F1-25 Flashcards

1
Q
  1. Wann spricht man im kollektiven Arbeitsrecht von Berufsverfassung und
    wann von Betriebsverfassung?
A

Das Arbeitsrecht besteht aus Individualarbeitsrecht und Kollektivarbeitsrecht.
Das Kollektivarbeitsrecht wird auch als Arbeitsverfassung bezeichnet, obwohl das ArbVG bloß
einfachgesetzliches Recht darstellt.
Das Kollektivarbeitsrecht besteht weiters aus überbetrieblichem Kollektivarbeitsrecht und
innerbetrieblichem Kollektivarbeitsrecht.
Das innerbetriebliche Kollektivarbeitsrecht wird als Betriebsverfassung bezeichnet,
das überbetriebliche Kollektivarbeitsrecht als Berufsverfassung.
Das zentrale Element der Berufsverfassung ist der Kollektivvertrag.
Die Betriebsverfassung hat innerbetriebliche kollektive Phänomene, wie Betriebsvereinbarungen und
Betriebsrat, zum Thema.

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2
Q
  1. Wie sieht die verfassungsrechtliche Kompetenzverteilung im privaten
    Arbeitsrecht und im öffentlichen Dienst aus?
A

Privates Arbeitsrecht:
Arbeitsrecht ist in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache (Art. 10 (1) Z. 11 B-VG)
Bezüglich land- und forstwirtschaftlichen Arbeitern steht dem Bund gem. Art. 12 Abs. 1 Z 6 B-VG nur
die Grundsatzgesetzgebung zu, das Land erlässt die Ausführungsgesetze und vollzieht diese auch.
Öffentlicher Dienst:
Das Dienstrecht und das Personalvertretungsrecht Bundesbediensteter ist in Gesetzgebung und
Vollziehung Bundessache. (Art. 10 (1) Z. 16 B-VG)
Hinsichtlich Landes- und Gemeindebediensteten ist jedoch das Land in Gesetzgebung und
Vollziehung zuständig. (Art. 21 Abs. 1 B-VG)
Im Artikel 14 B-VG finden sich Sonderbestimmungen für Lehrer.

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3
Q
  1. Was versteht man unter sozialen Grundrechten und finden sich solche in der
    Ö-Bundesverfassung?
A

Soziale Grundrechte sind keine negativen Rechte gegen den Staat, wie die klassischen Grund- und
Freiheitsrechte, sondern sie verschaffen dem Einzelnen ein Recht auf einen bestimmten positiven
Eingriff des Staates.
Der Einzelne soll nicht vor staatlichen Eingriffen in bestimmte Bereiche seines Lebens
geschützt werden, sondern es werden gezielt positive Maßnahmen zu Gunsten der Bürger
gewünscht.
Der österreichischen Verfassung sind solche sozialen Grundrechte fremd.
Beispiele:
Recht auf Arbeit (inklusive Berufsberatung, Kündigungsschutz …)
Recht auf angemessenen Lohn (Mindestlohn, gleicher Lohn für Mann & Frau)
Recht auf Wohnen, Bildung, soziale Sicherheit …
International: Europäische Sozialcharta
Internat. Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
(beide nicht im Verfassungsrang, bloß Erfüllungsvorbehalt)
EU Grundrechte Charta (Vereinbarkeit Familie & Beruf, Soz. Unterstützung)

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4
Q
  1. Wodurch unterscheidet sich das „Recht auf Arbeit“ vom „Recht auf
    Beschäftigung“?
A

Das Recht auf Arbeit ist soziales Grundrecht gegen den Staat.
Es handelt sich aber um kein erzwingbares, subjektives Recht.
Dies wäre schwer machbar, da der Staat Arbeitsplätze in kaum eingrenzbarem Umfang zur
Verfügung stellen müsste.
Das Recht auf Beschäftigung ist ein privatrechtlicher Anspruch des Arbeitnehmers gegen seinen
Arbeitgeber.
Beispiele:
§18 Theaterarbeitsgesetz (TAG)
§9 Berufsausbildungsgesetz (BAG)
(Der Lehrberechtigte hat für die Ausbildung des Lehrlings zu sorgen.)
Nach Ende des Lehrverhältnisses besteht die sogenannte „Behaltepflicht“ des Lehrberechtigten dem
Lehrling gegenüber für 3 Monate, während diesen muss der Lehrling weiter beschäftigt werden, nicht
bloß weiter bezahlt.
Ein generelles Recht auf tatsächliche Beschäftigung besteht gegenüber dem Arbeitgeber aber nicht.
Das sich ein solches eventuell aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ergeben könnte wird
vertreten, ist aber eher abzulehnen, da die tatsächliche Beschäftigung keine Fürsorgemaßnahme ist.

