F1-25 Flashcards
- Wann spricht man im kollektiven Arbeitsrecht von Berufsverfassung und
wann von Betriebsverfassung?
Das Arbeitsrecht besteht aus Individualarbeitsrecht und Kollektivarbeitsrecht.
Das Kollektivarbeitsrecht wird auch als Arbeitsverfassung bezeichnet, obwohl das ArbVG bloß
einfachgesetzliches Recht darstellt.
Das Kollektivarbeitsrecht besteht weiters aus überbetrieblichem Kollektivarbeitsrecht und
innerbetrieblichem Kollektivarbeitsrecht.
Das innerbetriebliche Kollektivarbeitsrecht wird als Betriebsverfassung bezeichnet,
das überbetriebliche Kollektivarbeitsrecht als Berufsverfassung.
Das zentrale Element der Berufsverfassung ist der Kollektivvertrag.
Die Betriebsverfassung hat innerbetriebliche kollektive Phänomene, wie Betriebsvereinbarungen und
Betriebsrat, zum Thema.
- Wie sieht die verfassungsrechtliche Kompetenzverteilung im privaten
Arbeitsrecht und im öffentlichen Dienst aus?
Privates Arbeitsrecht:
Arbeitsrecht ist in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache (Art. 10 (1) Z. 11 B-VG)
Bezüglich land- und forstwirtschaftlichen Arbeitern steht dem Bund gem. Art. 12 Abs. 1 Z 6 B-VG nur
die Grundsatzgesetzgebung zu, das Land erlässt die Ausführungsgesetze und vollzieht diese auch.
Öffentlicher Dienst:
Das Dienstrecht und das Personalvertretungsrecht Bundesbediensteter ist in Gesetzgebung und
Vollziehung Bundessache. (Art. 10 (1) Z. 16 B-VG)
Hinsichtlich Landes- und Gemeindebediensteten ist jedoch das Land in Gesetzgebung und
Vollziehung zuständig. (Art. 21 Abs. 1 B-VG)
Im Artikel 14 B-VG finden sich Sonderbestimmungen für Lehrer.
- Was versteht man unter sozialen Grundrechten und finden sich solche in der
Ö-Bundesverfassung?
Soziale Grundrechte sind keine negativen Rechte gegen den Staat, wie die klassischen Grund- und
Freiheitsrechte, sondern sie verschaffen dem Einzelnen ein Recht auf einen bestimmten positiven
Eingriff des Staates.
Der Einzelne soll nicht vor staatlichen Eingriffen in bestimmte Bereiche seines Lebens
geschützt werden, sondern es werden gezielt positive Maßnahmen zu Gunsten der Bürger
gewünscht.
Der österreichischen Verfassung sind solche sozialen Grundrechte fremd.
Beispiele:
Recht auf Arbeit (inklusive Berufsberatung, Kündigungsschutz …)
Recht auf angemessenen Lohn (Mindestlohn, gleicher Lohn für Mann & Frau)
Recht auf Wohnen, Bildung, soziale Sicherheit …
International: Europäische Sozialcharta
Internat. Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
(beide nicht im Verfassungsrang, bloß Erfüllungsvorbehalt)
EU Grundrechte Charta (Vereinbarkeit Familie & Beruf, Soz. Unterstützung)
- Wodurch unterscheidet sich das „Recht auf Arbeit“ vom „Recht auf
Beschäftigung“?
Das Recht auf Arbeit ist soziales Grundrecht gegen den Staat.
Es handelt sich aber um kein erzwingbares, subjektives Recht.
Dies wäre schwer machbar, da der Staat Arbeitsplätze in kaum eingrenzbarem Umfang zur
Verfügung stellen müsste.
Das Recht auf Beschäftigung ist ein privatrechtlicher Anspruch des Arbeitnehmers gegen seinen
Arbeitgeber.
Beispiele:
§18 Theaterarbeitsgesetz (TAG)
§9 Berufsausbildungsgesetz (BAG)
(Der Lehrberechtigte hat für die Ausbildung des Lehrlings zu sorgen.)
Nach Ende des Lehrverhältnisses besteht die sogenannte „Behaltepflicht“ des Lehrberechtigten dem
Lehrling gegenüber für 3 Monate, während diesen muss der Lehrling weiter beschäftigt werden, nicht
bloß weiter bezahlt.
Ein generelles Recht auf tatsächliche Beschäftigung besteht gegenüber dem Arbeitgeber aber nicht.
Das sich ein solches eventuell aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ergeben könnte wird
vertreten, ist aber eher abzulehnen, da die tatsächliche Beschäftigung keine Fürsorgemaßnahme ist.
