Anfechtung Flashcards

1
Q

Anfechtung

I. Allgemeines Aufbauschema mit Erklärung

A

I. Zulässigkeit

Kein Ausschluss durch Sonderregeln

II. Anfechtungsgrund

§§ 119 I, 119 II, 120, 123 BGB

III. Wirksame Anfechtungserklärung

a) fristgerecht
b) durch Anfechtungsberechtigten (Achtung: auch § 164 I!)
c) gegenüber Anfechtungsgegner

IV. Ausschluss des Anfechtungsrechts

  1. § 144 I
  2. § 242

V. Rechtsfolgen der Anfechtung

Die Willenserklärung(!) ist gem. § 142 I ex tunc nichtig und damit auch ggf. ein durch sie entstandener Vertrag.

Bei Teilanfechtung Teilnichtigkeit, wenn Leistung teilbar.

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2
Q

II. Zulässigkeit der Anfechtung

a) Allgemein: Was ist anfechtbar?

A

Grundsätzlich ist jede Willenserklärung nach §§ 142 I,
119 ff. anfechtbar.
Ausnahmsweise gelten vorrangige Sonderregelungen.

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3
Q

II. Zulässigkeit der Anfechtung

b) Nenne Sonderregelungen, die die Zulässigkeit ausschließen!

A
  • § 119 II (Eigenschaftsirrtum) ist unanwendbar, soweit spezielle Gewährleistungsregeln (§ 437, § 634) greifen
  • Die c.i.c. (§§ 280 I, 241 II, 311 II) steht NEBEN der Anfechtung! (str.)
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4
Q

II. Zulässigkeit der Anfechtung

b) (P) C.I.C. neben § 122 (SE d. anderen Partei wegen Anfechtung) möglich?

A

Nach hM wird die c.i.c. von § 122 nicht verdrängt. Dafür spricht, dass § 122 eine verschuldensunabhängige reine Veranlasserhaftung ist. Zudem ist c.i.c. nicht auf das Erfüllungsinteresse begrenzt. Eine culpa in contrahendo ist auch bei rückwirkender Vertragsvernichtung durch Anfechtung möglich.

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5
Q

II. Zulässigkeit der Anfechtung

c) Fingierte Willenserklärungen (Anfechtung bei Schweigen als Annahme?) oder Rechtsscheintatbestände (Dulgungs- oder Anscheinsvollmacht)

A
  • Soweit Schweigen kraft Gesetzes als WE gewertet wird, kann der Schweigende nicht mit der Begründung anfechten, er habe nicht gewusst, dass das Schweigen diese Wirkung habe.
  • Rechtsscheintatbestände können nicht durch Anfechtung beseitigt werden; Rechtsschein der Bevollmächtigung (§§ 171, 172), Duldungs-, Anscheinsvollmacht.
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6
Q

III. Anfechtungsgründe

  1. § 119 I
    a) Allgemeines und sich stellende Fragen
A

A. Die Willenserklärung ist gem. § 119 I anfechtbar, wenn die zum Zustandekommen des Rechtsgeschäfts abgegebene Erklärung und das mit der Erklärung Gewollte unbewusst nicht übereinstimmen.

I. Was hat der Erklärende erklärt? (äußerer TB der WE)

II. Was wollte der Erklärende zum Ausdruck bringen?

Hier Var. 1 und 2

III. Fällt der äußere Erklärungstatbestand und das Gewollte unbewusst auseinander?

IV. Hätte der Erklärende die Erklärung bei Kenntnis und verständiger Würdigung nicht abgegeben?
(Kausalität des Irrtums für die Erklärung)

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7
Q

III. Anfechtungsgründe

  1. § 119 I
    a) Allgemeines
    aa) § 119 I Var. 1
A

aa) § 119 I Var. 1, Inhaltsirrtum

Beim Inhaltsirrtum weiß der Erklärende was er sagt, aber er weiß nicht, was er damit sagt, verkennt also die Bedeutung seiner Erklärung.

Bsp.: 12 Gros Toilettenpapier

Erklärende verkennt, dass es sich bei “Gros” um eine Maßeinheit handelt und denkt, er bestelle 12 große Rollen.

