E. Erklärung von individuellen Unterschieden 1. Genetik individueller Differenzen Flashcards

1
Q

Genetische Varianz
Können sich Menschen, die genetisch nahezu identisch sind, in ihren psychologischen Merkmalen überhaupt genetisch unterscheiden?

A
  • Die Verhaltensgenetik fokussiert auf die Gene bzw. Abschnitte auf der DNS (< 0,1%), die zwischen Menschen unterschiedlich sein können
  • die menschliche DNS beinhaltet etwa 3 Mrd. Basenpaare (Bausteine des Lebens)
  • bei 0,1% genetischer Variabilität können sich Menschen demnach in etwa 3 Mio. Basenpaarkombinationen unterscheiden
    → große genetische Variabilität zwischen Menschen
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2
Q

Womit beschäftigt sich die Verhaltensgenetik?

A
  1. Welche Gene beeinflussen die Ausprägung von bestimmten Merkmalen?
    → Molekulare Verhaltensgenetik: Identifikation von Genen oder Genetische Faktoren (z.B. Polygenic Risk Scores), die mit Merkmalen assoziiert sind
  2. In welchem Ausmaß spielen Gene neben Umweltfaktoren für interindividuelle Unterschiede in psychologischen Merkmalen eine Rolle?
    → Quantitative Verhaltensgenetik: Erblichkeitsschätzungen und Schätzung der Unterschiedlichkeit auf Grund von Umwelteffekten
  3. Welche biologischen Pfade verbinden Gene und Verhalten und wo setzt Umwelt an?
    → Neurogenetik, Epigenetik und Funktionelle Genomik:
    Gene → Genexpression → Proteine → Nervensystem/Skelett/Muskel → Verhalten
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3
Q

Womit beschäftigt sich die Verhaltensgenetik?
Genetische und Umwelteinflüsse auf Verhaltensunterschiede
Die fundamentale Aufgabe der Quantitativen Verhaltensgenetik ist es?

A

Die fundamentale Aufgabe der Quantitativen Verhaltensgenetik ist es, das Ausmaß zu bestimmen, in dem genetische (genotypische) Unterschiede 𝑽𝑮𝒆𝒏𝒐𝒕𝒚𝒑 verantwortlich sind für beobachtbare (phänotypische) Unterschiede 𝑽𝑷𝒉ä𝒏𝒐𝒕𝒚𝒑 zu einer bestimmten Zeit in einer bestimmten Population:
𝑉𝑃hä𝑛𝑜𝑡𝑦𝑝 =𝑉𝐺𝑒𝑛𝑜𝑡𝑦𝑝 +𝑉 𝑈𝑚𝑤𝑒𝑙𝑡
* Varianz V ist die quadrierte durchschnittliche Abweichung vom Durchschnittswert einer Population
* Phänotyp: Beobachtbare Erscheinung einer Person P/beobachtbare Ausprägung eines Merkmals P, die aus Genotyp G und Umwelt U resultiert
* Genotyp: Gesamtheit der den Phänotyp beeinflussenden genetischen Ausstattung/genetische Beeinflussung der Ausprägung eines Phänotyps
* Umwelt: Gesamtheit aller den Phänotyp beeinflussenden Kontexteffekte

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4
Q

Erblichkeit
3.1. Definition und Interpretation

A
  • Erblichkeit (𝒉2) ist ein Varianzverhältnis, das den Anteil genotypischer Varianz an der Gesamtvarianz (phänotypischen Varianz) beschreibt.

h2 = VGenotyp / VPhänotyp

  • Erblichkeit ist somit ein statistischer Parameter für ein Merkmal zur Beschreibung interindividueller Unterschiede in einer Population zu einem bestimmten Zeitpunkt
  • Die Erblichkeit eines Merkmals kann für verschiedene Stichproben unterschiedlich groß ausfallen, wenn sich die Populationen in ihren Umwelteffekten oder in ihrer genetischen Variation unterscheiden
    → Abhängigkeit von der betrachteten Stichprobe/Population
  • Die Erblichkeit kann zwischen Zeitpunkten und Altersgruppen unterschiedlich ausfallen, wenn sich die Größe der Umweltvarianz (zum Beispiel durch kumulierende Erfahrungswerte) oder der genetischen Varianz (zum Beispiel durch ausdifferenzierende Reifungsprozesse) zwischen Zeitpunkten/mit der Entwicklung verändert → Abhängigkeit vom betrachteten Zeitpunkt/Alter
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5
Q

→ Erblichkeit bezieht sich nicht auf?

