B. Paradigmen der Persönlichkeitspsychologie 4. Konstruktivistisches/Kognitives Paradigma Flashcards
Der konstruktivistische Ansatz von George Kelly
Grundidee
Ausgangspunkt: Bewusste Gedanken (mentale Repräsentationen) über uns selbst, andere Menschen und Situationen beeinflussen, wie wir wahrnehmen, empfinden, entscheiden und uns verhalten. Die Art wie wir die Welt sehen, macht uns zu dem Menschen, der wir sind
▪ Erklärung der Kontinuität interindividueller Unterschiede über die Zeit durch individuelle stabile Sichtweisen
▪ Um Verhalten und Erleben eines Individuums zu verstehen muss sein individuelles Verständnis der Welt untersucht werden (idiografischer Ansatz)
▪ Zwar spielen Umweltfaktoren und frühere Erfahrungen eine wichtige Rolle, doch stehen bewusste Kognitionen im Vordergrund, die das Potenzial zur Kreativität und „Freiheit“ der Veränderung im Verhalten haben
Der konstruktivistische Ansatz von George Kelly
Das Phänomenologische Menschenbild
▪ Fundamentales Postulat des Konstruktivismus: „Das Erleben und Verhalten einer Person wird psychologisch durch die Art und Weise, wie sie Ereignisse antizipiert, kanalisiert.“
▪ Menschen = „Wissenschaftler:innen“
besitzen die Fähigkeit über sich/die Welt nachzudenken,
machen Vorhersagen und überprüfen diese
streben nach Bestätigung (Konsistenz) und Ausdehnung der persönlichen Konstrukte (Sichtweisen, Überzeugungen)
▪ Denken, Fühlen und Handeln sind an diesen abstrakten „kognitiven“ Abbildungen (Konstruktsystem) ausgerichtet
▪ Persönliches Konstruktsystem = Persönlichkeit, da es Wahrnehmung, Denken, Fühlen und Handeln bestimmt
Der konstruktivistische Ansatz von George Kelly
Theorie persönlicher Konstrukte
Was sind persönliche Konstrukte?
▪ sind subjektive Abbildungen (Ideen, Gefühle, Wissen) der physikalischen, sozialen, aber auch der inneren Welt, um die Welt zu klassifizieren und zu interpretieren (z.B. „Auto“, „Selbst“, „Ich“)
▪ bestehen aus mindestens drei Elementen: Zwei ähnliche Elemente (Ähnlichkeitsrelation: a ≈ b), die sich von einem dritten unterscheiden (Kontrastrelation: b ≠ c)
▪ Beispielkonstrukt: „Extraversion-Introversion“
Der konstruktivistische Ansatz von George Kelly
Theorie persönlicher Konstrukte
Welche Funktionen haben persönliche Konstrukte?
▪ Reduktion der Vielfalt der inneren und äußeren Welt auf ein kognitiv zu verarbeitendes Maß → die Welt durch Schablonen sehen
▪ Sicherheit und Kontrolle in der persönlichen Umwelt als Grundlage zur Antizipation erreichen → Mensch als Wissenschaftler:in
Theorie persönlicher Konstrukte
…beschreiben, wie?
…beschreiben, wie kognitive Prozesse uns die Erstellung, Nutzung und Veränderung persönlicher Konstrukte ermöglichen.
