F301-325 Flashcards

1
Q
  1. Warum spricht das ArbVG im Zusammenhang mit dem Betriebsrat
    von einem „Organ der Arbeitnehmerschaft“. Was lässt sich daraus für die
    Rechtsnatur des Betriebsrates ableiten?
A

In den §§ 39 und 40 spricht das ArbVG vom Betriebsrat als Organ der Belegschaft.
Dies weist darauf hin, dass der Betriebsrat nicht aus eigenem Recht tätig wird,
sondern fremde, materiell der Belegschaft zuzurechnende Befugnisse ausübt.
Die ergibt sich auch aus § 113 ArbVG, der besagt, dass „die der Arbeitnehmerschaft
zustehenden Befugnisse, soweit nichts anderes bestimmt ist, vom Betriebsrat ausgeübt
werden“.
Der Organbegriff des Betriebsrats ist ein sehr beschränkter.
Er ist zwar in allen gerichtlichen und verwaltungsbehördlichen Verfahren
parteifähig, er ist aber selbst nicht vermögensfähig!
Volle Rechtsfähigkeit kommt nur dem Betriebsratsfonds zu.
Belegschaft: Juristische Teilperson
Betriebsrat: bloß kollegiales Vertretungsorgan (Floretta)
Repräsentant der Belegschaft (Repräsentationstheorie)

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2
Q
  1. Muss die Betriebsratswahl durch persönliche Stimmabgabe erfolgen?
A

Grundsätzlich hat die Betriebsratswahl durch persönliche Stimmabgabe zu erfolgen.
Ausnahme: Wer durch Urlaub, Krankheit, Karenz, Berufsausübung, Zivildienst oder
aus anderen wichtigen, seine Person betreffenden Gründen seine Stimme nicht
persönlich abgeben kann, hat das Recht auf Briefwahl im Postweg.

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3
Q
  1. Ist die Betriebsratswahl nach den Grundsätzen des
    Verhältniswahlrechts und/oder nach jenen des Mehrheitswahlrechts
    durchzuführen?
A

Grundsätzlich ist die Betriebsratswahl nach dem Verhältniswahlrecht
durchzuführen.
Dies normiert sofort der erste Satz des § 51 Abs. 2 ArbVG.
Die Betriebsratsmitglieder, die auf die einzelnen Wahlvorschläge entfallen, werden
nach dem System von d’Hondt ermittelt.
Das Mehrheitswahlrecht wird im ArbVG angewandt, wenn nur ein Wahlvorschlag
eingebracht wird.
Dieser muss dann die einfache Mehrheit aller abgegebenen Stimmen erlangen.
Mehrheitswahlrecht kommt auch im vereinfachten Wahlverfahren zur
Anwendung, nämlich dann, wenn höchstens zwei BR-Mitglieder zu wählen sind.
(§ 58 ArbVG)

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4
Q
  1. Wodurch unterscheidet sich das aktive Wahlrecht zum Betriebsrat
    vom passiven Wahlrecht?
A

Aktives Wahlrecht (= Wahlberechtigung) bedeutet Stimmberechtigung.
Passives Wahlrecht (= Wählbarkeit) bedeutet das Recht, in den Betriebsrat gewählt
werden zu können.
Die Voraussetzungen für das aktive Wahlrecht:
-Vollendung des 18. LJ. am Tag der Wahl des Wahlvorstandes
-Beschäftigung im Betrieb am Tag der Wahl des Wahlvorstandes und am BR-Wahltag
- Formelles Erfordernis: Eintragung in die Wählerliste durch Wahlvorstand
Voraussetzungen für das passive Wahlrecht:
-Vollendung des 18. LJ. am Tag der Wahlausschreibung
-Beschäftigung im Betrieb oder Unternehmen seit mind. 6 Monaten
(Ausnahme: Neugegründeter Betrieb oder Saisonbetrieb)
-Ausschluss vom passiven Wahlrecht: Mit dem Arbeitgeber verwandte Personen
(Lebensgefährte nicht)
Unterschiede:
- Anderer Stichtag für 18. Geburtstag
- 6 Monate Mindestbeschäftigungsdauer beim passiven Wahlrecht
- Verwandte des AG sind nur vom passiven Wahlrecht ausgeschlossen

