11. Generalisierte Angststörung Flashcards
Angststörungen: Klassifikation
Normale Angst:
Angemessene Reaktion (Besorgnis, Unlust) auf tatsächliche, erwartete oder vorgestellte Bedrohung (Auslöser) der körperlichen Unversehrtheit, der Selbstachtung oder des Selbstbildes
– Angst: Allgemeines Gefühl bei erwarteter oder vorgestellter bzw. unklarer/entfernter Bedrohung
– Furcht: Spezifisches Gefühl bei tatsächlicher bzw. klarer/unmittelbarer Bedrohung
Pathologische Angst (Angststörungen):
Unangemessene Reaktion (Besorgnis, Unlust) auf tatsächliche, erwartete oder vorgestellte Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit, der Selbstachtung oder des Selbstbildes
– Unangemessene Auslöser, Häufigkeit, Intensität, Dauer / Vermeidungsverhalten
– Schwerwiegende Beeinträchtigung der privaten, sozialen und beruflichen Leistungsfähigkeit
und Lebensqualität – Leid
► Kontinuum von normaler und pathologischer Angst
Angst Syndrom (Mehr-Ebenen-Modell)
Emotionale Ebene:
Bedrohung, Angst, Furcht, Panik, Unruhe, Beunruhigung, …
Kognitive Ebene:
Befürchtungen, Vorstellungen, Sorgen, Grübelei, …
Motorische Ebene:
Flucht/Kampf (Mobilisierung/Aktivierung) Totstellen (Immobilisierung/Deaktivierung)
Physiologische Ebene:
Herzrasen, Schwitzen, Zittern, Schwindel, Atemnot, Beklemmung, …
Angst Syndrom (3-Ebenen-Modell)
Emotionale Ebene:
Bedrohung, Angst, Furcht, Panik, Unruhe, Beunruhigung, …
Kognitive Ebene:
Befürchtungen, Vorstellungen, Sorgen, Grübelei, …
Motorische Ebene:
Flucht, Kampf, Hilfesuchen, …
Physiologische Ebene:
Herzrasen, Schwitzen, Zittern, Schwindel, Atemnot, Beklemmung, …
Diagnosen (ICD-10)
Phobische Störungen (F40) – Agoraphobie ohne Panikstörung (F40.00) – Agoraphobie mit Panikstörung (F40.01) – Soziale Phobie (F40.1) – Spezifische Phobie (F40.2)
Andere Angststörungen (F41)
– Panikstörung (F41.0)
– Generalisierte Angststörung (F41.1)
– Angst und depressive Störung gemischt (F41.2)
Zwangsstörung (F42)
– Zwangsstörung: Zwangsgedanken (F42.0)
– Zwangsstörung: Zwangshandlungen (F42.1)
– Zwangsstörung: Zwangsgedanken/-handlungen (F42.2)
Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen (F43)
– Akute Belastungsreaktion (F43.0)
– Posttraumatische Belastungsstörung (F43.1)
– Anpassungsstörung (F43.2)
Diagnosen (DSM-IV)
Angststörungen
– Agoraphobie ohne Panikstörung (300.22)
– Generalisierte Angststörung/Soziale Angststörung (300.23)
– Spezifische Phobie (300.29)
– Panikstörung mit Agoraphobie (300.01)
– Panikstörung ohne Agoraphobie (300.21)
– Generalisierte Angststörung (300.02)
Angststörungen
– Zwangsstörung (300.3)
Angststörungen
– Akute Belastungsstörung (308.3)
– Posttraumatische Belastungsstörung (309.81)
Generalisierte Angststörung: Deskription: Definition
Normale Sorgen:
Furchtsame Erwartungen bzgl. bedrohlicher zukünftiger Ereignisse oder Situationen
– Sorgen als „mentale“ Problemlösung: Kognitive (distanzierte) anstelle emotionaler Auseinandersetzung mit angstbesetzten Ereignissen oder Situationen
– Unterscheidung von Typ-I (Alltags-Sorgen) und Typ-II (Meta-Sorgen) Sorgen
Pathologische Sorgen
(Angststörungen):
Unangemessene furchtsame Erwartungen bzgl. bedrohlicher zukünftiger Ereignisse oder
Situationen
– Angemessener (realistischer) Inhalt der Sorgen
– Unangemessene Häufigkeit, Intensität und Dauer der Sorgen
– Automatische und generalisierte Auslösung der Sorgen
– Mangelnde Kontrollierbarkeit der Sorgen
– Vermeidung der Sorgen bzw.
