Neutralität Flashcards
Welche Art von Neutralität praktizierte die Schweiz während des Kalten Kriegs?
Offiziell verfolgte CH fast durchgehend die integralistische Neutralität. In der Praxis war CH jedoch gezwungen, sich diskret den westlichen Mechanismen der gg. die komm. Länder gerichteten Exportkontrolle (Technologietransfer) anzupassen: COCOM: Coordinating Committee for Multilateral Export Control. CH musste verhindern, zum Umschlagplatz von Technologietransfers zu werden.
Hat CH während des KK die Uno-Wirtschaftssanktionen angewandt?
Nein, auch nicht gg. intl. geächtete Länder wie Rhodesien oder RSA. Liess die Beziehung in normalem Umfang weiterlaufen: “courant normal”: d.h. Umfang v. Handelsbeziehungen vor Beginn der Sanktionen wird aufrechterhalten. Problem: Gefahr, zum Umschlagplatz zu werden. Studien haben gezeigt, dass CH mit Nichtanwendung der Uno-Sanktonen tatsächlich die Massnahmen der intl. Gemeinschaft gg. RSA geschwächt hat.
Seit wann beteiligt sich CH an Uno-Sanktionen und weshalb?
Seit Ende KK. Denn: Position des Uno SR wurde gestärkt, SR wurde nicht mehr permanent von US und RUS Vetos blockiert. CH hat ihre Haltung daher geändert und setzt Uno-Sanktionen um, teilweise auch EU- und US-Sanktionen. Argument: CH hat als Kleinstaat gute Gründe, das Sicherheitssystem der Uno zu ustü., da Uno juristische Ordnung verteidigt, die auf den Grundlagen des VR basiert.
In welchem Konflikt hat sich CH erstmals an wirtschaftlichen Sanktionen beteiligt?
Und gg. welche Staaten hat sich CH seither an nichtmil Sanktionen der Uno beteiligt?
1990 gg. Irak (nach Einmarsch in Kuwait). Uno-SR verurteilte dies einstimmig u. forderte mil u. nichtmil Sanktionen gg. Irak. Obwohl CH noch nicht Uno-Mitglied war, entschied sie sich für eine volle Beteiligung an den nichtmil Sanktionen. CH Argumentation: Abseitsstehen käme einer Parteinahme zugunsten des Rechtbrechers gleich.
Seit Golfkrieg hat sich CH an nichtmil Sanktionen gg. folgende Staaten angeschlossen:
- Libyen (1992)
- Haiti (1993)
- Sierra Leone (1997)
- Angola / Unita (1998)
- Afghanistan / Taliban (2000)
- Iran (2010)
- Libyen (2011)
CH Position US- u. UK-Einmarsch Irak 2003?
BR uneinig (Calmy-Rey gg. USA, Couchepin für USA). Argument: Uno-SR hatte den Krieg gg. Irak nicht autorisiert. Daher verweigerte CH Überflugsrechte für nicht humanitäre Zwecke. Waffenexporte: kompliziert, denn USA u. UK = gute Kunden der CH. BR erfand das Prinzip des “abgestuften Verbots”: einerseits: Verbot von Kriegsmaterialexporten durch CH; andererseits: RUAG wurden nur jene Exporte veroboten, die einen Beitrag zu den laufenden mil Operationen lieferten oder den normalen Umfang überstiegen.
Was ist das Embargogesetz und wann wurde es eingeführt?
BR verabschiedete es 2002: Gesetz, das CH erlaubt, Embargos nicht nur dann umzusetzen, wenn diese von Uno oder OSZE verhängt werden, sondern auch wenn diese von ihren wichtigsten Handelspartnern verhängt werden (EU, USA).
Hat sich CH schon an nichtmil Sanktionen beteiligt, die nicht von der Uno oder der OSZE erlassen worden sind?
Ja: EU- und USA-Sanktionen: - gg. Serbien u. Montenegro (Argument: Verbundenheit CH mit der EU und Gefahr, zum Umschlagplatz für sanktionswidrige Handelsaktivitäten zu werden) - Burma (2010) - Syrien (seit 2011) - Iran (2011)
Ist CH Neutralitätspolitik mit Bezug auf Sanktionen seit 2. WK konsistent?
Nein: Seit Ende KK: deutlich mehr Flexibilität, CH beteiligt sich an nichtmil Sanktionen des Uno-SR, zuweilen auch an solchen der EU u. der USA, die noch weitergehen. Dies war währned KK undenkbar. Daher: Neutralitätspolitik ist flexibel u. passt sich den jeweiligen Umständen und dem internationalen Druck an.
