Meinungsstreits Grundkurs Strafrecht I Flashcards

1
Q

Was ist der Zweck der Strafe?

A
  1. Vergeltungstheorie
  2. Theorie der negativen Generalprävention
  3. Theorie der positiven Generalprävention
  4. Theorie der Spezialprävention
  5. Vereinigungsansatz (h.M)
    (Details, siehe Grundwissen Strafrecht I WS 18/19)
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
2
Q

Gibt es Erfolgsort bei abstrakten Gefährdungsdelikten iSd. § 9 I StGB?

A
  1. hM. –> Ja, Erfolgsort ist Ort, an dem die abstrakte Gefahrenlage entsteht
    zB.: Volkshetze gegen nach Deutschland kommende Flüchtlinge in Texas veröffentlicht, stellt jedoch abstrakte Gefahr in Deutschland dar, daher begründung des Erfolgsortes in Deutschland.
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
3
Q

Ab wann stellt ein noch ungeborenes Kind eine Person dar?

A

A1 –> “ungeborenes Leben” (§ 219 I 1) werde in dem Moment zur “Person” iSd. § 229 bzw. zum Mensch iSd. § 212, wenn die Geburt vollendet ist.
(+) StGB differenziert zwischen “ungeborenem Leben” und “Personen” und Kind ist im Geburtskanal noch ungeboren

A2 (hM.) –> Die Schwelle vom Ungeborenen zur Person bzw. menschen sei bereits mit Beginn der Geburtswehen d.h. Eröffnungswehen überschritten.
(+) A1 würde zu Schutzlücken führen und ist daher unbillig. Halbgeborenes soll auch vor fahrlässiger Verletzung geschützt sein
(-) Aufgabe des Gesetzgebers und nicht Anwenders, die Schutzlücken im Gesetz zu schließen
(-) hM. stellt auf Beginn der Eröffnungswehen ab und daher Problem in den Fällen in denen Eröffnungswehen vorübgergehend aufhören und erst Tage oder Wochen später wieder einsetzen –> wäre gem. hM. also paradoxerweise geborener Mensch im Mutterleib

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
4
Q

Verbotsirrtum gem. § 17 S. 1 StGB wenn Täter die Einsicht fehlt Unrecht zu tun da er die geltenden Gesetze für ungültig hält? (Reichsbürger)

A

Bezugspunkt des Unrechtsbewusstseins ist die tatsächliche Rechtsordnung und bei Kenntnist dieser weiß sie auc, dass ihr Tun verboten ist. –> lediglich Ablehnung der Bindungswirkung.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
5
Q

(P) –> Ist eine Handlung überhaupt strafrechtlich relevant?

A
  1. Def. der Handlung

2. Subsumption (vis absoluta, compulsa, etc.)

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
6
Q

(P) –> Unterstehen Tiere dem Schutz des § 303 I StGB obwohl § 90 a S.1 BGB ausdrücklich sagt, dass Tiere gerade keine Sachqualität aufweisen?

A
  1. Ja, da BGB Tiere als Mitgeschöpfe hervorheben und Tierschutz fördern will
  2. StGB will das Eigentum schützen
  3. Außerdem gerade wegen Tierschutz wichtig, dass auch Beschädigung und Zerstörung von Tieren unter strafrechtlichen Schutz gestellt wird.
  4. Anwendung des § 90a S. 1 BGB würde den Zweck der Vorschrift konterkarieren. –> Daher eigener, strafrechtlicher Sachbegriff zu prägen, der entgegen § 90 a BGB auch Tiere erfasst.
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
7
Q

(P) –> Notwehrhandlung nicht (nur) gegen den Angreifer?

A

Eingriffe in Rechtsgüter unbeteiligter Dritter und der Allgemeinheit sind von § 32 nicht gedeckt. Freilich ist hier aber das Eingreifen anderer Rechtfertigungs- oder auch Entschuldigungsgründe möglich (zB § 34 oder § 904 BGB).

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
8
Q

(P) Kausalität –> A und B wollen unabhängig voneinander X umbringen. Folgende Konstellationen:
1a) Jede einzelne Giftmenge war tödlich.

aa) Das Gift des A hat den Tod des X herbeigeführt, bevor das Gift des B wirken konnte.
bb) Beide Giftsubstanzen sind wirksam geworden.
cc) Nur ein Gift ist wirksam geworden, es lässt sich aber nicht mehr feststellen, welches.

  1. Erst beide Giftmengen zusammen waren ausreichend, um den Tod des X herbeizuführen. Jede Giftmenge für sich allein betrachtet war nur körperverletzungstauglich.
A

1aa) “abgebrochene/überholende Kausalität” = Bs relevante in Gang gesetzte Ursachenreihe wurde durch A abgebrochen und kontne somit nicht mehr fortwirken und zum Tode führen also nicht kausal!

bb) Hier stellt sich folgendes Problem: Nach der Äquivalenztheorie ist die Kausalität eigentlich zu verneinen, denn jede Bedingung (Giftmenge) könnte hinweggedacht werden, ohne dass der Tötungserfolg entfiele.
Allerdings wird die Äquivalenztheorie für den Fall der sog. alternativen Kausalität von der h.M. wie folgt modifiziert: Von mehreren Bedingungen, die zwar alternativ, aber nicht kumulativ hinweggedacht werden können, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele, ist jede für den Erfolg ursächlich.

cc) Nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ ist daher anzunehmen, dass das Gift des B zuerst wirkte. (–> Beide Tatbeiträge somit nicht kausal und beide nur versuchter Totschlag)
2. “Kumulative Kausalität” –> jede Giftmenge ist kausal und mitursächlich für den Eintritt des Erfolges ABER: keine objektive Zurechnung, da eigenes Gift allein nicht ausreichend gewesen wäre –> versuchter Totschlag

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
9
Q

(P) –> Wirkung des Eingreifen eines Dritten in den Kausalverlauf auf die Kausalität?

A

A1 “Lehre vom Regressverbot” –> wird der Kausalzusammenhang durch die Vorsatztat eines anderen unterbrochen. Diese Lehre wird aber heute weitestgehend abgelehnt, da ein Kausalzusammenhang jedenfalls dann besteht, wenn die früher gesetzte Bedingung bis zum Eintritt des Erfolgs fortwirkt.

A2 (h.M.) –> Differenzierung zwischen zwei Punkten:

(1) Knüpft der Dritte an die vorausgehende Bedingung an, was insbesondere dann der Fall ist, wenn er die dadurch geschaffene Lage ausnutzt, ist Kausalität zu bejahen. (Dann aber Beachten der objektiven Zurechnung)
(2) Eröffnet der Dritte hingegen eine völlig neue Ursachenreihe („Neueröffnungseffekt“), welche die abgebrochene erste überholt, ist die Kausalität der ersten Handlung zu verneinen.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
10
Q

(P) –> Wirkung des vorsätzlichen Eingreifens eines Drittens in das Geschehen auf die objektive Zurechnung?

A
  1. Grundsätzlich ist Zurechnungszusammenhang unterbrochen, wenn der Dritte vollverantwortliche eine neue Gefahr begründet, die sich dann im Erfolg realisiert.
  2. Anders wäre es, wenn das Verhalten des Dritten typischerweise schon in der ursprünglichen Gefahr begründet erscheint. –> nicht aber, wenn Drittverhalten außerhalb jeglicher Lebenserfahrung liegt.
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
11
Q

(P) –> Zeugung eines Mörders Mutter objektiv zurechenbar für späteren Morde?

A
  1. Nein, da Zeugung keine rechtlich relevante Gefahr darstellt sondern allgemeines Lebensrisiko.
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
12
Q

(P) –> Lehre der objektiven Zurechnung?

A
  1. hL. –> objektive Zurechnung im OTB ankerkannt
  2. Rspr. –> Sie löst Zurechnungsfragen grundsätzlich im subjektiven Tatbestand. Der vorliegende Fall kann stattdessen auch so gelöst werden, dass die Strafbarkeit der K. erst im Rahmen des Vorsatzes (= subjektive Zurechnung) verneint wird:
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
13
Q

(P) –> unwesentliche Abweichungen des Kausalverlaufes als Irrtum gem. § 16 I 1 StGB und somit kein Vorsatz?

A
  1. Nein! Nach der Rechtsprechung lassen unwesentliche
    Abweichungen des tatsächlichen Kausalverlaufs vom vorgestellten Kausalverlauf
    den Vorsatz jedoch unberührt. Eine Abweichung ist immer dann unwesentlich, wenn sie sich
    noch in den Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren hält und keine
    andere Bewertung der Tat rechtfertigt.
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
14
Q

(P) –> Abgrenzung Täterschaft und Teilnahme?

A

Die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme ist ein äußerst klausurrelevantes Problem.

A1. “Die h.L.” –> vollzieht diese Abgrenzung mittels des Kriteriums der Tatherrschaft, als das vom Vorsatz umfasste „In-den-Händen-Halten“ des tatbestandsmäßigen Geschehens. Somit ist derjenige Täter, der als Zentralgestalt des Geschehens die planvoll-lenkende oder mitgestaltende Tatherrschaft besitzt. Dagegen ist lediglich Teilnehmer, wer ohne eigene Tatherrschaft als Randfigur des tatsächlichen Geschehens die Begehung der Tat veranlasst oder sonst fördert.

A2 “Die neuere Rspr.” –> vertritt demgegenüber eine subjektive Theorie auf objektiv-tatbestandlicher Grundlage. Ausgehend von ihrer früher streng subjektiven Ausrichtung, die den Täter danach bestimmte, ob er mit Täterwillen (animus auctoris) handelte oder aber andererseits zum Teilnehmer erklärte, wer mit bloßem Teilnehmerwillen (animus socii) agierte, zieht sie nun weitere Kriterien heran. So sollen in einer Gesamtschau auch der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft als objektive Merkmale miteinbezogen werden.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
15
Q

(P) –> Nachweis des Ursachenzusammenhangs (zB. nicht Nachweis der genau schädlichen Substanz in Produkt, aber sicher, dass Produkt schädlich!)

A

A1 “BGH” –> ausreichend, dass die inhaltliche Beschaffenheit des Produkts schadensursächlich war und andere Schadensursachen auszuschließen sind (generelle Kausalität). Nicht erforderlich ist dagegen, dass festgestellt wird, warum diese Beschaffenheit schadensursächlich werden konnte, was also nach naturwissenschaftlicher Analyse und Erkenntnis letztlich der Grund dafür war

A2 –> Gegen diese Lösung könnte man anführen, dass ein Kausalzusammenhang gerade nur dann sicher feststellbar ist, wenn man die konkrete Ursache kennt.
(-) Andererseits ist in derartigen Erzeugnissen eine exakte Isolierung der einzelnen Substanzen oft nicht möglich.
(-) Außerdem lässt man, wenn ein Täter mehrfach auf ein Opfer mit einem Messer einsticht und man nicht feststellen kann, welcher Stich genau todbringend war, auch die Zuordnung der Todesursache zur Person des Täters genügen.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
16
Q

(P) –> Entfällt die objektive Zurechnung bei “Retterfällen” wegen “Eigenverantwortungsprinzip”?

A

A1 “Teile der Literatur” –> in den Fällen, in denen der um Rettung bemühte Dritte im Zeitpunkt der Verletzung Tatherrschaft hat und seine Gefährdung eigenverantwortlich und damit „freiwillig“ herbeiführt, ist der Zurechnungszusammenhang stets unterbrochen.

A2 –> die Schädigung des freiwillig dazwischentretenden Retters ist dem Erstverursacher immer zuzurechnen.

A3 “h.M.” –> Danach ist der Erfolg dem Erstverursacher immer dann zuzurechnen, wenn es sich um eine vernünftige und nachvollziehbare Selbstge-fährdung handelt. Dies gilt insbesondere, wenn der Retter aufgrund einer privaten Garanten-stellung (z.B. als naher Angehöriger eines Opfers) oder aufgrund öffentlich-rechtlicher Nor-men (z.B. als Feuerwehrmann/-frau) im konkreten Fall zum Eingreifen verpflichtet ist. Nur von vornherein sinnlose und offensichtlich unverhältnismäßig riskante Rettungshandlungen können einen Zurechnungsausschluss bewirken.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
17
Q

(P) “Retterfälle” –> Entfällt Zurechnungszusammenhang bei bei objektiver Zurechnung des Brandstifters wenn “Retter” wie Feuerwehrmänner sich eigenverantwortlich und wissentlich dem Risiko des Todes aussetzen?

A

Brandstifter schafft auf jeden Fall eine rechtlich relevante Gefahr die sich realisiert!
A1 –> Mit einem Teil der Literatur könnte man annehmen, dass in den Fällen, in denen der um Rettung bemühte Dritte im Zeitpunkt der Verletzung Tatherrschaft hat und seine Gefährdung eigenverantwortlich und damit „freiwillig“ herbeiführt, der Zurechnungszusammenhang stets unterbrochen ist.

A2 –> Nach einer anderen Ansicht ist die Schädigung des freiwillig dazwischentretenden Retters dem Erstverursacher immer zuzurechnen. Danach wäre der Tod der F dem L hier zuzurech-nen, da L die Erstursache (Anzünden) gesetzt hat.
a) Würdigung:
Für einen Ausschluss der objektiven Zurechnung – und damit die erste Ansicht – könnte sprechen, dass F zwar als Berufsfeuerwehrfrau grundsätzlich zum Einschreiten verpflichtet war, jedoch jedenfalls ihren Beruf selbst gewählt und sich damit bewusst und in diesem Sinne „freiwillig“ den aus der Tätigkeit resultierenden Risiken ausgesetzt hat. Auch endet im Strafrecht grundsätzlich dort, wo der Verantwortungsbereich des Opfers beginnt, der des Täters. Zudem erfolgt die Entloh-nung von Feuerwehrleuten gerade aufgrund der Gefahrgeneigtheit der Tätigkeit. Daneben ließe sich argumentieren, dass es aus kriminalpolitischer Sicht verfehlt wäre, wenn der „be-reuende“ Brandstifter durch das Alarmieren der Feuerwehr Gefahr liefe, sich zusätzlich we-gen vorsätzlicher oder fahrlässiger Tötung der Retter strafbar zu machen.