- Was versteht man unter „positiver“ und was unter „negativer“
Koalitionsfreiheit?
Der Koalitionsfreiheit kommt eine tragende Rolle im Berufsverfassungsrecht zu.
Dabei umfasst die positive Koalitionsfreiheit das Recht:
- Vereinigungen zur Interessenvertretung zu bilden
- diesen beizutreten
- zwischen solchen zu wählen
- sich in diesen zu betätigen
Die negative Koalitionsfreiheit umfasst:
- das Recht, solchen nicht beizutreten
- das Recht, aus solchen auszutreten
- das Recht, sich in solchen nicht zu betätigen
- Was versteht man unter „Closed-Shop-Klauseln“?
Closed-Shop-Klauseln sind Organisationsklauseln, die vor allem im angelsächsischen Raum üblich
sind.
Closed-Shop-Klauseln, die den AG zwingen, nur AN einzustellen, die in einer bestimmten
Gewerkschaft organisiert sind, verstoßen gegen die positive Koalitionsfreiheit.
Closed-Shop-Klauseln, die den AG zwingen, nur AN einzustellen, die in irgendeiner
Gewerkschaft organisiert sind, betreffen die negative Seite der Koalitionsfreiheit.
Beides ist in Österreich rechtswidrig, da von §1 Antiterrorgesetz ausdrücklich verboten.
Außerdem widersprechen solche Klauseln der verfassungsrechtlich-garantierten
Versammlungsfreiheit (Artikel 12 STGG sowie Art. 11 EMRK & Art. 12 EU Grundrechte Charta)
(Hinsichtlich EMRK war dies historisch nicht gewollt, wurde vom EGMR aber einmalig so judiziert)
- Erläutern sie die Rechtsgrundlage der Koalitionsfreiheit in Österreich und der
EU! Ist die Koalitionsfreiheit in Österreich verfassungsrechtlich garantiert?
Die Koalitionsfreiheit ist verfassungsrechtlich mehrfach garantiert.
§12 STGG garantiert die Versammlungs- und Vereinsfreiheit, ausgeführt wird die mit
ausführendem Gesetzesvorbehalt verbundene Norm durch das Vereinsgesetz 2002.
Die zweite verfassungsrechtliche Grundlage bildet Art. 11 EMRK. Dieser wollte historisch eine
bloße Bestandsgarantie für Gewerkschaften sein (positive Koalitionsfreiheit), wurde aber vom
EGMR auch im Sinne der negativen Koalitionsfreiheit judiziert.
Einer verfassungsrechtlichen Grundlage gleichzuhalten ist die Versammlungs- und
Vereinigungsfreiheit gem. Art. 12 EU Grundrechte-Charta.
Diese erfährt eine Ergänzung durch das Recht auf Kollektivmaßnahmen bis hin zum garantierten
Recht auf Streik (Art. 28 EU-GRC)
Als einfachgesetzliche Normen sind das Koalitionsgesetz 1870 sowie §235 des
Landarbeitsgesetzes zu nennen, welches jede Beeinträchtigung des Koalitionsfreiheit verbietet
(Analogien für andere Bereiche möglich).
- Erläutern sie die Begriffe „Arbeitsvertragsstatut“, „Territorialitätsprinzip“
und „Eingriffsnormen“ im Zusammenhang mit dem Arbeitskollisionsrecht.
Arbeitskollisionsrecht:
Wenn ein arbeitsrechtlicher Sachverhalt mit Auslandsberührung vorliegt, ist mittels
kollisionsrechtlicher Normen an das Sachrecht einer nationalen Rechtsordnung anzuknüpfen.
Arbeitsvertragsstatut:
Das Arbeitsvertragsstatut ist in privatrechtlicher Hinsicht das Recht, dem der Arbeitsvertrag
unterliegt.
Bestimmte sich früher nach IPRG, später nach EVÜ, und seit 2009 nach der ROM-I. Verordnung.
Artikel 8 Rom-I bestimmt das auf Individualarbeitsverträge anzuwendende Recht.
- Rechtswahl (Artikel 3)
(Diese ist jedoch nur wirksam, wenn sie dem AN nicht jenen Schutz entzieht, den er
ohne Rechtswahl genießen würde. Auf Grund der vielen einseitig-zwingenden
Normen ist Rechtswahl im Arbeitsrecht eher unbedeutend)
- Recht am gewöhnlichen Arbeitsort
- Recht am Ort der Niederlassung des AG (wenn AN keinen Arbeitsort in einem Land hat)
- Offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen Land
Territorialitätsprinzip:
Das Territorialitätsprinzip besagt, dass für öffentlich-rechtliche Schutzbestimmungen immer das
Recht des Beschäftigungsstaates gilt.
