B. Paradigmen der Persönlichkeitspsychologie 1. Psychodynamisches Paradigma Flashcards
Das dynamische Modell
Die menschliche Psyche als dynamisches Energiesystem:
Dynamik zwischen Stärken und Schwächen (Kompensation vs. Dekompensation)
Alle psychischen Prozesse (Gedanken, Gefühle und Verhaltensimpulse) erfordern und
verbrauchen Energie, die von angeborenen Trieben bereitgestellt
Umwandlung von biologischer in psychische Energie → Triebspannung, die nach Entladung verlangt
Entladung von Triebspannung wird als lustvoll empfunden
Aufstauung der Triebspannung wird als unangenehm empfunden
Zwei elementare Triebe → Energien:
Eros: Sexualtrieb, Selbsterhaltungstrieb → Libido
Thanatos: Aggressionstrieb, Todestrieb → Destrudo
Das dynamische Modell
Allgemeinpsychologisch:
Alles menschliche Denken, Fühlen und Verhalten werden durch tierische Triebe (grundlegende Natur menschlicher Motivation) energetisiert
Das dynamische Modell
Differentiell psychologisch:
angeborene Triebstärke könne zwischen Menschen variieren und Triebbefriedigung kann sich in unterschiedlichen Verhaltensweisen mit unterschiedlicher Intensität und Häufigkeit äußern (z.B. Aggressivität), d.h. genetisch bedingte interindividuelle Unterschiedeinterindividuelle Unterschiede in psychischen Prozesseninterindividuelle Besonderheiten im Verhalten
Das Strukturmodell
3 psychische Instanzen zur Steuerung der Triebbefriedigung:
Es = der von Geburt an angelegte Sitz der Triebe, der nach unmittelbarer Triebbefriedigung verlangt (Lustprinzip). Im ersten Lebensjahr ist Mensch noch nicht zum Befriedigungsaufschub im Stande, muss erst erlernt werden.
Ich = entwickelt sich nach dem Es und handelt in Auseinandersetzung mit der Umwelt und den gemachten Erfahrungen, um „vernünftig“ Befriedigung zu erreichen (z.B. Befriedigungsaufschub oder -verlagerung), ohne in Konflikt mit sozialen Normen und Werten (Über-Ich) zu gelangen (Realitätsprinzip).
Über-Ich = der zuletzt entwickelte Sitz der internalisierten Gebote (Ideal-Ich) und Verbote (Gewissen), welche von Bezugspersonen und der Kultur vermittelt werden, Triebe bewerten und „nichtmoralisches“ Denken, Fühlen und Verhalten mit Schuldgefühlen bestrafen (Moralitätsprinzip).
Konflikte–>Ängste–>Abwehrmechanismen
Ist das Ich nicht in der Lage, den Anforderungen von Es, Über-Ich und Außenwelt gerecht zu erden, entstehen Konflikte, die Angst auslösen:
- Realangst entsteht durch Bedrohungen aus der Außenwelt, beispielsweise die Androhung von Strafe für den Fall, dass gegen eine Vorschrift verstoßen wird.
- Moralische Angst entsteht, wenn das Ich gegen Ansprüche des Über-Ich verstößt. In diesem Fall droht das Über-Ich mit „Gewissensbissen”.
- Neurotische Angst entsteht, wenn das Ich die triebhaften Ansprüche des Es nicht befriedigen kann und befürchten muss, die Kontrolle über das Es zu verlieren.
Zur Vorbeugung und Bewältigung von Ängsten setzt das Ich Abwehrmechanismen ein.
Verschiebung
Die Triebenergie wird vom ursprünglichen Triebobjekt auf ein anderes Objekt verlagert.
Beispiel: Die Wut auf den (mächtigen) Vater wird verlagert auf den kleinen Bruder, der sich weniger gut wehren kann
Sublimierung
Verbotene Formen der Triebbefriedigung werden durch zulässige oder sogar erwünschte
Handlungen ersetzt.
Beispiel: Aggressionen gegenüber anderen Menschen werden durch Schlagzeug Spielen sublimiert
Reaktionsbildung
Das verbotene Verhalten wird ins Gegenteil verkehrt.
Beispiel: Statt sich einer sexuell begehrten Person zu nähern, wird diese öffentlich herabge-
würdigt
Projektion
Der eigene Triebwunsch wird einer anderen Person unterstellt.
Beispiel: Die eigenen Aggressionen werden als Notwehr gegen Angriffe des anderen darge-stellt, der Vergewaltiger behauptet, verführt worden zu sein
Regression
Die Person zieht sich auf eine frühere Entwicklungsstufe der Triebbefriedigung zurück.
Beispiel: Statt das Wagnis verbotener sexueller Aktivitäten einzugehen, verschafft sich die Person Ersatzbefriedigung durch Essen, Trinken oder Rauchen
Rationalisierung
Verbotene Triebbefriedigung wird in akzeptables Verhalten umgedeutet.
Beispiel: Der Vater, der seine Kinder schlägt, rechtfertigt sich mit seinem Erziehungsauftrag
Verleugnung
Die Bedrohung wird bestritten.
Beispiel: Der notorische Brandstifter redet sich ein, dass nur die Dummen erwischt werden, nicht aber er
Verdrängung
Unerlaubte Handlungen, mit denen die Person ihren sexuellen und aggressiven Triebim-pulsen nachgegeben hat, werden ins Unbewusste (siehe unten) abgedrängt und sind daher dem Bewusstsein nicht mehr zugängtich, werden also nicht mehr erinnert und können deshalb keine Gewissensangst mehr verursachen
Das Strukturmodell
Drei Bewusstseinsebenen:
Bewusstsein: enthält alle gegenwärtigen Gedanken, Vorstellungen,
Erinnerungen und Bilder, auf die die Person willentlich zugreift.