A3 (hM) –> Die h.M. vertritt eine differenzierende Lösung: Danach ist der Erfolg dem Erstverursacher immer dann zuzurechnen, wenn es sich um eine vernünftige und nachvollziehbare Selbstge-fährdung handelt. Dies gilt insbesondere, wenn der Retter aufgrund einer privaten Garanten-stellung (z.B. als naher Angehöriger eines Opfers) oder aufgrund öffentlich-rechtlicher Nor-men (z.B. als Feuerwehrmann/-frau) im konkreten Fall zum Eingreifen verpflichtet ist. Nur von vornherein sinnlose und offensichtlich unverhältnismäßig riskante Rettungshandlungen können einen Zurechnungsausschluss bewirken. Im vorliegenden Fall war F als (bayerische) Berufsfeuerwehrfrau grundsätzlich gem. Art. 4 I BayFWG2 zum abwehrenden Brandschutz verpflichtet und es wird von ihr erwartet, sich zum Löschen eines Brandes und zur Rettung von Menschenleben auch in große Gefahr zu begeben.
a) Würdigung –> A1 lassen sich jedoch gewichtige Argumente entgegenhalten: So erscheint es einerseits nur gerecht, dem Erstverursacher auch das Risiko misslungener Rettungsversuche aufzuerlegen, da es ihm letztlich ja auch zugutekäme, wenn die Rettung durch die Feuerwehr gelänge, da auch dies seine Strafbarkeit beeinflusst. Daneben stellt es einen Wertungswiderspruch dar, wenn man die Feuerwehrfrau einerseits rechtlich dazu verpflichtet, sich bei vertretbarer Ge-fahrenlage dem Risiko auszusetzen, ein brennendes Haus zu betreten, ihr dies aber auf der anderen Seite doch wieder als „eigene und freiwillige“ Entscheidung auslegt und damit ihrem Verantwortungsbereich zuweist. Denn wenn sie sich geweigert hätte und dadurch ein weite-rer Schaden entstanden wäre, wäre sie wegen eines Unterlassungsdelikts strafbar. F handelte daher nicht „wirklich“ freiwillig. Und schließlich ist umgekehrt kein billiger Grund ersichtlich, warum der Täter auch vom Risiko des Eintretens vorhersehbarer und nicht aus offensichtlich unverhältnismäßigen Rettungsbemühungen resultierender Retterschäden freigestellt werden soll, hat er doch durch seine deliktische Handlung die naheliegende Möglichkeit und ein einsichtiges Motiv für die Rettungshandlung geschaffen. Im Ergebnis gewährleistet daher ins-besondere die Ansicht der h.M. eine gerechte Verteilung von Risikotragungspflichten und ist daher vorzugswürdig. Danach ist der Tod der F dem L auch objektiv zurechenbar.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
18
Q

(P) –> Ist Tötungsvorsatz zu bejahen bei Ertrinken, wenn Täter denkt, dass Opfer bereits tot gewesen ist, aber erst durch “Entsorgung” wie Ertrinken stirbt?

A

A1 –> Mit der veralteten Lehre vom “Gesamttötungsvorsatz” (dolus generalis) könnte man jedoch vertreten, dass immer dann, wenn mehrere Vorgänge ein einheitliches Geschehen bilden, der Vorsatz, den der Täter während des erstens Handlungsabschnitts aufweist, auch auf einen zweiten Handlungsabschnitt zu erstrecken ist.

A2 –> Gegen die Lehre vom dolus generalis spricht jedoch, dass ein tatsächlich zum Zeitpunkt der unmittelbaren Erfolgsherbeiführung erloschener Vorsatz nur fingiert wird. Die Lehre vom dolus generalis verstößt damit gegen das in § 16 I 1 in Verbindung mit § 8 verankerte Koin-zidenz- bzw. Simultanitätsprinzip („bei Begehung der Tat“). Ein bloßer dolus antecedens reicht für den Vorwurf einer Vorsatztat nicht aus. Die Lehre vom dolus generalis ist daher heute nicht mehr vertretbar.

ABER:
1. Neue Prüfung gem. § 212 I StGB wegen der Ersthandlung!

OTB objektive Zurechnung des tatbestandlichen Erfolgs:
A1 –> Eine Ansicht geht davon aus, dass bei zweiaktigen Geschehensabläufen – jedenfalls dann, wenn der Täter irrtümlich davon ausgeht, sein Ziel bereits durch den ersten Akt erreicht zu haben – der Ersthandlung (hier: Sand-in-den-Mund-Stopfen) nicht das spezifische Risiko des Erfolgseintritts durch die Zweithandlung (hier: Tod durch Ertrinken) anhaftet.
a) Würdigung: Für die erste Ansicht streitet, dass das „Sand-in-den-Mund-Stopfen“ für sich genom-men nicht geeignet ist, den Tod durch Ertrinken herbeizuführen.

A2 (hM) –> Nach h.M. realisiert sich hingegen die durch den Erstakt geschaffene rechtlich relevante Ge-fahr im durch den Zweitakt herbeigeführten Erfolg. Danach wäre der Taterfolg der A hier zurechenbar.
a) Würdigung: herbeizuführen. Für die h.M. spricht jedoch, dass es insgesamt nicht unüblich ist, dass aus der ursprünglichen Gefahrschaffung weitere Handlungen resultieren, die möglicherweise dann erst den Erfolg herbeiführen. Verspätete Erfolgseintritte durch Zweithandlungen sind daher grundsätzlich einzukalkulieren und zu fra-gen, ob ein solcher Geschehensverlauf außerhalb jeder Lebenserfahrung liegt. Ferner schafft die zweite Handlung keine völlig neue Gefahr, sondern schließt an die durch die erste Hand-lung erzeugte Ausgangsgefahr an. Denn anders als etwa beim Kopfabtrennen liegt das spe-zifische Risiko beim Sand-in-den-Mund-Stopfen darin, dass das Opfer nicht unmittelbar bei der Ersthandlung stirbt, sondern bewusstlos wird und erst durch die Folgen der Entsorgung der Leiche – hier des Werfens in die Jauchegrube - verstirbt.

–> (P) im STB Vorsatz bezüglich Kausalität = nach allgemeiner Lebenserfahrung voraussehbar und somit unwesentliche Abweichung –> “Eventualvorsatz”

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
19
Q

(P)–> Abgrenzung des dolus eventualis von der bewussten Fahrlässigkeit?

A

A1 (Verzicht auf voluntatives Element) –> Für die Vertreter dieser Ansichten soll lediglich ein gewisser Grad an subjektiver Gewissheit für die Annahme des Eventualvorsatzes ausreichen. Es genügt ein „Für-Wahrscheinlich-Halten“ bzw. „Für-Möglich-Halten“, mithin ein reines „Wissenselement“. Diese Ansichten führen zB an, dass der derjenige, der die konkrete Möglichkeit des Erfolgseintritts erkennt und gleichwohl handelt, den Erfolgseintritt akzeptiert.

A2 (fordern von abgeschwächtem voluntativem Element) –> Nach anderen Ansichten wird über eine subjektive Gewissheit im Sinne eines ernsthaften „Für-Möglich-Haltens“ hinaus noch als voluntatives Element eine billigende Inkaufnahme im Rechtssinne gefordert, dass sich also der Täter mit der Tatbestandsverwirklichung um des erstrebten Zieles willen abfindet. (Vgl. auch BGHSt 36, 1, 9 f.; zur Gleichgültigkeitstheorie vgl. Rengier, AT § 14, Rn. 24) Dieses Billigungserfordernis vermeidet zB, dass ein Arzt, der eine lebensrettende Operation vornimmt, obwohl er das ernsthafte Risiko eines tödlichen Ausganges kennt, wegen vorsätzlicher Tötung bestraft wird.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
20
Q

(P) –> Was bedeutet “billigend in Kauf nehmen” des Erfolgs iR. des Vorsatzes?

A

A1 –> In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass für die Bestimmung eines Billigens im Rechtssinne wiederum auf die erkannte Gefährlichkeit des Handelns abgestellt werden kann.
a) Würdigung: Entscheidend gegen die erste Ansicht spricht, dass sie auf das voluntative Element vollständig verzichtet. Die Möglichkeit, den Erfolgseintritt zu erkennen, verbindet gerade die bewusste Fahrlässigkeit und den Eventualvorsatz. Nur bei zusätzlicher Forderung eines Wollenselements im Vorsatz ist eine sinnvolle Abgrenzung zwischen bewusster Fahrlässigkeit und bedingtem Vorsatz möglich.
Für den Eventualvorsatz ist daher nach überzeugender Ansicht erforderlich, dass der Täter die konkrete Gefahr erkannt, die Gefahr ernst genommen und sich letztlich mit dem Risiko der Tatbestandverwirklichung abgefunden hat (Ernstnahmetheorie) bzw. den Erfolgseintritt für möglich hält und den Erfolg innerlich billigt (Billigungstheorie).

A2 –> In der älteren Rechtsprechung wurde im Bereich der Tötungsdelikte eine besondere sog. Hemmschwelle vor Bildung des Tötungsvorsatzes postuliert, um so der allzu raschen Bejahung vorsätzlicher Tatbegehung durch den Tatrichter vorzubeugen.

a) Würdigung: Dieser pauschale Hinweis auf die sog. Hemmschwellentheorie ist heute nicht mehr ausreichend. Vielmehr verlangt der BGH nun eine besonders genaue richterliche Prüfung anhand einer Gesamtschau aller relevanten objektiven und subjektiven Tatumstände. Die Berücksichtigung einer Hemmschwelle kann aber als Indiz im Einzelfall herangezogen werden.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
21
Q

(P) —> HIV-Virus (oder andere Krankheit) als Gift iSd. § 224 I Nr. 1 StGB?

A

Krankheitserreger wie Viren sind zumindest als anderer gesundheitsschädlicher Stoff im Sinne von § 224 I Nr. 1 Var. 2 einzustufen, wenn sie – wie hier die HI-Viren – generell und konkret geeignet sind, ernsthafte Gesundheitsschäden zu verursachen.
Durch den ungeschützten Geschlechtsverkehr wurden sie so in Kontakt mit dem Körper der O gebracht, dass sie ihre schädigende Wirkung entfalten konnten. Sie wurden also „beigebracht“. Das Qualifikationsmerkmal des § 224 I Nr. 1 ist somit erfüllt.

Merke –> Nr.1 stellt eine Sepzialisierung von Nr. 2 dar, und schließt diesen daher aus!

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
22
Q

(P) —> Eventualvorsatz bezüglich einer “das Leben gefährdenden Behandlung” gem. § 224 I Nr.5 StGB?

A

A1 (Rspr.) –> bejahen ist. Nach der Rechtsprechung genügt es für den Vorsatz bzgl. einer das Leben gefährdenden Behandlung, dass der Täter neben – zumindest bedingtem - Verletzungsvorsatz diejenigen Umstände kennt, aus denen sich die allgemeine Gefährlichkeit seines Tuns in der konkreten Situation für das Leben des Opfers ergibt. Dass der Täter zudem die von ihm erkannten Umstände als lebensgefährdend bewertet, ist hingegen nicht erforderlich.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
23
Q

(P) –> Vorsatz bei Irren über Identität des Tatobjekts bei Totschlag?

A
  1. “error in persona”
  2. Da das Gesetz aber lediglich Tatumstandskenntnis hinsichtlich des abstrakten Tatbestandsmerkmals „Mensch“ erfordert (§ 212 I setzt nach seinem Wortlaut lediglich die Tötung eines anderen Menschen voraus), ist ein derartiger Irrtum bei tatbestandlicher Gleichwertigkeit von vorgestelltem und tatsächlichem Tatobjekt unbeachtlich. –> Gleichwertigkeit zweier Menschenleben
  3. Erforderlich sind: Konkretisierung des Opfers und Treffen der Person –> wenn nicht Konkretisierung: Versuchsprüfung!
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
24
Q

(P) –> welche rechtlichen Folgen hat es bei einem Fehlgehen der Tat (und wie nennt man dies), wenn das anvisierte und das getroffene Objekt tatbestandlich gleichwertig sind?

A

A1 “Gleichwertigkeitstheorie” –> Die sog. Gleichwertigkeitstheorie will bei tatbestandlicher Gleichwertigkeit von Ziel- und Verletzungsobjekt wegen vollendeten Delikts bestrafen. Hierbei stützt sie sich im Wesentlichen darauf, dass tatbestandlich gleichwertige Objekte auch den gleichen Schutz verdienen.
a) Würdigung: Gegen diese Theorie spricht jedoch bereits, dass sie einen Vorsatz hinsichtlich des getroffenen Objektes konstruiert, der tatsächlich (gerade im vorliegenden Fall) keinesfalls bestand.

A2 “Konkretisierungstheorie” –> Die sog. Konkretisierungstheorie bestraft demgegenüber (nur) wegen Versuchs (hinsichtlich des Zielobjekts) und Fahrlässigkeit (hinsichtlich des Verletzungsobjekts). Sie berücksichtigt sowohl die vom Täter bereits vorgenommene Individualisierung und Konkretisierung hinsichtlich des anvisierten Objektes, als auch, dass ihn in Bezug auf das tatsächlich getroffene Objekt nur ein Fahrlässigkeitsvorwurf trifft. Demnach ist diese Ansicht vorzugswürdig.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
25
Q

(P) –> können Babys heimtückisch ermordet werden?

A

A1 –> Nach einer Ansicht sind Kleinkinder stets arglos.
a) Würdigung: Für die erste Ansicht spricht, dass Kinder nicht aus eigener Kraft für ihr Wohl und ihre Si-cherheit sorgen können und daher besonders ausgeliefert – „arglos“ – sind.

