Arbeitssicherheit Flashcards
Warum machen Menschen bei der Arbeit Fehler?
Siehe Drei-Ebenen-Handlungsmodell (Rassmussen, Reason)
Welche Merkmale der Umgebung beeinflussen sicherheitsbezogenes Verhalten und Unfallhäufigkeit?
Gefahrenquellen:
- technische Ausstattung des Arbeitsplatzes
- Gefahrenstoffe
- Nutzung primärer Energiequellen
- Zusammenwirken verschiedener Energieformen
- Energie durch Stelleninhaber oder andere Person (z.B. sich Schraubenzieher in die Hand stossen)
Ergonomische Massnahmen zur Verbesserung der Arbeitssicherheit
- Arbeitsmittel
- Arbeitsplatz
- Arbeitsabläufe und -prozesse
- Umgebungsbedingungen
Metaanalyse von Burke et al. (2006) - geringer Einbezug
+ sefety knowledge
+ safety performance
+ Unfälle
Gibt es Belege, dass die Umstellung auf Sommerzeit zu mehr Unfällen führt?
Bereits begrenzter Schlafmangel erhöht das Unfallrisiko
-> Montag nach Zeitumstellung:
- 8.6% höhere Anzahl Verkehrsunfälle
- 5.7% mehr Unfälle in US-Minen unter Tage
Metaanalyse von Burke et al. (2006) - mittlerer Einbezug
+ safety knowledge
+ safety performance
– Unfälle
Metaanalyse von Burke et al. (2006) - grosser Einbezug
+ safety knowledge
+ safety performance
– Unfälle
-> die grössten Unterschiede
-> z.B. Verhaltensmodellierungs-Training, praktisches Üben
Gefahr
Eine potentiell schädigende Energie oder Substanz
Gefährdung
Menschen kommen arbeitsbedingt oder aus anderen Anlässen in den Einwirkungsbereich von Gefahren
Gefahrenträger
Alle Körper, die auf andere Körper eine schädigende Wirkung ausüben
Safety Performance
Sicherheitsbezogenes Verhalten, d.h. Verhalten, das tatsächlich unter der Kontrolle des Mitarbeitenden ist
Safety Outcomes
-> Unfälle, Beinahe-Unfälle, Todesfälle
Zentral für Erfolge im Bereich Arbeitssicherheit, aber nicht 100%ig unter der Kontrolle des Mitarbeitenden
Häufigkeit von Arbeitsunfällen
> 50‘000 Beinahe-Unfälle
5‘125 Keine oder Ausfallzeit < 1 Tag, keine Behandlung
1‘272 Ausfallzeit ≤ 3 Tage, Behandlung nötig
1‘264 Ausfallzeit > 3 Tage
1 tödlich
Unfälle
Möglichkeit zu lernen, unter der Annahme, dass solche Fehler/Unfälle erneut auftreten können
Fehlverhalten
Ereignisse, bei denen geplante Abfolge nicht zum beabsichtigten Resultat führt
-> Misserfolge nicht fremdem Einwirken zugeschrieben
Fehlerklassifikation
- Auslassung
- Fehlhandlung
- (falsche) Auswahl
- (falsche) Reihenfolge
- Zeitfehler (zu spät oder zu früh)
- qualitativer Fehler (einem Irrtum unterliegen)
Zuverlässigkeitsberechnung
Technische und menschliche Zuverlässigkeit bestimmen
Schwachstellen-/Zuverlässigkeitsanalyse
- Zerlegung der Aufgaben in Teilaufgaben
- Analyse der Fehlermöglichkeiten; Fehler- oder Ereignisbaums
- Bestimmung der Fehlerwahrscheinlichkeit der Teilaufgaben
- Korrektur der gefundenen Fehlerwahrscheinlichkeiten durch Expertenanalyse
- Berechnung der Aufgabenzuverlässigkeit
Menschliche Fehlerwahrscheinlichkeit - Human Error Probability (HEP)
HEP = n/N
- n: Anzahl Fehler