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5
Q
  1. Können Arbeiter in den Angestelltenbetriebsrat gewählt werden und
    umgekehrt?
    Kann ein Arbeitnehmer Mitglied des Arbeiter- als auch des
    Angestelltenbetriebsrats werden?
A

Wenn dauernd sowohl mindestens 5 Arbeiter als auch mindestens 5 Angestellte im
Betrieb beschäftigt sind, ist sowohl ein Arbeiterbetriebsrat als auch ein
Angestelltenbetriebsrat zu wählen.
Für das passive Wahlrecht zu diesen ist die Gruppenzugehörigkeit KEINE
Voraussetzung.
Es können also sowohl Angestellte Mitglieder des Arbeiterbetriebsrats werden,
als auch Arbeiter Mitglieder des Angestelltenbetriebsrats.
Eine gleichzeitige Mitgliedschaft im Arbeiterbetriebsrat und im
Angestelltenbetriebsrat ist jedoch ausgeschlossen.

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6
Q
  1. Beschreiben Sie die Ermittlung des Betriebsratswahlergebnisses nach
    dem System von d ́Hondt!
A

Im System von d’Hondt sind die Betriebsratsmitglieder, die auf einen Wahlvorschlag
entfallen, durch eine Wahlzahl zu ermitteln.
Die Summen der für einen Wahlvorschlag abgegebenen Stimmen sind nach
Größe geordnete nebeneinander zu schreiben.
Unter jede dieser Zahlen ist dann ihre Hälfte, ein Drittel, ein Viertel… zu
schreiben.
Die Wahlzahl ist dann die soviel-vielte Zahl, wie Betriebsratsmitglieder zu
ermitteln sind.
Die Stimmenanzahl eines Wahlvorschlages dividiert durch die Wahlzahl ergibt dann
die Anzahl der BR Mitglieder für diesen Wahlvorschlag.
Haben zwei Wahlvorschläge auch unter Ausrechnung der Dezimalstellen
gleichen Anspruch auf eine Mitgliedstelle, entscheidet das Los.
Beispiel:
Betriebsgröße 160 AN a 5 BR Mitglieder zu wählen
A B C D
85 49 13 12
1/2 42 24 6 6
1/3 28 16 4 4
___1/4 21 12 3 3
(Wahlzahl = 24, Ergebnis: 3-2-0-0)

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7
Q
  1. Wann ist eine Betriebsratswahl anfechtbar und wann nichtig?
A

Anfechtbarkeit:
Anfechtbar kann eine Wahl aus zwei Gründen sein:
1. Wesentliche Bestimmungen des Wahlverfahrens oder leitende Grundsätze des
Wahlrechts wurden verletzt und das Ergebnis hiedurch beeinflusst.
2. Die Wahl wäre ihrer Art oder ihres Umfangs nach oder mangels Vorliegens eines
Betriebs gar nicht durchzuführen gewesen.
(z.B.: „Betrieb“ ist gar keine eigenständige organisatorische Einheit, zu viele BR
gewählt im Verhältnis zur AN-Anzahl)
Die Anfechtung wegen Verletzung wesentlicher Bestimmungen des Wahlverfahrens
oder leitender Grundsätze des Wahlrechts ist nur dann erfolgreich, wenn das
Wahlergebnis nachweislich beeinflusst worden sein könnte.
Nichtigkeit:
Aus ersterem Grund, nämlich der Verletzung wesentlicher
Wahlverfahrensbestimmungen oder leitender Wahlrechtsgrundsätze kann eine
Wahl auch Nichtig sein.
Dies jedoch nur, wenn elementarste Grundsätze einer Wahl im Allgemeinen und
einer BR Wahl im Besonderen außer Acht gelassen wurden.
Der Raum für eine nichtige Betriebsratswahl ist also bloß sehr eingeschränkt.
Die Mängel müssen so schwerwiegend sein, dass von einer Wahl gar nicht mehr
gesprochen werden kann.
Judikaturbeispiele:
- Wahlvorstand befragt Mitarbeiter telefonisch, ob sie mit Wahl einer Person
einverstanden sind
- Betriebsrat wird durch offene Abstimmung gewählt
- Falsche Auszählung, die zu einem diametralen Ergebnis führt