– Beeinträchtigung der privaten, sozialen und beruflichen Leistungsfähigkeit und
Lebensqualität
– Leid
► Kontinuum von normalen und pathologischen Sorgen
Generalisierte Angststörung: Deskription: Sorgenbereiche
Familie/soziale Beziehungen:
„Mein Ehemann könnte ein Unfall haben!“
„Ich werde heute auf der Party kein guter Gesprächspartner sein!“
Arbeit/Leistung:
„Ich könnte etwas falsch machen und meinen Job verlieren!“ „Ich kann die von mir geforderte Leistung nicht mehr erfüllen!“
Gesundheit:
„Ich selbst oder ein Familienangehöriger könnte schwer erkranken!“ „Ich lebe nicht gesund genug!“
Finanzen:
„Das Geld wird für die Kinder und ihre Zukunft nicht reichen!“
„Ich könnte nicht mehr imstande sein, meine Familie zu ernähren!“
Alltägliches:
„Ich könnte den Bus verpassen und dann zu spät kommen!“
„Ich kaufe bestimmt wieder Schuhe, die nachher nicht passen!“
► Realistische Sorgen, aber übermäßige Häufigkeit, Intensität und Dauer der Sorgen
► Mangelnde Kontrollierbarkeit der Sorgen
Sorgenketten
Sorge #1 „Ich hab Magenschmerzen. Das ist bestimmt ein Geschwür -> Sorge # 2 „Ich kann nicht zum Arzt. Ich muss arbeiten. Ich brauch das Geld.“ -> Sorge # 3 „Ich hab schon soRealitätsanpassung wenig Geld. Meine Rente wird nicht zum Leben reichen“ -> Sorge # 4 „Ich werde in Altersarmut geraten. Ich werde verhungern.“
Generalisierte Angststörung: Deskription:
Typ-I Sorgen (Wells, 1995), Typ-II Sorgen (Wells, 1995)
Typ-I Sorgen (Wells, 1995):
„Schaff ich das mit der Arbeit? Das ist so wenig Zeit. Das wird nicht ordentlich. Das wird dem Chef nicht gefallen.”
„Meine Schwester ist nicht über das Handy erreichbar, hoffentlich ist ihr nichts Schlimmes zugestoßen! Sie hat vielleicht eine Unfall gehabt und leidet fürchterlich.”
„Hoffentlich passiert den Kindern nichts, wenn Sie in der Schule sind.“
Typ-II Sorgen (Wells, 1995):
“Wenn ich mir keine Sorgen mache, werde ich vielleicht böse überrascht.”
“Vor lauter Sorgen kann ich nicht mehr schlafen, finde keine Ruhe mehr, bin nicht mehr leistungsfähig, werde
meinen Job verlieren.”
“Sich so viele Sorgen zu machen ist nicht mehr normal.”
