D. Beschreibung von individuellen Differenzen 1. Temperaments- und Persönlichkeitseigenschaften Flashcards
Temperament
„Temperament“ (lat. „Mischung“) ist nicht einheitlich definiert
* bezieht sich häufig auf interindividuelle Unterschiede
…im Verhaltensstil und in der Emotionsregulation (z.B. Impulsivität)
…in erblichen, früh in der Entwicklung auftretenden und relativ stabilen Kernaspekten der Persönlichkeit (z.B. Schüchternheit, Ängstlichkeit)
…in biologisch bedingten Merkmalen der emotions- und verhaltensbezogenen Aktivität und Reaktivität sowie in der autonomen Regulation psychophysiologischer Systeme (z.B. Lebhaftigkeit, Affektregulation, Sensorische Sensitivität)
Temperament
1.1. Historische Wurzeln
Die Lehre der vier Körpersäfte von Hippokrates (460-370 v. Chr.)
- Konstitution und die Gesundheit des Körpers hänge von der Mischung (lat. temperamentum) der 4 Körpersäfte (Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle) ab
Temperament
1.1. Historische Wurzeln
4 Temperamentstypen nach Galen (129-216):
Je nach Dominanz einer der Säfte vier Temperamentstypen
Immanuel Kant (1724-1804) hat die Typen detailliert beschrieben
- Sanguiniker
- Choleriker
- Melancholiker
- Phlegmatiker
Temperament
1.1. Historische Wurzeln
Hans Eysenck (1916-1997):
Integration des typologischen Temperamentsmodells in ein Modell mit zwei dimensionale Grundfaktoren der Persönlichkeit:
→Neurotizismus vs. Emotionale Stabilität
→Extraversion vs. Introversion
- Temperament
1.1. Historische Wurzeln
Mary K. Rothbart: „Die 3 A der Persönlichkeit“
- definiert Temperament als konstitutionell verankerte individuelle Unterschiede in der organismischen Reaktivität und Verhaltensregulation, was sich in Affektivität, Aktivität und Aufmerksamkeit/Achtsamkeit niederschlägt:
- Positive Affektivität und (soziale) Aktivität (z.B. positive Gestimmtheit und Geselligkeit) → Extraversion
- Negative Affektivität und (emotionale) Reaktivität (z.B. Ängstlichkeit, Bekümmertheit und Reizbarkeit) → Neurotizismus
- Aufmerksamkeit/Achtsamkeit und Sensorische Sensitivität → Kontrolliertheit (Effortful Control)
- Temperament
1.2. Extraversion und (soziale) Aktivität
Personen mit hohen Werten (Extravertierte):
* beschreiben sich als gesellig, selbstsicher, gesprächig und heiter
* sind aktiv, energisch, durchsetzungsfähig und tatkräftig
* mögen die Gesellschaft von Menschen, sie fühlen sich in Gruppen und auf gesellschaftlichen Versammlungen besonders wohl
* sie lieben Aufregungen, sind eher waghalsig
Personen mit niedrigen Werten (Introvertierte):
* sind zurückhaltend, distanziert bis abweisend, konzentriert, vorsichtig, gerne allein und gesellschaftlich unabhängig
* bekommen ihre Energie von innen, mit gleichbleibendem Arbeitsstil
* denken ausgiebig nach bevor sie handeln und sind reich an Ideen
* bevorzugen Arbeit in kleinen Gruppen gegenüber der in großen Gruppen
- Temperament
1.3. Neurotizismus und affektive Reaktivität
Personen mit hohen Werten (emotional Labile):
* sind leicht aus dem seelischen Gleichgewicht zu bringen
* berichten häufiger, negative Gefühlszustände zu erleben, oder von
diesen geradezu überwältigt zu werden
* berichten über viele Sorgen und geben häufig an, erschüttert, nervös, beschämt, unsicher, verlegen, ängstlich oder traurig zu reagieren
Personen mit niedrigen Werten (emotionale Stabile):
* sind emotional gefestigt und lassen sich kaum aus der Ruhe bringen
* beschreiben sich selbst als sehr ruhig, ausgeglichen, sorgenfrei und
geraten auch in Stresssituationen nicht zu leicht aus der Fassung
- Temperament
1.4. Kontrolliertheit und Achtsamkeit
Personen mit hohen Werten:
* Können Impulse und spontane Verhaltenstendenzen gut regulieren (d.h. aufschieben oder verändern)
