VL10: Theoretische Ansätze der Emotionspsychologie Flashcards
Evolutionsbiologische Ansätze der Emotionspsychologie
Emotion=angeborene Reaktionsbereitschaft + Modulation (Steuerung) durch Lernprozessen
Selektionsvorteil von Emotionen
1) organismische Funktion (Kopplung von Ereignissen und Reaktionen wg. Reaktionsgeschwindigkeit)
2) Kommunikative Funktion (Synchronisation von Verhalten und Signalisierung von Absichten)
Prüfmöglichkeiten/-techniken: Vergleich des Emotionsausdrucks mit: a)anderen Primaten b)Neugeborenen c)blind geborenen Menschen d)verschiedenen Kulturen (Universalitätshypothese)
Vergleichende Verhaltensforschung mit anderen Primaten
- Ähnlichkeiten bei: Ärger, Lächeln, Frustration-Trauer und Lachen (Chevalier-Snolikoff, 1973)
- Ähnlichkeiten bei: Interesse, Überraschung, Ärger, Furcht, Abscheu, Trauer und Freude (van Hooff, 1976)
Kritik:
- Anthromorphisierung
- Frage, ob Primaten Emotionen auch “erleben” oder nur zeigen
Vergleichende Verhaltensforschung mit Neugeborenen
-Basisemotionen, unbeeinflusst, schon bei Babys ?
Insgesamt eher widersprüchliche Befunde zur Annahme:
- Freude, Überraschung und Ekel schon nach Tagen
- Trauer, Angst, Wut und Interesde erst ab 3. Monat
- Imitation von Gesichtsausdrücken (Mund öffnen, Zunge raus) bereits beim Säugling (Kugriumutzakis, 1999); Mimik, Gesten ab 2-3 Wochen (Meltzoff, 1985)
- Kontextabhängigkeit des Ausdruckverhaltens (basale Reaktionen auf Geschmäcker und Gerüche angeboren; Lächeln durch externe Stimuli erst nach 3 Monaten; anfangs undifferenzierter Ausdruck von negativen Affekten)
Vergleichende Verhaltensforschung mit blind geborenen Menschen
Experiment mit blind geborenen Menschen (Galati et al., 2001):
- Stichprobe: 10 sehende und 10 blind geborene Kinder (6 Monate bzw 4 Jahre alt)
- Manipulation: Induktion von Emotionen
- Auswertung: Analyse der gefilmten Mimik mit MAX (Kodiersystem)
- Ergebnisse: keine Unterschiede zwischen blinden und sehenden Kindern
“Metaanalyse” (eher Zsmfassung) von Matsumoto und Willingham, 2009:
- 10 Studien (spontane Emotionen): keine Unterschiede in Mimik
- 7 Studien (erzeugte Emotionen): Unterschiede in Mimik
- Judokabeobachtung (blinde) (Matsumoto): ähnliche Reaktionen
Vergleichende Verhaltensforschung mit anderen Kulturen
Belege für kulturelle Universalien, aber auch Unterschiede
->starke Belege für gewisse angeborene Basisemotionen
Modulation durch Lernprozesse in den evolutionsbiologischen Ansätzen der Emotionspsychologie
Lernen von :
- Reiz-Emotions-Kopplungen
- Darbietungsregeln (display rules) und Dekodierungsregeln
- Emotionsregulation
Lernformen:
- Konditionierung (klassisch, operant, Vermeidungslernen)
- Imitationslernen (Modelllernen, Bandura)
Belege für angeborene Basisemotionen (sichtbar in Regulation):
- genetisch determinierte Lernbereitschaft (“preparedness”)
- klinisch-relevante Störungen (zB Zwänge und Phobien)
- mangelnde Modulation durch Lernen (keine kulturelle Anpassung)
Neurobiologische Grundlagen der Emotionspsychologie
-limbisches System: emot. Anreicherung in Amygdala, Lageplan im Hippocampus
Rolle der Amygdala:
-Emotionalisierung von Gedächtnisinhalten
-Ausfall führt zum Kluver-Bucy-Syndrom:
Unfähigkeit, affektive Valenzen von Stimuli wahrzunehmen; optische Agnosie (Seelenblindheit)=Erkennensstörung; Amnesie
-Amygdala als zentrale Schaltstelle im emotionalen Netzwerk (Papez-Schaltkreis):
1)für schnelle Reaktionen (direkte Verbindung zum sensorischen Thalamus über Neokortex)
2)für späte Reaktionen (über Hippocampus und Neokortex zum Thalamus): implizite (hot) Anteile in Amygdala (affektiv) und explizite (cold) Anteile im Hippocampus bzw Neokortex (kognitiv)
->Regulation durch Neokortex (cold)
James-Lange-Theorie (James und Lange, 1884, 1885)
Wahrnehmung von Ereignis
- > körperliche Reaktion
- ->Empfinden der körperlichen Reaktion (=Emotion)
-emotionsspezifische physiologische Muster individuell unterschiedlich und situationsabhängig
Empirie dazu: ja, aber in Maßen, teilweise sehr geringe Differenzierbarkeit
Kritik von Lannon (1927):
1) Körperliche Reaktionen zu langsam (Emotionen schon davor)
2) physische Parameter nicht differenziert genug
3) künstliche Induktion führt nicht zu gleich starken Emotionen (s. Facial Feedback)
Experiment von Schmidt-Atzert (1993) zur Reaktionsgeschwindigkeit (Kritik an James-Lange-Theorie)
- Methode: Messung Latenz zwischen Reizdarbietung und Einsetzen von Mimik, physiologischen Reaktionen und subj. Gefühlen