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5
Q
  1. Was versteht man unter „positiver“ und was unter „negativer“
    Koalitionsfreiheit?
A

Der Koalitionsfreiheit kommt eine tragende Rolle im Berufsverfassungsrecht zu.
Dabei umfasst die positive Koalitionsfreiheit das Recht:
- Vereinigungen zur Interessenvertretung zu bilden
- diesen beizutreten
- zwischen solchen zu wählen
- sich in diesen zu betätigen
Die negative Koalitionsfreiheit umfasst:
- das Recht, solchen nicht beizutreten
- das Recht, aus solchen auszutreten
- das Recht, sich in solchen nicht zu betätigen

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6
Q
  1. Was versteht man unter „Closed-Shop-Klauseln“?
A

Closed-Shop-Klauseln sind Organisationsklauseln, die vor allem im angelsächsischen Raum üblich
sind.
Closed-Shop-Klauseln, die den AG zwingen, nur AN einzustellen, die in einer bestimmten
Gewerkschaft organisiert sind, verstoßen gegen die positive Koalitionsfreiheit.
Closed-Shop-Klauseln, die den AG zwingen, nur AN einzustellen, die in irgendeiner
Gewerkschaft organisiert sind, betreffen die negative Seite der Koalitionsfreiheit.
Beides ist in Österreich rechtswidrig, da von §1 Antiterrorgesetz ausdrücklich verboten.
Außerdem widersprechen solche Klauseln der verfassungsrechtlich-garantierten
Versammlungsfreiheit (Artikel 12 STGG sowie Art. 11 EMRK & Art. 12 EU Grundrechte Charta)
(Hinsichtlich EMRK war dies historisch nicht gewollt, wurde vom EGMR aber einmalig so judiziert)

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7
Q
  1. Erläutern sie die Rechtsgrundlage der Koalitionsfreiheit in Österreich und der
    EU! Ist die Koalitionsfreiheit in Österreich verfassungsrechtlich garantiert?
A

Die Koalitionsfreiheit ist verfassungsrechtlich mehrfach garantiert.
§12 STGG garantiert die Versammlungs- und Vereinsfreiheit, ausgeführt wird die mit
ausführendem Gesetzesvorbehalt verbundene Norm durch das Vereinsgesetz 2002.
Die zweite verfassungsrechtliche Grundlage bildet Art. 11 EMRK. Dieser wollte historisch eine
bloße Bestandsgarantie für Gewerkschaften sein (positive Koalitionsfreiheit), wurde aber vom
EGMR auch im Sinne der negativen Koalitionsfreiheit judiziert.
Einer verfassungsrechtlichen Grundlage gleichzuhalten ist die Versammlungs- und
Vereinigungsfreiheit gem. Art. 12 EU Grundrechte-Charta.
Diese erfährt eine Ergänzung durch das Recht auf Kollektivmaßnahmen bis hin zum garantierten
Recht auf Streik (Art. 28 EU-GRC)
Als einfachgesetzliche Normen sind das Koalitionsgesetz 1870 sowie §235 des
Landarbeitsgesetzes zu nennen, welches jede Beeinträchtigung des Koalitionsfreiheit verbietet
(Analogien für andere Bereiche möglich).

