4. Theorie des Explizierens Flashcards
Theorie des Explizierens (Sachse, 1992)
- Hintergrund: affektive Reaktionen werden nicht durch Situationen, sondern durch die spezifischen Verarbeitungsprozesse der Person verursacht
- Verarbeitungsprozesse sind determiniert durch spezifische Motive, Ziele, affektive Schemata der Person
- Prozess der Explizierung: Klient soll klären, welche Motive, emotionalen Schemata, Annahmen usw. ihn veranlassen, bestimmte Arten von Situationsinterpretationen vorzunehmen, auf Situationsaspekte in ganz bestimmter Weise emotional oder aktional zu reagieren
- Klient soll diese Aspekte repräsentieren, integrieren und wenn er sich dazu entscheidet, nach eigenen Zielen verändern
• Um relevante internale Determinanten repräsentieren zu können, muss die Person als erstes eine internale Perspektive, eine internale Zentrierung der Aufmerksamkeit vorzunehmen
o Auf eigene Gefühle, Gedanken und Impulse konzentrieren, die geeignet sind, die entsprechenden Schemata zu aktivieren
o Nicht nur relevante Schemata aktivieren und fokalisieren, er sollte sie auch repräsentieren
o > dafür aktiv und gezielt mit verfügbaren Informationen arbeiten und sie bearbeiten
o „Was in mir, welches Ziel, welche Annahmen o.ä. lassen mich in Situation X genau so und nicht anders fühlen/handeln?“
o Klient soll damit im Therapieprozess, unterstützt durch empathisches Verstehen und Bearbeitungsangebote des Therapeuten, relevanten Spuren folgen und diese Spuren in Hinblick auf bestimmte Fragen auswerten
o Klient bildet so für das bisher nicht kognitiv repräsentierte Schema eine kognitive Repräsentation
Die kognitive Repräsentation hat folgende konstruktive Konsequenzen
o Klient kann das kognitiv zugängliche Schema nur systematisch prüfen
o Ein vorher isoliertes Schema kann nun mit anderen Strukturen kommunizieren und sich auf diese Weise durch Verbindungen mit anderen Strukturen oder durch neue Erfahrungen verändern
o Das Schema kann allein schon durch die Integration in die kognitiv-affektive Struktur eine Uminterpretation erfahren
Bearbeitungsweise-Skala
• Stufe 1: keine Bearbeitung persönlich relevanter Inhalte erkennbar
o Klient beschäftigt sich nicht mit der Bearbeitung von Inhalten, die für ihn bzw. für seine Probleme oder die Lösung seiner Probleme relevant sind.
o Auf diesem Niveau sind keine Leitfragen identifizierbar, die auch Problembearbeitung abziehen würden.
• Stufe 2: Intellektualisieren
o Klient beschäftigt sich mit persönlich relevanten Inhalten, mit Aspekten seiner Probleme. Er beschäftigt sich aber so damit, dass er versucht „persönliche Theorien“ zu finden, die Erklärungen für seine Probleme liefern.
o Die Leitfrage, mit der sich der Klient beschäftigt, ist: „Wie kann ich X erklären? Welche Theorien kann ich dazu heranziehen?“ Bearbeitet wird diese Frage, ohne dass der Klient auf seine Empfindungen achtet, d.h. Affekte und affektive Verarbeitungen werden nicht zur Bearbeitung herangezogen.
• Stufe 3: Bericht
o Klient kann ein Problem schildern, indem er typische Situationen, beteiligte Personen, eigene problematische Verhaltensweisen oder Emotionen beschreibt. Dies ist Ausgangspunkt jeder Explizierung.
o Klient arbeitet hier an der Leitfrage: „Was hat sich (konkret) ereignet? Wie ist das Problem beschaffen?“
• Stufe 4: zuschreibende Bewertung
o Zu bestimmten „berichteten“ Inhalten kann ein Klient nun Bewertungen entwickeln. Damit aktiviert er affektive Schemata, Motive, Werte usw. Er nimmt jedoch noch eine deutlich externale Perspektive ein.
o Leifragen: „Was ist der Wert (Unwert) eines Inhaltsbereiches?“
• Stufe 5: Persönliche Bewertung
o Auf dieser Stufe gibt der Klient Bewertungen ab, die er als eigene erkennt. Dabei konzentriert er sich noch stark auf die Bewertungsaspekte (Wert oder Unwert des Inhaltsbereiches).
o Leitfrage: „Wie bewerte ich den Inhalt?“
• Stufe 6: Persönliche Bedeutung
o Klient beschäftigt sich mit den affektiven, emotionalen Konsequenzen seiner Verarbeitung, mit Emotionen, die ausgelöst werden, mit den Stimmungen, Empfindungen und dem sog. felt sense, den bestimmte Situationen, Objekte usw. in ihm auslösen.