Kontroverse CH - Apartheid Südafrika
CH beteiligte sich nicht an Uno-Sanktionen gg. das Apartheid-Regime. Argument: Neutralität, couant normal Handel. Vowurf: CH Banken hätten dem Regime die Verwertung seines Geldes ermöglicht. Plus: zahlreiche Firmen haben diesem intl. geächteten Regime Maschinen, z.T. gar Waffen geliefert.
Wovon ist CH Depositarstaat? Und was sind die konkreten Funktionen der CH?
Von den 4 Genfer Konventionen zum humanitären Völkerrecht von 1949 und den 3 Zusatzprotokollen von 1977 und 2005. Diese Funktionen sind primär notarieller Art. CH kann nach Zusatzprotokoll I (Art. 7) mit der Aufgabe betraut werden, Sitzungen über die Einhaltung dieser Abkommen einzuberufen. Insgesamt ist CH Depositarstaat von ca. 70 Abkommen.
Ist Neutralität in BV verankert?
Ja, aber N ist bewusst nicht definiert: in Art. 173 und 185 BV. Jedoch nicht in Zweckartikel (Art. 2)!
Art. 173 (1a): Bundesversammlung … trifft Massnahmen zur Wahrung der äusseren Sicherheit, der Unabhängigkeit und der Neutralität der CH.
Art. 185 (1): Der BR trifft Massnahmen zur Wahrung der äusseren Sicherheit, der Unabhängigkeit und der Neutralität der Schweiz.
Eine Definition der Neutralität findet sich in der BV jedoch nicht!
Was ist das 3. Zusatzprotokoll zu den Genfer Konventionen, wann wurde es erlassen und wozu?
2005 war es CH gelungen, die Verabschiedung durchzusetzen: führte den Roten Kristall ein, ein weiteres Symbol des humanitären Einsatzes. Seit 2007 kann dieser ebenso wie das Rote Kreuz u. der Rote Halbmond verwendet werden. Zielt darauf ab, auch Israel einzubeziehen.
Entwicklung CH Neutralität nach Kaltem Krieg:
- Neutralitätsrecht
- Neutralitätspolitik
- Funktionen der Neutralität
CH Neutralität hat sich nach dem KK grundlegend verändert.
Neutralitätsrecht: blieb gleich, obwohl Kriege seit 1989 kaum mehr im klassischen Sinn stattfinden wie in der Haager Abkommen von 1907 vorgesehen. Auch wurden zahlreiche bewaffnete Interventionen vom Uno SR mandatiert. CH, die ja solidarisch ist mit der Uno, hätte sich nur schlecht ggüber den meist westlichen Staaten, die unter Uno-Mandat handelten, als neutral erklären können.
Neutralitätspolitik: CH hat eine Konzeption entwickelt, die weniger integralistisch ist als früher, insbes. hinsichtlich Mitgliedschaft in intl. Org. und Politik wirtschaftlicher Sanktionen
Funktionen der Neutralität: Neutralitätsnutzen ist an sich verblasst.
Funktionen der Neutralität: aus welchen rationalen Gründen erklärt(e) sich CH für neutral?
CH Neutralität verfolgt nach Alois Riklin 5 Funktionen/Ziele:
- Landesschutz: dauernde Neutralität nur glaubwürdig, wenn sie auf starker Armee beruht, die jederzeit die Unverletzbarkeit des Territoriums ggüber allen Kriegsparteien verteidigt. 2. WK: CH hätte auch FRA Durchmarsch nicht gewährt, weshalb sich Hitler nicht um die Dt. Südgrenze fürchten musste. Doch Hauptgrund der CH Verschonung dürfte geopolitischer Natur sein: Hitler wollte Gebiete im Osten u. Westen erobern. CH hingegen lag im Süden, auf dem Weg zum ITA Alliierten. + CH Bankwesen.
Diese Schutzfunktion der Neutralität kam seit 2. WK nicht mehr zum Tragen: keine intl. Konflikte an CH Grenze.
- Gleichgewichtsfunktion: CH Neutralität trägt zum allgem. Gleichgewicht in Europa bei. Dieses geostrateg. Konzept wurde 1815 am Wiener Kongress anerkannt. Interessant während KK: Sowjets hatten Rückzug aus Ost-AUT 1955 unter der Bedingung akzeptiert, dass AUT nach CH Bsp. dauernd neutral werde. Hätte sich CH der Nato angenähert bzw. Beitritt, hätte sie das Vertrauen der Sowjets ruiniert. CH Neutralität hatte also ausgleichende Wirkung auf Stabilität in Europa. Seit Ende KK hat die Gleichgewichtsfunktion an Bedeutung verloren.