- N: Anzahl Gelegenheiten
-> menschliche Zuverlässigkeit:
1 - HEP = 1 - n/N
Annahmen der Fehlerwahrscheinlichkeitsberechnung
- reliable und valide Aufgabenklassifikation (schwierig, da menschliches Verhalten variabel)
- umfassende Sammlung menschlicher Fehlerwahrscheinlichkeiten
- Annahme der Unabhängigkeit der Einzelfehlerwahrscheinlichkeiten (keine Konsequenzen für Folgeaufgaben)
Modell von Rasmussen
Fehler hoch geübter Tätigkeiten unterscheiden sich von Fehler bei neu erlernenden Tätigkeiten -> typische Fehler in überraschenden Situationen
Menschliche Aktivität durch zwei Kontrollprozesse beschrieben:
- schemaorientierte Kontrolle ist mit Gewohnheits- und Regelebene verknüpft
- aufmerksamkeitsbezogene Kontrolle dominiert auf der Wissensebene (Arbeitsgedächtnis)
Drei-Ebenen-Handlungsmodell (Rasmussen, Reason)
- Gewohnheitsebene
- Regelebene
- Wissensebene
-> unterschiedliche psychische Prozesse und Arten von Fehler
Drei-Ebenen-Handlungsmodell (Rasmussen, Reason) - Gewohnheitsebene
stereotype Reaktionen, automatische Reiz-Reaktionsmuster
- Unaufmerksamkeitsfehler
Beispiel: Oyster Creek - Ein Arbeiter wollte die Pumpenausflussventile A und E schliessen und schloss versehentlich B und C auch. Der gesamte Wasserkreislauf zum Reaktorinneren wurde dadurch unterbrochen
Konsequenz: Einbau “zwingender ” Funktionen, elektronische Hilfssysteme -> siehe VL zu Aviation Security
Drei-Ebenen-Handlungsmodell (Rasmussen, Reason) - Regelebene
Wiedererkennen, wenn [Situation] - dann [Handlung], gespeicherte Regeln
- Fehler durch erste Ausnahmen
- Enkodierdefizite
Beispiel: Three Mile Island - Die Arbeiter erkannten nicht, dass das Entlastungsventil des Druckbehälters in offenem Zustand klemmte. Die Schalttafel zeigte an, dass der Schalter für das Entlastungsventil auf „schliessen“ stand. Sie hielten das für die Anzeige, das Ventil sei geschlossen, obwohl dieser Schalter nur den Mechanismus zum Öffnen und Schliessen in Gang setzte.
Konsequenz: Regeln mit Randbedingungen in Ausbildung erläutern, Reduzierung von Gruppennormen
Drei-Ebenen-Handlungsmodell (Rasmussen, Reason) - Wissensebene
Analyse Ausgangs-/Endzustand, Planung, Entscheidung, Problemlösung
Fehler durch:
- ungenügende Berücksichtigung der Prozesse im Zeitverlauf
- Schwierigkeiten im Umgang mit exponentiellen Entwicklungen
- Denken in kausalen Reihen statt in kausalen Netzen
Beispiel: Ginna - Die Arbeiter wollten den Druck im Kühlmittelsystem des Reaktors senken und wandten eine für die Bedienung des druckbetriebenen Entlastungsventils falsche Strategie an. Sie öffneten und schlossen es abwechselnd, bis es beim vierten Mal in offenem Zustand hängenblieb.
Konsequenz: Reduzierung des Entscheidungsdrucks, Simulationstests, Einsatz von Störfallsimulationen in Ausbildung, elektronische Hilfssysteme
Einfluss auf die Arbeitssicherheit: Personenbezogene Faktoren - Unfällerpersönlichkeit
10% aller Personen vereinigen 30-70% aller Unfälle auf sich.
