05.02 Soziale Phobie Flashcards
Störungsbild Soziale Phobie
- Starke Angst und Unsicherheit in interaktions- oder leistungsbezogenen Situationen
- Zentral: Befürchtung vor negativen Bewertungen durch andere (im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen, gedemütigt zu werden und/oder sich peinlich/ beschämend zu verhalten)
- Situationen oft vermieden oder nur unter Einsatz von Sicherheitsverhalten durchgestanden
- Oft vor sozialen Situation detaillierte Bilder von sich (visuelle Ausgestaltung der Befürchtungen) -> Erwartungsängste weit im Vorfeld der eigentlichen Konfrontation mit der befürchteten Situa- tion
- Nach Ereignis grübeln viele über Verhalten während der Situation -> Belastende Erlebnisse und vermeintliche eigene Fehler oft selektiv wahrgenommen und erinnert -> Abwertung der Situation oder Selbst
- Manche: Defizite in sozialer Kompetenz (≠ Soziale Phobie)
Definition Sicherheitsverhalten
- Versuch, Angst(symptome) in sozialen Situation zu minimieren oder zu verbergen
- Situation dadurch kurzfristig erträglicher oder kontrollierbarer
- Langfristig Verhaltensweisen aber dysfunktional (lenken Aufmerksamkeit stärker auf Angstsymptome und verhindern korrektive Erfahrungen) -> Aufrechterhaltung der Angst
Diagnostik:
Verfahren und Differentialdiagnose
- Verfahren:
- Klinische Interviews (Skid, DIPS)
- Fragebögen (SPAI, SIAS, SPS, SPIN)
- Fremdrating (LSAS) - Differentialdiagnose:
a) Agoraphobie/Panikstörung:
Primäre Furcht: Panikattacke und keine Hilfe
-> Soziale Phobie: Angst vor negativen Bewertungen zentral
b) Schizophrenie: Paranoide soziale Ängste
- > Soziale Phobie: Ängste als übertrieben erkannt
c) Depression: Meidung geselliger Anlässe
- > Gründe: Antriebslosigkeit, negative Stimmung, Interessenverlust
d) Selbstunsicher-vermeidende Persönlichkeitsstörung:
•Tiefgreifendes Muster sozialer Gehemmtheit
• Insuffizienzgefühle
• Überempfindlichkeit gegenüber negativer Bewertung
• Beginn im frühen Erwachsenenalter
e) Soziales Kompetenzdefizit:
- Keine spezifischen Situationen und Probleme
- Mangelnde soziale Erfahrungen in Vergangenheit
- Leiden: Allg. Unzufriedenheit , Minderwertigkeit
- Kein bewusstes Vermeidungsverhalten
- > Soziale Phobie:
- Angst als Hauptsymptom
- Spezifische Angstsituationen
- Soziale Fertigkeiten vorhanden
- Leiden: Behinderung durch Symptomatik
- Bewusste Wahrnehmung der Vermeidung angstbesetzter Situationen
Epidemiologie
- Prävalenzen:
- LP 7-12% (eins der häufigsten Angststörungen)
- Männer und Frauen fast gleich betroffen
- Erstmanifestation: Jugendalter (10-16 Jahre Hochrisikoalter)
- Bei > 90% vor 25. Lebensjahr - Verlauf:
- Spontanremissionen selten
- Bei Jugendlichen variabler
- Bei Erwachsenen meist chronischer Verlauf
- Höheres Erwachsenenalter: Eher Spontanremissionen, höhere Beeinträchtigung und Vermeidungsverhalten
- Bei Behandlungsbeginn: Meist 30 Jahre alt (10 Jahre ohne Behandlung) - Komorbiditäten: Hoch (50-80%)
- Depression: 40%
- Suizidversuche: 12%
- Suchterkrankungen
- Andere Angststörungen
Ätiologie
- Risikofaktoren:
- Konflikte im Elternhaus, Ängstliches Modellverhalten der Eltern, -> Wichtig: Frühe Lernerfahrungen
- Erziehungsstil, z.B. Normen, Perfektionismus
- Schullabbrüche, Sitzenbleiben
- Disposition zu erhöhter physiologischer Erregbarkeit