A2 –> Nach einer anderen Ansicht können Klein-kinder bis zu einer Altersgrenze von ca. drei Jahren nicht arglos sein.
a) Würdigung: Die zweite An-sicht beruht jedoch auf der Erkenntnis, dass bei normaler Entwicklung die Fähigkeit, Angriffe auf Leib und Leben zu erkennen, erst mit ca. drei Jahren erworben wird. Vor Erreichen dieser Altersgrenze eine Arglosigkeit anzunehmen ist daher lebensfremd.

A3 –> Eine weitere Ansicht bejaht die Fähigkeit zu Argwohn insoweit, als dieser sich auf natürliche Abwehrinstinkte des Kindes bezieht. Indem A dem Brei Zucker zufügte, hat er einen natürlichen Abwehrinstinkt, nämlich den, Essen mit ungewöhnlichem oder bitterem Geschmack zu vermeiden, ausgeschaltet.
a) Würdigung: Doch – und dies berücksichtigt die dritte Ansicht - auch wenn die Fähigkeiten eines sechs Monate alten Kleinkindes noch nicht so ausgeprägt sind wie die eines älteren Kindes oder eines Erwachsenen, so verfügt es doch über bestimmte angeborene Schutzinstinkte. Wenn diese ausgeschaltet werden müssen, weil das Kind sonst die schädigende Handlung (hier: das Essen des Breis) verweigern würde, so kann von einem Argwohn auch eines Kleinkindes ausgegangen werden, ohne dass dieser bloß fingiert würde. Zwar könnte man argumentie-ren, dass sich der Abwehrinstinkt gegen den Geschmack der Substanz richte, nicht aber ge-gen deren tödliche Eigenschaft. Bei genauerem Hinsehen kann dies jedoch nicht überzeugen, da es um Eigenschaften ein- und derselben Substanz geht, die nicht ohne weiteres trennbar sind, und dieser menschliche Abwehrinstinkt evolutionsbiologisch gerade mit Blick auf tödli-che Gefahren entwickelt wurde.
Die besseren Argumente sprechen daher für die vermittelnde Ansicht. K war demnach arglos (a.A. vertretbar).

Hinweis –> Nach der Rspr. wird eine heimtückische Tötung eines noch nicht zu Argwohn fähigen Kleinkindes auch dann angenommen, wenn die Arglosigkeit schutzbereiter Drit-ter bewusst zur Tötung des Kleinkindes ausgenutzt wird. Hier könnte man als schutzbereite Dritte an die Mutter B denken. Diese war zum Zeitpunkt der Tathandlung unter der Dusche.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
26
Q

(P) –> “Heimtücke” –> welche Anforderungen werden an das “bewusste Ausnutzen” der Arg- und Wehrlosigkeit gestellt?

A

A1 –> Einer Auffassung zufolge genügt es, dass der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit in ihrer Be-deutung für die hilflose Lage des Angegriffenen und die Ausführung der Tat in dem Sinne erfasst und diese Situation des Opfers ausnutzt. Die Gegenmeinung verlangt hingegen, dass der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst in tückisch-verschlagener Weise ausnutzt, d.h. diese Begehungsmöglichkeit gegenüber einer anderen vorzieht.

A2 –> Zudem verlangt die ständige Rspr. als einschränkendes Merkmal der Heimtücke, dass der Täter in feindlicher Willensrichtung gehandelt hat.

A3 –> Eine andere Ansicht fordert stattdessen als begrenzendes Merkmal einen verwerflichen Ver-trauensbruch.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
27
Q

(P) –> “Habgier” –> Ankommen nicht auf Vermögensmehrung sonder dass Vermögen in Zukunft nicht vermindert würde.

A

A1 –> Nach einer Ansicht setzt „Gier“ immer ein Streben nach Mehr voraus.

A2 –> Nach einer anderen Ansicht ist es jedoch gleichgültig, ob es dem Täter um Vermögenszuwachs oder um die Vermeidung von Aufwendungen geht.

a) Würdigung: Für die zweite Ansicht spricht, dass sich auch im Ersparen von Aufwendungen das Streben nach Vermögensmehrung um jeden Preis ausdrückt. Es macht wertungsmäßig keinerlei Un-terschied, ob ein Menschenleben zum Erlangen oder zum Behalten eines Vermögenswerts geopfert wird. Ein Vermögenszuwachs und eine Ersparung von Aufwendungen sind wirt-schaftlich gleichwertig.
- -> A2 = vorzugswürdig!

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
28
Q

(P) –> Reicht ein “wahrscheinliches “ Eintreten der Erfolgs aus um einen Pflichtwidrigkeitszusammenhang zu verneinen”

A

A1 “Risikoerhöhungslehre” –> Nach der sog. Risikoerhöhungslehre ist der Pflichtwidrigkeitszusammenhang gegeben, wenn das pflichtwidrige Verhalten im Vergleich zum rechtmäßigen Alternativverhalten das Risiko des Erfolgseintritts deutlich erhöht hat.
a) Würdigung: Für die Risikoerhöhungslehre spricht, dass der Täter durch sein pflichtwidriges Verhalten dem Betroffenen konkrete Überlebenschancen entzogen hat.

A2 “Vermeidbarkeitstheorie” (hM) –> Nach herrschender Meinung (Vermeidbarkeitstheorie) kann dem Täter der Erfolg hingegen nur dann zugerechnet werden, wenn feststeht, dass der Erfolg bei einem rechtmäßigen Alternativverhalten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermieden worden wäre.
a) Würdigung: Diese vorzugswürdige Ansicht wendet bei Beweisschwierigkeiten den Grundsatz in dubio pro reo an. Das bedeutet, dass dem Täter der Erfolg nicht angelastet werden kann, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die darauf schließen lassen, dass es bei pflichtgemäßem Verhalten möglicherweise zum gleichen Erfolg gekommen wäre.
Dafür spricht, dass der Pflichtwidrigkeitszusammenhang eine haftungsbegründende Voraussetzung des Fahrlässigkeitsdelikts ist, so dass auch hierauf der Grundsatz in dubio pro reo anzuwenden ist. Außerdem knüpft die Risikoerhöhungslehre die Strafbarkeit lediglich an die Sorgfaltspflicht-verletzung und wandelt auf diese Weise Verletzungs- in Gefährdungsdelikte um.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
29
Q

(P) bei “Pflichtwidrigkeitszusammenhang” –> Betrunkener fährt nach Richtgeschwindigkeit Auto und baut aber Unfall, der vermieden hätte werden können, wenn man langsamer gefahren wäre. Egal ob betrunken, oder nicht.

A
  1. Grundsätzlich müsste auch im vorliegenden Fall der Pflichtwidrigkeitszusammenhang verneint werden, da der Erfolg auch bei pflichtgemäßem Alternativverhalten eingetreten wäre: Wäre T nüchtern gewesen, so wäre der Unfall trotzdem unvermeidbar gewesen.

A1 “Rspr” –> Anders beurteilt jedoch die Rechtsprechung diesen Fall. Sie fragt danach, wie schnell der Trunkenheitsfahrer angesichts seiner herabgesetzten Reaktionsfähigkeit noch hätte fahren dürfen (vgl. § 3 I 2 StVO), um auf Gefahren in der gleichen Zeit wie ein nüchterner Fahrer reagieren zu können. Hätte der Unfall – wie hier – bei der so reduzierten Geschwindigkeit vermieden werden können, so bejaht die Rechtsprechung den Pflichtwidrigkeitszusammenhang.

A2 “hM” –> Diese Sichtweise ist jedoch verfehlt, weil man einem angetrunkenen Fahrer nicht mehr Pflichten als einem nüchternen Fahrer auferlegen kann. Auch das in § 316 StGB und § 24 a StVG statuierte absolute Fahrverbot steht der Rechtsprechungsansicht entgegen. Außerdem kann nur ein nüchterner Fahrer in derselben Verkehrssituation als Vergleichsmaßstab für das rechtmäßige Alternativverhalten herangezogen werden. Wer betrunken Auto fährt (wenn auch langsamer), handelt immer noch sorgfaltspflichtwidrig.
Nach herrschender Lehrmeinung ist daher der Pflichtwidrigkeitszusammenhang im vorliegenden Fall zu verneinen. Der Erfolg ist dem F folglich nicht zuzurechnen.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
30
Q

(P) –> Wie ist das Merkaml der Geschäftsmäßigkeit im Zusammenhang mit einem ärztlich assestierenden Suizid auszulegen? (unabhängig von Sterbehilfevereinen im Rahmen einer Patientenbeziehung in Ausnahmefällen)

A

A1 “deskriptiv” –> Nach einer Ansicht verlangt das Merkmal der Geschäftsmäßigkeit nur ein auf Wiederholung angelegtes, planmäßiges Verhalten.
a) Würdigung: spricht, dass der Gesetzgeber darauf verzichtet hat, für Ärzte eine Sonderregel zu schaffen. Daher könnte man argumentieren, dass der Gesetzgeber die ärztliche Suizidhilfe grundsätzlich als von § 217 I umfasst sehen wollte.

A2 “restriktiv” –> Eine andere Ansicht vertritt hinsichtlich des Merkmals der Geschäftsmäßigkeit eine einschränkende Lösung. Sie will nur solche Ärzte als geschäftsmäßig handelnd ansehen, die sich die Suizidhilfe zur Hauptaufgabe machen und sich als professionelle Suizidhelfer verstehen. Zumindest müsse die Suizidhilfe auf eine Art und Weise geleistet werden, die sich nicht nur als ultima ratio innerhalb der Patientenbetreuung darstellt.
a) Würdigung: Auf der anderen Seite hat sich der Gesetzgeber auch nicht klar für die Strafbarkeit der Sui-zidhilfe im gewachsenen Arzt-Patienten-Verhältnis ausgesprochen. Für die zweite Ansicht spricht, dass der gesetzgeberische Wille in erster Linie verhindern will, dass die Suizidhilfe eine alltägliche Dienstleistung wird. Gerade in einem über mehrere Jahre gewachsenen, per-sönlichen Arzt-Patienten-Verhältnis stellt sich die Suizidhilfe jedoch nicht als alltägliche Dienstleistung, sondern als Ausdruck einer höchstpersönlichen Entscheidung dar. Außerdem kann man einem Arzt, der nicht auf Suizidhilfe spezialisiert ist, kein Interesse an einer mög-lichst häufigen und effektiven Suizidhilfe und voreiligen Suizidentscheidungen unterstellen. Ein Arzt ist vielmehr generell, aber vor allem in einer langjährigen Patientenbetreuung an der Lebenserhaltung interessiert und dieser verpflichtet. Gegen die weite Auslegung und damit gegen die erstgenannte Ansicht spricht zudem, dass die Einschränkung der mangels erfor-derlichen Gewinnerzielungsabsicht überaus weiten Strafbarkeit sonst allein vom subjektiven Tatbestand abhängt, während im objektiven Tatbestand kaum eine Einschränkung möglich ist. –> vorzugswürdig

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
31
Q

(P) –> Macht jede Täuschung des Einwilligenden oder nur bestimmte Täuschungen eine Einwilligung unwirksam? (Im Rahmen der wesentlichen Willensmängel)

A

A1 –> Nach einer Ansicht macht jeder durch Täuschung hervorgerufener Willensmangel die Einwilligung des Einwilligenden unwirksam.

A2 –> Nach der Gegenansicht nehmen nur rechtsgutsbezogene Täuschungen der Einwilligung ihre Wirksamkeit. Relevant ist ein Irrtum somit nur dann, wenn der Einwilligende über Art, Umfang und Intensität seiner Rechtsgutsbeeinträchtigung irrt.

a) Würdigung:
- Für letztere Ansicht spricht, dass auch eine auf unrichtigen Motiven beruhende Einwilligung, Ausdruck der Autonomie des Rechtsgutsträgers ist. - Weiterhin schützt § 223 nur die körperliche Integrität, welche aber unabhängig von den nicht rechtsgutsbezogenen Motiven der Einwilligung betroffen ist.
- Durch die Begrenzung der relevanten Irrtümer können Eigenver-antwortlichkeit und Rechtsgüterschutz in Einklang gebracht werden.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
32
Q

(P) –> Ist schlafende Person zum Argwohn fähig und kann somit “heimtückisch” ermordet werden?

A

Gegen die grundsätzliche Ablehnung einer Fähigkeit zum Argwohn des Schlafenden spricht aber, dass dieser sich dem Schlaf im Vertrauen darauf überlässt, dass kein Angriff droht. Dagegen könnte man zwar einwenden, dass im Schlaf ein positives Bewusstsein der Sicherheit fehlt. Entscheidendes Kriterium ist aber das zuvor gefasste Vertrauen, im Schlaf nicht angegriffen zu werden, ohne das sich derjenige nicht schlafen gelegt hätte. Insofern kommt es zu einer Vorverlagerung des Beurteilungszeitpunktes. Schließlich wird ja gerade die besondere Hilflosigkeit des Schlafenden ausgenutzt, was ebenfalls für eine Bejahung der Arglosigkeit spricht.

Im Gegensatz zum Bewusstlosen, der seinen Zustand nicht verhindern kann, ist also der Schlafende arglos.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
33
Q

(P) –> Ist Kleinkind zum Argwohn und somit zur Arglosigkeit fähig? (Im Rahmen der Heimtücke)
+ Mischen von Gift in süßen Brei

A
  1. Man könnte annehmen, dass Kleinkinder stets arglos sind.
  2. Überzeugender ist es jedoch zu argumentieren, dass Arglosigkeit grundsätzlich die Fähigkeit zum Argwohn voraussetzt.
  3. Gerade Kleinkinder sind aber nicht in der Lage, anderen Personen positives Vertrauen entgegenzubringen und die böse Absicht des Täters zu erkennen.
  4. Aufgrund dieser konstitutionellen Arglosigkeit läge damit keine Heimtücke vor.