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8
Q
  1. Was kann gegen eine nichtige bzw. gegen eine anfechtbare
    Betriebsratswahl unternommen werden? Wer kann gegen die mangelhafte
    Wahl vorgehen?
A

Anfechtbare Wahl:
Eine fehlerhafte Wahl kann binnen eines Monats ab Kundmachung des
Wahlergebnisses bei Gericht angefochten werden.
Läuft die Frist ohne Anfechtung ab, gilt die Wahl als saniert.
Erfolgreich kann eine Wahlanfechtung wegen Wahlgrundsetz-Verletzungen nur sein,
wenn diese zu einer Verfälschung des Ergebnisses geführt haben könnten.
Aktivlegitimation zur Wahlanfechtung:
Zur Wahlanfechtung wegen Wahlgrundsatz-Verletzungen (1. Anfechtungsfall) sind
alle Wahlwerbenden Gruppen sowie alle aktiv Wahlberechtigten berechtigt.
Zur Wahlanfechtung wegen einer unzulässigen Wahl mangels Vorliegens eines
Betriebs sind ebenfalls alle Wahlwerbenden Gruppen, alle aktiv Wahlberechtigten und
zusätzlich der Betriebsinhaber berechtigt.
Passivlegitimation:
Betriebsrat in seiner Gesamtheit (auch vor Konstituierung)
Nichtige Wahl:
Anders als die anfechtbare Wahl kann die Nichtigkeit einer Wahl zeitlich unbegrenzt
geltend gemacht werden.
Dies sowohl mittels Feststellungsklage als auch einredeweise.
Legitimiert ist jeder, der ein rechtliches Interesse daran hat.

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9
Q
  1. Wirkt sich die Mangelhaftigkeit einer Betriebsratswahl auf die
    Rechtshandlungen aus, die der „Betriebsrat“ bis zur Geltendmachung der
    Anfechtbarkeit bzw. der Nichtigkeit setzt?
A

Wahlnichtigkeit:
Rechtshandlungen von Personen, die auf Grund einer nichtigen Wahl als Betriebsräte
bestellt wurden, sind rechtsunwirksam, und dies ohne Rücksicht auf die Feststellung
der Nichtigkeit.
Anfechtbarkeit:
Bis zum Zeitpunkt der Ungültigerklärung gesetzte Rechtshandlungen eines
Betriebsrats, der auf Grund einer anfechtbaren Wahl bestellt wurde, bleiben hingegen
gültig und rechtswirksam.

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10
Q
  1. Wann beginnt die Tätigkeitsdauer des Betriebsrates? Wie lange ist der
    Betriebsrat „im Amt“?
A

Grundsätzlich ist zwischen der Tätigkeitsdauer des Betriebsrats und der
Tätigkeitsdauer der Betriebsratsmitglieder zu unterscheiden.
Zur Tätigkeitsdauer des Betriebsrats:
Tätigkeitsdauer: 5 Jahre
Tätigkeitsbeginn: - Konstituierung
- Außer: Konstituierung vor Funktionsdauerende des früheren BR,
dann Funktionsbeginn des bereits konstituierten BR mit Ende der
Funktionsperiode des früheren BR.
Besondere Auflösungstatbestände (Vorzeitiges Ende der Tätigkeitsdauer):
- Dauernde Betriebseinstellung
- Dauernde Funktionsunfähigkeit des BR (Mitgliederzahl sinkt unter die Hälfte)
- Enthebung des Betriebsrats durch Belegschaftsversammlung
- Rücktritt des BR durch Mehrheit aller BR Mitglieder
- Ungültigkeit der BR Wahl (erfolgreiche Anfechtung)
- Gerichtliche Entscheidung über die Beendigung der Gleichstellung einer
Arbeitsstätte
Ausnahmsweise Fortsetzung über 5 Jahr hinaus:
- Ungültigkeitserklärung einer neuen BR Wahl (höchstens 3 Monate)
- Verlängerung der Partei- und Prozessfähigkeit (bis zur Konstituierung des neuen BR)
- Verselbstständigung eines Betriebsteils (bis dort ein neuer BR gewählt wird)
- Zusammenschluss zweier Betriebe (beide Betriebsräte bilden für höchstens ein Jahr
einen einheitlichen BR)
Zur Tätigkeitsdauer des BR – Mitglied:
Beginn: Die BR-Mitgliedschaft beginnt mit der Annahme der Wahl
(die spätere Konstituierung begründet bloß die Handlungsfähigkeit des
Kollegiums)
Ende:
- Ende der Tätigkeitsdauer des Betriebsrats
- Rücktritt
- Ausscheiden aus dem Betrieb (Ende oder Auflösung des Dienstverhältnisses,
Wechsel in anderen Betrieb)
- Enthebung durch eine AN-Gruppe wegen Verlusts der Gruppenzugehörigkeit
- Verlust der Wählbarkeit
- Unterlassung der Konstituierung binnen 12 Wochen

