B. Paradigmen der Persönlichkeitspsychologie 7. Transaktionales/Interaktionistisches Paradigma Flashcards
- Grundlagen der interaktionistischen Persönlichkeitspsychologie
1.1. Person-Situation-Debatte
Metaanalyse (Richard et al., 2003):
▪ Persönlichkeitseffekt, d.h. Generalisierbarkeit von
Persönlichkeitsunterschieden über Situation: r = .19
▪ Situationseffekt, d.h. Generalisierbarkeit von Situationsunterschieden über Personen: r = .22
- Grundlagen der interaktionistischen Persönlichkeitspsychologie
1.2. Person-Situation-Interaktion (statistische Wechselwirkung)
▪ Bsp.: Interaktion zwischen der Bedrohlichkeit der Situation und
Ängstlichkeit von Personen
- Sensitivität einer Variable abhängig vom Effekt einer anderen Variable
- Grundlagen der interaktionistischen Persönlichkeitspsychologie
▪ Bsp.: Modell einer dynamisch wechselseitigen Beeinflussung im
Prozess
- mehr Differenzierung
- Walter Mischels interaktionistisch-systemischer Ansatz
Mischels Kritik an der Persönlichkeitsforschung
▪ Veröffentlichte 1968 das Buch Personality and Assessment, das eine andauernde Person-Situation-Debatte innerhalb der Persönlichkeitspsychologie auslöste:
▪ hinterfragte die zeitliche Stabilität sowie die Situationskonsistenz von Persönlichkeitsmerkmalen/-maßen
▪ hinterfragte den Nutzen von Persönlichkeitsmerkmalen/-maßen, Verhalten in konkreten Situationen vorherzusagen: Korrelationen seien eher gering (r < .30)
- Walter Mischels interaktionistisch-systemischer Ansatz
Quellen der Verhaltenskonsistenz
Starker Einfluss der Situation:
Newcombe (1929): Untersuchung von 51 Jungen im Sommerlager hinsichtlich Extraversion-Introversion und ihres Sozialverhaltens
▪ Über 3 Wochen, tägliche Verhaltensregistrierung (mit anderen interagieren vs. allein sein) über 21 Situationen (z.B. beim Essen, beim Spielen)
▪ Korrelation betrug im Mittel r = 0.14 über alle Situationen hinweg
vs.
Starker Einfluss der Persönlichkeit:
Epstein (1979): Untersuchung von Studierenden hinsichtlich Extraversion-Introversion und der Anzahl von Sozialkontakten über verschiedene Situationen aggregiert
▪ Sozialkontakte über 2 Wochen in täglich aktualisierten Tagebüchern festgehalten ▪ Korrelation betrug r = 0.52
- Walter Mischels interaktionistisch-systemischer Ansatz
Quellen der Verhaltenskonsistenz
Mischel (1973) unterscheidet zwischen starken und schwachen Situationen:
▪ Starke Situationen sind solche, in denen Menschen aufgrund von Normen und Regeln sehr ähnliches Verhalten zeigen (z.B. Stehenbleiben an der roten Ampel)
→ Persönlichkeitsunterschiede spielen kaum eine Rolle
▪ Schwache Situationen sind solche, die viel Handlungsspielraum erlauben (z.B. Vorlieben in der Freizeit)
→ Ausdruck von Persönlichkeitsunterschieden
Sozialverhalten von Schüler:innen im Sommerlager (Newcombe, 1929) ist mehr normativem Druck ausgesetzt als Sozialverhalten von Studierenden (Epstein, 1979) in ihrer Freizeit
- Walter Mischels interaktionistisch-systemischer Ansatz
Quellen der Verhaltenskonsistenz
Mischel und Kollegen versuchten die Studie von Newcombe zu replizieren:
Beobachtung von Kindern mit Verhaltensproblemen in einem Sommerlager hinsichtlich ihres aggressiven Verhaltens über mehrere Wochen
▪ Relativ stabile Unterschiede in Durchschnittswerten über Situationen hinweg bzgl. Aggressivität zwischen den Kindern
▪ ABER: Aggressives Verhalten in einer Situation ist kein guter Prädiktor für aggressives Verhalten in einer anderen Situation
Walter Mischels interaktionistisch-systemischer Ansatz
Quellen der Verhaltenskonsistenz
2 Typen der Verhaltenskonsistenz:
- Typ-1-Konsistenz = stabile Unterschiede zwischen Individuen auf der Ebene von Personenvariablen (durchschnittliche Werte von Individuen)
- Typ-2-Konsistenz = stabile Unterschiede zwischen Individuen aufgrund der Beziehung zwischen Personen und Situationen (Wenn-Dann- Verhaltensschemata)