+ (P) süßer Brei –>

  1. Darauf Ankommen, einen natürlichen Abwehrmechanismus zu umgehen um Argwohn nicht Aufkommen zu lassen
  2. Aber kein Vertrauensmissbrauch, sondern Überlisten der Natur
  3. Auch gebotene restriktive Auslegung der Mordmerkmale spricht gegen Heimtücke
  4. ABER: Bejahen der Heimtücke, wenn Arg- und Wehrlosigkeit einer schutzbereiten dritten Person ausgenutzt wird, wie 2. schlafenden Elternteil!
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
34
Q

(P) –> Stellt das Ersparen von Aufwendungen auch einen Vermögensvorteil dar (Im Rahmen der Habgier bei Mordmerkmal)
+ (P) –> Habgier nicht einziger und nicht primärer Beweggrund

A
  1. Einerseits wohnt dem Streben nach Entlastung nicht die Verwerflichkeit einer echten Erwerbsabsicht inne.
  2. Andererseits tritt auch in diesem Fall eine Bereicherung beim Täter ein.
  3. Auf die Art der Bereicherung kann es nicht ankommen, so dass aufgrund der Absicht, sich die Unterhaltsleistungen zu ersparen, Habgier vorliegt.

(P) Gewinnstreben nicht einziges Tatmotiv –>
1. Zwar muss das Gewinnstreben nicht das einzige Tatmotiv sein, es muss aber tatbeherrschend und bewusstseinsdominant gewesen sein.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
35
Q

(P) –> Ausnahme vom Grundsatz “Heimtücke setzt die Arglosigkeit des Angegriffenen bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs voraus” bei “planmäßigem Hinterhalt”?

A
  1. Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass Heimtücke die Arglosigkeit des Angegriffenen bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs voraussetzt, liegt jedoch dann vor, wenn der Täter das Opfer mit Tötungsvorsatz planmäßig in einen Hinterhalt lockt, um eine günstige Gelegenheit zur Tötung zu schaffen, und die entsprechenden Vorkehrungen und Maßnahmen bei Ausführung der Tat noch fortwirken.
  2. Der Zeitpunkt der Beurteilung der Arglosigkeit ist in diesen Fällen, in denen der Täter sein Opfer in eine Falle lockt, demnach nach vorne zu verlagern.
  3. Maßgeblich ist somit, ob sich das Opfer in dem Zeitpunkt, in dem es „in die Falle“ gelockt wurde, keines tätlichen Angriffs auf sein Leben oder seine körperliche Unversehrtheit versah.

a) Würdigung:
- Für eine Vorverlagerung des Beurteilungszeitpunktes spricht, dass eine Beschränkung der rechtlichen Würdigung auf den Augenblick der eigentlichen Tötungshandlung zu einer ungerechtfertigten Einengung des Anwendungsbereichs von § 211 II StGB führen würde.
- Darüber hinaus liegt das Tückische des Tätervorgehens gerade in den Vorkehrungen, die die günstige Gelegenheit zur Tötung schaffen. Immer dann, wenn der Täter das Opfer in eine Falle gelockt hat, um es dort ungestört töten zu können, kommt es deshalb auf das spätere Erkennen des Angriffs nicht an.
- Der Zeitpunkt der Beurteilung der Arglosigkeit ist in diesen Konstellationen vielmehr vorzuverlagern (also auf den Zeitpunkt, in dem der Täter das Opfer in seine Falle lockt)

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
36
Q

(P) –> Meineungsstreit bei “Einschränkendem Kriterium” der Heimtücke, wegen gebotener restriktiven Auslegung?

A
    • Aufgrund der absoluten Strafdrohung des § 211 StGB wird im Hinblick auf die Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes eine restriktive Auslegung der Heimtücke befürwortet. Wie diese vorgenommen werden soll, ist umstritten.

A1 “Lehre von der Typenkorrektur” –> Nach der Lehre von der Typenkorrektur kommt der Bejahung eines Mordmerkmals nur indizielle Bedeutung zu. Darüber hinaus müsse eine Gesamtwürdigung von Tat und Täter die besondere Verwerflichkeit der Tötung begründen.
a) Würdigung: Diese Ansicht findet aber keine Stütze im Gesetz und ist aufgrund ihrer Unbestimmtheit, die zu erheblichen Anwendungsunsicherheiten führen würde, abzulehnen.

A2 –> Nach anderer Ansicht soll Heimtücke nur bejaht werden können, wenn der Täter durch die Tat einen verwerflichen Vertrauensbruch begeht.
a) Würdigung: Dieses Kriterium taugt aber nicht zur Einschränkung, weil der Vertrauensbegriff konturenlos ist und oft keine Vertrauensbeziehung vorliegt, die der Täter brechen könnte (Bsp.: Attentate). Folglich ist auch diese Auffassung abzulehnen.

A3 –> Eine wiederum andere Ansicht fordert hinsichtlich des „Ausnutzens“ ein tückisch-verschlagenes Vorgehen. Das heißt, der Täter muss sich bewusst für die (auf Grund der Schutzlosigkeit des Opfers) günstigere von mindestens zwei Handlungsalternativen entschieden haben
a) Würdigung: Das Merkmal des tückisch-verschlagenen Vorgehens hingegen lässt sich gut mit dem Wortlaut „heimtückisch“ vereinbaren und entspricht ferner dem klassischen Leitbild des Mordes. Daher sprechen die besseren Gründe hierfür.

A4 “Rspr.” –> Schließlich wird gefordert, dass der Täter in feindseliger Willensrichtung handeln muss (so die Rspr.). Damit sollen Fälle herausgenommen werden, in denen der Täter zum vermeintlich Besten des Opfers handelt. Dieser Restriktionsversuch reicht zwar nicht sehr weit. Er wird aber dadurch ergänzt, dass auf der Rechtsfolgenfolgenseite § 49 I Nr. 1 StGB analog herangezogen wird, um die zwingende lebenslange Freiheitsstrafe zu vermeiden (sog. Rechtsfolgenlösung).
a) Würdigung: Gegen die Auffassung der Rspr. spricht, dass diese das Element der „Tücke“ in Heimtücke vernachlässigt.

–> A3 und A4 sind wichtig

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
37
Q

(P) –> Liegt eine Verdeckungsabsicht vor, wenn hinsichtlich der Tötung nur Eventualvorsatz vorlag? Der Täter das Opfer nicht töten wollte, es aber billigend in Kauf nahm? (zB. bei Explosion)

A
  1. Maßgeblich ist bei der Verdeckungsabsicht aber nicht der Tötungserfolg, sondern die Verdeckungshandlung, die den Tod eines Menschen herbeiführt.
    (2. Die Gasexplosion hat A aber gerade in der Absicht herbeigeführt, Tatspuren zu beseitigen, die auf seine Täterschaft hindeuten.)
  2. Schließlich stellt sich aber noch die Frage, ob gerade der Tod das Mittel zur Verdeckung der Straftat sein muss.
  3. Ein solches Verständnis wäre aber zu eng und auch vom Wortlaut der Norm nicht geboten.
  4. Maßgeblich ist also, dass der Täter die Tötungshandlung als Mittel zur Verdeckung einer anderen Straftat einsetzt (h.M.).
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
38
Q

(P) –> Einschränkendes Merkmal bei “Verdeckungsabsicht”?

A

A1 “Typenkorrektur” –> Zum einen könnte man wieder mit der Lehre von der Typenkorrektur den Mordmerkmalen nur indizielle Bedeutung beimessen und fordern, dass aufgrund einer Gesamtwürdigung von Tat und Täter die Tötung als besonders verwerflich gelten muss.
a) Würdigung: Abzulehnen aus Gründen wie bei Heimtücke

A2 “BGH” –> Der BGH sieht die Verdeckungsabsicht als spezielle Ausprägung der niedrigen Beweggründe an. Deshalb bestehe die Möglichkeit einer umfassenden Gesamtwürdigung, die im Einzelfall zur Verneinung des Merkmals führen kann (z.B. bei affektiver Erregung

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
39
Q

(P) –> Wie muss es sich Angegriffener anrechnen lassen, dass er vorbereitet mit zum Beispiel Schraubenzieher als Waffe in Situation geht im Rahmen der Erforderlichkeit einer Abwehrhandlung?

A
  1. An der Erforderlichkeit ändert sich auch dadurch nichts, dass der Abwehrende den Schraubenzieher in Erwartung der Notwehrsituation mitgenommen hat, um sich effizient verteidigen zu können.
  2. Denn das Risiko einer erheblichen Verletzung durch den notwehrübenden Angegriffenen geht zu Lasten des Angreifers.
  3. Ebenfalls unerheblich ist, dass der Abwehrende den Schraubenzieher als Stichwaffe benutzte.
  4. Grundsätzlich kann es bei lebensgefährlichen Waffen ein milderes Mittel darstellen, deren Gebrauch zu-nächst anzudrohen, weil dies erfahrungsgemäß eine abschreckende Wirkung hat.
  5. Anschließend ist das Mittel zunächst gegen nicht lebenswichtige Körperregionen zu richten.
  6. Dies gilt jedoch nur, wenn die Tatsituation dies zulässt, ohne dass der Angegriffene seine Verteidigungssituation schwächt. Er muss sich nicht auf eine Auseinandersetzung mit ungewissem Ausgang einlassen.
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
40
Q

(P) –> Wie ist es im Rahmen der Gebotenheit zu werten, wenn Notwehrhandelnder sich in Situation “bewusst” begibt und dafür ein Verteidigungsmittel bereithält? + (P) –> Wann gilt angriffauslösendes Verhalten als Provokation?

A
  1. Das Notwehrrecht wird bei der Notwehrprovokation sozialethisch eingeschränkt, da in diesen Fällen durch die Verteidigungshandlung das Rechtsbewährungsprinzip nicht voll verwirklicht würde:
  2. Wer sich „auf die Seite des Unrechts“ schlägt, indem er selbst die Notwehrlage veranlasst oder zumindest mitverursacht hat, kann die Rechtsordnung nicht mehr verteidigen.

(P) –>

A1 “Rechtswidrigkeitslösung” –> Die Provokation muss rechtswidrig erfolgen

A2 “Missbilligungslösung” (Rspr.) –> bereits sozialethisch zu missbilligende Handlungen sind geeignet, das Notwehrrecht unter dem Aspekt der Provokation zu beschränken.
a) Würdigung:
(-) Gegen die Einbeziehung auch bloß sozialethisch zu missbilligenden Handlungen spricht, dass an die „bloße“ Sozialwidrigkeit einer Hand-lung, die keine Rechtsnorm verletzte, nicht eine unter Umständen erhebliche Einschränkung des Notwehrrechts geknüpft werden sollte.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
41
Q

(P) –> Inwieweit ist in Fällen der Absichtsprovokation das Notwehrrecht einzuschränken?

A

A1 “hL” –> Verteidigungsrecht soll dem Provokateur ganz abgesprochen werden
a) Würdigung:
(+) Provozierender nicht schützenswert da Verlassen des Bodens des Rechts und als eigentlicher Angreifer einzustufen
(+) Das Rechtsbewährungsprinzip als Fundamentalgedanke der Notwehr würde hier nicht verwirklicht und die Angreiferin kann nicht als Rechtsbewahrerin angesehen werden. Hiernach gälte der allgemeine Gedanke des Verbots des Rechtsmissbrauchs: Nie-mand soll unter dem „Deckmantel der Notwehr“ einen anderen straffrei schädigen dürfen.
–> vorzugswürdige Ansicht

A2 –> Es besteht ein abgestuftes Notwehrrecht nach dem Drei-Stufen-Modell:
a) Würdigung
(+) Differenzierte Lösung möglich im Einzelfall

  1. Der Verteidiger muss versuchen, dem Angriff auszuweichen
  2. Ist dies nicht möglich, muss er sich auf Schutzwehrmaßnahmen beschränken, wobei auch leichte Verletzung zumutbar sind
  3. Um schwere Verletzungen abzuwenden, sind ihm schließlich Trutzwehrmaßnahmen gestattet

A3 –> Dem absichtlich Provozierenden soll sein volles Notwehrrecht erhalten bleiben

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
42
Q

(P) –> Zwangsweise Blutentnahme zur Lebensrettung als Angemessenes Mittel im Rahmen der Notstandshandlung?

A
  • Problematisch ist hier, dass die zwangsweise Blutent-nahme einen Eingriff in den Kernbereich der Autonomie des Betroffenen darstellt.

A1 “Literatur” –>
1. In der Literatur wird zum Teil die zwangsweise Blutentnahme als unzumutbares Sonderopfer eingeordnet.
2. Danach wäre die Blutentnahme nicht angemessen, also nicht über § 34 gerechtfertigt.
a) Würdigung:
(+) Blutentnahme gegen Willen ist gegen Menschenwürde
(+) Zudem würde die Zulassung einer entsprechenden Vorgehensweise dazu führen, dass Personen, die eine seltene Blut-gruppe aufweisen, damit rechnen müssten, ständig „angezapft“ zu werden.

A2 –> Nach anderer Ansicht ist die zwangsweise Blutentnahme zur Lebensrettung dem Betroffenen stets zumutbar.
a) Würdigung:
(+) Für die zweitge-nannte Ansicht spricht jedoch die Einheitlichkeit der Rechtsordnung: Wenn die zwangsweise Blutentnahme gem. § 81a StPO schon zur Beweissicherung oder gem. § 372a ZPO zur Fest-stellung einer Vaterschaft erlaubt sei, müsse dasselbe erst recht zum Zweck der Lebensret-tung gelten.
–> Vorzugswürdige Ansicht

A3 “vermittelnde Ansicht” –> Nach vermittelnder Ansicht soll die Blutentnahme nur ausnahmsweise dann zu-mutbar sein, wenn zwischen den beteiligten Personen eine enge Verbundenheit besteht, also etwa im Verhältnis Eltern-Kind oder zwischen Soldaten im gemeinsamen Kampfeinsatz.
a) Würdigung:
(+) Blutentnahme gegen Willen ist gegen Menschenwürde
(+) Zudem würde die Zulassung einer entsprechenden Vorgehensweise dazu führen, dass Personen, die eine seltene Blutgruppe aufweisen, damit rechnen müssten, ständig „angezapft“ zu werden.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
43
Q

(P) “das Leben gefährdende Behandlung” iSd. § 224 I Nr. 5 StGB –> muss eine konkrete Lebensgefährdung eingetreten sein, oder reicht eine abstrakte Lebesgefährdung aus?