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11
Q
  1. Wann kommt es organisationsrechtlich zu einem Betriebsausschuss?
    Kann der Betriebsausschuss eine Betriebsvereinbarung abschließen?
A

Der Betriebsausschuss bildet die Gesamtheit der Mitglieder des
Arbeiterbetriebsrats und des Angestelltenbetriebsrats.
Organisationsrechtlich kommt es also immer dann zu einem Betriebsausschuss,
wenn getrennte Betriebsräte für die AN-Gruppen bestehen.
Auch die Tätigkeit des Betriebsausschusses beginnt mit der Konstituierung, in welcher
Vorsitzender und Stellv. Vorsitzender des Betriebsausschusses gewählt werden.
Ja!
Kompetenznorm: § 113 Abs. 2 Ziffer 4 ArbVG
Der Betriebsausschuss ist ermächtigt für den Abschluss einer
Betriebsvereinbarung, deren Geltungsbereich alle im Betriebsausschuss
vertretenen AN-Gruppen erfasst.

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12
Q
  1. Wann ist ein Zentralbetriebsrat zu errichten? Wer ist bei der
    Zentralbetriebsratswahl aktiv und passiv wahlberechtigt?
A

Ein Zentralbetriebsrat ist immer dann zu bilden, wenn ein Unternehmen
mehrere Betriebe umfasst, die eine wirtschaftliche Einheit bilden und vom
Unternehmen zentral verwaltet werden.
Aktiv und passiv wahlberechtigt zur Zentralbetriebsratswahl sind ausschließlich
Betriebsräte!
Die Betriebsräteversammlung wählt aus ihrer Mitte die Zentralbetriebsratsmitglieder.
Grundsätze: geheime Wahl, Verhältniswahlrecht
Nicht: Grundsatz des gleichen Wahlrechts
a Stimmen sind nach AN Anzahl durch gewählte Betriebsräte gewichtet.

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13
Q
  1. Erläutern Sie den Begriff der „Europäischen Betriebsverfassung“ im
    ArbVG! Wurde der Begriff aus systematischer Sicht richtig gewählt?
    Handelt es sich um internationales bzw. um EU-Recht?
A