A
  • Aus dem Befund hoher Erblichkeit für ein Merkmal innerhalb zweier Gruppen kann nicht auf die genetische Bedingtheit von Unterschieden zwischen den Gruppen geschlossen werden, wie zum Beispiel der Unterschied der durchschnittlichen Intelligenz zwischen Asiaten, Europäern und Afrikanern
    → Erblichkeit bezieht sich nicht auf Mittelwertunterschiede zwischen Gruppen
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6
Q
  • Beispiel: Intelligenzunterschiede sind zu 50% bis 70% erblich + Nationen/Ethnien unterscheiden sich in der durchschnittlichen Intelligenzausprägung = IQ-Unterschiede sind genetisch bedingt!

ODER

Beispiel: Intelligenzunterschiede sind zu 50% bis 70% erblich + Nationen/Ethnien unterscheiden sich in der durchschnittlichen Intelligenzausprägung = IQ-Unterschiede sind erklärbar durch…

A

zweites ist richtig!!!
Beispiel mit Black and white IQ distributions –> …Unterschiede in Umweltdruck und Entfaltungsmöglichkeiten!

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7
Q

Erblichkeit hat keine Aussagekraft für?

A
  • Die Erblichkeit von 90% eines Merkmals bedeutet, dass die individuelle Merkmalsabweichung vom Mittelwert einer betrachteten Population zu einem gewissen Zeitpunkt im Mittel zu 90% genetisch beeinflusst ist. Die tatsächliche genetische Beeinflussung einer einzelnen individuellen Merkmalsabweichung für ein einzelnes Individuum kann lediglich bei 10% oder noch geringer liegen
    → Erblichkeit hat keine Aussagekraft für den Einzelfall
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8
Q

Erblichkeit ist ein …, das heißt ohne …. keine Erblichkeit
→ Erblichkeit bedeutet ?

A

Erblichkeit ist ein Varianzverhältnis, das heißt ohne Varianz keine Erblichkeit
→ Erblichkeit bedeutet nicht genetische Bedingtheit im Sinne der Evolution

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9
Q

Erblichkeit
3.2. Bestimmung der Erblichkeit dichotomer Merkmale

A
  • Zur Bestimmung der Erblichkeit eines Merkmals wird häufig der Vergleich zwischen genetischer und phänotypischer Ähnlichkeit zwischen verschiedenen Verwandtschafts- beziehungen herangezogen
    Genetische Verwandtschaft →
    Phänotypische Ähnlichkeit:
  • Konkordanz für dichotome Merkmale
  • Korrelation für kontinuierliche Merkmale
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10
Q
  1. Erblichkeit
    3.2. Bestimmung der Erblichkeit dichotomer Merkmale
A

Bsp.: Chorea Huntington (HD)
 beginnt mit Persönlichkeits- veränderungen, kognitiven Einbußen, unwillkürlichen Bewegungen (> 30)

 führt zum vollständigen Verlust motorischer Kontrolle und intellektueller Funktionen und endet tödlich
 Prävalenz: 1 von 20.000 sind betroffen

 Ätiologie: Erkrankte haben mindestens einen erkrankten Elternteil und 50% ebenfalls erkrankte Geschwister

 ist zu 100% erblich und eine monogene Störung, für welche das krankheitsauslösende Gen schon identifiziert werden konnte
 ist Folge einer Genmutation, die zu dem Protein Huntingtin kodiert

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11
Q
  1. Erblichkeit
    3.2. Bestimmung der Erblichkeit dichotomer Merkmale
    * genetische Varianz auf Grund additiver Genwirkung (VA)
A

beschreibt den Anteil der genetischen Variation zwischen Menschen, der durch die Gesamtheit der von der Elterngeneration ererbten genetischen Informationen erklärt wird

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12
Q
  1. Erblichkeit
    3.2. Bestimmung der Erblichkeit dichotomer Merkmale
    * Erblichkeit im engeren Sinne
A

beschreibt den Anteil genetischer Varianz auf Grund additiver Genwirkung VA an der beobachtbaren (phänotypischen) Gesamtvarianz VP:

h2 = VA / VP

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13
Q

Erblichkeit
3.2. Bestimmung der Erblichkeit dichotomer Merkmale
Bsp.: Phenylketonurie (PKU)

