04.02 Bipolare Störung Flashcards

1
Q

Definition bipolare Störungen

A

Affektive Erkrankung, bei der extreme Antriebs-, Aktivitäts- u. Stimmungsauslenkungen episodenhaft in depressiver oder (hypo-) manischer Form auftreten

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Q

Taxonomie bipolarer Störungen nach ICD-10

A

F30 Manische Episode:
Manische Symptome, die mindestens eine Woche lang andauern (situationsunabhängige Hochstim- mung, Überaktivität, Rededrang, vermindertes Schlafbedürfnis, leichte Ablenkbarkeit, gesteigerte Libido, übermäßige Vertraulichkeit, Reizbarkeit, Selbstüberschätzung und Größenideen)

F30.0 Hypomane Episode:
Weniger schwer ausgeprägte Symptomatik als bei manischer Episode

F30.1 Manie ohne psychotische Symptome:
Manische Episode, die schwer genug ist, um die soziale und berufliche Funktionsfähigkeit deutlich einzuschränken oder aufzuheben

F30.2 Manie mit psychotischen Symptomen:
Schwere Form von F30.1 (Selbstüberschätzung und Größenideen können in Wahn einmünden; aus Reiz- barkeit und Misstrauen kann sich Verfolgungswahn entwickeln; massive Ideenflucht und Rededrang)

F31 Bipolare affektive Störung:
Eine oder mehrere depressive Episoden und mind. eine manische Episode

F34 Zyklothymia:
Chronische Instabilität der Stimmung mit zahlreichen hypomanischen und dysthymen Phasen

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3
Q

Kennzeichen einer manischen und hypomanischen Episode nach ICD-10

A
  1. Manie:
    - Stimmung situationsinadäquat gehoben, kann zwischen sorgloser Heiterkeit und fast unkontrollierbarer Erregung schwanken
    - Episode dauert wenigstens eine Woche und ist schwer genug, um die berufliche und soziale Funktionsfähigkeit mehr oder weniger vollständig zu unterbrechen
    - Gehobene Stimmung dabei von vermehrtem Antrieb und mehreren weiteren Symptomen begleitet:
    • Rededrang
    • Vermindertes Schlafbedürfnis
    • Größenideen
    • Übertriebenem Optimismus
  2. Hypomanie:
    - Leichtere Ausprägung der Manie
    -> Symptome nicht so stark ausgeprägt, dass Abbruch der Berufstätigkeit oder soziale Ablehnung stattfinden
    - Episode sollte wenigstens einige Tage andauern
    - Symptome:
    • Stimmung anhaltend leicht gehoben
    • Gesteigerter Antrieb und Aktivität
    • Auffallendes Gefühl von Wohlbefinden und körperlicher und seelischer Leistungsfähigkeit
    • Gesteigerte Geselligkeit und Gesprächigkeit
    • Vermindertes Schlafbedürfnis
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4
Q

Klassifikation bipolarer Störungen nach ICD-10

A

F31.0 – F31.7 Bipolare affektive Störung:

  • Gegenwärtig hypomanische Episode (und mindestens eine weitere affektive Episode [manisch, hypomanisch oder depressiv] in der Vergangenheit)
  • Gegenwärtig manische Episode (und mindestens eine weitere affektive Episode [manisch, hypomanisch oder depressiv] in der Vergangenheit)
  • Gegenwärtig depressive Episode (und mindestens eine weitere affektive Episode [manisch, hypomanisch oder gemischt] in der Vergangenheit)
  • Gegenwärtig gemischte Episode (wenigstens eine eindeutig diagnosti- zierte hypomanische, manische, depressive oder gemischte affektive Episode in der Anamnese und gegenwärtig entweder eine Kombination oder ein rascher Wechsel von manischen und depressiven Symptomen)
  • Gegenwärtig remittiert (wenigstens eine eindeutig diagnostizierte hy- pomanische, manische oder gemischte affektive Episode und wenigstens eine weitere affektive Episode in der Anamnese; in den letzten Monaten und gegenwärtig keine deutliche Störung der Stimmung; auch Remissio- nen während einer prophylaktischen Behandlung werden hier codiert)

F31.8 Andere bipolare affektive Störung:

  • Bipolar-II-Störung
  • Rezidivierende manische Episoden

F31.9 Nicht näher bezeichnete bipolare affektive Störung

F34.0 Zyklothymie:

  • Anhaltende Stimmungsinstabilität mit zahlreichen Perioden leichter Depression und leicht gehobener Stimmung
  • Kriterien für volle depressive und/oder manische Episode sind nicht erfüllt
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5
Q

Wesentliche Unterschiede der Klassifikation zwischen DSM und ICD

A

DSM:

  • Unterteilung in Bipolar-I- (“manisch-depressiv”) und Bipolar-II-Störung (hypomanische Episoden)
  • Auftreten einzelner (hypo-)manischer Episoden als bipolare Störung kodiert, im ICD mind. zwei Episoden erforderlich
  • Unterscheidung, ob Episode oder rezidivierende Störung und Festlegung des Schweregrades durch Zusatzcodierung
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6
Q