A
  1. Mit anderen Worten ist danach zu Fragen, ob es aus Sicht eines objektiven Beobachters nur noch vom Zufall abhängen muss, ob der Todeserfolg eintritt, oder ob es ausreicht, dass die Begehungsweise objektiv generell dazu geeignet ist, das Opfer in Lebensgefahr zu bringen.
  2. Merke: Streit kann dahinstehen, wenn sich die Gefährdung im Erfolg, also durch den Tod realisiert hat!

A1 –> Für die lebensgefährdende Behandlung iSd. § 224 I Nr. 5 StGB genügt es, dass die Begehungsweise nach den konkreten Umständen des Einzelfalls, also nach Art, Dauer und Stärke der Einwirkung objektiv generell dazu geeignet ist, das Opfer in Lebensgefahr zu bringen.
a) Würdigung: alle anderen Qualifikationen lassen abstrakte auch ausreiche, daher sonst zu weites entfernen von anderen Qualifikaitonen

A2 –> Es ist erforderlich, dass das Opfer durch die Begehungsweise in eine konkrete Lebensgefahr gebracht wird und der Eintritt des Todeserfolges nur noch vom Zufall abhängt.
a) Restriktive Auslegung aufgrund hoher Strafandrohung, Aufgrund dessen, dass das Strafmaß angehoben wurde, erscheint es nur sachgemäß auch die Tatbestandsmerkmale restriktiv auszulegen und somit nicht nur einen abstrakte, sondern eine konkrete Lebensgefahr zu fordern.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
44
Q

(P) “§227 StGB Körperverletzung mit Todesfolge” –> Muss sich der tödliche Erfolg gerade aus dem vorsätzlich zugefügten Körperverletzungserfolg (Letalitätslehre) entwickeln oder reicht es aus, wenn nur die Körperverletzungshandlung den tödlichen Erfolg herbeiführt? (Im Rahmen des Gefahrspezifischen Zurechnungszusammenhangs)

Anders formuliert: Knüpft der Gefahrenverwirklichungszusammenhang iSd. § 227 StGB an den Erfolg des Grundtatbestands an, oder bereits an die Tathandlung

A
  1. Mit dem spezifischen Gefahrenverwirklichungszusammenhang zwischen dem Grunddelikt und der Todesfolge ist gemeint, dass sich in dem tödlichen Erfolg gerade die dem Grunddelikt anhaftende eigentümliche Gefahr verwirklichen muss.
  2. Nun ist aber fraglich, ob es für diesen Zusammenhang ausreicht, dass die Todesfolge „lediglich“ an die vorangegangene Tathandlung anknüpft, oder ob es demgegenüber erforderlich ist, dass der konkrete Erfolg des Grunddelikts eingetreten sein muss, an welchem sich dann die spezifische Todesfolge anschließt. Fraglich ist also, ob z.B. der durch die Schlagbewegung gelöste Schuss, der das Opfer tötet dem spezifischen Gefahrenverwirklichungszusammenhang genügt.2
  3. Dieser Meinungsstreit lässt sich überdies auf alle erfolgsqualifizierten Delikte übertragen.

A1 –> Der tödliche Erfolg muss sich gerade aus dem vorangegangenen Körperverletzungserfolg entwickeln.
a) Würdigung:
(+) Schutzzweckzusammenhang des § 223 StGB –> Die aus § 223 StGB resultierende Sorgfaltspflicht hat nur den Zweck, andere vor Verletzungen zu schützen, nicht aber vor den Gefahren irgendwelcher Bewegungen.
(+) Wortlaut des § 227 StGB „Tod der verletzten Person“
(+) Somit hat § 227 StGB einen sicheren Anwendungsbereich ohne Auslegungsschwierigkeiten.
(+) Somit wird auch dem hohen Strafrahmen entsprochen
(+) Durch die Einengung des Tatbestandes bzw. des Anwendungsbereichs des § 227 StGB, werden nur Fälle erfasst, die nach ihrem Unrechtsgehalt dem hohen Strafmaß entsprechen.

A2 –> Es genügt, wenn bereits die Körperverletzungshandlung den tödlichen Erfolg herbeiführt.
a) Würdigung:
(+) Parallele zum Sprachgebrauch in den §§ 223 I Var. 1 und 224 I Nr. 5 StGB
(+) Der Begriff Körperverletzung bezeichnet bei § 223 I Var. 1 StGB („körperlich misshandelt“) und bei § 224 I Nr. 5 StGB („lebensgefährdende Behandlung“) auch die Körperverletzungshandlung.
(+) Die Körperverletzungshandlung kann genauso lebensgefährlich sein wie der Körperverletzungserfolg

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
45
Q

(P) –> Ist die Verwirklichung des Heimtücke-Merkmals durch

a) Unterlassen oder
b) die Möglichkeit der Arglosigkeit Bewusstloser möglich?

A
  1. hM –> Nein!
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
46
Q

(P) –> Ist eine “Verdeckungsabsicht” durch Unterlassen möglich?

A

A1 “veraltet” –> Nach früher vertretener Ansicht erfordert „Verdecken“ ein aktives Tun im Sinne eines „Zudeckens“

A2 “hM” –> es bedarf keines aktiven Tuns
a) Würdigung:
(+) Wortlaut

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
47
Q

RIESEN (P) –> “Verdeckungsabsicht” seines Totschlags durch liegenlassen (Unterlassen) des Opfers! Ist überhaupt “eine andere Straftat” Im Sinne des Mordmerkmals gegeben?

A
  1. Eine „andere“ Tat liegt nicht vor, wenn bei sukzessiver Tatausführung das Verhalten von vornherein auf eine Tötung gerichtet war.
  2. Dies wird damit begründet, dass das nachträgliche Hinzutreten einer Verdeckungsabsicht die begonnene Tat nicht zu einer „anderen“ Tat macht.
  3. Voraussetzung für die Verneinung einer „anderen“ Tat ist jedoch durchgehender Tötungsvorsatz, der die sukzessiven Handlungen quasi miteinander verklammert.
  4. Der Tötungsvorsatz muss also schon bei Beginn der ersten Handlung vorgelegen haben.
  5. Liegen – wie hier im Fall – eine aktive Tötungshandlung und eine spätere Tötung durch Unterlassen vor, gilt das Gesagte entsprechend.
  6. Das heißt, eine „andere Straftat“ ist auch dann nicht gegeben, wenn der Täter zunächst eine mit Tötungsvorsatz begonnene Gewalthandlung durchführt (Tun) und später – ggf. nach einer zeitlichen Zäsur – den Todeserfolg aufgrund nachträglich hinzugetretener Verdeckungsabsicht nicht abwendet (Unterlassen).
  7. Der Grund besteht darin, dass sich das Absehen von Hilfeleistung in einem solchen Fall lediglich als Unterlassen eines strafbefreienden Rücktritts darstellt.
  8. Maßgeblich für die Beurteilung, ob die zu verdeckende Tat als eine „andere“ Tat im Rechtssinne einzustufen ist, ist demnach, ob durchgehend Tötungsvorsatz bestand.
  9. Ist dies der Fall, liegt nur eine einheitliche Tat vor.
  10. Gibt der Täter hingegen zwischenzeitlich den Tötungsvorsatz auf, ist die frühere Handlung, die zum Tod führen sollte, eine „andere“ Tat.
  11. In diesem Fall kann ein neu gefasster Tötungsentschluss zum Verdeckungsmord führen.
  12. Vorliegend lässt sich nicht mehr feststellen, ob K durchgängig (also auch schon beim Faustschlag) mit Tötungsvorsatz gehandelt hat.
  13. Daher muss in dubio pro reo davon ausgegangen werden, dass K bereits anfänglich, mithin durchgängig mit Tötungsvorsatz handelte.
  14. Beachte: Bei der Beurteilung der Verdeckungsabsicht ist es für den Täter folglich günstiger, von Tötungsvorsatz auszugehen, weil andernfalls der Faustschlag eine andere Tat darstellen würde, die zur Bejahung des Mordmerkmals Verdeckungsabsicht führen würde.
  15. Bei der Prüfung von § 212 I durch den Faustschlag als Tathandlung wäre die Annahme von Tötungsvorsatz hingegen nachteilig für K, daher musste in dubio pro reo angenommen werden, dass K ohne Vorsatz handelte.
  16. Dass auf diese Weise „in dubio pro reo“ zweimal in „entgegengesetzter Richtung“ (Bejahung bzw. Verneinung von Tötungsvorsatz) angewendet wird, ist zulässig, ja gerade geboten.
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
48
Q

(P) –> relativ mildeste Mittel einer Notwehrhandlung, wenn Erfolg der Tot des Gegners ist, der Handelnde ihn jedoch zB. lediglich auf Balkon schubsen wollte?

A
  1. Die Notwehrhandlung des A muss geeignet und erforderlich gewesen sein. Sie war offensichtlich geeignet, den Angriff des S zu unterbinden.
  2. Fraglich ist aber, ob sie auch das relativ mildeste unter gleich geeigneten Mitteln war.
  3. Zwar war die Tötung als solche grundsätzlich nicht erforderlich i.e.S.; auf der Grundlage eines “objektiven ex-ante Urteils” war der Stoß aber das mildeste wirksame Mittel, um den Spediteur auf den Balkon zu sperren.
  4. Ungewollte Auswirkungen der Tat (hier: dass der S durch den Stoß zu Tode kam) lassen die Erforderlichkeit dann nicht mehr entfallen.
  5. Bezugspunkt für die Beurteilung ist nur die Handlung selbst, nicht der tatsächlich eingetretene Erfolg.
  6. So hätte als milderes Mittel lediglich ein Festhalten des S o.Ä. zur Verfügung gestanden. Dieses wäre aber nicht gleich wirksam gewesen.
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
49
Q

(P) –> Schusswaffeneinsatz iR. der Erforderlichkeit?

A
  • Es ist zu beachten, dass unter mehreren gleich wirksamen Mitteln stets dasjenige zu wählen ist, welches für den Angreifer und etwaige Dritte am wenigsten einschneidend ist. Demnach ist grds. beim Gebrauch von Schusswaffen folgendermaßen vorzugehen:

1) Der Waffeneinsatz ist anzudrohen,
2) es ist ein Warnschuss abzugeben und möglichst erst auf die Beine (o. Ä.) zu zielen.

  • Dies gilt jedoch nur, wenn dieses Vorgehen dem Angegriffenen in der konkreten Situation möglich ist und er dadurch kein Risiko bei der Verteidigung seines Rechtsgutes eingeht.
  • Dabei ist auch zu beachten, dass stets die Notwehrhandlung und nicht deren Erfolg zu beurteilen ist.
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
50
Q

(P) –> Was bedeutet (Art. 2 II lit. a) EMRK für die Notwehr gem. § 32 StGB?

A
  1. Die EMRK ist ein völkerrechtlicher Vertrag und durch die Ratifikation Bestandteil der innerstaatlichen Rechtsordnung im Rang eines Bundesgesetzes geworden (Art. 59 II 1 GG).
  2. Die Bedeutung von Art. 2 II lit. a EMRK ist höchst umstritten.

A1 –> Zum Teil wird behauptet, dass § 32 StGB und Art. 2 II lit. a EMRK inhaltlich übereinstimmen. Es ist aber zu bedenken, dass nach § 32 StGB die Tötung eines Menschen zur Verteidigung von Sachwerten zumindest in Ausnahmefällen denkbar ist (s. z.B. Lösung zu Fall 24a).
Art. 2 II lit. a EMRK dagegen lässt dieses Ergebnis nicht zu.

A2 –> Hieraus folgert eine zweite Ansicht tatsächlich eine Einschränkung des § 32 StGB durch Art. 2 II lit. a EMRK, so dass F nicht gerechtfertigt wäre. Sie verweist dabei auch auf die neuere Rechtsprechung des EGMR und daran anknüpfend des BVerfG (BVerfGE 111, 307) und geht davon aus, dass das deutsche Notwehrrecht vollständig den Beschränkungen des Art. 2 II lit. a EMRK (effektiver Lebensschutz) unterliegt.

A3 –> Zu Recht weist aber eine dritte Ansicht darauf hin, dass Art. 2 II lit. a EMRK lediglich das (verti-kale) Verhältnis Staat – Bürger betreffe. Das (horizontale) Verhältnis der Bürger untereinander und damit das Notwehrrecht des Einzelnen werde nicht unmittelbar berührt.
- Auch eine mittelbare Folgerung für das Verhältnis Privater untereinander kann nach richtiger Ansicht nicht ge-zogen werden, da die Situationen im Verhältnis Staat – Bürger und Bürger – Bürger zu unter-schiedlich sind, als dass sich aus der völkerrechtlich vorgegebenen Behandlung innerhalb der ersten Situation ein zwingender „Erst-recht-Schluss“ auf die Behandlung in der letzteren Situation (im Sinne einer völkerrechtskonformen Auslegung) ergeben könnte.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
51
Q

Kurzübersicht von (P) –> Notwehrprovokation?

A

P) Notwehrprovokation 1) absichtliche Provokation –> nach h.M. Rechtsmissbrauch –> Versagung des Notwehrrechtes
2) sonstiges schuldhaftes Herbeiführen einer Notwehrlage –> abgestuftes Notwehrrecht (erst Ausweichen – dann Schutzwehr – dann Trutzwehr)

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
52
Q

(P) –> rechtfertigende Wirkung des § 32 StGB auch dann, wenn zwar objektiv eine Notwehrlage vorlag, diese vom Notwehrausübenden aber nicht erkannt wurde? –> Fehlen des subjektiven Rechtfertigungselements?