Der konstruktivistische Ansatz von George Kelly
Theorie persönlicher Konstrukte
Konstruktionskorollarium
Kelly: „Wir konstruieren eine Bedeutung um die Ereignisse und benutzen diese anschließend, um die Situation zu verstehen und mit ihr umzugehen.“
▪ aus einer Anzahl bereits gewonnener Erfahrungen über sich wiederholende (bzw. ähnliche) Ereignisse resultieren kognitive Abbildungen (individuelle Konstruktion)
▪ diese persönlichen Konstrukte helfen durch den Betrag von Ähnlichkeit zu einem Ereignis bei der Vorhersage dieses Ereignisses
Der konstruktivistische Ansatz von George Kelly
Theorie persönlicher Konstrukte
Individualitätskorollarium
Kelly: „Alle Menschen interpretieren Ereignisse und Situationen auf ganz individuelle Art und Weise.“
▪ aufgrund unterschiedlicher Erfahrungen, Perspektiven, Wege der Konstruktion
→ individuelle ganz persönliche Konstruktsysteme
→ interinterindividuelle Unterschiede in der Wahrnehmung und Antizipation von Ereignissen
Der konstruktivistische Ansatz von George Kelly
Theorie persönlicher Konstrukte
Organisationskorollarium
Kelly: „Jedes individuelle Konstruktsystem ist hierarchisch organisiert. Es gibt über- und untergeordnete Konstrukte, sowie zentrale (wichtigere) und periphere (weniger wichtigere) Konstrukte.“
Der konstruktivistische Ansatz von George Kelly
Theorie persönlicher Konstrukte
Dichotomiekorollarium
Kelly: „Das Konstruktsystem einer Person besteht aus einer endlichen Anzahl bipolarer Konstrukte.“
Der konstruktivistische Ansatz von George Kelly
Theorie persönlicher Konstrukte
Bereichskorollarium
Kelly: „Ein Konstrukt ist nur für die Antizipation eines endlichen Bereichs von Ereignissen brauchbar.“
▪ Konstrukte unterscheiden sich in der Reichweite der Anwendbarkeit (allgemein vs. spezifisch) = Bandbreite
▪ die Bandbreite hängt auch von der Hierarchieebene ab (3. Hilfssatz)
▪ jedes Konstrukt habe einen Schwerpunkt (Brennpunkt) für ähnliche und
gegensätzliche Ereignisse
Der konstruktivistische Ansatz von George Kelly
Theorie persönlicher Konstrukte
Wahlkorollarium
Kelly: „Menschen wählen frei diejenige Alternative eines dichotomen Konzepts, von der sie annehmen, dass sie die größte Wahrscheinlichkeit dafür aufweist, das individuelle Konstruktsystem zu bestätigen, zu konkretisieren oder auszuweiten.“
▪ eine Person betrachtet zunächst alle verfügbaren Handlungsalternativen (Circumspection)
▪ wählt schließlich diejenige aus, die ihr als angemessen erscheint (Preemtion) ▪ überprüft die Richtigkeit der Auswahl (Control)
→ selbstregulierte Stabilität und Veränderung in unserer Persönlichkeit
Der konstruktivistische Ansatz von George Kelly
Theorie persönlicher Konstrukte
Erfahrungskorollarium
Kelly: „Menschen können ihr Konstruktsystem vor dem Hintergrund neuer Erfahrungen prüfen, gegebenenfalls adaptieren oder gar ganz verändern.“
▪ aufgrund eines kontinuierlichen Validierungsprozesses (Control) des persönlichen Konstruktsystems, kommt es
bei Validierung zu einer Verfestigung (d.h. zunehmend schwerer modifizierbar),
bei neuen passenden Erfahrungen zu einer Konkretisierung und Ausweitung
bei Invalidierung aufgrund inkonkruenter Erfahrungen zu einer Veränderung (Umlernvorgang)
des Konstruktsystems, die das System genauer und klarer macht. → Veränderung in unserer Persönlichkeit aufgrund neuer Erfahrungen
Der konstruktivistische Ansatz von George Kelly
Theorie persönlicher Konstrukte
Modulationskorollarium
Kelly: „Die Veränderbarkeit eines Konstruktes hängt von seiner Durchlässigkeit ab. Durchlässigen Konstrukten können neue Elemente hinzugefügt werden, während weniger durchlässige Konstrukte nur schwer verändert werden können.“
▪ die Veränderung eines Konstruktsystems ist nur möglich, wenn das veränderte Konstrukt in das Konstruktsystem integriert werden kann
▪ Unterscheidung zwischen peripheren (leicht veränderbar) und Kernkonstrukten (schwer modifizierbar)
Der konstruktivistische Ansatz von George Kelly
Theorie persönlicher Konstrukte
Fragmentierungskorollarium
Kelly: „Im Verlauf der Ausdifferenzierung eines Konstruktsystems können Konstruktsubsysteme entstehen, die unvereinbar miteinander sind.“
▪ Widersprüche innerhalb eines Konstruktsystems sind durch die Genauigkeit der herrschenden Konstrukte und der Bedeutung, welche die Konstrukte für die Person haben, zu einem gewissen Grad tolerierbar
→ typische beobachtbare Inkonsistenzen im Verhalten
▪ Konflikte zwischen Konstrukten oder zwischen Erfahrungen, die nicht zu Kernkonstrukten passen, sowie Festhalten an invaliden Konstrukten
→ Spannungen und Bedrohungsgefühle
→ internalisierte (z. B. Depression) und externalisierte (z. B. Sucht) psych. Störungen
Der konstruktivistische Ansatz von George Kelly
Theorie persönlicher Konstrukte
Ähnlichkeitskorollarium
Kelly: „Menschen, die ein ähnliches Konstruktsystem haben, sind einander auch psychologisch ähnlich.“
▪ Konvergenz im Antizipieren bildet die Grundlage für ähnliche Handlungen ▪ nicht zwangsläufig erforderlich, aber hilfreich für soziale Interaktionen