Diagnostik

A
  • Korrekte Diagnose besonders wichtig: Manie leicht festzustellen, bei depressiver Episode schwieriger ( unipolare Depression)
  • Verlaufsbeurteilung notwendig (während manischen Episoden meist keine Hilfesuche)
    -> Bipolare Störungen oft fehlerhaft bzw. nicht diagnostiziert -> Detaillierte Anamnese der Krankheitsgeschichte wichtig (evtl. Bezugspersonen fragen)
  • Interviewverfahren: DIPS, CIDI
  • Differentialdiagnostisch abzugrenzen von:
    • Unipolaren depressiven Störungen
    • Schizophrenen Störungen (Wahninhalte)
    • Borderline-Persönlichkeitsstörung (selbstverletzendes Verhalten)
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7
Q

Epidemiologie und Verlauf

A

Lebenszeitprävalenzen:
• Bipolar-I- und Bipolar-II-Störungen jeweils: 1%
• Bipolares Spektrum: 4-7%
- Keine Geschlechtsunterschiede bei Auftretenshäufigkeit
- Mehr als 50% komorbide Störungen:
• Substanzmissbrauch: BP-I: 67%, BP-II: 28%
• Angsterkrankungen: ca. 30%
• Persönlichkeitsstörungen: ca. 30%
• Somatische Erkrankungen
-> Meist mehrere Komorbiditäten
- Manifestation: Meist frühes Erwachsenenalter
- Nach Auftreten erster Symptome bis Zeitpunkt der Diagnose meist mehrere Jahre (oft Fehldiagnosen)
- 50% zuerst depressive Episode, erste manische folgt innerhalb von 5 Jahren
- Wahrscheinlichkeit, dass unipolare depressive Episode in bipolare affektive Störung wechselt: 10-25%
-> Prädiktoren für Wechsel (muss nicht unmittelbar nacheinander erfolgen):
• Schwere der Episode
• Frühes Ersterkrankungsalter
- Rezidivrate hoch: 90% innerhalb 5 Jahren nach manisch-depressiver Krankheitsphase mind. eine erneute Phase
• 50% remittieren zwischen akuten Phasen unvollständig
• 30% langfristig vollständige Remissionen
• 20% Chronischer Verlauf
- Suizidrate: 4-5% (Prävalenzraten für versuchten viel höher)
- Ungünstiger Störungsverlauf:
• Frühes Erkrankungsalter
• Komorbiditäten
• Psychosoziale Stressoren

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8
Q

Ätiologie und Störungsmodelle

A
  1. Genetische Vulnerabilität:
    - Entscheidende Rolle
    - Genetische Determinanten: chromosomal, pathophysiologisch, partiell neurobiologisch
  2. Neurologische Befunde:
    - Fehlregulationen verschiedener Neurotransmittersysteme, Neuromodulationen und spezifischer neuroendokriner Systeme
    - Neuroanatomische Veränderungen
  3. Kognitiv-integratives Modell maniformer Symptome:
    - Kern maniformer Symptomatik: Verändertes Aktivitätsniveau u./o. verminderter Schlaf
    - Folgen:
    • Aktivitäts- u. Tätigkeitssteigerung
    • Zunahme v. Euphorie u. Reizbarkeit
    - Rückkopplungsschleife: Konsequenzen d. Veränderung setzen Rückkopplung in Gang -> weitere auslösenden Bedingungen von Aktivitäts- u. Stimmungsveränderung
    - Annahme von 2. Rückkopplungsschleife ab best. Schweregrad manischer Symptome:
    • Erhöhte Aktivitäten u. vermindertem Schlaf -> Steigerung d. maniformen Symptomatik
    • Eigendynamisch und von äußeren Bedingungen unabhängig
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9
Q

Behandlung und Therapie

A

Ziele:

  • Remission der akuten Symptomatik
  • Rückfallvorbeugung

Behandlungsabschnitte:
1. Akuttherapie: Symptomreduktion, Behandlungsdauer abhängig vom Andauern der akuten affektiven Symptome

  1. Erhaltungstherapie: Stabilisierung des erreichten Zustands und Rückfallverhinderung für ca. 6 Monate im Anschluss an akute Phase
  2. Rückfallprophylaxe: Aufrechterhaltung des stabilen Zustandes und Prävention erneuter Phasen

Standards:

  • Medikamentöse Therapie mit Mood Stabilizern (wichtig: Medikamente ≠ für unipolare Depression!)
  • Ergänzend psychoedukative u. psychotherapeutische Maßnahmen (insb. für Rezidivprophylaxe): Stressreduktion und Erhöhung der Medikamentencompliance (wenn möglich Einbezug d. Angehörigen)
  1. Akuttherapie
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10
Q

Effektivität der Behandlung

A
  1. Medikamentöse Therapie:
    - Nachweislich effektiv und wirksam bei Behandlung
  2. Psychotherapeutische Maßnahmen:
    - Signifikant bessere Ergebnisse bzgl. Rückfallprävention, Stimmungsratings, Umgang m. Prodromalsymptomen, psychosoziale Funktionsfähigkeit durch additive PT bei Medikamenten
    - Abnahme der Wirkung psychotherapeutischer Interventionen im Verlauf d. Zeit -> Betonung der Relevanz v. Booster-Sitzungen zur Aufrechterhaltung

Fazit: Psychotherapeutische Maßnahmen sinnvolle u. effektive Ergänzung zur medikamentösen Therapie während der Rückfallprophylaxe

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