05.03 Panikstörung und Agoraphobie Flashcards

1
Q

Definition und Merkmale Panikattacken

A

Definition:

  • Plötzlich und unvorhersehbar auftretende,
  • Zeitlich begrenzte Zustände starker Angst und Unbehagens
  • Begleitet von starken physiologischen und kognitiven Reaktionen
  • Charakteristisch: Spontanes Auftreten (kein eindeutig identifizierbarer externer Auslöser)
  • Keine codierbare Störung, im ICD-10 psychopathologisches Syndrom innerhalb anderer psychischer Störungen
  • Vor allem im Kontext von Angsterkrankungen Rolle, Indiz für Schweregrad der jeweiligen Störung
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2
Q

Definition Panikstörung

A
  • Wiederholte Panikattacken ohne erkennbaren externen Auslöser
  • Führen zu deutlichen Verhaltensänderungen und anhaltende Sorgen bzgl. der Attacken
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3
Q

Klassifikation der Panikstörung nach ICD-10

A
  • Wiederkehrende schwere Angstanfälle, nicht auf spezifische Situation, spezifisches Objekt, besondere Anstrengung oder objektive Gefahr zurückführen lassen
  • Oft spontanes Auftreten
  • Zwischen Attacken weitestgehend angstfreie Zeiträume
  • Angstanfälle: Einzelne Episoden, die abrupt beginnen, innerhalb weniger Minuten Maximum erreichen und mind. einige Minuten dauern
  • Mindestens 4 der folgenden Symptome sind vorhanden (davon 1 von den ersten 4 Symptomen):
    • Herzklopfen oder erhöhte Herzfrequenz
    • Schweißausbrüche
    • Fein- oder grobschlägiger Tremor
    • Mundtrockenheit
    • Atembeschwerden
    • Beklemmungsgefühl
    • Thoraxschmerzen und -missempfindungen
    • Nausea oder abdominelle Missempfindungen
    • Gefühl von Schwindel, Unsicherheit, Schwäche oder Benommenheit
    • Gefühl, die Objekte seien unwirklich (Derealisation) oder man selbst sei weit entfernt oder nicht
    wirklich anwesend (Depersonalisation)
    • Angst vor Kontrollverlust, verrückt zu werden oder »auszuflippen«
    • Angst, zu sterben
    • Hitzewallungen, Kälteschauer
    • Gefühllosigkeit, Kribbelgefühle
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4
Q

Definition und Merkmale Agoraphobie

A

Definition:

  • Furcht und/oder Vermeidung von Orten und Situationen, von denen Flucht schwierig erscheint
  • > Starke Einschränkung des Lebensraums
  • Kennzeichen der vermiedenen Orte:
    • Schwierig, an sicheren Ort zu gelangen
    • Verlassen mit Schamgefühlen verbunden
    • Keine schnelle Hilfe zur Verfügung
  • Annahme: Agoraphobische Ängste Resultat früherer Panikattacken (Furcht vor erneuten Attacke -> Vermeidung Situation, in der Panikattacke erlebt wurde)
  • Vermeidungsverhalten auf spezifische Situationen begrenzt oder stark verallgemeinert
  • Körperinterne Reize oft Rolle bei Panik auslösendem Moment -> Körperliche Anstrengung/Erregung vermieden
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5
Q

Klassifikation der Agoraphobie nach ICD-10

A

Zentraler Unterschied zu DSM: Hierarchische Ordnung von Agoraphobie und Panikstörung

  • ICD: Agoraphobie eigenständige Diagnose, wird Panikstörung übergeordnet (Agoraphobie mit/ohne Panikstörung)
  • DSM: Annahme, Agoraphobie entsteht meist aus Panikstörung -> nachgeordnet
  • Deutliche und anhaltende Furcht oder Vermeidung von mindestens zwei der folgenden Situationen:
    • Menschenmengen
    • Öffentliche Plätze
    • Allein mit dem Auto reisen
    • Reisen mit weiter Entfernung von zu Hause
  • Mindestens einmal nach Beginn der Störung müssen mindestens 2 Angstsymptome aus der Symptomliste der Panikstörung (s. o.) vorhanden gewesen sein
  • Deutliche emotionale Belastung durch das Vermeidungsverhalten oder die Angstsymptome; die Betroffenen haben die Einsicht, dass diese übertrieben oder unvernünftig sind
  • Symptome beschränken sich ausschließlich oder vornehmlich auf die gefürchtete Situation oder Gedanken an sie
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6
Q