Unter „Europäische Betriebsverfassung“ ist ein besonderes Organisationsrecht
für europaweit agierende Unternehmen zu verstehen.
Geregelt ist die „Europäische Betriebsverfassung“ in den §§ 171 ff. ArbVG.
Geltungsbereich: EU-Mitglieder + EWR Mitglieder (Island, Liechtenstein, Norwegen)
Anwendungsvoraussetzungen für die „Europäische Betriebsverfassung“ -
Unternehmen:
- die unter den II. Teil des ArbVG fallen
- deren zentrale Leitung im Inland liegt
- die mind. 1.000 AN in den Mitgliedstaaten beschäftigen
- davon in jeweils 2 MS mindestens 150 AN beschäftigen
In diesen Unternehmen ist es eine Pflicht der zentralen Leitung, die notwendigen
Voraussetzungen zu schaffen für:
- die Einsetzung eines besonderen Verhandlungsgremiums
- die Errichtung eines „Europäischen Betriebsrats“
- die Schaffung eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung der AN
Primäre Aufgabe des besonderen Verhandlungsgremiums ist die Entscheidung, ob die
Errichtung eines europäischen Betriebsrats angestrebt werden soll.
Der Begriff der „Europäischen Betriebsverfassung ist systematisch richtig.
Sowohl das Organisationsrecht als auch die Befugnisse haben eine zusammengefasste
Regelung erfahren.
Es handelt sich bei den Bestimmungen zur „Europäischen Betriebsverfassung“
(§§ 171 ff. ArbVG) um im nationalen Recht umgesetztes EU-Richtlinienrecht.
Es gelangt also keine einheitliche Rechtsnorm europaweit zur Anwendung, sondern
die Mitbestimmung der AN richtet sich weiterhin nach den nationalen
Rechtsordnungen.

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14
Q
  1. Wann kommt es zu einem europäischen Betriebsrat kraft
    Vereinbarung und wann zu einem europäischen Betriebsrat kraft
    Gesetzes?
A

Europäischer BR kraft Vereinbarung:
Die Einrichtung eines Europäischen Betriebsrats liegt grundsätzlich in der Hand des
besonderen Verhandlungsgremiums und der zentralen Leitung.
Kommt es zu einer Einigung, bedarf die Installierung eines Europäischen Betriebsrats
einer schriftlichen Vereinbarung.
Die Vereinbarung über den Europäischen Betriebsrat steht in der Disposition der
Vertragsparteien.
Dementsprechend kommen auch die Bestimmungen, die der GG für den Europäischen
Betriebsrat kraft Gesetzes normiert hat, grundsätzlich nicht zur Anwendung, sofern nur
dann, wenn die Vereinbarung zwischen dem besonderen Verhandlungsgremium und
der zentralen Leitung selbst darauf zurückgreift.
Die Vertragsparteien unterliegen also nur den allgemeinen Grenzen der Rechtsordnung
(z.B. Sittenwidrigkeit).
Europäischer BR kraft Gesetzes:
Zu einem Europäischen Betriebsrat kraft Gesetzes kommt es, wenn:
(§ 191 ArbVG)
- zentrale Leitung & besonderes Verhandlungsgremium einen entsprechenden
Beschluss fassen
- die zentrale Leitung die Aufnahme von Verhandlung nicht binnen 6 Monaten
aufnimmt
- binnen 3 Jahren keine Vereinbarung zustande kam
(Außer: Das besondere Verhandlungsgremium fasste einen Beschluss mit 2/3
Mehrheit, die Verhandlungen zu beenden)

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15
Q
  1. Erläutern Sie den „Vorrang der Arbeitnehmerbeteiligung durch
    vertragliche Einigung“ im Zusammenhang mit der Societas Europaea!
A

Während die „Europäische Betriebsverfassung“ allgemein bei gemeinschaftsweit
operierenden Unternehmen zur Anwendung kommt, knüpft die Beteiligung der
Arbeitnehmer im VI. Teil des ArbVG an eine bestimmte Gesellschaftsform an,
nämlich die Societas Europaea (SE).
Das Problem der Schaffung einer Europäischen Gesellschaft auch ein Problem der
Mitbestimmung in der Gesellschaft.
Die nationalen Formen einer Beteiligung der Arbeitnehmer in
Unternehmensorganen sollten dem Grunde nach erhalten bleiben.
Aus diesem Grund sind auch die entsprechenden EU-RL stets von einem offenen
Mitbestimmungsmodell ausgegangen: Die Beteiligung der Arbeitnehmer soll durch
Vereinbarung geregelt werden.
Sowohl die Struktur der Belegschaftsorgane als auch Umfang und Intensität der
Befugnisse sollen im Verhandlungswege zustande kommen.
Nur im Fall eines Scheiterns der Verhandlungen, sind zwingende Formen der
Beteiligung vorgesehen.
Grundgedanke ist also der Vorrang einer vertraglichen Einigung in der Frage
der Mitbestimmung und Beteiligung der Arbeitnehmer in der SE:

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16
Q
  1. Erläutern Sie das „Vorher-Nachher-Prinzip“ im Zusammenhang mit
    der Societas Europaea!
A

Fundamentaler Grundsatz und erklärtes Ziel der europäischen Rechtsquellen zur
Societas Europaea ist die Sicherung erworbener Rechte der Arbeitnehmer betreffend
ihre Beteiligung an Unternehmensentscheidungen.
Die vor der Gründung einer Europäischen Gesellschaft bestehenden Rechte der
Arbeitnehmer sollen deshalb Ausgangspunkt auch für die Gestaltung ihrer
Beteiligungsrechte in der SE sein.
Dies umschreibt das sogenannte Vorher-Nachher-Prinzip. ___

17
Q
  1. Erläutern Sie das „Sitz-Staatsprinzip“ im Zusammenhang mit der
    Europäischen Gesellschaft!
A

Gemäß § 208 ArbVG gilt das Sitzstaatsprinzip für die Bestimmungen des VI. Teils des
ArbVG mit dem Titel „Beteiligung der AN in der europäischen Gesellschaft“.
Das Sitz-Staats-Prinzip“ besagt, dass die Bestimmungen des VI. Teils des ArbVG
grundsätzlich nur für jene Europäischen Gesellschaften (SE) gelten, die ihren
Sitz in Österreich haben.
Ausnahme:
Gewisse Regelungen, die unmittelbar an die österreichische Betriebsverfassung
anknüpfen, kommen auch zur Anwendung, wenn der Sitz der SE nicht im Inland liegt
(§ 209 ArbVG)
Beispiele:
Entsendung der österreichischen Mitglieder in das besondere Verhandlungsgremium
oder in den SE-Betriebsrat,
Verschwiegenheitspflicht der österreichischen Betriebsratsmitglieder ___

18
Q
  1. Wie kommt ein Betriebsratsfonds zustande und welchen Zwecken
    dient der Fonds?
A

Der Betriebsratsfonds ist ein vermögensfähiges Belegschaftsorgan mit eigener
Rechtspersönlichkeit.
Es wird von einem juristisch verselbstständigten Hilfsinstrument gesprochen, das mit
einem Treuhänder für das Vermögen der organisierten Arbeiterschaft vergleichbar ist.
Zweck:
- Bestreitung der Kosten der Geschäftsführung des Betriebsrat (Fahrtkosten, Schulung)
- Belegschaftseigene Wohlfahrtseinrichtungen und Wohlfahrtsmaßnahmen
Eines besonderen Errichtungsaktes oder einer Konstituierung bedarf der
Betriebsratsfonds nicht.
Die Eingänge aus der Betriebsratsumlage, die Zuwendungen seitens des
Betriebsinhabers sowie sonstige Vermögenschaften bilden den Fonds unmittelbar.
Der Bestand eines BR-Fonds ist vom BR sofort schriftlich der zuständigen
Arbeiterkammer bekannt zu geben.
Der größte Teil der Mittel des BR-Fonds kommt aus der „Betriebsratsumlage“.
Die Betriebsratsumlage darf höchstens 0,5% des Brutto-Entgelts jedes AN ausmachen
und ist vom AG einzubehalten und direkt an den BR-Fonds abzuführen.
Einhebung und Höhe der Betriebsratsumlage kann nur die Betriebsversammlung auf
Antrag des BR beschließen.

19
Q
  1. Was bedeuten die Prinzipien des freien Mandats und der

Ehrenamtlichkeit bei der Ausübung von Betriebsratsagenden?