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8
Q
  1. Erläutern sie die Begriffe „Arbeitsvertragsstatut“, „Territorialitätsprinzip“
    und „Eingriffsnormen“ im Zusammenhang mit dem Arbeitskollisionsrecht.
A

Arbeitskollisionsrecht:
Wenn ein arbeitsrechtlicher Sachverhalt mit Auslandsberührung vorliegt, ist mittels
kollisionsrechtlicher Normen an das Sachrecht einer nationalen Rechtsordnung anzuknüpfen.
Arbeitsvertragsstatut:
Das Arbeitsvertragsstatut ist in privatrechtlicher Hinsicht das Recht, dem der Arbeitsvertrag
unterliegt.
Bestimmte sich früher nach IPRG, später nach EVÜ, und seit 2009 nach der ROM-I. Verordnung.
Artikel 8 Rom-I bestimmt das auf Individualarbeitsverträge anzuwendende Recht.
- Rechtswahl (Artikel 3)
(Diese ist jedoch nur wirksam, wenn sie dem AN nicht jenen Schutz entzieht, den er
ohne Rechtswahl genießen würde. Auf Grund der vielen einseitig-zwingenden
Normen ist Rechtswahl im Arbeitsrecht eher unbedeutend)
- Recht am gewöhnlichen Arbeitsort
- Recht am Ort der Niederlassung des AG (wenn AN keinen Arbeitsort in einem Land hat)
- Offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen Land
Territorialitätsprinzip:
Das Territorialitätsprinzip besagt, dass für öffentlich-rechtliche Schutzbestimmungen immer das
Recht des Beschäftigungsstaates gilt.
Beispielsweise die Betriebsratspflicht sowie der betriebsverfassungsrechtliche Kündigungs- und
Entlassungsschutz werden dem Territorialitätsprinzip zugerechnet.
Eingriffsnormen:
Artikel 9 Rom-I. sieht vor, dass Eingriffsnormen unabhängig vom Ergebnis der kollisionsrechtlichen
Prüfung zur Anwendung kommen sollen.
Dies sind zwingende Normen, deren Durchsetzung für den Staat entscheidend für die Wahrung des
öffentlichen Interesses ist.
Die Eingriffsnormen verdrängen dann das privatrechtliche Arbeitsvertragsstatut.
Beispiele: - DHG
- Entgeltfortzahlungsgesetzes

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9
Q

6

9. Erläutern Sie die Grundsätze der Rom-I-Verordnung!

A

Die ROM-I-Verordnung bestimmt das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht
für grenzüberschreitende Sachverhalte.
Sie ist auf Verträge anzuwenden, die nach dem 17. Dezember 2009 abgeschlossen wurden.
Grundsätze: - Vorrang der freien Rechtswahl (im AR bloß eingeschränkt)
-Recht des gew. Aufenthalts des Erbringers der charakteristischen Leistung
Artikel 8 Rom-I bestimmt das auf Individualarbeitsverträge anzuwendende Recht.
- Rechtswahl (Artikel 3)
(Diese ist jedoch nur wirksam, wenn sie dem AN nicht jenen Schutz entzieht, den er
ohne Rechtswahl genießen würde. Auf Grund der vielen einseitig-zwingenden
Normen ist Rechtswahl im Arbeitsrecht eher unbedeutend)
- Recht am gewöhnlichen Arbeitsort
- Recht am Ort der Niederlassung des AG (wenn AN nicht bloß Arbeitsort in einem Land hat)
- Offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen Land

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10
Q
  1. Erläutern Sie das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung im
    europäischen Arbeitsrecht!
A

Es besteht eine große Fülle an europarechtlichen Bestimmungen im Arbeitsrecht, trotzdem kann nicht
von einem europäischen Arbeitsrecht gesprochen werden.
Dies ist auf den Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 EUV) zurückzuführen, da die
EU nur punktuell tätig werden darf, nämlich nur in den Grenzen der Zuständigkeiten, die ihr
von den Mitgliedsstaaten ausdrücklich übertragen werden.
Wichtige arbeitsrechtliche Regelungen auf EU Ebene:
- Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der EU
- Lohngleichheit von Männern und Frauen
Europäische, arbeitsrechtliche Ziele:
- Sicherung eines hohen Beschäftigungsniveaus
- Hoher sozialer Schutz
- Gewährleistung von AN-Freizügigkeit und freiem Warenverkehr
- Gleichbehandlung
- Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen

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11
Q
  1. Erläutern Sie Ansätze, Grundsätze und Rechtsgrundlagen für ein
    europäisches kollektives Arbeitsrecht!
A

Das kollektive Arbeitsrecht auf Unionsebene kann vom Regelungsumfang her nicht mit dem
österreichischen verglichen werden.
Die Grundlage des europäischen kollektiven Arbeitsrechts bilden die Vereinigungs- und
Versammlungsfreiheit und das Kapitel „Solidarität“ in der EU-GRC (Art. 27, 28).
Die Rolle der europäischen Sozialpartner in der Gesetzgebung wurde seit den Amsterdamer
Verträgen stetig aufgewertet.
Grundlage dafür sind die Art. 152 ff. AEUV
(„Die Union fördert und anerkennt die Rolle der Sozialpartner“)
Wichtige Sozialpartner sind der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB), sowie der Eurpäische
Zentralverband der öffentlichen Wirtschaft (CEEP) und BUSINESSEUROPE (EU AG-Verband).
(Diese 3 sind auch die Sozialpartner i.e.S., die auch an Verhandlungen und Anhörungen teilnehmen)
Beispiele für EU-Sozialpartner-Vereinbarungen:
- Teilzeit-RL
- Europäischer Betriebsrat - RL

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12
Q
  1. Was regelt die Nachweis-Richtlinie der EU und durch welche Bestimmungen
    wurde sie in Österreich umgesetzt?
A

Die Nachweis-Richtlinie regelt die Pflicht des Arbeitgebers, seinen AN über die für dessen
Arbeitsvertrag geltenden Bedingungen zu unterrichten.
Das soll AN besser vor Unkenntnis ihrer Rechte schützen und den Arbeitsmarkt transparenter
gestalten.
Dies ist vor allem vor dem Hintergrund zu verstehen, dass die Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten betreffend der Pflicht zur schriftlichen Unterrichtung des Arbeitnehmers über die
wesentlichen Bedingungen seines Arbeitsvertrages erheblich voneinander abweichen.
Die Richtlinie sieht hierzu eine Informationspflicht vor, welche die Vielzahl der Arbeitsformen nicht
einschränken soll, sondern dem Arbeitnehmer durch die Aushändigung einer schriftlichen Erklärung
ein Beweismittel bereitstellt.
In Österreich wurde die Nachweisrichtlinie durch § 2 AVRAG (Pflicht zur Ausstellung eines
Dienstzettel, Mindestinhalt des Dienstzettels)
und durch § 1164a ABGB (Dienstzettel für freie Dienstverhältnisse) umgesetzt.
(Dienstzettel = Schriftliche Aufzeichnung über die wesentlichen Rechte und Pflichten aus dem
AV)

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13
Q
  1. Wann spricht man von kollektivvertragsdispositivem Recht? Versuchen Sie
    ein entsprechendes Beispiel zu formulieren.
A

Grundsätzlich sind verschiedene Rechtswirkungen für Normen möglich, für das Arbeitsrecht sind
vier verschiedene Typen wichtig:
- Absolut zwingend (Abweichung weder zu Gunsten noch zu Ungunsten des AN möglich)
- Relativ zwingend (Abweichung nur zu Gunsten des AN möglich à Günstigkeitsprinzip)
- Dispositiv (Abweichung zu Gunsten wie Ungunsten des AN möglich)
- Rechtsquellenspezifisch dispositiv (Abweichung nur durch bestimmte Rechtsquelle)
- Kollektivvertrags-dispositives Recht
- Betriebsvereinbarungs-dispositives Recht
Beispiele:
- §5 DHG besagt, dass von den §2-4 nur mittels Kollektivvertrag abgewichen werden kann.
- Festlegung, welche Leistungen des Arbeitgebers Urlaubsentgelt sind, braucht General-KV.