A

 erhöhtes Phenylalanin im Körper
 führt zu geistiger Behinderung
 Prävalenz: 1 von 10.000 sind betroffen
 Ätiologie: Erkrankte haben zu 25% ebenfalls erkrankte Geschwister, die Eltern sind meistens nicht betroffen
 ist zu 100% erblich und eine autosomal rezessive monogene Störung, für welche das krankheitsauslösende Gen identifiziert werden konnte
 ist Folge eines Gendefekts, der zu einer Funktionseinschränkung bzw. zum Verlust eines Enzyms, das am Abbau von Phenylalanin beteiligt ist, führt
 Jeder 50. ist Überträger des krankheitsauslösenden Allels

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14
Q

Erblichkeit
3.2. Bestimmung der Erblichkeit dichotomer Merkmale
→ nichtadditive Genwirkung

A
  • ein Mensch kann an einem einzelnen Genlocus zwei verschiedene Allele aufweisen, wobei ein Allel die Wirkung des anderen abschalten oder herabsetzen kann → nichtadditive Genwirkung auf Grund von Dominanzabweichung innerhalb von Genloci (Bsp.: Augenfarbe)
  • Nichtadditive Genwirkung auf Grund von genetischer Dominanzabweichung (D) innerhalb von Genloci korrelieren zwischen Geschwistern 1. Grades entsprechend…
  • Nichtadditive Genwirkung auf Grund von Gen × Gen – Interaktionen (I) zwischen Genloci (Epistase) sind nur zwischen eineiigen Zwillingen perfekt korreliert…
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15
Q

Beispiel für nichtadditive Genwirkung auf Grund von epistatischer Gen × Gen- Interaktionen:

A

Albinismus

Autismus

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16
Q
  • genetische Varianz auf Grund nichtadditiver Genwirkung (VNA)
A

beschreibt den Anteil der genetischen Variation zwischen Menschen, der durch die individuelle Genkombination und Interaktionen zwischen Allelen an einem Genlocus VD oder zwischen Genen unterschiedlicher Genloci VI zustande kommt

17
Q
  • Erblichkeit im weiten Sinne
A

beschreibt den Anteil genetischer Varianz auf Grund additiver VA und nichtadditiver Genwirkung VNA an der beobachtbaren (phänotypischen) Gesamtvarianz VP:

H2 = (VA + VNA) / VP

18
Q

Erblichkeit
3.2. Bestimmung der Erblichkeit dichotomer Merkmale
Bsp.: Schizophrenie

A
  • Symptome: Wahnvorstellungen ,Halluzinationen,Apathie,Denk-und Sprachstörungen
  • Prävalenz: 1 von 100 Menschen sind betroffen
  • Ätiologie: familiäre Häufung → Geteilte Genwirkung???
19
Q

Additives Diathese + Stress-Modell Psychischer Störungen:

A

Das Risiko, bzw. die Neigung zu einer bestimmten psychischen Störung ist normalverteilt und vermutlich polygen. Die Krankheit tritt erst dann auf, wenn die genetische Neigung und Stressoren stark genug sind.

20
Q
  1. Erblichkeit
    3.3. Bestimmung der Erblichkeit anhand von Adoptionsstudien
    Grundannahme:
A

Grundannahme: Merkmalsähnlichkeiten zwischen Adoptionsverwandten beruhen nicht auf genetischen Faktoren, sondern auf gemeinsamen Erfahrungen (bzw. Umwelteffekte), da Adoptionsverwandte nicht genetisch verwandt sind
* Merkmalsähnlichkeit vonbiologischen,durchAdoptiongetrennte Verwandte → geteilte Genwirkung
* Merkmalsähnlichkeit von Adoptionsverwandten → geteilte Umwelteffekte

21
Q

Erblichkeit
3.3. Bestimmung der Erblichkeit anhand von Adoptionsstudien
Annahmen des Adoptionsstudiendesigns:

A
  • Adoptionsfamilien sollten repräsentativ für Durchschnittsfamilien (Kernfamilien) sein, so dass die Befunde generalisiert werden können
  • Das betrachtete Merkmal wird nicht durch prä-, peri- und postnatale Umwelteffekte beeinflusst (z.B. Stress oder Infektionen während der Schwangerschaft/Komplikationen bei der Geburt, bzw. durch frühe geteilte Umwelteinflüsse vor der Trennung biologischer Verwandter durch Adoption)
  • EssolltekeineSelektivePlatzierung(Korrelationzwischen Adoptiveltern und biologischen Eltern hinsichtlich des betrachteten Merkmals) vorliegen (z.B. SES)
  • Sonstige Umwelteinflüsse (z.B. religiöses oder ökonomisches Umfeld) auf getrennt aufgewachsene biologische Verwandte sind unkorreliert
22
Q

Erblichkeit
3.3. Bestimmung der Erblichkeit anhand von Adoptionsstudien
Das einfache Adoptionsstudiendesign

A

Bestimmung der Erblichkeit über die doppelte Konkordanz bzw. Korrelation (rB) zwischen biologischen Verwandten:
𝒉2 = 𝟐 × 𝑟 𝐵

23
Q
  1. Erblichkeit
    3.4. Bestimmung der Erblichkeit anhand von Zwillingsstudien
    Grundannahme:
A

der Vergleich von Ähnlichkeiten eineiiger (monozygoter) und zweieiiger (dizygoter) gemeinsam aufgewachsener Zwillinge ermöglicht Rückschlüsse auf genetische Effekte
Eineiige Zwillinge (EZ)
* eine befruchtete Eizelle teilt sich im Verlauf der Entwicklung in zwei Embryonalanlagen

Zweieiige Zwillinge (ZZ)
* zwei innerhalb eines Zyklus gereifte Eizellen werden von je einem Spermium befruchtet

24
Q

Erblichkeit
3.4. Bestimmung der Erblichkeit anhand von Zwillingsstudien
EZ und ZZ

A

EZ
* sind zu 100% genetisch identische Geschwister
* teilen bestimmte Erfahrungen, die sie ähnlich machen
* Unterschiede zwischen ihnen können nur durch Umwelteinflüsse erklärt werden

ZZ
* Geschwister ersten Grades im gleichen Alter
* teilen bestimmte Erfahrungen, die sie ähnlich machen
* Unterschiede können durch genetische Unterschiede und Umwelteinflüsse erklärt werden

Der Unterschied in den Ähnlichkeiten von EZ und ZZ ist auf genetische Einflüsse zurückzuführen!

25
Q

Erblichkeit
3.4. Bestimmung der Erblichkeit anhand von Zwillingsstudien
Annahmen des Zwillingsstudiendesigns:

A
  • Zwillinge sollten repräsentativ für die Population/Gesamtbevölkerung sein
  • Umwelteinflüsse sind für EZ und ZZ-Paare gleich
  • Eltern von Zwillingen sollten in den betrachteten Merkmalen nicht korrelieren (Selektive Partnerwahl) → Auswirkung auf genetische Ähnlichkeit von Geschwistern (außer EZ) → Verzerrung der Erblichkeitsschätzung
  • Keine Anlage-Umwelt-Interaktion und Anlage-Umwelt-Korrelation im einfachen klassischen Zwillingsdesign

Bei der Analyse von Ähnlichkeiten zwischen Zwillingen/Geschwistern können sowohl additive als auch nichtadditive genetische Effekte auf Grund von…
(1) genetischer Dominanzabweichung innerhalb von Genloci (D) oder (2) Gen × Gen - Interaktion zwischen Genloci (I)
…zur phänotypischen Ähnlichkeit beitragen.

26
Q
  1. Erblichkeit
    3.4. Bestimmung der Erblichkeit
    anhand von Zwillingsstudien
    Faustregel:
A
  • Immer wenn die Korrelation/Konkordanz zwischen zweieiigen Zwillingen weniger als halb so groß ausfällt als die der eineiigen, dann ist das ein Hinweis auf nichtadditive Genwirkung!
  • Dann ist die Korrelation/Konkordanz der eineiigen Zwillinge ein besserer Schätzer für die Erblichkeit!
    𝒉2 =. 𝟒𝟖 für Schizophrenie mit deutlichen Anteilen auf Grund nichtadditiver Genwirkung !!!