A

A1 “Objektive Theorie” –> Rechtfertigung (+), da Rechtsordnung nicht durch die Gesinnung des Täters gestört wird, sondern durch die Gefährlichkeit des objektiven Verhaltens. Was objektiv gerechtfertigt ist, kann sich nicht durch subjektive Elemente in ein missbilligtes Verhalten verwandeln.

A2 “subjektive Theorie” –> Für eine Rechtfertigung nach § 32 StGB genügt nicht das Vorliegen der objektiven Notwehrvoraus-setzungen. Die Notwendigkeit subjektiver Rechtfertigungselemente ergibt sich daraus, dass sich der Unrechtsgehalt einer Tat aus Handlungs- und Erfolgsunrecht zusammensetzt. Für die Kompensati-on des Erfolgsunrechts ist maßgeblich, dass die Rechtfertigungssituation objektiv gegeben ist. Für die Kompensation des Handlungsunrechts ist dagegen entscheidend, dass der Täter zumindest in Kenntnis der Notwehrsituation handelt (nicht notwendig ist hingegen ein Verteidigungswille, so aber etwa Fischer, StGB, § 32 Rn. 25 f. und die Rspr.. Dafür spricht auch der Wortlaut der §§ 32, 34 StGB („um … abzuwenden“). Nur wer mit der Intention handelt, den rechtswidrigen Angriff abzuwehren, wahrt das Recht gegenüber dem Unrecht.

A3 “e.A.” –> Bestrafung wegen einer vollende-ten rechtswidrigen Tat Diese Ansicht wird damit begründet, dass nur die volle Kongruenz zwischen objektiven und subjek-tiven Rechtfertigungsvoraussetzungen einen Unrechtsausschluss bewirkt (Rechtsbewährungsge-danke).

A4 “h.M.” –> Eine andere Ansicht befürwortet eine entsprechende Anwendung der Versuchsregeln: Der Erfolgs-unwert der Tat wird durch die objektiv gegebene Rechtfertigungslage kompensiert. Der Handlungs-unwert bleibt hingegen erhalten. Das entspricht der Konstellation beim Versuch.

Lösung –> Strafbarkeit wegen Versuchs prüfen!

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
53
Q

(P) –> Bewusstlos werden vor Eintritt der schweren Folge im Ramen der “Verursachung durch die Schlägerei” bei Mitwirkung am Raufhandel gem. § 231 I Alt. 1? –> “objektive Bedinungung der strafbarkeit” gegeben?

A
  • Fraglich ist aber, ob es dem A zugutekommt, dass er vor Eintritt der schweren Folge bewusstlos wurde und ab diesem Zeitpunkt nicht mehr an der Schlägerei beteiligt war.

A1 –> Nach einer Ansicht soll nur die Beteiligung während des Verursachungszeitpunkts der schweren Folge strafbar sein.

A2 –> Eine andere Ansicht hält die Beteiligung vor und während, nicht jedoch die Beteiligung nach dem Verursachungszeitpunkt für strafbar.

A3 –> Für eine dritte Meinung spielt es keine Rolle, zu welchem Zeitpunkt die einzelnen Akteure an der Schlägerei beteiligt waren.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
54
Q

(P) –> stellt eine “beschuhter Fuß” mit dem man an empflindliche Körperstellen tritt, ein “gefährliches Werkzeug” gem. 3 224 I Nr. 2 Alt. 2 StGB dar?

A
  1. Ausgehend vom Wortlaut des § 224 I Nr. 2 Alt. 2 kann der Fuß selbst als Körperteil kaum ein gefährliches Werkzeug darstellen.
  2. Anders kann es sich hingegen bei einem „beschuhten Fuß“ verhalten, wenn gegen empfindliche Körperstellen getreten wird, da Tritte mit Schuhen aufgrund der Verstärkung der Wucht der Tritte dann durchaus erhebliche Verletzungen herbeiführen kön-nen.
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
55
Q

(P) –> wie ist der Grad einer Lebensgefahr gem. § 224 I Nr. 5 StGB festgestellt?

A

Einer Ansicht nach wird der Eintritt einer konkreten Lebensgefahr gefordert, wobei es nur vom Zufall abhängen soll, ob das Opfer zu Tode kommt. Eine andere Ansicht lässt es jedoch ausreichen, wenn die Behandlung abstrakt geeignet ist, einen Todeserfolg herbeizuführen. Ein konkreter Gefahrenerfolg muss sich demzufolge nicht realisieren.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
56
Q

(P) –> Wann ist ein Körperglied als wichtig gem. §§ 226 I Nr. 2 Var. 2 StGB zu erachten?

A

Fraglich ist, wann ein Körperglied wichtig ist. A1 –> Eine Ansicht erachtet ein Körperglied als wichtig, wenn es für das Leben jedes Menschen von erheblicher Bedeutung ist
a) zB. der Daumen: Ohne den Daumen sind der Zangen- und der Pinzettengriff nicht möglich. Daher ist der Daumen für jeden Men-schen von erheblicher Bedeutung.

A2 –> Eine andere Ansicht will auf die sozialen Funktionen (z.B. besondere Bedeutung für Pianisten) und die individuellen Körpereigenschaften des Opfers abstellen.
a) zB. Daumen eines Rechtshänders an rechter Hand

A3 –> Eine dritte Ansicht berücksichtigt lediglich die individuellen Körpereigenschaften, nicht je-doch die sozialen Funktionen.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
57
Q

(P) –> Ist ein Tier (bzw. ein Hund) eine Sache iSd. § 303 I StGB?

A
  1. Eine Sache ist nach § 90 BGB jeder körperliche Gegenstand.
  2. Fraglich ist jedoch, ob ein Hund eine Sache i.S.d. § 303 I StGB sein kann, da § 90a S. 1 BGB feststellt, dass Tiere gerade keine Sachen seien.
  3. Würde man allerdings Tiere als Tatobjekte aus dem Anwendungsbereich des § 303 StGB herausnehmen, würde dies zu dem unbilligen Ergebnis führen, dass diese weniger geschützt wären als sonstige körperliche Gegenstände.
  4. Dies widerspräche sowohl dem Zweck des § 303 StGB, der als Rechtsgut allgemein das Eigentum schützt, als auch dem Zweck des § 90a BGB, der Tiere gegenüber anderen Sachen im Schadensersatzrecht besser stellen möchte (vgl. § 251 II S. 2 BGB).
  5. Zudem besitzt das StGB seine eigenen Begrifflichkeiten.
  6. Der wesentlich ältere strafrechtliche Sachbegriff ist als solcher eigenständig und vom Sachbegriff des BGB zu trennen.
  7. Auch ein systematischer Vergleich mit § 324a I Nr.1 StGB spricht hierfür. Tiere sind in dieser Norm Sachen gleichgestellt worden (…Tiere, Pflanzen oder andere Sachen…).
  8. Auch die Wertung des Art. 20a GG spricht dafür, auch Tieren einen strafrechtlichen Schutz im Rahmen des § 303 I StGB zukommen zu lassen.
  9. Folglich ist auch ein Tier und damit der Schäferhund eine Sache i.S.d. § 303 StGB.
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
58
Q

(P) –> Vorgehen bei “ärztlichem Heileingriff” (für den Spender, ansonsten liegt schon gar kein Heileingriff vor)?

A
  1. Zu erst prüfen, ob ärztlicher Heileingriff tatbestandlich überhaupt eine Körperverletzungshandlung darstellt! –> strikt von Rechtfertigung der Körperverletzung zu trennen!

A1 (Überwiegende Literaturmeinung) –>
1. Gemeinsame Tendenz (wenn auch im Einzelnen unterschiedliche Ansichten) ist, dass ein medizinisch indizierter und kunstgerecht ausgeführter Heileingriff schon nicht tatbestandsmäßig ist.
2. Tatbestandsmäßig ist nur der fehlerhaft ausgeführte und das körperliche Wohl verschlechternde „Heil“eingriff (wobei es bei letzterem idR am Vorsatz fehlt – der Arzt will ja negative Folgen gerade vermeiden und nicht herbeiführen).
a) Würdigung:
(+) Keine Gleichstellung des Arztes, der Verbesserung des körperlichen Zustandes erreichen will, mit „gewöhnlichen“ Tätern, deren Ziel gerade die Verschlechterung des körperlichen Zustands ist (Schlagwort: Gleichstellung des Arztes mit dem „Messerstecher“).
(+) Heileingriff muss als Gesamtakt betrachtet werden, der insgesamt der Verbesserung des körperlichen Wohls dient; nicht abzustellen ist auf Einzelakte wie Injektion, Einschnitte etc.

A2 (Rspr.+Teile der Literatur) –>
1.Jeder ärztliche Eingriff, der die körperliche Unversehrtheit mehr als unerheblich beeinträchtigt, ist eine tatbestandsmäßige Körperverletzung.
2. Dabei ist irrelevant, ob der Eingriff medizinisch indiziert ist, lege artis ausgeführt wird oder erfolgreich ist.
3. Allerdings kann eine Rechtfertigung nach den Regeln der (mutmaßlichen/hypothetischen) Einwilligung oder gem. § 34 StGB erfolgen.
a) Würdigung:
(+) Erst auf der Ebene der Rechtswidrigkeit findet die Gesamtbetrachtung statt.
(+) Ansonsten würde das Selbstbestimmungsrecht des Patienten missachtet.
- Die bloße medizinische Indikation und kunstgerechte Ausführung würden, auch wenn der Patient den Eingriff gar nicht will, zur Tatbestands- und damit Straflosigkeit führen. (In Betracht kämen dann nur noch §§ 239, 240 StGB

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
59
Q

(P) –> Spritze als gefährliches Werkzeug iSd. § 224 I StGB?

A
  1. Zwar kann man mit einer Nadel erhebliche Verletzungen herbeiführen (z.B. Stich ins Auge).
  2. Mit einer von einem Arzt sachgerecht als medizinisches Instrument benutzten Spritze ist dies jedoch nach der konkreten Art und Weise der Verwendung – hier für eine Blutentnahme – ausgeschlossen, so dass die Spritze, die von einem Arzt zur kunstgerechten Behandlung benutzt wird, kein gefährliches Werkzeug i.S.d. § 224 I Nr. 2 StGB ist.
  3. Anders liegt es dort, wo das Behandlungsinstrument als Angriffs- oder Verteidigungswerkzeug eingesetzt wird.
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
60
Q

(P) –> Gemeinschaftliches Begehen einer Tat gem. § 224 I Nr. 4 StGB, wenn ein Arzt Polizisten anweist, einen Patienten festzuhalten?

A
  1. Die Polizisten sind Beteiligte und haben mit dem Arzt F unmittelbar am Tatort zusammengewirkt.
  2. Fraglich ist jedoch, ob § 224 I Nr. 4 StGB vorliegt, da eine medizinische Behandlung in ei-nem Krankenhaus oft arbeitsteilig vorgenommen wird, ohne dass die für § 224 StGB charakteristi-sche besondere Gefährlichkeit der Körperverletzung gegeben ist.
  3. Hier lag der Fall aber anders als bei einem normalen Eingriff, da der Arzt und die „Helfer“ (welche zudem kein medizinisches Personal sind) gewaltsam gegen den Patienten vorgingen und daher tatsächlich für diesen wegen ihrer Übermacht besonders gefährlich waren.
  4. § 224 I Nr. 4 StGB liegt somit objektiv vor.
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
61
Q

(P) –> Angemessenheit der Notstandshandlung des Blutentnehmens gegen den Willen eines Patienten durch Arzt im Verhältnis zur Rechtsordnung und den diese prägenden Prinzipien?

A

A1 (überwiegende Meinung) –>

  1. Ausgehen davon, dass ein Eingriff in einen anderen Personenwert (hier: körperliche Integrität) trotz Höherrangigkeit des bedrohten Rechtsguts (hier: Leben) ausscheidet.
  2. Der Anspruch auf Selbstbestimmung und die Respektierung der Person (Autonomieprin-zip) schließe es aus, den Mitmenschen zur Duldung erheblicher Eingriffe in seine Person zu zwingen („Freiheitsprinzip“).
  3. Das Recht auf freie Selbstbestimmung (Art. 2 I i.V.m Art. 1 I GG), der Schutz der körperlichen Integrität (Art. 2 II GG) und die Menschenwürde (Art. 1 I GG) verbieten es danach, den B wider Willen zum „Blutersatzteillager“ und somit zu einem Objekt herabzuwürdigen.
  4. Eine zwangsweise Blutentnahme ist daher nach dieser Ansicht generell abzulehnen.

A2 (Vereinzelt vertreten) –>
1. Vereinzelt wird es allerdings abgelehnt, selbst geringe körperliche Zwangseingriffe zum Schutz anderer Rechtsgüter unter allen Umständen als Verstoß gegen die Menschenwürde anzusehen.
2. Dies zeigten auch die Regelungen der §§ 81a I 2, 81c StPO und des § 372a ZPO, nach denen zwangsweise Blutentnahmen sogar zur Aufklärung geringfügiger Delikte bzw. zur Feststellung der Abstammung zulässig sind.
3. Angesichts dessen könne ein ähnlicher Eingriff nicht unzulässig sein, wenn er der Rettung eines Menschenlebens diene.
4. Außerdem zeige § 323c StGB, dass Hilfeleistungen sehr wohl erzwingbar sind
a) Würdigung:
(-) Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass die sittliche Entscheidung, ob das persönliche Opfer einer Blutspende erbracht wird oder nicht, in einem freiheitlichen Rechtsstaat grundsätzlich dem Einzel-nen überlassen bleiben muss, also nicht (etwa im Rahmen des § 323c StGB) Gegenstand einer „all-gemeinen Hilfspflicht“ sein kann.
(-) Richtigerweise kann sich auch aus dem Solidaritätsprinzip keine Verpflichtung des B zur Duldung einer solchen Maßnahme ergeben. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der B durch sein rechtswidriges Vorverhalten (Ingerenz) die Gefahr verursacht hat und ihn daher nicht nur eine Mindestsolidarität, sondern vielmehr eine Erfolgsabwendungspflicht trifft.
(-) Zwar greift hier der Gedanke einer erhöhten Zumutbarkeit eingreifender Maßnahmen beim für die Gefahr Verantwortlichen, der sich auch in § 228 BGB (Defensivnotstand) zeigt. Geht man aber bei einer zwangsweisen Blutentnahme mit der herrschenden Lehre (u.a.) von einem Menschenwürde
verstoß aus, kann diese verfassungsrechtliche Hürde auch durch die Verantwortlichkeit des Betroffenen nicht überwunden werden.
–> Die Notstandshandlung war deshalb nicht angemessen (a.A. gut vertretbar).

