 1 Ziffer 23
geregelt werden.
Strittig ist, ob diese Festlegung bloß deklaratorische, also klarstellende Bedeutung hat,
oder ob mit einer solchen BV auch ein Ergebnis erzielt werden kann, dass
offenkundig vom wahren Sachverhalt abweicht.
Richtig ist wohl eine vermittelnde Lösung.
Die BV gilt nicht bloß deklaratorisch, sondern kann in Grenzfällen rechtsverbindlich
wirken.
Eine offensichtliche Abweichung vom wahren Sachverhalt wird aber nicht
rechtswirksam sein.
- Sind Provisionen eines Außendienstmitarbeiters
mitbestimmungspflichtig nach § 96 Abs. 1 Z 4 ArbVG?
Nein, Provisionen sind leistungsbezogenen Entgelte, fallen aber nicht unter § 96 Abs.
1 Z.4 ArbVG.
Es handelt sich also nicht um eine notwendige Betriebsvereinbarung.
Provisionen fallen aber unter § 97 Abs. 1 Ziffer 16, sie sind also einer fakultativen
Betriebsvereinbarung zugänglich.