A

Prinzip der Ehrenamtlichkeit:
Die Tätigkeit als Betriebsrat ist ein Ehrenamt, also unentgeltlich auszuüben.
Das Prinzip der Ehrenamtlichkeit bedeutet für die Ausübung der BR-Agenden,
dass das einzelne Mitglieder für seine Tätigkeit weder finanzielle Ansprüche
gegen den Betriebsratsfonds noch gegen den Betriebsinhaber geltend machen
kann.
Auf Grund der Mitgliedschaft im Betriebsrat darf auch keine finanzielle Besserstellung
erreicht werden.
Eine Ausnahme von diesem Prinzip sind die Regelungen zur Freistellung.
(§§ 116, 117 ArbVG)
Einem Betriebsrat ist die zur Erfüllung seiner Aufgaben nötige Freizeit unter
Fortzahlung des Entgelts zu gewähren.
In Betrieben mit mehr als 150 AN kann ein Betriebsratsmitglied auf Antrag des BR
unter Entgeltfortzahlung sogar gänzlich von der Arbeit freigestellt werden.
Darin kann man in gewisser Weise eine Finanzierung der Betriebsratstätigkeit durch
den Betriebsinhaber erblicken.
Prinzip des freien Mandats:
Das Prinzip des freien Mandats bedeutet, dass BR Mitglieder in Ausübung ihrer
Tätigkeit weisungsfrei agieren.
Trotzdem haben sie die Beschlüsse des BR einzuhalten und durchzuführen.
Ein Mitglied des BR kann während seiner Funktionsperiode auch nicht seiner
Funktion enthoben werden.
Ausnahmen: - Wechsel der Gruppenzugehörigkeit
- BR wird gänzlich durch die Betriebsversammlung enthoben

20
Q
  1. Kann ein Betriebsratsmitglied von einem Betrieb in einen anderen
    versetzt werden?
A
  1. Für die Mitglieder des Betriebsrats gilt ein Beschränkungs- und
    Benachteiligungsverbot.
    Die Versetzung eines Betriebsrats in einen anderen Betrieb, die zum Verlust der
    Betriebsratsmitgliedschaft mangels Betriebszugehörigkeit führen würde, ist daher in
    jedem Fall unzulässig.
    Auch eine benachteiligende Versetzung innerhalb des Betriebs, deren Grund in der
    Tätigkeit als Betriebsrat liegt, ist unzulässig. (Benachteiligungsverbot)
    a Anordnungen des AG, die gegen das Beschränkungs- und Benachteiligungsverbot
    verstoßen, sind gemäß § 879 ABGB rechtsunwirksam.
  2. Darüber hinaus gilt der allgemeine Versetzungsschutz des § 101 ArbVG auch
    für Betriebsratsmitglieder.
21
Q
  1. Wann spricht man von Pflicht- und wann von Ermessensbefugnissen
    des Betriebsrates? Nennen Sie jeweils ein Beispiel!
A

Der Betriebsrat hat Befugnisse, zu deren Ausübung das ArbVG ihn verpflichtet,
also ein rechtliches Müssen normiert, das sind die sogenannten Pflichtbefugnisse.
Beispiele:
- Der Betriebsrat hat die Einhaltung der für den Betrieb geltenden Kollektivverträge
und Betriebsvereinbarungen zu überwachen
- Der Betriebsrat hat an der Aufrechterhaltung der Disziplin im Betrieb mitzuwirken.
Außerdem hat der Betriebsrat auch eine Reihe von Ermessensbefugnissen, also
ein rechtliches Können.
Beispiele:
- Der Betriebsrat kann die Einhebung einer Betriebsratsumlage beantragen
- Der Betriebsrat kann Wohlfahrtseinrichtungen zu Gunsten der AN einrichten
- Der Betriebsrat kann eine Kündigung gemäß. § 105 Abs. 3 ArbVG anfechten.
(Die übergeordneten Hauptaufgaben des Betriebsrats sind erstens die Vertretung des
Gesamtinteresses der Belegschaft und zweitens auch die Vornahme eines Interessensausgleich
zwischen der Belegschaft und dem Betriebsinhaber.)