Walter Mischels interaktionistisch-systemischer Ansatz
Quellen der Verhaltenskonsistenz
Person x Situation-Interaktion = Wenn-Dann-Schemata:
der Einfluss von Persönlichkeitsfaktoren auf Verhalten kann systematisch über Situationen variieren und umgekehrt der Einfluss von Situationsfaktoren auf Verhalten bei unterschiedlichen Personen kann unterschiedlich stark ausfallen
Walter Mischels interaktionistisch-systemischer Ansatz
Das kognitiv-affektive Persönlichkeitssystem (CAPS)
Mischel & Shoda (1995): Modell des kognitiv-affektiven Verarbeitungssystems (cognitive-affective processing system) integriert verschiedene mentale Repräsentationen (cognitive-affective units):
▪ der eigenen Person,
▪ anderer Menschen,
▪ von Situationen,
▪ von Erwartungen und Überzeugungen,
▪ überdauernder Ziele und Werte,
▪ emotionaler Zustände,
▪ von Erfahrungen in Bezug auf den Umgang mit früheren Ereignissen und
anderen Menschen
Walter Mischels interaktionistisch-systemischer Ansatz
Das kognitiv-affektive Persönlichkeitssystem (CAPS)
Annahme 1 und 2
▪ Annahme 1: Die habituelle Verfügbarkeit der CAUs und die Struktur der wechselseitigen Beziehungen sind bei jedem Menschen einzigartig → Typ-1-Konsistenz in individuell charakteristischen Erleben und Verhalten
▪ Annahme 2: Unterschiedliche CAUs werden in unterschiedlichen Situationen unterschiedlich stark aktiviert → Typ-2-Konsistenzen in intraindividuellen Wenn-Dann-Verhaltensschemata
Walter Mischels interaktionistisch-systemischer Ansatz
Personenvariablen
Enkodierungsstrategien und persönliche Konstrukte (→ Kelly)
▪ Wahrnehmungsgewohnheiten (kognitive Schablonen), die helfen, eine
individuelle Ordnung in die Vielzahl möglicher Sinneseindrücke zu bringen
▪ individuelle Konstruktion und Interpretation von Ereignissen bzw. Situationen, anderen Personen und sich selbst
Walter Mischels interaktionistisch-systemischer Ansatz
Personenvariablen
Erwartungen und Überzeugungen
▪ Erwartungen und Bewertungen bzgl. der Konsequenz eigenen Verhaltens in bestimmten Situationen
▪ Generalisierte Erwartungen/Überzeugungen:
Internale vs. Externale Kontrollüberzeugungen (→ Rotter) Selbstwirksamkeitsüberzeugung (→ Bandura)
Walter Mischels interaktionistisch-systemischer Ansatz
CAPS
2.4.1. Personenvariablen
Ziele und Werte
▪ Ziele sind wesentlich für die Selbstregulation und beziehen sich auf das Erreichen erwünschter oder das Vermeiden unerwünschter Ereignisse in der Zukunft
▪ Werte beinhalten abstrakte Einstellungen (Standards, Prinzipien, Überzeugungen), welche Verhalten Sinn und Richtung verleihen
Walter Mischels interaktionistisch-systemischer Ansatz
CAPS
2.4.1. Personenvariablen
Affekte und Emotionalität
Affekte und Emotionalität
▪ Individuelle affektive Reaktionsintensität einschließlich physiologischer Reaktionen
bestimmen Auswahl und Interpretation einer Situation
nehmen Einfluss auf das Verhalten in einer Situation
werden durch Erfahrungen in Situationen aufrecht erhalten oder verändert
▪ Bsp. Aufregung in einer nichtvertrauten Situation
Walter Mischels interaktionistisch-systemischer Ansatz
CAPS
2.4.1. Personenvariablen
Kompetenzen, Erfahrungen und Verhaltensskripte (→ Lerntheorien)
▪ durch Erfahrungen lernen Personen Fertigkeiten und entwickeln Wissen
darüber, über welches Verhaltensrepertoire sie in Situationen verfügen
▪ Selbstregulatorische Pläne und Strategien zur Verhaltenssteuerung, z.B. Belohnungsaufschub
Emotionsregulation
▪ Es hängt vom Kompetenzprofil einer Person ab, wie konsistent sie sich über verschiedene Situationen verhält/verhalten kann (z.B. erste Hilfe)
Walter Mischels interaktionistisch-systemischer Ansatz
CAPS
2.4.1. Personenvariablen
Starke eindeutige Situationen
= ?
Schwache mehrdeutige Situationen = ?
Starke eindeutige Situationen
= Situationen, die wenig Handlungsspielraum gewähren und eindeutig durch die Person interpretiert werden kann (z.B. rote Ampel)
vs.