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8
Q

III. Anfechtungsgründe

  1. § 119 I
    a) Allgemeines
    bb) § 119 I Var. 2
A

bb) § 119 I Var. 2, Erklärungsirrtum

Beim Erklärungsirrtum verspricht oder verschreibt sich der Erklärende.

Achtung: Hierunter fällt nach hM auch das Fehlen des Erklärungsbewusstsein -> § 119 I Var. 2 analog.

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9
Q

III. Anfechtungsgründe

  1. § 119 I
    b) Sonderfall: Kalkulationsirrtum
    aa) Definition
A

Fehler bei der Berechnung des Preises.

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10
Q

III. Anfechtungsgründe

  1. § 119 I
    b) Sonderfall: Kalkulationsirrtum
    bb) Behandlung bei Einigsein der Parteien über die Berechnungsmethode?
A

Korrektes ergebnis ist vereinbart, falsches Ergebnis ist unbeachtlich (falsa demonstracio non nocet).

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11
Q

III. Anfechtungsgründe

  1. § 119 I
    b) Sonderfall: Kalkulationsirrtum
    cc) Anfechtung bei Kalkulationsirrtum, wenn falsches Ergebnis vereinbart ist?
A

Nach h.M. nie, weil unbeachtlicher Motivirrtum.

Nach a.A. gem. §§ 119 I, II analog, wenn anderer Teil den Irrtum erkennt (sog. “offener Kalkulationsirrtum”).

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12
Q

III. Anfechtungsgründe

  1. § 119 I
    b) Sonderfall: Kalkulationsirrtum
    dd) bei offenem Kalkulationsirrtum SE?
A

Aus § 241 II (Schutzpflichten) kann der andere Teil verpflichtet sein, auf den Irrtum hinzuweisen. Bei Unterlassen entsteht dann ein Anspruch aus C.I.C.:

§§ 311 II, 241 II, 280 I

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13
Q

III. Anfechtungsgründe

  1. § 119 II
    a) Anwendbarkeit des § 119 II
A
  • Anfechtbarkeit ist ausgeschlossen, soweit Gewährleistungsrechte eingreifen (Schuldrecht BT).
  • Möglich seitens des Verkäufers oder Käufers, wenn sie sich auf eine verkehrswesentliche Eigenschaft bezieht, die nicht zugleich einen Mangel darstellt.
  • Bei gemeinsamem Irrtum sind die Grundsätze über die Störung der Geschäftsgrundlage, § 313, vorrangig.
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14
Q

III. Anfechtungsgründe

  1. § 119 II
    b) Definition der “Eigenschaft” iSd § 119 II
A

Alle gegenwärtigen, wertbildenden Merkmale, die ihren Grund in der Sache selbst haben und von gewisser Dauer sind.

Achtung: Nur gegenwärtige Merkmale können Eigenschaften darstellen. Wurde bei Vertragsschluss von künftigen Eigenschaften ausgegangen, kommt § 313 I in Betracht.

Achtung: Sachen iSd § 119 II sind auch nicht-körperliche Gegenstände, wie zB Forderungen.

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15
Q

III. Anfechtungsgründe

  1. § 119 II
    c) Ertrag, Umsatz und Rentabilität = Eigenschaften? Wie sieht es mit dem Wert oder dem Preis aus?
A

Nein. Nur ErtragsFÄHIGKEIT oder Steuerliche Belastungen oder Vergünstigungen, wenn dabei an die besondere Beschaffenheit angeknüpft wird.

Der Wert und der Preis selbst sind keine Eigenschaften einer Sache.

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16
Q

III. Anfechtungsgründe

  1. § 119 II
    d) Verkehrswesentlichkeit der Eigenschaften
A

Verkehrswesentlich sind alle Eigenschaften, die vertraglich vereinbart worden sind oder dem Vertragsschluss zugrunde gelegt wurden, wobei es ausreichend ist, dass sich die Bedeutung nach der Verkehrsanschauung von selbst versteht.

bei Sachen: beispielsweise Echtheit

bei Personen(!): beispielsweise Bonität des Kreditnehmers

17
Q

III. Anfechtungsgründe

  1. § 123 I Var. 1
    a) Schema
A
  1. Täuschungshandlung
  2. Kausalität
  3. Arglist
  4. Kein Ausschluss durch Anfechtung gem. § 123 II bei Täuschung durch einen Dritten
18
Q

III. Anfechtungsgründe

  1. § 123 I Var. 1
    b) Täuschungshandlung
A

Erregung, Verstärkung oder Aufrechterhaltung einer Fehlvorstellung über Tatsachen durch Vorspiegelung oder Entstellung von Tatsachen (positives Tun) oder durch Verschweigen (Unterlassen) bei Rechtspflicht zur Aufklärung.