22
Q
  1. Kann der Betriebsrat verlangen, dass ihm die Höhe der Gehälter von
    leitenden Angestellten bekannt gegeben wird?
A

Generell hat der Betriebsrat ein Überwachungsrecht für die die Arbeitnehmer des
Betriebes betreffenden Rechtsvorschriften.
Im Zuge dieses Überwachungsrecht hat er ausdrücklich auch ein Einsichtsrecht in die
Aufzeichnungen über die Bezüge der Arbeitnehmer.
Dies gilt jedoch nur für Arbeitnehmer im Sinne der Betriebsverfassung, also im
Sinne des § 36 ArbVG.
Leitende Angestellte, denen maßgebender Einfluss auf die Leitung des Betriebs
zusteht, sind von diesem nicht erfasst, weshalb der BR keine Einsicht in deren
Gehaltsaufzeichnungen verlangen kann.
Eine weitere Einschränkung ist, dass nur der für die Vertretung wirklich zuständige
BR Einsicht nehmen kann.
Also zum Beispiel nicht der Angestelltenbetriebsrat in die Entgeltaufzeichnungen der
Arbeiter.

23
Q
  1. Kann der Betriebsrat in die Personalakten ehemaliger Arbeitnehmer
    Einsicht nehmen? Kann die Einsichtnahme von den ausgeschiedenen
    Arbeitnehmern verlangt werden?
A

Der Betriebsrat hat grundsätzlich das Recht, mit Einverständnis eines Arbeitnehmers
Einsicht in dessen Personalakten zu nehmen.
Laut der Rechtsprechung beziehen sich die Einsichtsrechte des Betriebsrats nach
§89 Z.1 und Z.4 (Entgelt und Personalakte) aber nur auf aktuelle AN, nicht auf
ehemalige Arbeitnehmer.
Ein individuelles Einsichtsrecht für einen ehemaligen Arbeitnehmer ergibt sich
jedoch aus dessen rechtlichem Interesse sowie aus den Auskunftsrechten des
Datenschutzgesetzes.

24
Q
  1. Erläutern Sie das Verhältnis von Mitbestimmung des Betriebsrates
    und Datenschutzrecht anhand des Einsichtsrechts des Betriebsrates in den
    Personalakt!
A

Personalakt = Personalaufzeichnungen im engeren Sinn
Eingeschränktes Einsichtsrecht des BR, da es von der Zustimmung des betroffenen
AN abhängt.
Daraus ergibt sich, dass auch dem AN selbst ein Einsichtsrecht in seinen Personalakt
zusteht, denn nur dann kann er entscheiden, ob er der Einsichtnahme durch den BR
zustimmen will oder nicht.
Ein Auskunftsrecht für seinen Personalakt ergibt sich für den AN auch aus dem
Datenschutzgesetz.
Die dem Betriebsrat zustehenden Überwachungsrechte werden durch das DSG nicht
berührt.
Vielmehr tritt die Überwachungsfunktion des BR sozusagen ergänzend hinzu, da sich
aus der Interessenvertretungsfunktion des BR die Pflicht ergibt, den AN zu
informieren, wenn rechtswidrig mit seinen Daten umgegangen wurde.
Somit wird der AN erst in die Lage versetzt, seine datenschutzrechtlichen
Abwehrrechte geltend zu machen. ___

25
Q
  1. In welchen Fällen muss es, in welchen Fällen kann es zu einer
    imparitätischen Mitentscheidung des Betriebsrates kommen?
A

Die Vertreter der AN haben zwar grundsätzlich die
gleichen Rechte wie die Vertreter des AG, aber es
ergibt sich eine Ungleichgewichtung, weil die
Belegschaftsvertreter in der Unterzahl sind.
Imparitätische Mitentscheidung bietet sich also vor allem als Mitwirkungskonstruktion
in Gremien an, die durch Mehrheitsbeschluss entscheiden.
- Muss:
Auf jeden Fall zur imparitätischen Mitbestimmung kommt es bei der Mitwirkung im
Aufsichtsrat gemäß § 110 ArbVG.
Die ungleiche Gewichtung drückt sich dort in einer Drittelparität aus:
Zwei Drittel der Aufsichtsratsmitglieder werden von den Aktionären, mindestens ein
Drittel vom (Zentral-)Betriebsrat entsandt. ___
- Kann:
Gremien mit imparitätischer Mitbestimmung der Belegschaftsvertreter können sich
auch für die Planung und Durchführung betrieblicher Berufsausbildungs- und
Schulungsmaßnahmen ergeben.
Ebenso im Zusammenhang mit Disziplinarkommissionen.