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14
Q
  1. Erläutern Sie den Begriff der Zulassungsnormen!
    Wodurch Unterscheiden sich Zulassungsnormen von Rechtsquellen dispositiven
    Rechts?
A

Bei sogenannten Zulassungsnormen sind drei verschiedene Rechtsquellen auf 3 verschiedenen Stufen
angesprochen.
Eine Norm der ersten Ebene ermächtigt eine Rechtsquelle der zweiten Ebene, abweichende
Regelungen durch eine weitere Rechtsquelle (der dritten Ebene) zuzulassen.
Norm erster Ebene: ermächtigende Zulassungsnorm
Norm zweiter Ebene: regelnde Zulassungsnorm
Die Rechtsquelle zweiter Ebene wird wohl auch einfach selbst regeln können.
Beispiel: §5a AZG sieht vor, dass der Kollektivvertrag für Bereitschaftsdienste die
Betriebsvereinbarung dazu ermächtigen kann, 3 mal pro Woche eine Ausdehnung der
Normalarbeitszeit zuzulassen.
à §5a AZG: Ermächtigende Zulassungsnorm
KV: Regelnde Zulassungsnorm
BV: Norm, die schlussendlich regelt
Der Unterschied zur rechtsquellenspezifisch-dispositiven Wirkung besteht darin, dass bei dieser die
angesprochene Rechtsquelle selbst regeln muss. In diesem Fall darf sie diese Regelungsmöglichkeit
nicht weiter delegieren.

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15
Q
  1. Erläutern Sie den Stufenbau der arbeitsrechtlichen Rechtsquellen!
    Beschreiben Sie in diesem Zusammenhang das Ordnungsprinzip und das
    Günstigkeitsprinzip.
A

Die verschiedenen Normenquellen in einem Rechtsstaat stehen zueinander in einer bestimmten
Rangordnung, sodass die untergeordnete Norm in ihrer Entfaltung von der übergeordneten Norm
abhängig ist.
Der Stufenbau der Österreichischen Rechtsordnung:
Baugesetze
Primäres Unionsrecht
Sekundäres Unionsrecht
Verfassungsrecht
Zwingendes Gesetzesrecht
Verordnung, Mindestlohntarif, Lehrlingsentschädigung
Kollektivvertrag / Satzung
Betriebsvereinbarung
Individualvereinbarung
Dispositives Gesetzesrecht
Weisungen des AG
Günstigkeitsprinzip: Das Günstigkeitsprinzip besagt, dass eine nachgeordnete Rechtsquelle von der
übergeordneten zu Gunsten des AN abweichen kann, nicht aber zu Ungunsten (relativzwingendes
Recht).
Ordnungsprinzip: Das Ordnungsprinzip besagt, dass eine im Stufenbau der Rechtsordnung weiter
unten stehende Rechtsquelle von der übergeordneten weder zu Gunsten noch zu Ungunsten
abweichen kann.

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16
Q
  1. Erläutern Sie die Begriffe „Einzelvergleich“, „Gesamtvergleich“ und
    „Gruppenvergleich“ im Zusammenhang mit dem Günstigkeitsprinzip!
A

Das Günstigkeitsprinzip hängt eng mit der Funktion des relativ zwingenden Rechts zusammen.
Lässt eine Rechtsquelle eine für den AN günstigere Gestaltung durch die nachgeordnete Rechtsquelle
zu, dann hat eine Abwägung nach den Kriterien des Günstigkeitsprinzips zu erfolgen.
Grundsätze: Einzelnes Arbeitsverhältnis - nicht die gesamte Belegschaft
Vergleich nach objektiven Kriterien, nicht nach Wunsch des AN!
Einzelvergleich: Eine Norm wird allein mit der betreffenden anderen Norm vergleichen.
Gesamtvergleich: Gesamtes Regelwerk der Rechtsquellen wird miteinander verglichen.
Gruppenvergleich: Vergleich der Gruppen der sachlich zusammenhängenden Regelungen.
Der Günstigkeitsvergleich ist in Form eines Gruppenvergleiches durchzuführen.