Beispielsweise die Betriebsratspflicht sowie der betriebsverfassungsrechtliche Kündigungs- und
Entlassungsschutz werden dem Territorialitätsprinzip zugerechnet.
Eingriffsnormen:
Artikel 9 Rom-I. sieht vor, dass Eingriffsnormen unabhängig vom Ergebnis der kollisionsrechtlichen
Prüfung zur Anwendung kommen sollen.
Dies sind zwingende Normen, deren Durchsetzung für den Staat entscheidend für die Wahrung des
öffentlichen Interesses ist.
Die Eingriffsnormen verdrängen dann das privatrechtliche Arbeitsvertragsstatut.
Beispiele: - DHG
- Entgeltfortzahlungsgesetzes
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9. Erläutern Sie die Grundsätze der Rom-I-Verordnung!
Die ROM-I-Verordnung bestimmt das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht
für grenzüberschreitende Sachverhalte.
Sie ist auf Verträge anzuwenden, die nach dem 17. Dezember 2009 abgeschlossen wurden.
Grundsätze: - Vorrang der freien Rechtswahl (im AR bloß eingeschränkt)
-Recht des gew. Aufenthalts des Erbringers der charakteristischen Leistung
Artikel 8 Rom-I bestimmt das auf Individualarbeitsverträge anzuwendende Recht.
- Rechtswahl (Artikel 3)
(Diese ist jedoch nur wirksam, wenn sie dem AN nicht jenen Schutz entzieht, den er
ohne Rechtswahl genießen würde. Auf Grund der vielen einseitig-zwingenden
Normen ist Rechtswahl im Arbeitsrecht eher unbedeutend)
- Recht am gewöhnlichen Arbeitsort
- Recht am Ort der Niederlassung des AG (wenn AN nicht bloß Arbeitsort in einem Land hat)
- Offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen Land
- Erläutern Sie das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung im
europäischen Arbeitsrecht!
Es besteht eine große Fülle an europarechtlichen Bestimmungen im Arbeitsrecht, trotzdem kann nicht
von einem europäischen Arbeitsrecht gesprochen werden.
Dies ist auf den Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 EUV) zurückzuführen, da die
EU nur punktuell tätig werden darf, nämlich nur in den Grenzen der Zuständigkeiten, die ihr
von den Mitgliedsstaaten ausdrücklich übertragen werden.
Wichtige arbeitsrechtliche Regelungen auf EU Ebene:
- Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der EU
- Lohngleichheit von Männern und Frauen
Europäische, arbeitsrechtliche Ziele:
- Sicherung eines hohen Beschäftigungsniveaus
- Hoher sozialer Schutz
- Gewährleistung von AN-Freizügigkeit und freiem Warenverkehr
- Gleichbehandlung
- Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen
- Erläutern Sie Ansätze, Grundsätze und Rechtsgrundlagen für ein
europäisches kollektives Arbeitsrecht!
Das kollektive Arbeitsrecht auf Unionsebene kann vom Regelungsumfang her nicht mit dem
österreichischen verglichen werden.
Die Grundlage des europäischen kollektiven Arbeitsrechts bilden die Vereinigungs- und
Versammlungsfreiheit und das Kapitel „Solidarität“ in der EU-GRC (Art. 27, 28).
Die Rolle der europäischen Sozialpartner in der Gesetzgebung wurde seit den Amsterdamer
Verträgen stetig aufgewertet.
Grundlage dafür sind die Art. 152 ff. AEUV
(„Die Union fördert und anerkennt die Rolle der Sozialpartner“)
Wichtige Sozialpartner sind der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB), sowie der Eurpäische
Zentralverband der öffentlichen Wirtschaft (CEEP) und BUSINESSEUROPE (EU AG-Verband).
(Diese 3 sind auch die Sozialpartner i.e.S., die auch an Verhandlungen und Anhörungen teilnehmen)
Beispiele für EU-Sozialpartner-Vereinbarungen:
- Teilzeit-RL
- Europäischer Betriebsrat - RL
- Was regelt die Nachweis-Richtlinie der EU und durch welche Bestimmungen
wurde sie in Österreich umgesetzt?
Die Nachweis-Richtlinie regelt die Pflicht des Arbeitgebers, seinen AN über die für dessen
Arbeitsvertrag geltenden Bedingungen zu unterrichten.
Das soll AN besser vor Unkenntnis ihrer Rechte schützen und den Arbeitsmarkt transparenter
gestalten.
Dies ist vor allem vor dem Hintergrund zu verstehen, dass die Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten betreffend der Pflicht zur schriftlichen Unterrichtung des Arbeitnehmers über die
wesentlichen Bedingungen seines Arbeitsvertrages erheblich voneinander abweichen.