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
62
Q

(P) –> Ist die Faust eines Boxers ein gefährliches Werkzeug iSd. § 224 I Nr. 2 StGB?

A
  1. Bei Körperteilen wird die Werkzeugqualität ganz überwiegend abgelehnt, da schon der Wortlaut „Werkzeug“ nur gegenständliche Mittel erfasst, die vom Körper unabhängig sind.
  2. Wegen des Bestimmtheitsgebots (Art. 103 II GG, § 1 StGB) bildet die Wortlautgrenze die Grenze der zulässigen Auslegung. Andernfalls liegt ein Verstoß gegen das strafrechtliche Analogieverbot vor (Keine Analogie zu Lasten des Täters!).
  3. Auch die besonders „geschulte Faust des Boxers“ ist deshalb kein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 224 I Nr. 2, 2. Alt. StGB, da diese ein Teil des Körpers und damit kein „Werkzeug“ ist.
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
63
Q

(P) –> Was stellt eine “mittels einer das Leben gefährdenden Behanldung” gem. § 2224 I Nr. 5 StGB dar?

A

A1 “Eine Mindermeinung” –> verlangt für § 224 I Nr. 5 StGB den Eintritt einer konkreten Lebensgefahr.
(-) Für diese enge Auslegung gibt der Wortlaut der Norm jedoch keine Anhaltspunkte.

A2 “hM” –> Richtigerweise genügt daher eine Behandlung, die unter den konkreten Umständen generell geeignet ist, das Leben zu gefährden (abstrakte Gefahr).
Ein Fausthieb in die Schläfengegend ist generell geeignet, das Leben des Opfers zu gefährden, so dass § 224 I Nr. 5 StGB hier zu bejahen ist, auch wenn keine konkrete Lebensgefahr für D eingetreten ist.

Merke:

  1. Die abstrakte Gefahr muss sich aus der Handlung selbst und nicht erst aus weiteren äußeren Umständen ergeben.
  2. Nicht erforderlich ist, dass das Opfer tatsächlich in Lebensgefahr geraten ist
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
64
Q

(P) –> Ist Provokation (zB. “Dann komm doch her wenn du dich traust und schlag mich!”) als Einwilligung zu werten?

A

–> Nein, da sittenwidrig gem. § 228 StGB!

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
65
Q

(P) –> Tatbestandsmäßigkeit geringfügiger körperlicher Züchtigung durch Eltern?

A
  1. Früher: Nach hM. (+), aber Rechtfertigung wegen elterlichen Züchtigungsrechts
  2. Heute: § 1631 II BGB verbietet ausdrücklich körperliche Bestrafung, deshalb keine Rechtfertigung möglich –> Problem des Erziehungsrechts hat sich auf Tatbestandsebene verlagert
    A1 –> Erziehungsrecht der Eltern gebietet restriktive Auslegung des § 223 StGB: Bei gering-fügigen Züchtigungen, die den zur Rechtfertigung entwickelten Grundsätzen genügen, liegt tatbestandlich keine Körperverletzung vor.
    Hierbei ist allerdings problematisch, wann eine körperli-che Züchtigung „geringfügig“ ist.

A2 –> Klarer Wille des Gesetzgebers
wollte gewaltfreie Erziehung sicherstellen, deshalb keine Korrektur des Tatbestandes, auch nicht bei geringfügigen Züchtigungen.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
66
Q

(P) –> Begründbarkeit der a.l.i.c.? Riiiieeesen Problem!

A
  1. Sehr umstritten ist allerdings, ob die Rechtsfigur der a.l.i.c. mit dem Koinzidenzprinzip aus § 20 in Einklang gebracht werden kann. Zur dogmatischen Begründung werden verschiedene Modelle vertreten.

A1 “Unvereinbarkeitsmodell” –>
1. die a.l.i.c. ist mit dem geltenden Recht – insbesondere im Hinblick auf Art. 103 II GG – nicht in Einklang zu bringen und daher als Rechtsfigur abzulehnen.
Rauschtaten könnten damit nur gem. § 323a bestraft werden
a) Würdigung:
(+) keine Notwendigkeit für die a.l.i.c.
Mit § 323a existiere eine Strafvorschrift, die verhindere, dass eine im Rauschzustand begangene Tat gänzlich straflos bleibt. Für eine weitergehende Strafbarkeit müsse der Gesetzgeber tätig werden.
(-) Dem wird jedoch entgegengehalten, dass § 323a eine Höchststrafe von nur fünf Jahren vorsieht; auch bei der Begehung eines Mordes im Rausch-zustand käme demnach höchstens eine fünfjährige Freiheitsstrafe in Betracht. Ein solches Ergebnis sei aber jedenfalls dann nicht mit dem Gerechtigkeitsempfinden zu vereinbaren, wenn jemand den Rauschzustand mit dem Vorsatz herbeigeführt hat, die dann tatsächlich vollendete Tat zu begehen.

A2 “Das Ausnahmemodell” –>
1. die Fälle der a.l.i.c. sind richterrechtlich anerkannte Ausnahme zum Koinzidenzprinzip des § 20 StGB
a) Würdigung:
(-) Verstoße gegen Art. 103 II GG, der es untersagt, Strafvorschriften durch Gewohnheitsrecht oder Richterrecht gegen ihren Wortlaut zu Un-gunsten des Betroffenen zu verändern.

A3 “Das Ausdehnungsmodell” –>
1. dehnt den Zeitpunkt „bei Begehung der Tat“ in § 20 StGB in der Weise aus, dass hierunter nicht erst die Vornahme der tatbestandsmäßigen Handlung, sondern bereits ein schuldrelevantes Vorverhalten fällt, d.h. hier das Sich-Versetzen in den Zustand der Schuldunfähigkeit.
2. Für die Strafbarkeit genügt es demnach, dass der Täter zum Zeitpunkt dieses Vorverhaltens noch schuldfähig ist.
a) Würdigung:
(-) eine „Tat“ gemäß § 11 I Nr. 5 StGB ist nur eine solche, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht. „Begehung der Tat“ heißt deshalb Vornahme der tatbestandlichen Handlung und nicht Vollzug eines Vorverhal-tens.

A3 “Das Vorverlegungsmodell” –> 1. Die tatbestandsmäßige Handlung beginnt bereits mit dem Sich-Versetzen in einen Zustand der Schuldunfähigkeit.
2. Zumindest bei reinen Erfolgsdelikten ist eine solche Vorverlegung ohne weiteres möglich, da diese nicht mehr verlangen als eine beliebige Handlung des Täters, die mit einem tatbestandlichen Erfolg in objektiv zurechenbarer Art und Weise kausal verknüpft ist.
3. § 223 ist ein Erfolgsdelikt. Demnach wäre D nach dieser Ansicht bezogen auf das Sich-Betrinken schuldfähig, bezogen auf den hier relevanten Zeitpunkt – das Schlagen mit dem Baseballschläger – jedoch schuldunfähig.
a) Würdigung:
(+) Näherliegend erscheint es, die Zulässigkeit der a.l.i.c. mit dem Vorverlegungsmodell zu begründen. Auch das Vorverlegungsmodell führt allerdings zu problematischen Konsequenzen.
Der Beginn einer Tathandlung liegt grundsätzlich nach § 22 erst vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Tatbestandsverwirklichung unmittelbar ansetzt. Nach der h.M. liegt ein solches unmittelbares Ansetzen jedoch erst dann vor, wenn die Handlung der Täterin aus ihrer Sicht das Opfer bereits konkret gefährdet oder ohne weitere wesentliche Zwischenakte direkt in die Tatbestandsverwirklichung einmüden soll. Bei der alic müsste jedoch das Sich-Versetzen in einen Rauschzustand mit dem Vorsatz, im schuldunfähigen Zustand eine Straftat zu begehen, schon als unmittelbares Ansetzen zu dieser Tat gem. § 22 gewertet werden. Mit anderen Worten würde schon die Herbeiführung des Rauschzustandes eine Versuchsstrafbarkeit begründen, obwohl das Opfer noch nicht konkret gefährdet ist und noch weitere wesentliche Zwischenakte bis zur Tatbestandsverwirklichung erforderlich sind. Allerdings erscheint dies durchaus hinnehmbar, wenn man einen anderen Vergleichsfall betrachtet: Auch bei sog. Distanzfällen – etwa wenn der Täter eine Sprengfalle bastelt, die erst einen Monat später explodieren soll, und sich dann dauerhaft vom Tatort entfernt – liegt noch ein erheblicher Zeitraum zwischen tatbestandsmäßiger Handlung und Erfolgseintritt. Die Vorverlagerung der Versuchsstrafbarkeit spricht somit nicht zwingend gegen diesen Begründungsansatz.

A4 “Sonderfall der mittelbaren Täterschaft” –> 1. Eine weitere Ansicht stellt ebenfalls auf das Sich-Betrinken ab und behandelt die a.l.i.c. als Sonderfall der mittelbaren Täterschaft, weil der Täter sich als sein eigenes schuldunfähiges Tatwerkzeug verwendet.
2. Ein mittelbarer Täter setzt bereits dann unmittelbar i.S.v. § 22 StGB an, wenn er das Geschehen aus der Hand gibt – d.h. also in dem Augenblick, in dem er sich berauscht und damit die Kontrolle über sich selbst verliert.
a) Würdigung:
(-) verstößt gegen Art. 103 II GG, da es nicht mit dem Wortlaut von § 25 I Var. 2 zu vereinbaren ist. Danach muss die Tat „durch einen anderen“ begangen werden und die Bewusstseinsveränderung aufgrund der Berauschung macht den Täter nicht zu einer anderen Person.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
67
Q

Wie wird der zweistufige Deliksaufbau, der von der Rspr. verwendet wird, ausgeführt?

A
  1. Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit sollen zu einem Gesamtunrechtstatbestand verbunden werden
  2. Tatbestandsmerkmale als positive Tatbestandsmerkmale (müssen vorliegen)
  3. Rechtfertigungsngründe als negative Tatbestandsmerkmale (dürfen nicht vorliegen)
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
68
Q

Welche 2 Lehren gibt es zu der Kausalität?

A

A1: Äquivalenztheorie (Rspr.) –> Ursächlich ist jede Bedingung, die nicht hinweg ge-dacht werden kann, ohne dass der tatbestandliche Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele – sog. Conditio-sine-qua-non-Formel

A2: “Lehre von der gesetzmäßigen bedingung (hL)” –> Eine Bedingung ist für einen Erfolg dann ursächlich, wenn sie mit diesem naturgesetzlich verbunden ist.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
69
Q

Problemfälle der Kausalität?

A
  1. Atypische Kausalverläufe (unerheblich)
  2. Hypothetische Ersatzursachen (Kausalität entfällt nicht dadurch, dass der Erfolg aufgrund anderer Ereignisse, die tatsächlich aber nicht stattgefundne haben, ebenfalls eingetreten wäre)
  3. Beschleunigung des Erfolgseintritts (Mitursächlichkeit/Beschleunigung genügt für Kausalität)
  4. Fortwirkende Kausalität ( unerheblich ob Verletzter oder Dritten eingreift, solange die früher gesetze Bedingung bis zum Erfolgseintritt fortwirkt, d.h. der später Eingreifende an die vorausgehende Bedingung anknüpft)
  5. Kumulative Kausalität (2 Täter setzen unabhängig voneinander Bedingungen die nur zusammen, aber nicht für sich allein zur Erfolgsverursachung ausreichen –> jede Bedingung ist ursächlich)
  6. Alternative Kausalität (Wieder 2 Täter, aber jede Bedingung für sich allein hätte schon zur Erfolgsverursachung ausgereicht)
    - -> Handlungen gelten schon dann als kausal, wenn sie nicht kumulativ weggedacht werden können
  7. Abgerbochene Kausalität (Die Ursächlichkeit einer früher gesetzten Bedingung ent-fällt, wenn ein späteres Ereignis völlig unabhängig von ihr eine neue Kausalreihe er-öffnet, die ganz allein den Erfolg herbeiführt, d.h. die erste Kausalreihe „überholt“ und somit abbricht.) –> “in dubio pro reo”
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
70
Q

Problemfälle der Schaffung einer rechtlich missbilligten Gefahr?

A
  1. Allgemeines Lebensrisiko (keine Gefahrenschaffung und auch rechtlich nicht missbilligt)
  2. Erlaubtes Risiko (zB. Anfahren einer Person im Straßenverkehr ohne dass man es hätte verhindern können –> Durch Auto fahren schaffen von Gefahr, aber rechtlich nicht missbilligt)
  3. Risikoverringerung (kein Begründen einer neuen eigenständigen Gefahr –> zB. Rettungshandlung bei der sich Person das Bein bricht, aber sonst von Balken erschlagen worden wäre)
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
71
Q

Problemfälle des Gefahrenzusammenhangs?