17
Q
  1. Können einseitig zwingende Bestimmungen nur durch günstigere oder auch
    durch gleich günstige, aber anders gestaltete nachgeordnete Regelungen ersetzt
    werden?
A

Die gesetzliche Formulierung der Unabdingbarkeit lautet: „die dem AN zugesicherten Rechte dürfen
durch Arbeitsvertrag oder Normen der kollektiven Rechtsgestaltung weder aufgehoben noch
beschränkt werden“.
Aus dieser gesetzlichen Formulierung ist eher davon auszugehen, dass nicht nur der Umfang der
Mindestarbeitsbedingungen unabdingbar ist, sondern auch die Ausgestaltung.
Eine andere Regelung müsste also in der Regel günstiger sein.
Dieser generelle Schluss schließt aber nicht aus, dass sich im Einzelfall aus dem Zweck der
Mindestnorm die Zulässigkeit abweichender gleich günstiger Regelungen aus deren Spezialität
ergibt.

18
Q
  1. Was versteht man unter der Drucktheorie im Zusammenhang mit dem
    Verzicht auf arbeitsrechtliche Ansprüche?
A

Angesprochen: Frage, ob der AN auf unabdingbare Rechte verzichten kann.
à Gefahr der Aushöhlung der Unabdingbarkeit.
Fälligkeitstheorie:
Verzicht vor Fälligkeit der Forderung (also vor dem Erbringen der Arbeitsleistung) ist unwirksam.
Wenn der Verzicht hingegen erst erfolgt, nachdem die Arbeit geleistet und das Entgelt bereits fällig
geworden ist, handelt es sich um eine „bloße Geldforderung“, die der freien Verzichtbarkeit
unterliegt.
OGH: Wirtschaftliche Druck kann zum erzwungenem Verzicht nach Fälligkeit führen.
à Fälligkeitstheorie abzulehnen.
Drucktheorie:
Es ist zu prüfen, ob auf den Arbeitnehmer noch Druck ausgeübt werden kann.
Ob das Arbeitsverhältnis noch formell aufrecht ist, ist nicht ausschlaggebend.
So kann sich der AN auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in einer Drucksituation
befinden (z.B. Wettbewerbsabreden, noch ausstehende Ansprüche).
Grundsätzlich sollte die rechtliche, nicht die faktische Fundierung des wirtschaftlichen Drucks
maßgeblich sein.
Besonders kritischer Punkt ist die Abrechnung des AN bei Lösung des Arbeitsverhältnisses.
Zusammenfassung:
Unabdingbare Ansprüche sind grundsätzlich unverzichtbar, solange das Arbeitsverhältnis aufrecht
ist.
Die Abrechnung ist in die Phase der Unabdingbarkeit mit einzubeziehen.
Danach ist zu prüfen, ob sich der AN noch immer in einer Drucksituation befindet.

19
Q
  1. Macht es für einen Arbeitgeber Sinn, bei Beendigung der Arbeitsverhältnisses
    Lohnbefriedigungserklärungen bzw. Abfindungsklauseln vom AN unterschreiben
    zu lassen?
A

Sogenannte Lohnbefriedigungsklauseln oder Abfertigungsklauseln werden oft vom Arbeitgeber
verlangt, damit auf ihn später keinen Geltendmachung von weiteren Ansprüchen des AN zukommt.
Inhaltlich wird erklärt, dass sämtliche Ansprüche befriedigt seinen, oder das auf allfällige weitere
Ansprüche verzichtet wird.
Zu prüfen:
1. Liegen alle Voraussetzungen für eine gültige Willenserklärung vor? (keine Willensmängel!)
2. Liegen die Voraussetzungen für einen gültigen Verzicht vor?
(Weiß der AN, dass ihm noch ein Anspruch zusteht? ).
Mangelt es an diesen Voraussetzungen
à laut Rechtsprechung bloß Wissenserklärung, kein rechtswirksamer Verzicht!
Ausdrückliche Bestimmung à §20 Hausgehilfen & Hausangestellten-Gesetz:
Eine während des Dienstverhältnisses oder innerhalb von einer Woche nach Auflösung des
Dienstverhältnisses vom AN abgegebene Erklärung über Entgeltansprüche ist rechtsunwirksam

20
Q
  1. Was versteht man unter einem General- oder Spitzenkollektivvertrag?
    Wodurch unterscheidet er sich von einem normalen Kollektivvertrag?
A

Kollektivverträge sind schriftliche Vereinbarungen zwischen kollektivvertragsfähigen
Körperschaften der AN und der AG.
Generalkollektivverträge / Spitzenkollektivverträge werden vom ÖGB und der Wirtschaftskammer
für alle Arbeitnehmer in der überwiegenden Anzahl der Wirtschaftszweige im gesamten
Bundesgebiet abgeschlossen.
Sie beschränken sich auf die Regelung von einzelnen Fragen oder Arbeitsbedingungen.
Beispiel: General-KV von ÖGB & WKO darüber, was als Entgelt iSd. Urlaubsgesetzes gilt.

