06.01 Anorexia Nervosa Flashcards

1
Q

Störungsbild und Kennzeichen

A
1. Selbst herbeigeführtes Untergewicht
• Körpergewicht unter 85 % zu erwartenden Wertes
• Kinder und Jugendliche: Unter 10. Altersperzentil
• BMI ≤ 17.5
durch:
- Restriktives Essverhalten
- Oft verstärkte körperliche Aktivität
- z.T. „Purging“-Verhalten
  1. Negatives Körperbild
    - Fühlen trotz deutlichen Untergewichts zu dick
    -  Unrealistische Einschätzung eigenen Körpergewichts
    -  Starke Abhängigkeit des Selbstwertgefühls von Figur und Gewicht
  2. Essen große Rolle in Gedankenwelt
    -  Starke gedankliche Beschäftigung mit Essen oder Kalorien
    -  Essrituale
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2
Q

Klassifikation nach ICD-10

A

A. Gewichtsverlust bzw. bei Kindern fehlende Gewichtszunahme (mind. 15% unter Normalgewicht oder für Alter und Körpergröße zu erwartenden Gewicht)

B. Gewichtsverlust selbst herbeigeführt durch Vermeidung »dickmachender« Nahrung

C. Selbstwahrnehmung als zu dick, Furcht, zu dick zu werden, Annehmen einer sehr niedrigen Gewichts-
schwelle für selbst

D. Umfassende endokrine Störung der Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse

  • Frauen: Amenorrhö ohne kontrazeptive Medikation
  • Männern: Verlust sexuelles Interesse/Potenz

E. Kriterien A. und B. der Bulimia nervosa nicht erfüllt

Unterscheidungen:
AN ohne aktive Maßnahmen zur Gewichtsabnahme (Erbrechen, Abführen etc.)
AN mit aktiven Maßnahmen zur Gewichtsabnahme (Erbrechen, Abführen etc., evtl. verbunden mit Essanfällen)

2 Typen der AN:

  1. Restriktiver Typus (F50.00):
    Während aktuellen Episode der AN keine regelmäßigen „Fressanfälle“ oder „Purging“-Verhalten
  2. Purging Typus (F50.01):
    - Während aktuellen Episode der AN regelmäßige „Fressanfälle“ und „Purging“-Verhalten
    - Unterscheidung: Bei BN A. und B. nicht erfüllt
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3
Q

Auswirkungen auf körperlicher und psychischer Ebene

A
  1. Körperliche Folgen:
    - Hormonelle Störungen:
    • Amenorrhö (Ausbleiben der Monatsblutung)
    • Schilddrüsenfunktion
    • Spätrisiken (Infertilität, Osteoporose)
    - Verzögerte Pubertät, vermindertes Wachstum
    - Stoffwechselverlangsamung
    - Absinken der Körpertemperatur
    - Kälteempfindlichkeit
    - Langbehaarung, Haarausfall
    - Kaliummangel -> Herzrhythmusstörungen, Bradykardie, Hypotonie
    - Verstopfung, Völlegefühl nach minimaler Nahrung
    - Anämie und Nährstoffmangel
    - Bei Erbrechen: Zahnschädigungen, Schwellungen der Speicheldrüsen, Entzündungen der Speiseröhre
    - Hirnstoffwechselveränderungen (vergrößerte Ventrikel)

Viele dieser Zeichen verschwinden, wenn Normalgewicht 3 Monate lang erreicht

  1. Psychische Folgen:
    - Selektives Essverhalten: „verbotene“ Nahrungsmittel
    - Verdeckte gegensteuernde Maßnahmen
    - Affektive Instabilität
    - Heimliches exzessives Wiegen, permanente Beschäftigung mit Essen, Kalorientabellen, usw.
    - Restriktiver Typus: Rigidität (Starrheit in Einstellung, Zielsetzung, Meinung)
    - Andere bekochen
    - Nicht in der Öffentlichkeit essen
    - Familiäre Spannungen
    - Änderung des Sexualverhaltens
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4
Q