► Unterscheidung von Typ-I (Alltags-Sorgen/Vorsorge) und Typ-II (Meta-Sorgen)
► Unterscheidung von positiven (Sorge ist Vorsorge) und negativen (Sorgen machen krank) Typ-II Sorgen
Generalisierte Angststörung
Angst/Sorge:
Ausgeprägte Angst (frei flottierend) und Sorgen (furchtsame Erwartungen) bzgl. normaler Ereignisse oder Tätigkeiten
– Normaler Inhalt der Sorgen
– Übermäßige Häufigkeit, Intensität und Dauer der Sorgen
– Mangelnde Kontrollierbarkeit Sorgen
Auslösung:
Auslösung bei tatsächlicher, vorgestellter und/oder erwartete Konfrontation mit sorgen- bezogenen Gedanken oder Situationen (keine spezifischen Objekte oder Situationen)
– Automatische Auslösung und Generalisierung der Sorgen (Sorgenketten)
– Typische Auslöser: Nachrichten über Autounfälle, Schilderungen über Krankheiten
Vermeidung:
Vermeidungs- und Sicherheitsverhalten bei tatsächlicher, vorgestellter und/oder erwarteterKonfrontation mit sorgen-bezogenen Gedanken oder Situationen
– Verhalten zum Verhindern, Verringern oder Vermeiden von Angstsymptomen
– Typisches Vermeidungsverhalten: Übertriebene Vorbereitung, Aufschub von Entscheidungen
– Typisches Rückversicherungsverhalten: Ständiges Nachfragen, Wiederholtes Anrufen
► Kurzfristige Verbesserung aber langfristige Verschlechterung der Symptomatik
Einschränkungen:
Funktionale Einschränkungen der privaten, sozialen und beruflichen Leistungsfähigkeit und Lebensqualität
Leid:
Leid in Abhängigkeit vom Grad der Angst und Vermeidung bzw. der damit einhergehenden Einschränkungen
Symptome
Affektive Symptome:
Ängstlichkeit, Niedergeschlagenheit, Reizbarkeit, Besorgtheit
Kognitive Symptome:
Sorgen (Typ-I, Typ-II), Grübeln, Aufmerksamkeits- und Denkeinengung auf negative Inhalte (Bedrohung), Pessimismus, Katastrophisierung, Aufmerksamkeits-, Konzentrations- und
Denkprobleme, Entscheidungsprobleme,
Motivational- behaviorale Symptome:
Ruhelosigkeit, Anspannung, Vermeidungsverhalten, Sicherheitsverhalten, Rückversicherungsverhalten
Somatisch-vizerale Symptome:
Ermüdbarkeit, Schlafstörungen, Ruhelosigkeit, Schreckhaftigkeit, Verspannung, Übelkeit, Herzklopfen, Atemschwierigkeiten, Schwitzen Triebbefriedigung
Angst Syndrom (Mehr-Ebenen-Modell)
Emotionale Ebene:
Angst, Unruhe, Anspannung
Kognitive Ebene:
Sorgen Grübeln Pessimismus
Motorische Ebene:
Flucht/Kampf (Mobilisierung/Aktivierung): Moderate (!) Sympathikus Aktivierung Vermeidungs- und Sicherheitsverhalten
Rückversicherungsverhalten
Physiologische Ebene:
Herzrasen, Schwitzen, Zittern, Schwindel, Atemnot, Beklemmung, Erröten
► Kognitive Symptome als zentraler Motor der Symptomatik
Generalisierte Angststörung: Diagnostik: Generalisierte Angststörung (F41.1, ICD-10)
A:
Anspannung, Besorgnis und Befürchtungen in Bezug auf alltägliche Ereignisse und Probleme über mindestens 6 Monate
B:
Mindestens 4 Angstsymptome aus 6 Bereichen
– Vegetative Symptome (z.B. Schweißausbrüche)
– Thorax und Abdomen Symptome (z.B. Beklemmungsgefühle)
– Psychische Symptome (z.B. Angst vor Kontrollverlust)
– Allgemeine Symptome (z.B. Hitzegefühle oder Kälteschauer)
– Anspannung Symptome (z.B. Muskelverspannung)
– Unspezifische Symptome (z.B. Konzentrationsschwierigkeiten)
C:
Keine Erfüllung der vollständigen Kriterien für eine Panikstörung, eine phobische Störung, eine Zwangsstörung
oder eine hypochondrische Störung
E:
Symptome von A und B nicht aufgrund anderer Störungen (organische Krankheit, organische psychische Störung, Störungen durch psychotrope Substanzen)
Allgemeine Angstsymptome (F40.0 Kriterium B, ICD-10)
Vegetative Symptome:
Palpitationen, Herzklopfen oder erhöhte Herzfrequenz Schweißausbrüche
fein- oder grobschlägiger Tremor
Mundtrockenheit (nicht infolge Medikation oder Exsikkose)
Thorax und Abdomen Symptome: Atembeschwerden Beklemmungsgefühl Thoraxschmerzen oder -missemfindungen Nausea oder abdominelle Missempfindungen (z. B. Unruhegefühl im Magen).