21
Q
  1. Welche sozial- und wirtschaftspolitischen Funktionen kommen einem
    Kollektivvertrag zu?
A

Der Kollektivvertrag ist ein wesentliches und typisches Element der österreichischen
Wirtschaftsordnung.
Er erfüllt im Rahmen der sozialen Marktwirtschaft eine Reihe von sozialen und wirtschaftlichen
Funktionen.
Lohnpolitik:
Durch den Kollektivvertrag wird staatliche Lohnanordnung verhindert, die Lohnfestsetzung passiert
im Ausgleich zwischen kollektiver und individueller Gestaltung.
Der Kollektivvertrag setzt einen Mindestlohn fest, was lohnrechtlicher Arbeitnehmerschutz ist, aber
trotzdem Spielraum für konjunkturbedingte Anpassungen bietet.
Stabilisator-Funktion:
Kollektivverträge gelten längerfristig (inklusive möglicher Nachwirkung), weshalb konjunkturunabhängig
ein stabilisierender Ausgleich von ihm ausgeht.
Friedensfunktion:
Für einen gewissen Zeitraum werden die vereinbarten Arbeitsbedingungen des Kollektivvertrags
außer Streit gestellt, weshalb Arbeitskampfmaßnahmen ausbleiben können, was sowohl für
Arbeitnehmer wie auch besonders für die Investitionen der Unternehmen positiv ist.
Kartellfunktion:
Da die Arbeitnehmer einer gewissen Branche überall die selben Arbeitsbedingungen haben, führt
dies zu mehr Gleichbehandlung und kann Wettbewerbsverzerrungen verhindern
(z.B.: Lohngefälle zwischen städtischem und ländlichem Gebiet).
Fortentwicklung des Arbeitsrecht:
Der Kollektivvertrag geht von den konkreten Bedürfnissen am Arbeitsmarkt aus, weshalb er eine
Vorreiterrolle für spätere Gesetzesvorhaben einnimmt.

22
Q
  1. Beschreiben Sie den Unterschied zwischen der Fiktionstheorie und der
    Rechtsnormentheorie im Hinblick auf die Wirkung von Kollektivverträgen!
    Findet man die Fiktionstheorie noch im Zusammenhang mit Normen der
    kollektiven Rechtsgestaltung?
A

Nach überwiegender Auffassung ist der Kollektivvertrag ein privatrechtlicher Vertrag zustande.
Zu seiner Rechtsnatur bestehen die Fiktionstheorie und die Rechtsnormentheorie.
Fiktionstheorie:
Der Kollektivvertrag ist ein privatrechtlicher Vertrag, dessen Inhalt in jedem
Individualarbeitsvertrag fiktiv schlüssig mit vereinbart wird.
Rechtsnormentheorie:
Der Kollektivvertrag hat privatrechtlichen Charakter, trotzdem hat er das Recht zur Setzung
genereller Normen.
Der Kollektivvertrag ist also eine echte Rechtsnorm (Gesetz im materiellen Sinn).
Da die Tatsache, dass AG und AN zu gewissen Kollektivvereinbarungen gezwungen werden, einer
rein privatrechtlichen Erklärung zuwider läuft, ist die Rechtsnormtheorie der Fiktionstheorie
vorzuziehen.
Wo findet die Fiktionstheorie noch Anwendung?
Die Fiktionstheorie findet beispielsweise Anwendung beim „Gesamtvertrag“ für freie Mitarbeiter im
journalistischen Bereich.
Dort können nach §17 Journalistengesetz Gesamtverträge über bestimmte Arbeitsbedingungen für
alle freien Mitarbeiter geschlossen werden.