Die Richtlinie sieht hierzu eine Informationspflicht vor, welche die Vielzahl der Arbeitsformen nicht
einschränken soll, sondern dem Arbeitnehmer durch die Aushändigung einer schriftlichen Erklärung
ein Beweismittel bereitstellt.
In Österreich wurde die Nachweisrichtlinie durch § 2 AVRAG (Pflicht zur Ausstellung eines
Dienstzettel, Mindestinhalt des Dienstzettels)
und durch § 1164a ABGB (Dienstzettel für freie Dienstverhältnisse) umgesetzt.
(Dienstzettel = Schriftliche Aufzeichnung über die wesentlichen Rechte und Pflichten aus dem
AV)
- Wann spricht man von kollektivvertragsdispositivem Recht? Versuchen Sie
ein entsprechendes Beispiel zu formulieren.
Grundsätzlich sind verschiedene Rechtswirkungen für Normen möglich, für das Arbeitsrecht sind
vier verschiedene Typen wichtig:
- Absolut zwingend (Abweichung weder zu Gunsten noch zu Ungunsten des AN möglich)
- Relativ zwingend (Abweichung nur zu Gunsten des AN möglich à Günstigkeitsprinzip)
- Dispositiv (Abweichung zu Gunsten wie Ungunsten des AN möglich)
- Rechtsquellenspezifisch dispositiv (Abweichung nur durch bestimmte Rechtsquelle)
- Kollektivvertrags-dispositives Recht
- Betriebsvereinbarungs-dispositives Recht
Beispiele:
- §5 DHG besagt, dass von den §2-4 nur mittels Kollektivvertrag abgewichen werden kann.
- Festlegung, welche Leistungen des Arbeitgebers Urlaubsentgelt sind, braucht General-KV.
- Erläutern Sie den Begriff der Zulassungsnormen!
Wodurch Unterscheiden sich Zulassungsnormen von Rechtsquellen dispositiven
Rechts?
Bei sogenannten Zulassungsnormen sind drei verschiedene Rechtsquellen auf 3 verschiedenen Stufen
angesprochen.
Eine Norm der ersten Ebene ermächtigt eine Rechtsquelle der zweiten Ebene, abweichende
Regelungen durch eine weitere Rechtsquelle (der dritten Ebene) zuzulassen.
Norm erster Ebene: ermächtigende Zulassungsnorm
Norm zweiter Ebene: regelnde Zulassungsnorm
Die Rechtsquelle zweiter Ebene wird wohl auch einfach selbst regeln können.
Beispiel: §5a AZG sieht vor, dass der Kollektivvertrag für Bereitschaftsdienste die
Betriebsvereinbarung dazu ermächtigen kann, 3 mal pro Woche eine Ausdehnung der
Normalarbeitszeit zuzulassen.
à §5a AZG: Ermächtigende Zulassungsnorm
KV: Regelnde Zulassungsnorm
BV: Norm, die schlussendlich regelt
Der Unterschied zur rechtsquellenspezifisch-dispositiven Wirkung besteht darin, dass bei dieser die
angesprochene Rechtsquelle selbst regeln muss. In diesem Fall darf sie diese Regelungsmöglichkeit
nicht weiter delegieren.
- Erläutern Sie den Stufenbau der arbeitsrechtlichen Rechtsquellen!
Beschreiben Sie in diesem Zusammenhang das Ordnungsprinzip und das
Günstigkeitsprinzip.
Die verschiedenen Normenquellen in einem Rechtsstaat stehen zueinander in einer bestimmten
Rangordnung, sodass die untergeordnete Norm in ihrer Entfaltung von der übergeordneten Norm
abhängig ist.
Der Stufenbau der Österreichischen Rechtsordnung:
Baugesetze
Primäres Unionsrecht
Sekundäres Unionsrecht
Verfassungsrecht
Zwingendes Gesetzesrecht
Verordnung, Mindestlohntarif, Lehrlingsentschädigung
Kollektivvertrag / Satzung
Betriebsvereinbarung
Individualvereinbarung
Dispositives Gesetzesrecht
Weisungen des AG
Günstigkeitsprinzip: Das Günstigkeitsprinzip besagt, dass eine nachgeordnete Rechtsquelle von der
übergeordneten zu Gunsten des AN abweichen kann, nicht aber zu Ungunsten (relativzwingendes
Recht).
Ordnungsprinzip: Das Ordnungsprinzip besagt, dass eine im Stufenbau der Rechtsordnung weiter
unten stehende Rechtsquelle von der übergeordneten weder zu Gunsten noch zu Ungunsten
abweichen kann.