Psychische Symptome:
Gefühl von Schwindel, Unsicherheit, Schwäche oder Benommenheit
Gefühl von Unwirklichkeit und Entfremdung (Derealisation, Depersonalisation)
Angst vor Kontrollverlust, verrückt zu werden oder “auszuflippen“
Angst zu sterben
Allgemeine Symptome:
Hitzewallungen oder Kälteschauer
Gefühllosigkeit oder Kribbelgefühl
Generalisierte Angststörung: Diagnostik: Generalisierte Angststörung (300.02, DSM-V)
A:
Übermäßige Angst und Sorgen (furchtsame Erwartungen) bezüglich mehrerer Ereignisse oder Tätigkeiten über mindestens 6 Monate an der Mehrzahl der Tage
B:
Schwierigkeiten bei der Kontrolle der Sorgen
C:
Angst und Sorgen zusammen mit mind. 3 von 6 Symptomen (innerhalb der letzten 6 Monate/Mehrzahl der Tage)
– Ruhelosigkeit
– Leichte Ermüdbarkeit
– Konzentrationsschwierigkeiten oder Leere im Kopf
– Reizbarkeit
– Muskelspannung
Realitätsanpassung
– Schlafstörungen (Ein- oder Durchschlafschwierigkeiten oder unruhiger, nicht erholsamer Schlaf)
D:
Leid oder Beeinträchtigung in sozialen, beruflichen und anderen Funktionsbereichen aufgrund der Angst, Sorgen oder körperlichen Symptome
E:
Angst und Sorgen nicht aufgrund einer Substanz oder eines medizinischen Krankheitsfaktors
F:
Keine Erklärbarkeit der Angst und Sorgen durch die Symptome anderer psychischer Störungen
Generalisierte Angststörung (41.1)
Psychische Störungen: Normale Sorgen Angststörungen – Panikstörung – Agoraphobie – Spezifische Phobien – Soziale Phobie – Zwangsstörung Affektive Störungen – Depressive Störungen Somatisierungsstörungen – Hypochondrie
Andere Störungen:
Störungen durch somatische Störung und/oder Medikamente/Drogen
Generalisierte Angststörung: Differentialdiagnostik
Differentialdiagnose: Panikstörung
Überlappende Merkmale:
Sorge um Gesundheit Sorge um Arbeitsfähigkeit Ängstlichkeit Erwartungsangst
Differenzierende Merkmale:
Panikanfälle
Sorgen bzgl. Panik, Angst und deren Auswirkungen
Differentialdiagnose: Phobien (Agoraphobie, Soziale Phobie, Spezifische Phobie Überlappende Merkmale: Sorge vor Beeinträchtigung durch Ängste Differenzierende Merkmale: Situative Ängste Starkes (offenes) Vermeidungsverhalten Eindeutige Angstauslöser Keine Angst bei fehlendem Auslöser Sorgen bzgl. Panik, Angst und deren Auswirkungen
Differentialdiagnose: Zwänge Überlappende Merkmale: Negative, schwer zu kontrollierende Gedanken Angst Differenzierende Merkmale: Stereotype Gedanken Thematische Gedanken, ich-dyston Rituale Zwangshandlungen
Differentialdiagnose: Depression Überlappende Merkmale: Grübeln Schlafstörungen Müdigkeit Konzentrationsschwierigkeiten Differenzierende Merkmale: Niedergeschlagenheit, Interessenslosigkeit Depressivität Grübeln über Vergangenes Grübeln über Versagen, Schuld, Tod
Differentialdiagnose: Hypochondrie Überlappende Merkmale: Sorgen um Gesundheit Differenzierende Merkmale: Überzeugung krank zu sein Sorgen bzgl. eines Bereichs Sorgen bzgl. Gesundheit und Krankheit Wiederholte Arztbesuche Kurzanhaltende Beruhigung nach Arztbesuch