Unfällerpersönlichkeit - demographische Variablen
- Männer
- jüngere und/oder weniger erfahrene Mitarbeitende
- weniger gebildete Arbeitnehmende
- Arbeitnehmende mit niedrigerem SES
Unfällerpersönlichkeit - Persönlichkeit
+ Neurotizismus
+ Extraversion (für Verkehrsunfälle)
+ Risikofreudigkeit
– Gewissenhaftigkeit
– Verträglichkeit
– Locus of Control
Unfällerpersönlichkeit - kognitive Variablen
-> wenig Forschung
kognitive Fehler relevanter als allgemeine kognitive Fähigkeiten
- bei höherem IQ etwas weniger Autounfälle
Einflussfaktoren auf die Arbeitssicherheit: Arbeitsumgebung
Aspekte der Arbeitsumgebung können Unfallrisiko erhöhen:
- gefährliches Arbeitsumfeld (z.B. Maschinen ohne Schutzvorrichtungen)
- fehlende Warnhinweise
- körperlich anstrengende Tätigkeiten
- Aufgaben, die Daueraufmerksamkeit erfordern
- Anhäufungen von Personen
-> Anteil am Gesamtrisiko schwer zu bestimmen, da sie oft gemeinsam auftreten
-> Vermutlich steigt Unfallrisiko durch Kombination von Risikofaktoren erst deutlich an
Einflussfaktoren auf die Arbeitssicherheit: Arbeitszeitgestaltung
Nachtschichten hängen mit höherem Unfallrisiko zusammen
- Arbeit gegen zirkadianer Rhythmus
- Schlafmangel
- weniger Kontrolle durch Vorgesetzte in der Nacht
Einflussfaktoren auf die Arbeitssicherheit: Sicherheitsklima
geteilte Wahrnehmung der Grundsätze, Handlungsanweisungen und Praktiken bezüglich Sicherheit in einer Organisation/Gruppe.
-> Sicherheitsklima ist ein guter Prädiktor für sicherheitsbezogenes Verhalten und Unfällen und Verletzungen
Facetten des Sicherheitsklimas:
• Management Commitment bzgl. Sicherheit
• Sicherheitsbezogenes Human Ressource Management (Training)
• Relevante Gruppenprozesse (Vertrauen, Kommunikation)
• Unterstützung durch direkte Vorgesetzte
Einflussfaktoren auf die Arbeitssicherheit: Gruppenprozesse
Gruppendruck kann das Sicherheitsverhalten beeinflussen
• Bedürfnis nach positiver Bewertung
• Vermeidung sozialer Abwendung
Einflussfaktoren auf die Arbeitssicherheit: Führung
-> zentraler Einflussfaktor für sicherheitsbezogenes Verhalten der Mitarbeitenden
+ transformationale Führung
+ gut ansprechbar (bezüglich Sicherheit) bei gutem Leader-Member Exchange
Einflussfaktoren auf die Arbeitssicherheit: Lerneffekte aus früheren Ereignissen - Unfall
Objektive Regelwidrigkeit, die zumindest post-hoc erkannt wird
-> Abschwächung
Einflussfaktoren auf die Arbeitssicherheit: Lerneffekte aus früheren Ereignissen - Beinahe-Unfall
Regelwidrigkeit ist subjektiv bekannt:
- Beinahe-Unfall wird erkannt -> Abschwächung
- Beinahe-Unfall wird NICHT erkannt -> negative Verstärkung (Ausfall von negativer Konsequenz)
Regelwidrigkeit ist subjektiv NICHT bekannt:
- Beinahe-Unfall wird erkannt -> Abschwächung
- Beinahe-Unfall wird NICHT erkannt -> positive Verstärkung
Methoden der Sicherheitsdiagnose
- Dokumentenanalyse (z.B. Unfallberichte)
- Befragung unterschiedlicher Quellen (z.B. mit Hilfe der CIT)
- Beobachtung (z.B. anhand von Checklisten)
- Fragebögen (z.B. Fragebogen zur Sicherheitsdiagnose)
Ergonomische Gestaltungsmassnahmen - Arbeitsmittel
- Informationen und Informationsgeber
- Werkzeuge/handgeführte Maschinen
- Stellteile
Ergonomische Gestaltungsmassnahmen - Arbeitsplatz
- Arbeitstische und Sitze
- Greifräume
- Bewegungsräume
- Verkehrswege (klar kennzeichnen)
Ergonomische Gestaltungsmassnahmen - Arbeitsabläufe und -prozesse
- Arbeitsaufgabe Folge von Arbeitsschritten
- Arbeitszeiten/Pausenklima Schichtsysteme
- Einzel- vs. Gruppenarbeit Kommunikation