19
Q

III. Anfechtungsgründe

  1. § 123 I Var. 1
    c) Kausalität
A

Adäquate Kausalität zwischen Täuschung und Abgabe der Willenserklärung.

20
Q

III. Anfechtungsgründe

  1. § 123 I Var. 1
    d) Arglist
A

Mindestens dolus eventualis bezüglich Irrtumserregung und Bewusstsein der Kausalität.

21
Q

III. Anfechtungsgründe

  1. § 123 I Var. 1
    e) Täuschung durch Dritte
A

Hat ein Dritter die Täuschung verübt, ist die Erklärung gem. § 123 II 1 nur anfechtbar, wenn der Emüfänger die Täuschungshandlung kannte oder hätte kennen müssen.

Der Begriff des Dritten wird negativ abgegrenzt:

Nicht Dritter ist der Vertreter, der Verhandlungsführer, der Erfüllungsgehilfe (§ 278 S. 1 Var. 2) u. die Person, die wegen der engen Beziehung zum Erklärungsempfänger als dessen Vertrauensperson erscheint.
=> In diesen Fällen wird die Täuschung dem Erklärungsempfänger zugerechnet!

ACHTUNG: § 123 II enthält KEINEN Anfechtungsgrund, sondern er verschärft die Anforderungen an die Anfechtung nach § 123 I Var. 1!

22
Q

III. Anfechtungsgründe

  1. § 123 I Var. 2
A
  1. Drohung
  2. Widerrechtlichkeit (der Drohung), wenn
    a) des Mittels (beispielsweise Androhen von Prügel)

oder (!)

b) des Zwecks (Erpressung von Schweigegeld)

oder (!)

c) der Zweck-Mittel-Relation (Androhung einer Strafanzeige wegen betrunkenen Fahrens, weil der andere die Schulden aus dem Verkauf eines Rasenmähers nicht bezahlt hat = Angedrohtes Übel und erstrebter Erfolg stehen in keiner Beziehung zueinander und sind zusammen genommen rechtswidrig.)

verwerflich sind.

23
Q

III. Anfechtungsgründe

  1. / 4. Konkurrenz des § 123 zur C.I.C. (§ 280 I, 241 II, 311 II)
A

§ 123 und c.i.c. stehen nebeneinander, weil § 123 die freie Willensbildung und c.i.c. das Vermögen schützt.

Allerdings muss nach hM für die c.i.c. ein weiterer Vermögensschaden (neben der aufzuhebenden WE) vorliegen.

(Neben § 123 besteht übrigens häufig die Möglichkeit, aus unerlaubter Handlung (§ 823 i.V.m. § 263 bzw. 240 StGB; § 826) Schadensersatz zu verlangen)

24
Q

IV. Wirksame Anfechtungserklärung, § 143

  1. Anfechtungsberechtigung
A

Anfechtungsberechtigt ist grds. der Erklärende bzw. - bei Stellvertretung - der Vertretene.

25
Q

IV. Wirksame Anfechtungserklärung, § 143

  1. Anfechtungsgegner
A

Ergibt sich aus § 143 II-IV.

26
Q

IV. Wirksame Anfechtungserklärung, § 143

  1. Anforderungen an die Form
A

Die Anfechtungserklärung muss unmissverständlich darauf schließen lassen, dass die Willenserklärung wegen des Willensmangels nicht gelten soll.

Nach überwiegender Ansicht braucht die Anfechtungserklärung nicht ausdrücklich den Anfechtungsgrund enthalten.

Erforderlich ist jedoch, dass der Grund aus den angeführten Tatsachen erkennbar oder dem Anfechtungsgegner sonst bekannt ist.

27
Q

IV. Wirksame Anfechtungserklärung, § 143

  1. Bedingte Anfechtungserklärung möglich?
A

Die Anfechtungserklärung ist bedingungsfeindlich (Rechtsgedanke des § 388 S. 2).