Differentialdiagnose: Schilddrüsenüberfunktion Überlappende Merkmale: Angst Schlafstörungen Körperliche Symptome der Angst und Anspannung Differenzierende Merkmale: Im Allgemeinen keine Sorgen Organischer Befund
Komorbide Störungen
Psychische Störung (82%):
Irgendeine psychische Störung (82%)
Affektive Störungen (63%):
Depressive Störungen (62%)
Angststörungen (52%):
Irgendeine Angststörungen (52%) Panikstörung (11-27%) Spezifische Phobien (15-56 %) Soziale Phobie (15-56%)
Persönlichkeitsstörungen:
Zwanghafte Persönlichkeitsstörung (34%)
Paranoide Persönlichkeitsstörung (31%) Ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung (22%)
Substanzmittelmissbrauch und - abhängigkeit:
Substanzmittelmissbrauch und -abhängigkeit
Generalisierte Angststörung: Diagnostische Verfahren
Interviews und Checklisten (allgemein):
Strukturiere Klinische Interview für DSM-IV (SKID-I, Wittchen et al., 1997; DSM-IV) Standardisiertes Interviewsystem (DIA-X-CIDI, Wittchen & Pfingster 1997; DSM-IV, ICD-10) Diagnostische Interview für psychische Störungen (DIPS, Margraf et al., 1994; DSM-IV) Internationale Diagnose Checkliste für ICD-10 (IDCL, Hiller et al. 1996; ICD-10)
Screening (spezifisch):
Generalized Anxiety Disorder Scale (GAD-7, Löwe et al., 2008)
Fragebögen (allgemein):
Symptom Check List (SCL-90-R, Franke, 2002) Brief Symptom Inventory (BSI, Franke, 2000)
Fragebögen (spezifisch):
Meta-Cognitions Questionnaire (MCQ, Hoyer & Gräfe, 1999)
Penn State Worry Questionnaire (PSWQ, Stöber, 1995)
Worry Domain Questionnaire (WDQ, Joormann & Stöber, 1997)
Risikofaktoren
Geschlecht:
Weibliches Geschlecht: Frauen > Männer (2:1)
– Stärkster Geschlechtseffekt:
Spezifische Phobie:
– Schwächster Geschlechtseffekt: Generalisierte Angststörung
Alter
Spezifische Phobien
– Kindheit und frühe Adoleszenz
Soziale Phobie
– Pubertät und Adoleszenz
Panikstörung
– Späte Adoleszenz und junges Erwachsenenalter: 20-30 Jahre Generalisierte Angststörung
– Späte Adoleszenz und junges Erwachsenenalter: 20-30 Jahre
– Spätes Erwachsenalter: 55-60 Jahre
► Hochrisikoalter: 20-25 Jahre (Ausnahme GAS)
Familienstand:
Panikstörung, Agoraphobie, Generalisierte Angststörung und spezifische Phobien
Prof. Dr. A. Lischke | Störungslehre 46 – Getrennt, geschieden, verwitwet
Generalisierte Angststörung: Verlauf
Erstauftreten:
Erstauftreten in Adoleszenz und jungem Erwachsenenalter sowie in spätem Erwachsenenalter
– Erstauftreten (schleichender Beginn): 20-30 Jahre
– Erstauftreten: 55-65 Jahre (häufigste Störung im späten Erwachsenalter)
Erstbehandlung:
Behandlung meist 10 Jahre nach Erstauftreten: 30 Jahre
– Mangelnde Wahrnehmung der Sorgen als Störung
– Mangelnde Diagnose der Sorgen als Ursache des Problems (Fokus auf Begleitsymptomatik wie
Schlafstörungen und Nervosität)
► Fehldiagnosen und Fehlbehandlung
► Erhöhtes Risiko für Chronifizierung und Komorbiditäten
Weiterer Verlauf:
Chronischer Verlauf mit Schwankungen (waxing and waning) und seltenen Spontanremissionen
Triebbefriedigung Abwehr
– Häufig schwankender Verlauf mit zwischenzeitlicher Verbesserung aber mit insgesamt
