B. Paradigmen der Persönlichkeitspsychologie 6. Biopsychologisches/Neurologisches Paradigma Flashcards
Grundlagen der biologischen Persönlichkeitspsychologie
Grundannahmen
Persönlichkeitsunterschiede können auf biologische (v.a. neuronale) Unterschiede zurückgeführt werden
Der Fokus liegt hier oft auf spezifischen Eigenschaftenkonzepten wie den Big Five oder ähnlichen Konstrukten zur Beschreibung von Unterschieden bei allen Menschen und artverwandten Spezies, z.B.
Emotionalität / Affektive Reaktivität (Neurotizismus / Ängstlichkeit)
Soziabilität
Aktivität
Sensation Seeking
Aggressivität
Unterschiede in diesen Merkmalen werden mit Unterschieden in Strukturen und Funktionen von biologischen (genetischen, anatomischen, hormonellen, immunologischen und neuronalen) Systemen gebracht
Grundlagen der biologischen Persönlichkeitspsychologie
Methodik
Generell können zwei Vorgehensweisen unterschieden werden:
Top-down: Suche nach biologischen Faktoren von bekannten
Persönlichkeitseigenschaften (z. B. Neurotizismus)
Bottom-up: Suche nach individuellen Besonderheiten, die durch
bekannte biologische Unterschiede erklärt werden können
In beiden Fällen müssen sowohl biologische Faktoren, als auch Persönlichkeitsmerkmale messbar gemacht werden
Biologie (z. B. DNA-Marker, EEG, fMRT, Hormonkonzentration, etc.)
Eigenschaften (z. B. Selbstberichte, Fremdberichte und Leistungstests)
Grundlagen der biologischen Persönlichkeitspsychologie
Methodik
Methodische Zugänge in biologischer Persönlichkeitsforschung
Korrelativ
Zusammenhang zwischen einem biologischem Merkmal und einem Persönlichkeits-Trait
Beispiel: Oxytocin und Verliebtheit
Probleme:
Unterschiedliche
Abstraktionsniveaus
Vernachlässigung der Komplexität biologischer Systeme
Grundlagen der biologischen Persönlichkeitspsychologie
Methodik
Methodische Zugänge in biologischer Persönlichkeitsforschung
Multivariat
Zusammenhang zwischen vielen biologischen Merkmalen und einem Trait
Beispiel: SNP-basierte Erblichkeit von IQ
Probleme:
Unspezifische Zusammenhänge
Biologische Merkmale hängen meist kaum zusammen
Grundlagen der biologischen Persönlichkeitspsychologie
Methodik
Methodische Zugänge in biologischer Persönlichkeitsforschung
Systembasiert
Zusammenhang zwischen einem Trait und Besonderheiten eines ganzen biologischen Systems
Beispiel: Kortikales Erregungsniveau und Extraversion
Probleme:
Ergebnisse zum Teil unspezifisch, da unklar, welche Teile des Systems relevant sind
Hans Eysencks Persönlichkeitsmodell und biologische Persönlichkeitstheorien
Hypothetico-deduktives Vorgehen:
Bildung von Hypothesen zu Persönlichkeit, über dessen (z.B. biologische) Fundierung Ableitungen (Deduktionen) vorgenommen werden, die anschließend empirisch/ experimentell überprüft werden müssen.
Eysencks Persönlichkeitsdefinition und Forschungsansatz
“Persönlichkeit ist die mehr oder weniger feste und überdauernde Organisation des Charakters, Temperaments, Intellekts und der Physis eines Menschen, die seine einzigartige Anpassung an die Umwelt determiniert. Der Charakter eines Menschen bezeichnet das mehr oder weniger stabile und dauerhafte System seines konativen Verhaltens (des Willens); sein Temperament das mehr oder weniger stabile und dauerhafte System seines affektiven Verhaltens (der Emotions- und Verhaltensregulation); sein Intellekt das mehr oder weniger stabile und dauerhafte System seines kognitiven Verhaltens (der Intelligenz); seine Physis das mehr oder weniger stabile System seiner körperlichen Gestalt und Ausstattung.“
Eysencks Persönlichkeitsdefinition und Forschungsansatz
„Persönlichkeit im engeren Sinne ist das Profil aller Eigenschaften, die eine hierarchische Struktur und eine biologische Basis aufweisen.“
Zentrale Aufgaben der Persönlichkeitspsychologie
- Deskription:
Beschreibung und Bestimmung der grundlegenden Einheiten, in denen sich Personen unterscheiden. → Strukturmodell der Persönlichkeit - Erklärung:
Feststellung der kausalen Elemente, die diese Unterschiede hervorrufen. → biologische Erklärungstheorie der Persönlichkeit
Das PEN-Modell der Persönlichkeit
1.Persönlichkeitsdimension (Persönlichkeitsfaktoren)
2.Eigenschaftsebene (Persönlichkeitseigenschaften)
3.Habituelle Verhaltensweisen (Gewohnheiten)
4.Spezifische Verhaltensweisen
Das PEN-Modell der Persönlichkeit
Extraversion
»Der typische Extravertierte sucht sozialen Anschluss, liebt Partys, hat viele Freunde, braucht eine Vielzahl von Menschen, mit denen er sprechen kann. Er befasst sich ungern mit der eigenen Person. Extravertierte brauchen andauernd Erregung, suchen Veränderungen oder Risiken. Sie sind im allgemeinen impulsiv. Extravertierte lieben das Leben (easy going), machen und mögen Witze, haben in jeder Situation den richtigen Spruch‹ bereit und lachen viel. Extravertierte bevorzugen es, in Bewegung zu sein und vielerlei Sachen zu unternehmen.