Schwache mehrdeutige Situationen
= Situationen, die viel Handlungsspielraum gewähren und eindeutig durch die Person interpretiert werden kann (z.B. Flirt)
Passive vs. Evokative Situationen Soziale vs. Isolierte Situationen
CAPS
2.4.3. Wenn-Dann-Verhaltensschemata
…sind Ergebnis eines Lernprozesses aus dem Zusammenwirken von Personenvariablen in bestimmten Situationen in Abhängigkeit der Stärke dieser Situationen (Person × Situation-Interaktionen): z.B. Gewohnheiten und Verhaltensmuster in bestimmten sozialen Rollen
▪ Person lernt, dass mit bestimmten Verhaltensweisen in bestimmten Situationen bestimmte Ziele erreicht werden können
▪ Sie sind intraindividuell stabil und können situationsabhängig stabile interindividuelle Unterschiede erklären
- Sandra Scarrs Theorien zu Anlage-Umwelt- Wechselwirkungen
Grundannahmen
▪ Die Evolutionstheorie basiert auf zwei simplen Konzepten:
Genetische Variation
Natürliche Selektion
▪ Die Evolutionstheorie kann sowohl speziestypische Entwicklung als auch Entwicklung interindividueller Unterschiede erklären.
▪ Innerhalb erfahrener Umwelten, die speziestypische Entwicklung erlauben, kommen genetische Unterschiede stark zum Ausdruck.
▪ Entwicklung ist genetisch vorprogrammierte Veränderung über die Lebensspannen, deren Ausdruck beeinflusst ist durch die Umwelt.
▪ Kulturen geben Rahmen von Möglichkeiten der Entwicklung vor, sie definieren die Grenzen des Erwünschten und Unerwünschten.
▪ Für eine gesunde Entwicklung muss die Umwelt Möglichkeiten der Entfaltung genetischer Anlagen erlauben.
Bei freiem und gleichem Zugang zu kulturellem Wissen und vielfältigen Erfahrungsmöglichkeiten→genetische Variation determiniert Varianz
Bei begrenztem bzw. ungleichem Zugang zu kulturellem Wissen und essentiellen Erfahrungsmöglichkeiten→Umwelt determiniert Varianz
▪ Die Umwelt entfaltet ihre Wirkung nichtlinear.
- Sandra Scarrs Theorien zu Anlage-Umwelt- Wechselwirkungen
Grundannahmen
▪ Konstruktivismus (vgl. kognitionstheoretisches Paradigma)
▪ Umwelten sind Möglichkeiten der subjektiven Erfahrung, wie sie von Individuen in individuell einzigartiger Weise konstruiert werden.
▪ Diese individuellen subjektiven Konstruktionen werden wiederum eingegrenzt durch die genetische Anlage, Bsp.:
Emotional labile Menschen sehen die Welt in einem negativeren Licht Kreativere Menschen sehen Kombinationsmöglichkeiten bei scheinbar
nicht kombinierbaren Elementen
- Sandra Scarrs Theorien zu Anlage-Umwelt- Wechselwirkungen
Grundannahmen
▪ Selbstdeterminismus (vgl. humanistisches Paradigma)
▪ Innerhalb eines Mindestmaßes an Entfaltungsmöglichkeiten in Umwelten, die auch Grenzen setzen für ein soziales Miteinander, sind individuell angelegte Charakteristiken korreliert mit Erfahrungen
Extravertierte haben einen größeren Freundeskreis Kriminelles Verhalten wird bestraft
Intelligentere Eltern fördern ihre Kinder mehr
Sandra Scarrs Theorien zu Anlage-Umwelt- Wechselwirkungen
Grundannahmen
Der initiale Impetus der Entfaltung steckt in?
▪ Der initiale Impetus der Entfaltung steckt in den Genen (vgl. biopsychologisches Paradigma)
Sandra Scarrs Theorien zu Anlage-Umwelt- Wechselwirkungen
Anlage-Umwelt-Korrelation und -Transaktion
▪ Menschen suchen oder schaffen Umwelten, sie vermeiden unpassende Umwelten und rufen soziale Reaktionen hervor, die zu ihren Anlagen passen→bestimmte Menschen mit bestimmten Anlagen finden sich in bestimmten Umwelten häufiger (Anlage- Umwelt Korrelation)
▪ Diese Umwelten wiederrum wirken sich in ganz bestimmter Weise auf die Entwicklung aus (Anlage-Umwelt-Transaktion)→Varianz
Anlage-Umwelt-Interaktion
▪ Die Umwelt erlaubt Möglichkeiten und setzt Grenzen zur individuellen Entfaltung und speziestypischer Entwicklung.
→?
▪ Unterschiedliche Menschen sind unterschiedlich (genetisch) sensitiv
gegenüber den gleichen Umwelten.
→?
Anlage-Umwelt-Interaktion
▪ Die Umwelt erlaubt Möglichkeiten und setzt Grenzen zur individuellen Entfaltung und speziestypischer Entwicklung.
→Umwelt beeinflusst die Wirkung der Anlage.
▪ Unterschiedliche Menschen sind unterschiedlich (genetisch) sensitiv
gegenüber den gleichen Umwelten.
→Anlage beeinflusst die Wirkung der Umwelt.