23
Q
  1. Welche Auslegungsregeln kommen für Kollektivverträge zur Anwendung?
    Was könnte man unter authentischer Auslegung eines KVs verstehen?
A

Generell ist bei dem Kollektivvertrag zwischen dem obligatorischen und dem normativen Teil zu
unterscheiden.
Gewisse Vereinbarungen berechtigen und verpflichten nur die Vertragsparteien (Obligatorischer
Teil),
andere haben echte und unmittelbar wirksame Rechtswirkung (normativer Teil).
Der obligatorische (schuldrechtliche) Teil ist nach den Regeln der §§ 914 ff ABGB auszulegen.
Der normative Teil nach den Regeln der Gesetzesauslegung der §§ 6,7 ABGB.
Authentische Auslegung durch den Gesetzgeber (§ 8 ABGB) ist bei einem KV nicht möglich!
Die KV-Parteien können diesen nach den generellen Regeln interpretieren wie auch abändern,
außerdem kann das Bundeseinigungsamt auf Ersuchen eines Gerichts oder einer
Verwaltungsbehörde ein Gutachten über die KV Auslegung abgeben. (§ 158 ArbVG)

24
Q
  1. In welcher Form muss ein Kollektivvertrag der Öffentlichkeit kundgetan
    werden, damit er rechtswirksam ist? Bedarf die Rechtswirksamkeit des
    Kollektivvertrages auch einer betrieblichen Kundmachung?
A

Form-Voraussetzungen: - Schriftform
- Unterzeichnung durch die Parteien.
Jeder KV ist unverzüglich von der beteiligten Vertretung der AN beim BMASK zu hinterlegen.
(Auch AG-Vertretung zur Hinterlegung befugt.)
Dann hat das BMASK binnen einer Woche die Kundmachung des KV im Amtsblatt zur Wiener
Zeitung zu veranlassen.
Fehlt es an der Hinterlegung oder der ordnungsgemäßen Kundmachung, kann der KV seine normative
Wirkung nicht entfalten, die obligatorische bleibt jedoch aufrecht.
—————————————————————————————————————————
Dann à AG Pflicht: - KV im Betrieb allgemein-zugänglich aufzulegen
- Hinweis in Betriebskundmachung darauf hinzuweisen
- z.T. im KV die AG-Pflicht, neuen AN den KV auszuhändigen
Die Verletzung einer AG-Pflicht zieht eine Verwaltungsstrafe (Geldstrafe) nach sich, die Gültigkeit
des KV bleibt aber unberührt!

25
Q
  1. Wer ist in Österreich kollektivvertragsfähig?
A

§ 4 ArbVG
Die Kollektivvertragsfähigkeit beruht entweder unmittelbar auf Gesetz oder auf behördlicher
Zuerkennung durch das Bundeseinigungsamt.
In der Praxis zumeist Wirtschaftskammer auf AG Seite und ÖGB auf AN Seite.
Ex lege:
a) Gesetzliche Interessensvertretungen der AG sowie AN („Kammern“)
- Körperschaften des öffentlichen Rechts
- Pflichtmitgliedschaft
- Voraussetzung: Gegnerunabhängigkeit (bei Standeskammern problematisch)
- Arbeiterkammer, Wirtschaftskammer, Standeskammern (RAK, Ärzte)
b) Juristische Personen des öffentlichen Rechts
- Ausnahme vom Grundsatz „Keine-Firmen-KV“
- manchmal auch Unternehmen mittels Sondergesetzen (ORF, AMS)
c) Sonstige Rechtsträger
- mittels Sondergesetz
- ORF Zentralbetriebsrat (AN-Seite), Dachverband der Universitäten (AG Seite)
2. Kraft Zuerkennung durch das Bundeseinigungsamt (mittels Bescheid):
a) Freiwilligen Berufsvereinigungen
- maßgebliche Bedeutung nötig
- Gegnerunabhängigkeit
- ÖGB, Industriellenvereinigung, Sozialwirtschaft Österreich
b) Vereine
- auf Arbeitgeberseite
- maßgebliche Bedeutung
- keiner Körperschaft angehörig
- Ausnahme vom Grundsatz „Keine-Firmen-KV“
- z.B. Wiener Symphoniker