Sie tendieren zu Aggressivität und sind launisch. Sie haben ihre Gefühle nicht immer unter
Kontrolle und neigen zu Unzuverlässigkeit.
Typisch Introvertierte sind ruhig, fast langweilig. Sie sind introspektiv und finden Bücher interessanter als Menschen. Sie sind gegenüber anderen Menschen reserviert und zurück-haltend. Sie neigen dazu, Dinge zu planen und sind somit nicht sehr spontan. Sie mögen keine Erregung und ziehen ein ruhiges, wohlgeordnetes Leben vor. Sie halten ihre Gefühle unter Kontrolle und zeigen nur selten aggressives Verhalten. Ihr Temperament geht nur selten ›mit ihnen durch‹. Introvertierte sind zuverlässig, manchmal pessimistisch und halten viel von moralischen Grundsätzen.«
Das PEN-Modell der Persönlichkeit
Neurotizismus
»Personen mit einem hohen Wert auf der Neurotizismusskala sind ängstlich, besorgt, schwermütig, launisch und häufig depressiv. Sie neigen dazu, schlecht zu schlafen und leiden .unter einer Vielzahl psychosomatischer Beschwerden. Sie sind extrem emotional und überreagieren stark auf alle Reize. Nach emotionalen Ausbrüchen haben es neurotische Personen schwer, wieder ihr emotionales Gleichgewicht zurückzugewinnen. Diese emotionalen Ausbrüche führen zu irrationalen Handlungen. Manchmal sind sie zu unbe-weglich, um sich neuen Dingen gegenüber zu öffnen (rigide).
Extravertierte und neurotische Personen sind unruhig und werden leicht aggressiv.
Eine emotional instabile Person neigt dazu, nicht erfolgreich zu sein. Gelegentliche Aggressivität tritt auf, wenn sie nicht erwartet wird. Sollte Stress die Stabilität beeinflussen, so sind Ängste und Befürchtungen verhaltenssteuernd.«
Das PEN-Modell der Persönlichkeit Psychotizismus
»Personen mit einem hohen Wert auf einer Psychotizismusskala können als Einzelgänger bezeichnet werden. Sie kümmern sich nicht um Menschen, sind häufig (ruhelos) unruhig und können sich nicht anpassen. Sie tendieren dazu, grausam und unmenschlich zu sein. Sie können sich nicht in andere hineinversetzen, zeigen kein Einfühlungsvermögen und sind wenig sensibel. Sie sind häufig anderen gegenüber feindlich gestimmt, oft sogar gegenüber der eigenen Kernfamilie oder engsten Verwandten.
Sie interessieren sich für merkwürdige und ungewöhnliche Dinge und missachten Gefahren. Sie mögen es, andere Menschen zum Narren zu halten und aus dem Gleichgewicht zu bringen.
Kinder zeigen ähnliche Eigenschaften und Verhaltensweisen wie Erwachsene. Sie isolieren sich, sind unruhig und nicht in der Lage, menschliche‹ Gefühle gegenüber ihren Verwandten oder Haustieren zu zeigen. Sie sind aggressiv und feindselig. Aus dieser Konstitution heraus neigen einige dazu, Sensationen zu suchen, ohne Gefahren wahrzunehmen oder auf mögliche Gefahren zu achten.«
Das PEN-Modell der Persönlichkeit Herleitung und Messung
1947: Ableitung der Dimensionen Neurotizismus und Hysteria- Dystymia (später Extraversion- Introversion) durch Verhaltensbeurteilungen von Psychiater:innen, Pfleger:innen, Sozialarbeiter:innen und Familienangehörigen über 700 neurotische Soldaten anhand von 39 Eigenschaftsitems
Die zwei Faktoren wurden durch nachfolgende Arbeiten an gesunden Proband:innen und zusätzlichen Testverfahren bestätigt
1965: Integration von typologischen Temperamentsmodellen und dimensionalen Modellen der Persönlichkeit
Das PEN-Modell der Persönlichkeit Herleitung und Messung
Fragebogen- und Modellentwicklung gingen Hand in Hand:
1947: Maudsley Medical Questionnaire (MMQ) zur Erfassung von Neurotizismus mit 40 Items vorwiegend medizinischer Thematik (z.B. „Manchmal kriege ich Herzklopfen“, „Gelegentlich zittere ich oder habe Schüttelanfälle“)
1959: Maudsley Personality Inventory (MPI) zur Erfassung von Neurotizismus und Extraversion-Introversion mit mehr psychischen Merkmalslisten für eine nichtklinische Anwendung → Korrelation zwischen den Dimensionen: r = -.35 und Faktorenanalysen ergaben häufig mindestens eine zusätzliche Dimension
1969: Eysenck Personality Inventory (EPI) als Weiterentwicklung des MPI mit 24 Items pro Dimension, wobei die Impulsivitätsitems aus der Extraversionsskala genommen wurden → Reduktion der Korrelation zwischen den Dimensionen
1975: Eysenck Personality Questionnaire (EPQ) als Erweiterung des EPI unter Einbeziehung einer zusätzlichen (weniger intern konsistenten) Psychotizismusskala
Das PEN-Modell der Persönlichkeit Herleitung und Messung
→ Interne Universalität der Faktorenstruktur
→ Zeitliche Stabilität der Faktorenstruktur
Die Drei-Faktorenstruktur des EPQ lies sich kulturübergreifend in Afrika, Asien, Australien, Nordamerika und Europa bei Männern und Frauen bestätigen
→ Interne Universalität der Faktorenstruktur
Längsschnittstudien konnten die Drei-Faktorenstruktur sowohl bei Jugendlichen (mit Junior EPQ), jungen und alten Erwachsenen bestätigen
→ Zeitliche Stabilität der Faktorenstruktur