Ergonomische Gestaltungsmassnahmen - Umgebungsbedingungen
- Lärm
- Beleuchtung
- Vibration
- Stäube, Gase, Dämpfe
Ergonomische Gestaltungsmassnahmen - Risikowahrnehmung
Akzeptierte Risiken können durch Hilfsmittel beeinflusst werden, sodass das wahrgenommene Risiko gesenkt wird; Risikohomöostase (Wilde). Dies kann das Verhalten in Risikosituationen beeinflussen -> z.B. ABS-System
Studie von Aschenbrenner et al. (1989):
Ergebnisse:
• Keine Unterschiede in Unfallrate, sowie im Beschleunigungs- und Verzögerungsverhalten zwischen ABS- Fahrzeugen und Vergleichsfahrzeugen
• Offensivere, risikoreichere Verhaltensweisen der ABS- Fahrer in Verhaltensbeobachtungen
Kritik an Wildes Risikohomöostaseprinzip:
• Empirische Befundlage in Querschnittsstudien nicht eindeutig
• Längsschnitt: Einführung z. B. von Sicherheitsgurten als Pflicht führte nicht zu höheren Geschwindigkeiten
Sicherheitstrainings
- sicherheitsbezogenes Wissen vermitteln
- Erkennung und Weitergabe von potenziellen Gefahren und Verletzungen
- sicheitsbezogene Problemlöse- und Entscheidungsfähigkeiten verbessern
Grosser praktischer Einbezug der Trainees am besten (Burke)
Arbeitsunfall
Plötzliches von aussen auf den Menschen einwirkendes, körperlich schädigendes, zeitlich begrenztes Ereignis mit Verletzungsfolgen ≠ Berufskrankheiten
- personenbezogene Ursachen
- organisatorische Ursachen
- technische Ursachen
Berufskrankheiten
Längerfristige Einwirkungen der Arbeit, welche schädlich für die psychische und physische Gesundheit sind
4 Formen der Unfallverhütung
- Beseitigung von Gefahr; Schädigung nicht mehr möglich
- Trennung/Beseitigung der Gefahr; Gefahr bleibt, aber Verletzungsmöglichkeiten ausgeschaltet
- Abschirmung/Verringerung der Gefahr; Verletzungsmöglichkeit erschwert
- Anpassung an die Gefahr; Infos und Training um sicherheitsbezogenes Verhalten zu erhöhen
-> je mehr von menschlichen Verhalten abhängig, umso weniger wirksam
Einflussfaktoren auf sicherheitskritisches Verhalten
ca. 80% aller Unfälle durch menschliche Faktoren verursacht
-> davon 50-80% aufgrund mangelhaft gestalteten Arbeitsbedingungen
Gefahrenzustände nach Hoyos
Gefahrenzustände, die:
- sensorisch direkt erkennbar sind (z.B. Feuer)
- durch diagnostische Eingriffe erkennbar sind (z.B. elektrische Spannung mit Spannungsprüfer)
- aus Kenntnis allgemeiner Gesetztmässigkeiten oder Erfahrungen erschliessbar sind (z.B. herabfallende Steine beim Klettern)
Psychologische Modelle fehlerhaftes Handeln
- Weimer
- Norman (auf Basis der Schematheorie)
Psychologische Modelle fehlerhaftes Handeln: Weimer
- Fehler entstehen aufgrund von Versagen psychischer Funktionen
- Irrtümer beruhen auf mangelhafter Kenntnis bestimmter Sachverhalte
Psychologische Modelle fehlerhaftes Handeln: Norman
- Irrtümer entstehen durch mangelnde Kenntnisse oder Fehlannahmen
-> Irrtümer gemäss Weime - Aktivierungsfehler sind hoch geübte Handlungen, die unabsichtlich durch bestimmte Situationsmerkmale ausgelöst werden
- Falscher Aufruf aktiver Schemata durch falsche/fehlende Auslösebedingungen
-> letzte zwei Fehler gemäss Weime
Swiss Cheese Model
Systemunfälle entstehen, wenn Sicherheitsbarrieren in Kombination versagen:
- technisch
- organisatorisch
- ausbildungsbezogen
-> Kombination von aktiven und latenten (räumlich und zeitlich von Gefahr entfernt) Fehler
High Reliability Organisations (HRO)
- Prozesszuverlässigkeit ≥ Produktzuverlässigkeit
- Förderung von kontinuierliches Lernen aus Betriebserfahrungen
- Belohnungsmechanismen für Fehlerentdeckung und Fehlermeldung