Epidemiologie

A
  1. Prävalenzen:
    - LP: <1%
    - Frauen: ca. 90 %
    - Sozioökonomischer Status: Mittel- bis Oberschicht
    - Lebensbedrohliche Störung (10% gestorben)
  2. Verlauf:
    - Störungsbeginn meist 10-19 Jahre, Hauptrisikoalter Pubertät
    - Beginn: Diäthalten -> Essanfälle mit Gegenmaßnahmen
    - Prognosen:
    • Gut: Früher Erkrankungsbeginn und kurze Dauer
    • Schlecht: Heißhungerattacken und Erbrechen, besonders niedriges Gewicht am Anfang, längere Krankheitsdauer, erhöhte Zwanghaftigkeit
    - Mortalität innerhalb 5 Jahren über 5 % (12-12.8%)
    - Verbleibende: Nach 4-10 Jahren ca. 45% geheilt, 35% gebessert, 20% chronischer Verlauf.
    - Verlauf bei adoleszenten Patientinnen günstiger: ca. 70-75% langfristig gesund
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5
Q

Ätiologie

A
  1. Spezifische Risikofaktoren:
    - Geburtskomplikationen, Frühgeburt, Schwangerschaftskomplikationen
    - Erhöhter Perfektionismus
    - Konflikte innerhalb der Familie und hohe elterliche Anforderungen
    - Adoption/Pflegeunterbringung
    - Esskonflikte, wählerisches Essverhalten, Kämpfe um Mahlzeiten
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6
Q

Therapie

A
  1. Allgemein:
    - Motivationale Probleme
    - Ambivalenz ggü. Gewichtsveränderung und Veränderung der Essgewohnheiten
    - Aufbau Veränderungsmotivation zur Compliance Gewährleistung zentral
    - Doppelte Therapiedauer vgl. zu anderen Essstörungen (Gewichtszunahme)
    - Therapie möglichst im ambulanten Setting (Transfer in Alltag) -> Bei Verschlechterung intensivere Behandlung
  2. Kognitive Verhaltenstherapie:
    - Ansetzen an spezifischen Aufrechterhaltungsfaktoren
    - Spezifische Elemente:
    • Psychoedukation
    • Aufbau regelmäßiges und gesundes Essverhalten
    • Modifikation dysfunktionaler Gedanken + Verhaltensweisen

Erweiterung: Transdiagnostische Therapie (Fairburn)
Basiert auf Annahmen des transdiagnostischen Modells
Phase 1:
- Therapiemotivation und Psychoedukation
- Individualisiertes Störungsmodell und erste Verhaltensänderungen
Phase 2:
- Übersicht bisher Erreichten und Identifikation potentieller Hindernisse
- Erweiterung des Störungsmodells um Einfluss der 4 zusätzlichen Aufrechterhaltungsfaktoren
Phase 3:
- Bearbeitung individuell wirksamer Aufrechterhaltungsmechanismen
- Modifikation der Essstörungspsychopathologie
Phase 4:
- Aufrechterhaltung des Gelernten
- Rückfallprophylaxe

  1. Familienbasierte Therapie: Maudsley-Modell
    (Lock)
    - Allgemein: Familie als Ressource
    - Entlastung der Familienangehörigen von Schuldgefühlen, Aufklärung, Unterstützung bei Förderung von Verhaltensänderungen
    - Eltern zunächst Kontrolle über Verhaltensänderungen der Patientin
  • Phase 1: schrittweise Normalisierung des Gewichts (externale Kontrolle: Anleitung der Eltern)
    • Mahlzeiten beobachten
    • Nahrungsaufnahme steigern
    • Bewegung einschränken
  • Phase 2: Schrittweise Kontrollübergabe an Patienten
    • Rückerhalt altersgemäßen Autonomie über Ess- und
    Bewegungsverhalten
  • Phase 3: Fokussierung allgemeiner Probleme der Entwicklung im Jugendalter
    • Einfluss AN auf typische Entwicklungsaufgaben
    • Umgang und Bewältigung
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7
Q

Bewährung der Therapie

A

Forschung unterstützt multidisziplinares, multimodales Vorgehen: Psychologische, medizinische, ernährungswissenschaftliche, soziale Komponenten

  1. Kognitive Verhaltenstherapie:
    - Effektiver als Ernährungsberatung und IPT
    - Genauso wirksam wie unspezifische Behandlung
    - IPT weniger effektiv als „treatment as usual“
  2. Transdiagnostische Therapie:
    - Erste Ergebnisse vielversprechend
    - Bisher keine Ergebnisse zur Behandlung untergewichtiger
  3. Familienbasierte Therapie:
    - Für Pat. im Jugendalter effektiver als Standardbehandlung und andere Ansätze
    - Wirksamkeit für ältere Pat. mit längerer Erkrankungsgeschichte vergleichbar mit
    KVT und psychodynamischen Therapien
  4. Pharmakologische Behandlung:
    - Keine zusätzlichen Effekte zur PT
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