- Befund: z.T. Physiologie schneller, z.T. gefühle schneller
- Interpretation: parallele Aktivierung
2-Faktoren-Theorie (Schachter und Singer, 1962)
- physiologische Erregung (arousal) unspezifisch und nur für Intensität der Emotion verantwortlich
- > Erklärungsbedürfnis
- ->kognitive Bewertung
- –>spezifische Emotion
Adrenalinexperiment (Schachter und Singer, 1962):
-Manipulation 1 (Injektion + Information zu Nebenwirkungen):
–EG1: Adrenalin + korrekte Infos
–EG2: Adrenalin + keine Infos
–EG3: Adrenalin + falsche Infos
–EG4/KG: Kochsalz + keine Infos
-Manipulation 2: Euphorisches Verhalten vs ärgerliches Verhalten des Konfidenten
-Hypothese: VP der EG2+3 suchen Erklärung ihrer physiologischen Erklärungen und nutzen dafür Verhalten des Konfidenten
-Ergebnis: VP der EG2+3 übernahmen zT die Emotionen des Modells
->d.h. Emotionen nicht nur durch Physiologie, sondern auch durch Modell und kognitive Bewertung
Kritik: Effekt nicht immer replizierbar + gegenseitige Befunde + unspez. Erregung nicht beliebig formbar
Valins-Effekt (Valins, 1966): inkorrekte Wahrnehmung physiologischer Werte
- Stichprobe: Männer
- Aufgabe: Beurteilung von playboy-Fotos mit Feedback des vermeintlich eigenen Herzschlags
- Manipulation: bei einigen Fotos falsche Veränderung im Feedback (langsamer oder schneller)
- Ergebnis: Fotos mit vermeintlich veränderten Herzschlag danach als attraktiver empfunden unf häufiger mitgenommem
- > Emotion also eher durch kognitive Interpretation als wirkliche physische Veränderung
- > Kritik am James-Lange-Modell
SAME (Somatovisceral Afference Model of Emotion) als Synthese des James-Lange-Modells und seiner Kritik
- physische Muster mit verschiedenen Emotionen gekoppelt
- Emotion mit verschiedenen physischen Mustern gekoppelt
- Differenzierung durch Abstufung
Stimulus
- > rudimentäre Bewertung
- ->entweder emotionsspezifische oder teilweise emotionsspezifische oder emotionsunspezifische physische Aktivierung
- –>entweder Mustererkennung (wenig kognitive Aktivität) oder teilweise Mustererkennung (somatoviszerale Illusion) oder keine Mustererkennung (viel kognitive Aktivität/Bewertung)
- —>emotionales Erleben
Kognitiv-motivational-relationale Theorie (Lazarus, 1967)
- Emotion als Ergebnis der kognitiven Bewertung (appraisal) von Reizen
- Appraisal im Lichte vorhandener Ziele und Intentionen (Appraisal kontextabhängig)
- Appraisal-Stufen:
- -primär: pos./neg. Relevanz für Person
- -sekundär: Folgen für Person; Möglichkeiten der Reaktion
- –Reappraisal (aufgrund neuer Information)
- appraisal
- > emotion
- ->emotion-focused coping oder problem-focused coping
- exp. Prüfung:
- -Methode: Darbietung emotionaler Reize und Manipulation der kognitiven Bewertung durch Instruktion
- -Messung: Erregung messen (zB Hautleitfähigkeit)
- zB durch Film über Beschneidungsrituale (Speisman et al., 1964)
Komponenten-Prozess-Modell (Scherer, 1984)
-Komponenten= Phasen der kognitiven Bewertung
-serieller Prozess der “Stimulus-Evaluation-Checks” (ähnlich wie bei Lazarus)
-prinzipiell unendlich viele Emotionen denkbar
-gehäuft auftretende Bewertungsmuster (Modi) außer bei Freude sind Bewertungsmuster recht ähnlich
Relevanz
->Implikation (Ursache, Dringlichkeit, Erwartungen usw.)
–>Coping-Potential (Einflussmöglichkeiten, Kontrolle)
—>Normvereinbarkeit (external, internal)
—->Antwort (physiologische, motivationale, aktionale Tendenzen)
—–>Regulation Emotion
Sozialkonstruktivistischer Ansatz (zB Averill, 1980)
- Emotionen=Produkte gesellschaftlicher Entwicklungsprozesse (situationsabhängige Reaktionssysteme)
- Emotionen als “polythetische Syndrome”, deren Komponenten nicht immer alle auftreten müssen
- Erleben und Ausdruck von Emotionen erlernt (display rules), um individuelle und soziale Ziele zu erreichen
- > Regulation sozialer Beziehungen
Vorteile:
- Erklärung geschlechtsspezifischer Unterschiede
- Erklärung für Veränderung “natürlicher” Emotionen
Experiment: Reaktionen auf Film (Labott et al., 1991):
- Stichprobe: 168 Männer und Frauen (18-58J.)
- Manipulation:
a) VP jeweils mit männlichen oder weiblichen Konfidenten
b) Emotionen des Konfidenten (nicht-emotional, weinend, lachend) - Maß: Sympathie ggü Konfident
- Ergebnisse: emotionale Männer sympathischer als nicht-emotionale; bei Frauen andersrum
- Interpretation: Hinweis auf veränderte soziale Rollen
- Kritik: könnte auch Folge der kulturellen Display Rules sein