zunehmender Verschlechterung
– Verschlechterung mit steigendem Lebensalter
– Moderate Verbesserung nach Behandlung
Prognose: Ungünstige Prognose – Mehrjährige generalisierte Angst – Weibliches Geschlecht – Problematische familiäre Beziehungen – Psychiatrische Komorbidität
Konsequenzen
Leid und Beeinträchtigung:
Persönliches Leid
Einschränkung der privaten, sozialen, familiären und schulischen/beruflichen Leistungsfähigkeit
► Kosten für Betroffene und Gesellschaft (Gesundheitssystem, Wirtschaft)
Behandlung:
Vorwiegende (Fehl-Behandlung) in der hausärztlichen und nicht fachspezifischen
Versorgung
► Fehldiagnosen und Fehlbehandlung
► Belastung des Gesundheitssystems (high utilizer)
► Chronifizierung der Störung
Komorbidität:
Entwicklung komorbider psychischer Störungen
– Depressive Störungen
– Angststörungen (Spezifische Phobien, Soziale Phobie) – Persönlichkeitsstörungen
– Substanzmittelmissbrauch und -abhängigkeit
Biologische Faktoren: Gene
Heritabilität:
Variabilität in der moderaten Heritabilität
– Spezifische Phobie, Soziale Angststörung und Generalisierte Angststörung: 20-40%
– Panikstörung: 50 %
Gen x Umwelt-Interaktion: Stärkerer Beitrag von Umwelt als von Genen auf Vulnerabilität
– Gen-Varianz: 23%, Umwelt-Varianz: 77%
Gene
Unklarer Beitrag bestimmter Gene auf genetische Disposition für Angststörungen
Beitrag von bestimmten Genen auf genetische Disposition für allgemeine Ängstlichkeit
– 5-HTTPLR, Neuropeptid Y, Chormosom 4q21, Glutaminsäuredekarboxylase-Gen1, … Beitrag von bestimmten Genen auf genetische Disposition für Angst verwandte Traits
– 5-HTT, 5-HT1A, MAOA, BDNF, NSPR1, COMT, CHRHR1, RGS2, THBS2, CAMKT
► Aktive und passive Gen x Gen x Umwelt-Interaktionen / Epigenetik
► Beeinflussung bestimmter Funktionen (Informationsverarbeitung, Stressreagibilität) über Veränderung neurobiologischer Systeme (Neurotransmitter, Hormone, Neuroanatomie, Neurophysiologie)
Biologische Faktoren: Neurotransmission
GABA:
GABA (in Interaktion Noradrenalin): GABA Transmission-Dysbalance – Störung des Benzodiazepin-GABA-Rezeptor-Komplexes
► Nachweis mittels Benzodiazepine
Angst/Sorgen ↑ Ruhelosigkeit ↑
Glutamat:
Glutamat (in Interaktion Noradrenalin): Glutamat-Transmission-Dysbalance
– Störung des N-Methyl-Asparat (NMDA)-Rezeptor
► Nachweis mittels Glutatmat-Antagonisten (D-Cyloserin)
Angst/Sorgen ↑ Ruhelosigkeit ↑
Noradrenalin:
Noradrenalin (Locus coerulus): Noradrenalin Transmission-Dysbalance – Störung des Noradrenalin-Rezeptors
► Nachweis mittels Antidepressive (SNRI)
Angst/Sorgen ↑ Ruhelosigkeit ↑ Sympathikus ↑
Serotonin:
Serotonin: Serotonin Transmission-Dysbalance
– Störung des Serotonin-Rezeptors
► Nachweis mittels Antidepressiva (SSRI, TZA, MAOI)
Angst/Sorgen ↑ Ruhelosigkeit ↑ Sympathikus ↑
► Komplexe Dysbalancen in Neurotransmitter-Systemen (Konzentration, Rezeptordichte/-affinität, Signalkaskaden)
► Beeinflussung bestimmter Funktionen (Informationsverarbeitung, Stressreagibilität) über Veränderung neurobiologischer Systeme (Neuroanatomie, Neurophysiologie)