Zulässig sind aber Potestativbedingungen (abhängig vom Willen des Anfechtungsgegners; Siehe unter Deck “Bedingung und Befristung”) und Rechtsbedingungen.

28
Q

IV. Wirksame Anfechtungserklärung, § 143

  1. Fristgerechte Anfechtungserklärung
A

Bei anfechtung wegen Irrtums gem. §§ 119, 120 muss sie ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erklärt werden, nachdem der Anfechtungsberechtigte Kenntnis von dem Anfechtungsgrund erlangt, § 121.

Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung 10 Jahre verstrichen sind, § 121 II.

Die Anfechtung einer nach § 123 anfechtbaren WE kann nur binnen Jahresfrist erfolgen, beginnend mit dem Ende der Täuschungs- bzw. Zwangslage. Auch diese Anfechtung ist nach 10 Jahren ausgeschlossen, § 124 III.

29
Q

V. Ausschluss des Anfechtungsrechts

  1. Bestätigung des RG, § 144 I
A

Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Anfechtungsberechtigte das Rechtsgeschäft bestätigt hat, § 144 I.

Bestätigung ist die Erklärung seitens des Anfechtungsberechtigten, an dem RG trotz des Anfechtungsrechts festhalten zu wollen.

Beck-Online-BGB-Komm.:

“Will er hingegen nicht anfechten, etwa weil ihm das trotz des Mangels wirtschaftlich sinnvoll erscheint, kann er uU ein Interesse daran haben, schon vor Ablauf der Anfechtungsfrist verbindlich klarzustellen, dass das Geschäft wirksam bleiben soll.”

30
Q

V. Ausschluss des Anfechtungsrechts

  1. Ausschluss nach Treu und Glauben, § 242
A

Die Anfechtung kann nach Treu und Glauben (§ 242) ausgeschlossen sein.

Bsp.: Der Vertragspartner (meistens Anfechtungsgegner) ist bereit, das Rechtsgeschäft mit dem vom Erklärenden gewollten Inhalt abzuschließen.

31
Q

VI. Rechtsfolgen der Anfechtung

  1. Allgemein, § 142 I
A

Die angefochtene WE ist grds. gem. § 142 I von Anfang an nichtig (ex-tunc-Wirkung).

32
Q

VI. Rechtsfolgen der Anfechtung

  1. Teilanfechtung i.V.m. § 139 (lesen!)
A

Wird eine wirksame Teilanfechtung erklärt, so ist der angefochtene Teil nichtig.
Die Teilnichtigkeit führt nach § 139 zur Gesamtnichtigkeit, wenn nicht anzunehmen ist, dass der “Restvertrag” dem mutmaßlichen Willen der Partei entspricht.

33
Q

VI. Rechtsfolgen der Anfechtung

  1. Rückabwicklungsanspruch
A

Wird nur das schuldrechtliche Rechtsgeschäft (beispielsweise Annahmeerklärung und somit KV gem.
§ 433) angefochten, so besteht ein Rückabwicklungsanspruch aus:

§ 812 I 1 Var. 1 bzw. § 812 I 2 Var. 1 (str.; relevant für § 814, der nur für § 812 I 1 Var. 1 gilt).

_______

34
Q

VI. Rechtsfolgen der Anfechtung

  1. Anfechtung des dinglichen Rechtsgeschäfts
A

Die Anfechtung des schuldrechtlichen Kausalgeschäfts (causa (lat.) = Rechtsgrund) lässt das dingliche Erfüllungsgeschäft grds. unberührt.

Es kann jedoch auch das dingliche Rechtsgeschäft angefochten werden, wenn nicht nur bei dem schuldrechtlichen Kausalgeschäft, sondern auch bei dem dinglichen Rechtsgeschäft der Willensmangel noch vorlag und kausal für das Geschäft war (Fehleridentität).

Werden beide Rechtsgeschäfte angefochten, so entsteht ein Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (Anfechtung der Übereignug -> ex-tunc kein Eigentum erlangt, daher auch Herausgabeanspruch nach § 985 (Vindikationslage)).

Bsp.:

V hat den K beim Kauf eines Bildes arglistig über den Urheber getäuscht. Nach Übergabe ficht K den Kaufvertrag und die Übereignung an.