Diagnostik

A
  1. Erhebungsmethoden
  • Strukturierte klinische Interviews (SKID, DIPS)
  • Störungssspezifische und -übergreifende Selbst- und Fremdbeurteilungsverfahren: AKV (Fragebogen zu körperbezogenen Ängsten, Kognitionen und Ver- meidung):
    • Anxiety Cognition Questionnaire (ACQ)
    • Body Symptom Questionnaire (BSQ)
    • Mobilitätsinventar (MI)
  • Problemanalyse
  • Verhaltenseyperimente
  • Symptomtagebücher
  1. Differentialdiagnostische Abgrenzung:
    Sorgfältige organmedizinische Absicherung wichtig
    - Abgrenzung zu anderen Angsterkrankungen:
    • Zentrale Befürchtungen während Panikattacke
    • Bei Agoraphobie/Panikstörung: Angst vor möglichen katastrophalen körperlichen und geistigen Konsequenzen
    • Andere Angstsörungen: Bestimmte Situation/Objekt
    - Substanzinduzierte Angststörung/ Substanzabhängigkeit
    - Psychotische Störungen
    - Depression
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7
Q

Epidemiologie

A
  1. Prävalenzen:
    - Mind. 20% der Allgemeinbevölkerung mind. 1 Mal im Leben Panikattacke
    - LP Panikstörung: 3-5%, davon 35-65% Panikstörung mit Agoraphobie
    - LP Agoraphobie ohne PS: 1-22%
    - Frauen bei PS doppelt (Agoraphobie: 3 Mal) so oft betroffen
  2. Verlauf:
    - Beginn meist spätes Jugend- bzw. frühes Erwachsenenalter
    - Männer für Ersterkrankung zweiter Erkrankungsgipfel mit 40 Jahren
    - Oft gehen ersten Panikattacke schwerwiegende Lebensereignisse voraus
    - Erste Panikattacke meist an öffentlichem Ort bei normaler Betätigung
    - Hälfte der Betroffenen dann Panikstörung mit/ohne Agoraphobie
    - Agoraphobie als Komplikation meist innerhalb des 1. Jahres der PS
    - Beschwerdefreie Phasen möglich, Verlauf aber meist chronisch und ungünstig
    - Spontanremission selten: 14% PS und 19% Agoraphobie nach 7 Jahren vollständige Remission
3. Komorbiditäten:
Allgemein mit 70% sehr hoch, häufig:
- Andere Angststörungen
- Affektive Störungen
- Substanzabhängigkeiten
- Somatoforme Störungen
- Störungen der Impulskontrolle
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8
Q

Ätiologie

A
  1. Genetische Befunde:
    - Meist familiäre Häufung von PS und AP
    - Beteiligung genetischer Faktoren: 48%
    - 67% der Auftertensvarianz durch genetische Faktoren erklärt
  2. Neurobiologische Erklärungsansätze:
    - Beteiligte Neurotransmittersysteme: serotonerges, noradrenerges und GABA-System
    - Hirnanatomisch:
    • Auslösung der Panikattacke in Amygdala
    • Entstehung von Erwartungsangst u. agoraphobischem Vermeidungsverhalten im Hippocampus
  3. Psychophysiologische und kognitive Modelle:
    - Aufschaukelungsprozess zwischen körperlichen, kognitiven, affektiven und perzeptiven Vorgängen
    - Erhöhte generelle Neigung zu kognitiver Informationsverzerrung und erhöhter Angstsensitivität
    - > Allgemein erhöhtes Erregungsniveau (schlägt dann schneller aus -> Angstschwellenmodell)
  4. Lerntheoretische Ansätze:
    - Angst und Vermeidung als Folge klassischer und operanter Konditionierung
  5. Psychophysiologisches Modell der Panikstörung
    (Margraf&Ehlers):