- Innere Integration: Mit Nichteinmischung in äussere Konflikte konnte Spaltung des Landes verhindert werden (1. WK). Seit 2. WK nicht mehr relevant, es gibt kein Risiko einer CH Spaltung mehr.
- Wirtschaftl. Funktion: Sicherung der Versorgung als Binnenstaat. Möglichkeit, mit allen Kriegsparteien den Handel fortzusetzen. Seit Ende KK: steht nicht mehr zur Debatte, Kriege spielen sich in zu weiter Entfernung ab.
- Dienstleistungsfunktion: Handlungen, die zur Regelung oder Beilegung v. intl. Konflikten beitragen (Gute Dienste).
A: internationale Schiedsgerichtbarkeit/Mediation: Carl Jacob Burckhardt wurde zum Hohen Kommissär des Völkerbunds in Danzig 1937; NNSC 1953; Mediation Olivier Long FRA-ALG: führte 1962 zu den Verträgen von Evians u. zur alg. Unabhängigkeit.
B: Diplomat. Interessenvertretung: seit dt-frz Krieg
C: Depositarstaat der Genfer Konventionen.
D: Genf wegen Neutr. als Stao intl. Org. und als Versammlungsort: Neutralität hat sicher Sitz VB in GE begünstigt u. während KK: Ansiedlung v. Uno-Organen (begünstigt durch relative Distanz der CH zum westl. Lager). Dies ermöglichte CH, historisch bedeutende Konferenzen auszurichten: 1954 zu Indochina; 1955: SALT- u. START-Verträge; Treffen Reagan/Gorbatchov 1985. Heute: ca. 200 intl. Org. u. diplomat. Vertretungen in GE aus über 170 Ländern. Heute ist GE noch Ort vieler wichtiger Treffen, weil CH Sitz vieler intl. Org. ist (Treffen Clinton-Assad 2000). UN-Konferenz für Abrüstung; UNHCR; IAO (intl. Arbeitsorg.); WIPO (Weltorg. für geist. Eigentum); WHO; Intl. Fernmeldeunion (ITU); WTO; Uno-Menschenrechtsrat 2006. Auch hochwertige Infrastruktur, zentrale Lage, spezialisierte Org. auf engstem Raum.
Politische Rendite der Dienstleistungsfunktion ist heute überschaubar (US-Druck auf Bankgeh. und Weigerung RUS, sich für Teilnahme CH an G20-Treffen einzusetzen, trotz CH guten Diensten).
- Neutralität als Innere Einstellung: Hohe Verbundenheit der CH Bevölkerung zur Neutralität, wirkt identitätsstiftend, an sich irrational. Hauptargument für Beibehaltung Neutralität: wir sind bereits neutral. Daher: Neutralität als Identitätsfaktor ist ernst zu nehmen, zumal CH keine histor. Traumata kennt, die zu einer Abkehr führen würden. Schweizer legen heute paradoxerweise mehr Wert auf die Neutralität als während KK. Hat auch mit Aufstieg SVP zu tun.
Bedeutung Schlacht von Marignano für heutige Neutralität? Wann wurde CH Neutr. lr u. vr festgelegt?
In der älteren Geschichtsschreibung werden die Ursprünge der CH Neutralität in der Schlacht von Marignano verortet. Heute ist historisch anerkannt, dass es 1515 keinen bewussten Entscheid der Eidgenossen zur Neutralität gab. Derartige Beschlüsse wurden im Gefolge einer komplexen historischen Entwicklung erst 1647 und 1674 durch die Tagsatzung gefasst. Im öffentl. Bewusstsein ist jedoch auch heute noch fest verankert, dass die Neutralität ihre Anfänge in der Niederlage von Marignano und der damit verbundenen zurückhaltenden Aussenpolitik der Eidg. hat. So bleibt 1515 von symbolhafter Bedeutung für der historischen Ursprung der CH Neutralität.
Die Europäischen Grossmächte anerkannten die CH Neutralität in der Pariser Akte von 1815 (im Rahmen des Wiener Kongresses). Diesem Akt kommt zwar keine konstitutive vr Wirkung zu. Doch besteht die CH Neutralität heute völkergewohnheitsrechtlich, unterstrichen durch die Versailler Friedensverträge 1919 und im Rahmen der Aufnahme in die Uno 2002.