o Leifragen: „Welche Gefühle, Stimmungen oder gefühlte Bedeutungen löst der Inhalt in mir aus?“
• Stufe 7: Explizierung / Repräsentationsbildung
o Klient wendet auf dieser Stufe seine Aufmerksamkeit den für die jeweilige Empfindung relevanten affektiven Schemata oder Motiven zu und arbeitet daran, diese zu repräsentieren, bewusst zu machen usw.
o Leitfrage: „Was lässt mich in Bezug auf diesen Inhalt in dieser Weise fühlen?“
• Stufe 8: Integration
o Klient erkennt z.B. Zusammenhänge zwischen der Bedeutung eines Schemas und anderen Wissensbeständen, er erkennt z.B., dass er die Situation X in gleicher Weise verarbeitet wie die Situation Y und Z, dass diese Verarbeitung auch schon in der Vergangenheit eine Rolle gespielt haben. Er erkennt z.B., dass die Annahmen, die dieser Verarbeitung zugrunde liegen, nicht mehr haltbar sind usw.
o Leitfrage: „Finde ich bei mir Verbindungen zwischen der neu repräsentierten Bedeutung und anderen Bedeutungsaspekten?“ oder „Zu welchen Veränderungen führen die neuen Erkenntnisse?“
Synthetischer Verarbeitungsmodus
- Therapeut geht von dem aus, was bereits verstehbar ist und teilt Pat. das Verstandene mit
- Dadurch können Pat. bereits neue Aspekte deutlich werden, insb. wenn der Th. das verbalisiert, was zwar verstehbar, aber vom Pat. noch nicht explizit ausgesprochen wurde
- In Rogers Worten: Verbalisieren dessen, was an der Grenze des Gewahrwerdens ist
Analytischer Verarbeitungsmodus
• Therapeut stellt, von dem ausgehend was bereits verstehbar ist, fest, welche Aspekte noch nicht geklärt sind
• Hier geht er davon aus, dass der Klient, der eine Aussage macht, viele Teile seiner Bedeutungsstrukturen nicht in Sprache umsetzt, zum Teil nicht einmal fokal gegeben hat
• Dennoch gehen viele Aspekte, die nicht genannt werden, als Voraussetzungen in die Aussage ein, sind als Implikationen in der Aussage enthalten
• Diese Voraussetzungen sind jedoch aus dem Text nicht ableitbar
• Kann am Text lediglich sehen, dass in ihn Voraussetzungen eingegangen sind, aber nicht, welche das sind
1. Therapeut kann Pat. Aussage paraphrasieren, d.h. er kann das, was Pat. sagt und was er verstanden hat, in anderen Worten wiedergeben
2. Therapeut kann „Implizites herausarbeiten“, Aspekte explizit sprachlich ausdrücken, die der Pat. gemeint, aber selbst nicht explizit gesagt hat. Er kann auch den Klienten zu einer Explizierung anregen, indem er „eine Spur akzentuiert“. Er kann dazu den Teil der Aussage des Pat. aufgreifen, der eine wesentliche Spur repräsentiert und den Pat. damit indirekt bitten, sich einmal näher mit diesem Aspekt zu beschäftigen
3. Therapeut klientenzentrierte Frage an den Klienten stellen und ihn damit zu einer Verfolgung dieser Spur einladen. Z. Bsp. kann er sagen: „Sie sagen ‚unheimlich viel ausmacht‘. Was für ein Gefühl hat das bei Ihnen ausgelöst?“
4. Therapeut kann eine sogenannte Prozessdirektive verwenden, also den Klienten bitten, bei einem Aspekt zu bleiben und sich ihn näher anzusehen
Bearbeitungsangebotskala
• Stufe 1: Keine Bearbeitung persönlich relevanter Inhalte anregen
Therapeut regt den Klienten nicht dazu an, Inhalte zu bearbeiten, die für diesen persönlich relevant sind.
• Stufe 2: Intellektualisieren anregen
Therapeut regt den Klienten dazu an, Vermutungen und Hypothesen über seine Inhalte zu äußern, sie zu „intellektualisieren“
• Stufe 3: Bericht anregen
Der Therapeut regt den Klienten dazu an, über Inhalte zu berichten.
• Stufe 4: Bewertung anregen
Therapeut regt den Klienten dazu an, in zuschreibender Weise eine Bewertung eines Inhaltes oder seiner bisherigen Bearbeitungsweise anzugeben.
• Stufe 5: Persönliche Bewertung anregen
Der Therapeut regt den Klienten dazu an, eine persönliche Bewertung eines Inhaltes
• Stufe 6: Persönliche Bedeutung anregen
Der Therapeut regt dazu an, zu einem Inhalt ein Gefühl, eine persönliche Bedeutung oder eine gefühlte Bedeutung anzugeben.