Vorbewusstsein (10-20%): enthält alle bewusstseinsfähige Inhalte (v.a. Erinnerungen), die sich bei Bedarf sofort ins Bewusstsein rufen lassen.
Unterbewusstsein (80-90%): enthält alle Gefühle, Erinnerungen und Wünsche, die nicht willkürlich zugängig gemacht werden können aber über motivationale Kräfte verhaltenswirksam werden (z.B. Freudscher Versprecher).
Das Strukturmodell
Allgemeinpsychologisch:
Das Strukturmodell ist ein System zur Beschreibung psychischer Instanzen bei allen Menschen
Das Strukturmodell
Differentiell psychologisch:
Individuelle Unterschiede in der Ich-Stärke (Entwicklung des Selbstwertgefühls)
Kulturelle Unterschiede → Variation zwischen Kulturen hinsichtlich der Gebote und Verbote im Über-Ich → Variation in der Regulation der Triebbefriedigung → Variation hinsichtlich der Intensität von Konflikten/Ängsten und Abwehrmechanismen
Ausbildung der Vorlieben für bestimmte Abwehrmechanismen → Typen (z.B. „Represser“; „Verdränger“)
Das Entwicklungsmodell
Die Art der Triebbefriedigung ändere sich während der Kindheit mehrfach und durchlaufe eine feste Abfolge von Phasen.
Freud formulierte diese Annahmen nur für den Sexualtrieb detailliert aus.
Jede psychosexuelle Entwicklungsphase ist durch eine erogene Zone des
Körpers definiert in der libidinöse Triebspannung erzeugt und abgebaut wird:
Orale Phase: 0-1
Anale Phase: 1-3
Phallische oder Ödipale Phase: 3-5
Latenzphase: 5-Pubertät
Genitale Phase: Pubertät bis Erwachsenenalter
Orale Phase
Erogene Zone: Mund, Lippen und Zunge
Bedürfnis: Auf- und Einnehmen
Triebbefriedigung: Saugen (auch ohne Nahrungsaufnahme)
Entwicklungsaufgabe: Aufbau sozialen Vertrauens
Anale Phase
Erogene Zone: Anus
Bedürfnis: Ausscheidung
Triebbefriedigung: kontrollierter Stuhlgang
Entwicklungsaufgabe: Aufbau der Selbstkontrolle → Entwicklung des Ich und der Ich-Stärke (des Selbstvertrauens und des Selbstwertgefühls)
Phallische Phase
Erogene Zone: Genitalien
Bedürfnis:
Jungen rivalisieren mit Vater um Mutter → Angst vor dem Vater
Mädchen rivalisieren mit Mutter um Vater → Angst vor der Mutter
Triebbefriedigung: Bindung an das gegengeschlechtliche Elternteil
Entwicklungsaufgabe: Identifikation mit dem gleichgeschlechtlichen
Elternteil
→ Übernahme der Geschlechterrolle, Werte und Normen von den Eltern
→ Entwicklung des Über-Ich
Latenzphase
Sexualtrieb „schlummert“ und die geistige Entwicklung tritt in den Vordergrund, Identifikation mit Peers wird wichtiger
Genitale Phase
Erogene Zone: Genitalien
Bedürfnis: Intimität, Sex
Triebbefriedigung: Sexualität
Entwicklungsaufgabe: Partnerschaft
Charaktertypen
Störungen der Psychosexuellen Entwicklung
dauerhaft zu viel oder zu wenig Triebbefriedigung während einer bestimmten psychosexuellen Entwicklungsstufe
→ Fixierung: Steckenbleiben auf einer Entwicklungsstufe
Fixierungen äußert sich in bestimmten Charaktereigenschaften
Störung der Bedürfnisbefriedigung während der oralen Phase
→ oraler Charakter: starkes Bedürfnis nach Ein- und Aufnahme
zeigt Vorliebe für oral vermittelte Genüsse (Essen, Trinken, Rauchen, Lutschen)
hat höheres Suchtpotential für Drogen
ist sensationslustig, neu- und wissbegierig
Zu viel Bedürfnisbefriedigung während der oralen Phase
→ oral rezeptiver Charakter:
abhängig, vertrauensselig, leichtgläubig, submissiv
Zu wenig Bedürfnisbefriedigung während der oralen Phase
→ oral aggressiver Charakter:
ausbeuterisch, missgünstig, dominant
strebt nach materiellen Gewinn
Störung der Bedürfnisbefriedigung während der analen Phase, z.B. zu frühe und zu strenge Sauberkeitserziehung:
→ anal retentiver Charakter: starkes Bedürfnis nach Kontrolle
ist sehr kontrolliert, stur, diszipliniert und geizig
bevorzugt Ordnung, Regeln und Struktur
zeigt zwanghafte Verhaltensweisen
z.B. zu späte und zu laxe Sauberkeitserziehung:
→ anal explosiver Charakter: Bedürfnis nach Selbstbestimmung
zeigt geringe Selbstkontrolle und ist verschwenderisch
ist unordentlich, undiszipliniert und impulsiv
verwehrt sich Regeln und rebelliert gegen Autoritäten