a) Auslöser von Panikattacken:
• physiologisch: körperliche Anstrengung, Erschöpfung, Herzklopfen, Einnahme von Substanzen, hormonelle Schwankungen, situative Stressoren, emotionale Erregung, Koffein, Hitze, Veränderung der Körperposition, Schwindel, usw.
• kognitiv: selektive Aufmerksamkeit auf Körpersensationen, Gedankenrasen, Konzentrationsschwierigkeiten, Derealisation, usw.

b) Aufrechterhaltende Faktoren:
Sorge vor weiteren Angstattacken, erhöhtes Erregungsniveau, Vermeidungsverhalten, usw.

  1. Teufelskreis der Angst (Clark):
    Äußere Reize -> Wahrnehmung -> Gedanken -> Angst -> Physiologische Veränderung -> Körperliche Empfindung -> Wahrnehmung, usw.
    => Typische Fehlinterpretationen von Panikpatienten und Aufrechterhaltung durch Vermeidung
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9
Q

Behandlung:

Pharmakotherapie

A
  • Benzodiazepine: Rasche angstlösende Wirkung, v.a. in akuten Situationen intensiver Panik (Nachteile: Viele Nebenwirkungen)
  • Antidepressiva: Geringe Nebenwirkungen
  • Langfristigkeit: Bevorzugung der KVT
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10
Q

Behandlung: Psychotherapie

A
  1. Ansatzpunkt Kognitionen:
    - Reflektiert: A (Logisch) -> B (Empirisch) -> C (Hedonistisch)
    - “Realität”: A -> C -> B (B Rückwirkung auf C)
  2. Ansatzpunkt: Vermeidungsverhalten
    - Erwarteter Verlauf 1: Angst steigt ins Unendliche (Ohnmächtig, sterben)
    - Erwarteter Verlauf 2: Angst bleibt auf maximalem Level
    - Vermeidung: Angst nimmt sofort ab, Stärkung des Vermeidungsverhaltens, Erwartungen und Reaktionstendenzen bleiben bestehen
    - Habituation: Bei Expositionsserie nimmt Angst schneller ab und erreicht seltener ursprüngliche Intensität
  3. 3-Phasen-Modell der Behandlung von AP und/oder PS (Rief)
    - 1. Phase: Vorbereitung
    • Diagnostik und Beziehungsaufbau
    • Exploration der ”inneren Welt“
    • Krankheitsmodell des Patienten
    • Information vermitteln
    • Gemeinsames Störungsmodell erarbeiten
    • Therapierational ableiten
    1. Phase: Symptomorientierte Therapie
      • Exposition interner und externer Auslöser
      • Kognitive Neubewertung
    1. Phase: Erweitere Therapie zur psychischen Stabilisierung
      • Selbstsicherheit und soziale Kompetenz
      • Steigerung des Selbstwertgefühls
      • Klärung familiärer Beziehungen und biographische Aufarbeitung
      • Auseinandersetzung mit persönlichen Traumata
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11
Q

Wirksamkeit der Therapie

A
  1. Panikstörung ohne Agoraphobie:
    - Für Hauptsymptomatik KVT und angewandte Entspannung am effektivsten
    - Deutliche Abnahme v. Panikanfällen
    - Entspannung darf nicht als dysfunktionales Vermeidungsverhalten eingesetzt werden, sondern aktive Regulationstechnik!
  2. Panikstörung mit Agoraphobie:
    - Für Hauptsymptomatik, Reduktion der Panikanfälle, andere Ängste und Beeinträchtigung des Lebensalltags Konfrontation in vivo und KVT am effektivsten
    - Behandlungserfolge auch im 2-Jahres Follow-Up nachweisbar
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