- Negative Vorerfahrungen, traumatisch erlebte Situationen (mit Gleichaltrigen, anderem Geschlecht)
- Schweres Teasing in der Kindheit
- > Annahmen über soziale Situationen
Generalisierung der Angst -> Sozialer Rückzug -> Soziale Vereinsamung
- Kognitives Modell der Sozialen Phobie (Clark & Wells)
Beschreibt zentrale Mechanismen der Aufrechterhaltung der Störung
- Grundannahme: Menschen bestrebt, gemocht und sozial unterstützt zu werden -> “Sozialer Fauxpass” könnte fatale Folgen (evolutionär) haben
- Vorfeld einer sozialen Situation: Aktivierung dysfunktionaler Grundannahmen
-> Wahrnehmung der Situation als “bedrohlich”
-> Zunahme körperlicher Angstsymptome
- Symptome beeinträchtigen Person in Situation und Bestätigung des Vorliegens einer Bedrohung
- Einsatz von Sicherheitsverhalten wahrscheinlicher -> Verhalten in Situation tatsächlich auffälliger, mögliche Erfolge darauf attribuiert
- Meisterung der Situation unter starker Angst -> Bewertung als Misserfolg, Bestätigung der dysfunktionalen Annahmen
-> Aufrechterhaltung der Störung
Therapie:
Ansatzpunkte
- Sicherheitsverhalten abbauen
- Angstsymptome und Gefahr entkatastrophisieren
- Selbstfokussierung der Aufmerksamkeit: Fokus auf die externe Situation -> Realitätscheck der wahrgenommenen Gefahr
- Reduktion dysfunktionaler Ziele
Therapie:
Medikamentöse Therapie
Einsatz von Antidepressiva (SSRI, MAOI) bedingt geeignet
- Erhöhen Verfügbarkeit von Neurotransmittern im synaptischen Spalt -> angstlindernd, stimmungsaufhellend
- Befriedigende Effektstärken aber fehlende langzeitliche Wirksamkeitsbelege
- Gleichzeitig mit Psychotherapie Schwierigkeiten (Attribution)
Therapie:
Verschiedene Modelle
1. Komponenten der Therapie (Wlazlo)
- Erklärungsmodell
- Informationen und Übungen zum verbalen und nonverbalen Sozialverhalten
• Bewusste Wahrnehmung anderer Personen
• Augenkontakt
• Mimik
• Körperhaltung
• Soziale Distanz
- In-vivo-Übungen zur sozialen Kompetenz und Angsmangement (Shame Attacking Exercises)
- Selbstbewertungen und -belohnungen
- Vorbereitung im Einzel, dann Gruppentherapie
- Vorgehen nach Clark und Stangier:
- Experiment zur Selbstaufmerksamkeit
- Übungen mit und ohne Sicherheitsverhalten
- Videofeedback (subjektive Einschätzung vs. real Beobachtbarem)
- Abbau negativer Gedanken, Entwicklung eines realistischeren Eindrucks des sichtbaren Selbst
- Weitere Expositionsübungen und Verhaltensexperimente
- Testen von Peinlichkeit von Verhalten oder Symptomen
- Weiteres Aufmerksamkeitstraining
- Modifikation antizipatorischer Verarbeitung und nachträglicher Verzerrung durch Grübeln
- Allgemeine Veränderung dysfunktionaler Kognitionen sowie eines negativen Selbstbildes
- Rückfallprophylaxe
Therapie:
- Kognitive Vorbereitung:
- Vermittlung des Störungswissens
- Vorbereitung auf folgenden Interventionen - Expositionsbehandlung:
- Ziel: Patient soll sich Situation stellen möglichst ohne Vermeidungs- und Sicherheitsverhalten
- Während gefürchteten Situation zu Abnahme der Angst -> Habituation - Kognitive Interventionen:
- Modifikation dysfunktionaler Gedanken und negativer Grundüberzeugungen
- Durch sokratischen Dialog logische Fehler und Verzerrungen herausarbeiten
Bewertung der KVT
- Effektstärken im hohen Bereich
- Langzeitlich reiner medikamentösen Therapie, reiner Expositionsbehandlung und IPT überlegen