• Stufe 7: Explizierung von Aspekten des inneren Bezugssystems/ Repräsentationsbildung anregen
Therapeut regt den Klienten dazu an, seine emotionalen Konzepte/ Aspekte des inneren Bezugssystems zu explizieren.
• Stufe 8: Integration anregen
Therapeut regt den Klienten dazu an, das explizierte emotionale Konzept/ explizierte Aspekte des inneren Bezugssystems mit anderen Konzepten/ Aspekten zu verbinden, es zu integrieren.
Psychologische Gesprächsführung im Kontext der Beratung
§1 des Psychotherapeutengesetzes ist Psychotherapie „jede mittels wissenschaftlich anerkannter psychotherapeutischer Verfahren vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Störungen mit Krankheitswert… Zur Psychotherapie gehören nach diesem Gesetz nicht solche psychologischen Tätigkeiten, die die Aufarbeitung und Überwindung sozialer Konflikte oder sonstige Zwecke außerhalb der Heilkunde zum Gegenstand haben“
Abgrenzung Psychotherapie und Beratung - Definition klinisch-psychologische Beratung
Definition klinisch-psychologische Beratung (Warschburger, 2009)
• Beratung in der Klinischen Psychologie bezeichnet ein Gespräch oder einen anderen kommunikativen (z.B. schriftlichen) Austausch zwischen einem Ratsuchenden und einem Beratenden, wobei der Beratende dem Ratsuchenden Informationen, Anregung, Anleitung und sonstige Hilfestellung zu Fragestellungen gibt, um ihn
o bei der Orientierung in Lebenssituationen,
o beim Treffen von Entscheidungen,
o bei der Planung von Handlungen und bei der Lösung bzw. Bewältigung von Problemen
zu unterstützen. Durch die Beratung sollen die Fähigkeit zur Problemlösung, die Handlungskompetenz und die Selbststeuerungsfähigkeit verbessert werden.
Phasenmodell der lösungsorientierten Beratung (Bamberger, 2010)
- Synchronisation (Kennenlernen, erste Orientierung, Problemverstehen, Lösungsauftrag, Kontraktbildung)
- Lösungsvision (Merkmale der Lösung explorieren und bewusst machen)
- Lösungsverschreibung (Ressourcen identifizieren und im Rahmen von HAs nutzen)
- Lösungsbegleitung (Lösungsaktivität des Klienten begleiten)
- Lösungsevaluation (Annäherung an die Lösung erkennen und den Klienten in seinem Lösungshandeln erneut verstärken; ggf. Konzeption der weiteren Veränderungsschritte)
- Lösungssicherung (dem Klienten als Gestalter seines Lebens gratulieren, Beratung beenden)
Lösungsorientierte Beratung und ihre Krenneichen
- Kooperativer Prozess zur Konstruktion von Lösungen
- Annahme: Klient verfügt bereits über alle notwendigen Fähigkeiten, um das Problem zu bewältigen > diese Fähigkeiten werden im Beratungsprozess durch geeignete Fragen und Hausaufgaben aktiviert
• Kennzeichen der lösungsorientierten Beratung o Zukunft fokussieren o Wahlmöglichkeiten schaffen o Ressourcen identifizieren o Kooperation realisieren o Begleitung der ersten Schritte o Selbstwirksamkeit unterstützen
Zentrale Methoden
Lageorientiert & klärend: zuhören
Lageorientiert & erweiternd: wertschätzen
Handlungsorientiert & klärend: fragen
Handlungsorientiert & erweiternd: ermutigen
Funktionen von Fragen im Kontext der lösungsorientierten Beratung
1) Klärung: Einholen fehlender Informationen, insb. hinsichtlich der individuellen Merkmale und des besonderen Lebenskontextes des Klienten
2) Fokussierung: Lenkung der Aufmerksamkeit; Auseinandersetzung mit bestimmten Sachverhalten
3) Pre-sensing: Perspektiverweiterung: „Was wäre wenn…?“
4) Verstärkung: Die Art der Formulierung der Frage ist immer auch „Du-Botschaft“ und kann Einladung zur gemeinsamen Meinungsbildung sein „Was hat Sie bloß dazu gebracht, sich gerade so zu verhalten“ unterscheidet sich von „Wie sind Sie auf die kreative Idee gekommen, es so zu probieren?“
Lösungsorientierte Fragen
Ausnahme-Fragen Coping-Fragen Evaluative Fragen Externalisierungsfragen Hoffnungsfragen
Hypothetische Fragen Immunisierungsfragen Lösungsorientierte Fragen Operationale Fragen Pre-session change Fragen
Prozessfragen Reflexive Fragen Re-framing Fragen Ressourcen-Screening Skalierungsfragen
Splitting-Fragen Start-up Fragen Systemische Fragen Und was noch? Fragen Unterschiedsfragen
Universalfrage Verflüssigungsfrage Verschlimmerungsfrage Wunderfrage Zielerklärungsfrage