* reagieren besonnen und situationsangemessen
* zeigen hohe Selbstdisziplin und sorgsames und kompetentes
Verhalten im Umgang mit sich selbst und anderen
* sind planvoll und handeln organisiert
Personen mit niedrigen Werten:
* reagieren impulsiv und situationsunangemessen
* sind chaotisch, willensschwach und undiszipliniert * handeln eher unüberlegt und planlos
Persönlichkeitseigenschaften
2.1. Vom Temperament zu Persönlichkeitseigenschaften
Abgrenzungsversuche zwischen Temperament und Persönlichkeit:
- Raymond Cattell (1905-1998): T ist ein Teilaspekt von P, der sich auf relativ autonom ablaufende stilistische und regulatorische Verhaltensaspekte und emotionale Reaktionsweisen bezieht
- T ist das Ergebnis biologischer Evolution, P ist das Resultat komplexer Interaktion zwischen T und soziokultureller Erfahrungen in der Persönlichkeitsentwicklung
- T ist die P des Kindes, das stabile und genetische Rohmaterial von P, das sich durch Lern- und Umwelterfahrungen in komplexere Persönlichkeitsmerkmale eines Erwachsenen entwickelt
Persönlichkeitseigenschaften
2.2. Von (sozialer) Aktivität zu Extraversion
Alter in Monaten
0: Frühe Unterschiede in der Bewegungsaktivität während und nach der Schwangerschaft
6: Erstes Annäherungsverhalten (Freude, Lachen und Körperbewegung)
12: Physische Annäherung (zielgerichtete Bewegung)
Soziale Gehemmtheit („Fremdeln“
Persönlichkeitseigenschaften
2.2. Von (sozialer) Aktivität zu Extraversion
Extraversion bezieht sich in erster Linie auf eine häufigere und länger andauernde…
- positive Stimmungslage (positive Affektivität)
- interpersonelle Aktivität (Soziabilität)
Introversion muss nicht als Gegensatz zu Extraversion, sondern eher als Fehlen von Extraversion aufgefasst werden
Wichtige „Life Outcome“ Korrelate: Extraversion korreliert positiv mit der Größe sozialer Netzwerke, sowie gesellschaftlichem und beruflichem Erfolg!
Persönlichkeitseigenschaften
2.3. Von Affektiver Reaktivität zu Emotionaler Stabilität
Alter in Monaten
0: Stressreaktion und Vermeidungsbewegung (Ekel)
6: Ausdruck von Ärger und Frustration (negative Emotionalität)
12: Angstreaktionen und Furcht im Dunkeln/vor Fremden
Persönlichkeitseigenschaften
2.3. Von Affektiver Reaktivität zu Emotionaler Stabilität
Neurotizismus bezieht sich in erster Linie auf die Häufigkeit und Intensität…
- des Erlebens negativer Emotionen (Negative Affektivität)
- der Empfindlichkeit gegenüber negativen Stimuli (Affektive
Reaktivität)
Introversion und Neurotizismus korrelieren positiv → soziale
Ängstlichkeit/Schüchternheit
Wichtige „Life Outcome“ Korrelate: Neurotizismus korreliert positiv mit allgemeiner Unzufriedenheit, Überforderungsgefühlen und einer Vielzahl psychischer Probleme und Störungen!
Persönlichkeitseigenschaften
2.4. Von Kontrolliertheit zu Gewissenhaftigkeit und Verträglichkeit
Alter in Monaten
10: „Fremd“-Wahrnehmung
(„Fremdeln“) „Ich“-Wahrnehmung
30: Komplexere und selbstgesteuerte Verhaltenskontrolle („Effortful Control“) und Perspektivenübernahme (Einfühlungsvermögen)
Persönlichkeitseigenschaften
2.4. Von Kontrolliertheit zu Gewissenhaftigkeit und Verträglichkeit
Kontrolliertheit bezieht sich in erster Linie auf die Häufigkeit und Intensität der Achtsamkeit im Umgang…
- mit sich selbst, seinen Schuldgefühlen, individuellen Zielen (Gewissenhaftigkeit)
- mit anderen Menschen, seinen aggressiven Impulsen und sozialen Zielen (Verträglichkeit)
Kontrolliertheit und Psychotizismus korrelieren negativ (→ vgl. Eysenck‘s Eigenschaftstheoretischer Ansatz)
Kontrolliertheit korreliert positiv mit gesellschaftlicher Funktionalität, dabei ist Gewissenhaftigkeit ein guter Prädiktor des Berufserfolgs und Verträglichkeit der beste Prädiktor für Teamfähigkeit!