A
  1. Atypische Schadensfolge (kein Gefahrenzusammenhang! zB. Opfer ist Bluter)
  2. Geschehensabläufe außerhalb aller Lebenserfahrung (kein Gefahrenzusammenhang!)
  3. Fehlen des Schutzzweckzusammenhangs (kein Gefahrenzusammenhang)
  4. Fehlen des Pflichtwidrigkeitszusammenhangs (Erfolg wäre auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten eingetreten –> kein Gefahrenzusammenhang)
  5. Eigenverantwortliche Selbstgefährdung (Kein Gefahrenzusammenhang)
    - -> Außer: Selbstgefährdung ist nicht freiverantwortlich
    - -> Außer: Einverständliche Fremdgefährdung (Herrschaft über Tatgeschehen liegt allein bei Handelndem)
  6. Eigenverantwortliches Dazwischentreten Dritter (kein Gefahrezusammenhang, wenn durch Zweithandlung eine völlig neue Gefahr geschaffen wird durch Eingriff in Geschehen)
    - -> Außer: Das Verhalten des Dritten ist spezifisch mit der Augsangsgefahr verbunden
  7. Fälle der kumulativen Kausalität
    - -> nur Bestrafung aus Versuch
    - -> Risiko eines zufälligen Zusammentreffens zweier Handlungen die für sich Betrachtet zur Erfolgsherbeiführung nicht geeignet sind
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
72
Q

(P) –> Abgrenzung des Eventualvorsatz und der bewussten Fahrlässigkeit?

A
  • Abgrenzung auf der Wissensseite:

A1 “Möglichkeitstheorie” –> Eventualvorsatz liegt vor, wenn der Täter die konkrete Möglichkeit der Rechtsgutsverletzung erkannt hat und dennoch handelt.
(-) Dehnt die Vorsatzstrafbarkeit zu sehr in bewusste Fahrlässigkeit aus –> Täter ekennt gerade die Möglichkeit der Rechtsgutverletzung

A2 “Wahrscheinlichkeitstheorie” –> Eventualvorsatz liegt vor, wenn der Täter die Rechtsgutsverletzung für wahrscheinlich, d.h. mehr als „möglich“ und weniger als „überwiegend wahrscheinlich“, hält.
(-) Auch ein als wenig wahrscheinlich eingeschätzter Erfolg kann bewusst an-gestrebt und damit vom Vorsatz umfasst sein kann.

A3 “normative Risikolehre” –> Eventualvorsatz liegt vor, wenn sich der Täter bewusst für ein Handeln entscheidet, das mit einer in der Rechtsordnung geltenden Risikomaxime unverträglich ist.
(-) wieder zu weites Ausdehnen, da Täter bewusst gegen geltende Risikomaxime verstößt

  • Abgrenzung auf der Willensseite
    A1 “Ernstnahmetheorie” hL. –> Eventualvorsatz liegt (nur) vor, wenn der Täter den Erfolg für ernstlich für möglich hält und sich um des von ihm erstrebten Zieles auch mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet

A2 “Billigungstheorie” Rspr. –> Eventualvorsatz liegt (nur) vor, wenn der Täter den Erfolg für möglich hält und ihn auch billigend in Kauf nimmt. Billigen „im Rechtssinn“ erfordert dabei keine positive emotionale Stellungnahme, sondern meint ein Sichabfinden mit dem tatbestandlichen Erfolg um des angestrebten Zieles willen.

–> Unterschied auf Wollensseite: Bei Eventualvorsatz Abfinden mit Erfolgseintritt und bei bewusster Fahrlässigkeit ernsthaftes und nicht bloß vages Vertrauen darauf, dass der Erfolg nicht eintreten wird

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
73
Q

(P) –> “dolus alternativus”?

A
  • Der Täter weiß nicht sicher, welche von mehreren sich gegenseitig ausschließenden Erfolgen er mit seiner Handlung herbeiführen wird; er nimmt aber jede Möglichkeit billigend in Kauf.

A1 “Vollendungslösung” –> Zu bestrafen ist nur aus dem vollendeten Delikt. Bleiben alle Erfolge aus, ist auf das schwerere Delikt abzustellen.
(-) Möglicherweise schwerer wiegendes Versuchsunrecht bliebe unberücksichtigt

A2 “Schwerelösung” –>Nur aus schwererem Delikt zu bestrafen
(-) Wenn Versuchsunrecht schwerer wiegt, bleibt tatsächlich eingetretene Rechtsgutverletzung unberücksichtigt

A3 “Kumulationslösung” hM. –> Bestrafung aus allen verwirklichten und versuchten Delikten in tateinheit
(-) Täter werden zwei Vorsatztaten zur Last gelegt, obwohl nach seiner Vorstellung nur eine Rechtsgutverletzung eintreten sollte

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
74
Q

(P) –> Fehlgehen der Tat bei mittelbarer Individualisierung: Lenkung des Angriffs aus Ferne und daher nicht Wahrnehmen des Zielobjekts

A
  1. zB. Autobombe durch Umdrehen des Zündschlüssels und falsche Person steigt in Auto

A1 “aberratio ictus Lösung” –> Tatumstandsirrrtum
- Fahrlässiges Delikt am Verletzungsobjekt in Tateinheit mit versuchtem Delikt am Zielobjekt

A2 “Error in persona Lösung” hM. –> Kein tatumstandsirrtum, da Vorsatz sich mangels sinnlicher Wahrnehmung auf jedes Objekti beziht das den Programmvorgaben entspricht –> lediglich unbeachtlicher Identitätsirrtum bei tatbestandlicher Gleichwertigkeit

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
75
Q

(P) –> Irrtum über Kausalverlauf bei zweitaktigem Geschehen?

A

A1 “Lehre vom dolus generalis” –> Beide Handlungen bilden einheitliches Gesamtgeschehen, das auch im zweiten Teil von Gesamttötungsvorsatz getragen wird
–> vollendetes vorsätzliches Delikt
(-) tatsächlich zum Zeitpunkt der unmittelbaren Erfolgsherbeiführung erloschener Vorsatz wird nur fingiert

A2 “Aufspaltungslösung” –> Getrennte Betrachtung beider Handlungen: 1. = Vorsatz aber Erfolg fehlt. 2.= Erfol aber kein Vorsatz
–> Bestrafung wegen versuchtem Delikt (1. Handlung) in Tatmehrheit mit fahrlässigem Delikt (2. Handlung)
(-) Bedeutung der Ersthanldung für Erfolgseintritt nicht ausreichend berücksichtigt

A3 “Unwesentlichkeitslösung” hM. –> 1. Handlung ist maßgeblich

  • -> OTB (+)
  • -> STB: lediglich unwesentliche Abweichung des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf
  • -> vollendetes vorsätzliches Delikt
76
Q

(P) –> Vorzeitiger Erfolgseintritt obwohl erst mit anschließender Handlung der Erfolg herbeigeführt werden sollte?

A
  • Unterscheiden in:
    1. Erfolgseintritt durch Vorbereitungshandlung (nach Vorstellung des Täters) –> noch kein rechtlich relevanter Vorsatz zu der Zeit und daher Strafbarkeit wegen farhlässigem DElikt
    2. Erfolgseintritt durch Versuchshandlung –> nach Vorstellung des Täters bereits unmittelbares Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung dann bereits Vorsatz und nach hM. ist der Tod eine unwesentliche Abweichung des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf: Strafbarkeit wegen vollendetem vorsätzlichen Delikt
77
Q

(P) –> Beginn des Meinschseins?

A

A1 “zivilrechtliche Lösung” –> Gem. § 1 BGB mit Vollendung der Geburt, d.h. dem Austritt des Kindes aus dem Mutterleib

A2 “strafrechtliche Lösung” hM. –> Bereits mit dem Einsetzen der Eröffnungswehen

78
Q

(P) –> Verhältnis der §§ 211, 212, 216 STGB zueinander?

A

A1 “Abwandlungslösung” hL. –> § 212 Grundtatbestand; 211 Quualifikation und § 216 Privilegierung
(+) Unrecht bei allen drein grds. das selbe; zusätzliches Unrecht erhöht nur quantitativ, aber nicht qualitativ

A2 “Eigenständigkeitslösung” Rspr. –> Alle drei sind jeweils eigenständige Delikte
(+) §§ 211, 216 verweisen gerade nicht auf § 212 StGB als Grundtatbestand
(+) § 211 dürfte als Qualifikation nicht vor § 211 stehen

79
Q

(P) –> Wie ist die Habgier bei einem dem Täter zustehenden rechtmäßigen Vorteil zu betrachten?

A

A1 “extensive Lösung” –> § 211 soll jede vorsätzliche Tötung zur Erzielung wirtschaftlicher Vorteile pönalisieren

A2 “restriktive Lösung” –> kein echter Zugewinn wird erstrebt und daher keine Habgier und keine rechtswidrige Zueignung

80
Q

(P) –> Welche Rolle spielt kultureller Hintergrund eines Täters für das vorliegen niedrige Beweggründe?

A
  1. In der Regel keine, da Wertvorstellungen der geltenden Rechtsordnung zählen
  2. Aber, Fehlen an der inneren Tatseite d.h. dem Vorsatz, wenn der Täter von Wertvorstellung seines Kulturkreises noch so beherrscht ist, dass er sich von ihnen nicht lösen kann und die hiesigen Bewertungsgesichtspunkte in ihrem Bedeutungsgehalt nicht nachzuvollziehen vermag
  3. Private Wertvorstellungen genügen nicht
81
Q

(P) –> Welche weitere Voraussetzung fordert eine tvA für das Vorliegen von Heimtücke?

A
  1. Einen verwerflichen Vertrauensbruch
    –> Täter kann nur sein, wem das Opfer vertraut
    (-) Zu unbestimmt und Meuchelmord wäre nicht mehr erfasst
82
Q

(P) –> Gemeingefährlichkeit vorliegend, wenn Täter ein Tötungsmittel einsetzt, das eine Mehrzahl von Menschen an Leib und Leben gefährdet, dabei aber den Tod aller Menschen billigend in Kauf nimmt?

A

A1 “Individualisierungslösung” –> Wegen des umfassenden Vorsatzes sind Gefährdete keine unbeteiligten Dritten als Repräsentanten der Allgemeinheit und sind als Opfer individualisiert: keine Gefahr für Allgemeinheit

A2 “Repräsentationslösung” –> Opfer der Allgemeingefahr ist jeder, der als letztlich austauschbarer Repräsentant der Allgemeinheit und nicht als ausgesuchte, bestimmte Individualperson betroffen wird: Also auch Gemeingefährlich, wenn dem Täter letztlich egal, wer stirbt

83
Q

(P) –> Kann ein Mord mit gemeingefährlichen Mitteln auch durch Unterlassen begangen werden?

A

Nach hM kann der Mord mit gemeingefährlichen Mitteln nur im Wege aktiven Tuns verwirk-licht werden. Das bloße Ausnutzen einer bestehenden Gefahrenlage genügt aufgrund der gebo-tenen restriktiven Auslegung der Mordmerkmale nicht. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Gefah-renlage zufällig entstanden ist oder zuvor – ohne Tötungsvorsatz – vom Täter selbst herbeige-führt wurde.
–> zB. Gasleitung aufdrehen und X nicht davon abhalten sich eine Zigarette anzuzünden

84
Q

(P) –> Kann Verdeckugnsabsicht durch Unterlassen vorliegen?

A

A1 hM. –> Ja! Dem Täter muss es nach hM nicht darauf ankommen, Tat oder Täterschaft gerade vor den Strafverfolgungsorganen zu verdecken; es soll genügen, dass er außerstraf-rechtliche Konsequenzen, die ihm von dritter Seite drohen, vermeiden will.

A2 –> Entkoppelt man die Verdeckungsabsicht von der Intention, sich der Strafver-folgung zu entziehen, wird das spezifische Unrecht dieses Merkmals verfehlt. Solche „verdeckungsnahen“ Motive will eine aA daher besser den niedrigen Beweggründen zuweisen.

85
Q

(P) –> Was ist die Deliktsnatur der “Tötung auf Verlangen” gem. § 216 StGB?

A

A1 “Privilegierungslösung” hL. –> Privilegierungstatbestand zu § 212 StGB

A2 “Eigenständigkeitslösung” Rspr. –> Eigenständiges Delikt, als lex specialis § 212 StGB vorangehend

86
Q

(P) –> Grund für die Strafbarkeit des Täters wegen “Tötung auf Verlangen” gem. § 216 StGB?

A

A1 “Übereilungsschutzlösung” –> Rechtsgutinhaber soll aufgrund überragender Bedeutung des Lebens vor übereilten Preisgabe bewahrt werden

A2 “Generalpräventive Lösung” hM. –> § 216 dient zum Schutz des Tötungstabus und soll möglichen Missbrauch verhindern, da Gefahr dass jemand unter Deckmantel einer angeblichen Einwilligung in Wirklichkeit gegen seinen Willen getötet wird

87
Q

(P) –> Ist eine Tötung auf Verlangen durch Unterlassen möglich?

A

A1 “Fremdtötungslösung” frühere Rspr. –> Ja, dem Unterlassenden fällt die Tatherrschaft in dem Moment zu, in dem der Suizident bewusstlos und damit handlungsunfähig wird, da es nunmehr allein von seinem Willen abhängt ob Schutzbefohlener stirbt oder Eintritt des Todes noch verhindert wird

A2 “Selbsttötungslösung” hL. –> Nicht möglich, da vorangegangenes Tun nicht strafbare Teilnahme an eigenverantwortlicher Selbsttötung und es ist somit bei fortbestehendem Sterbewillen wertungsmäßig widersprüchlich das diesem Tun nachfolgende Untätigbleiben rechtlich anders zu bewerten und nach §§ 216, 13 StGB zu bestrafen

88
Q

(P) –> ist aktive Sterbehilfe strafbar?

A

A1 “hM” –> wegen § 216 StGB de lege lata unzulässig, da diese Vorschrift nach sinn und Zweck eine Rechtfertigung durch Einwilligung des Opfers ausschließt

A2 “MM.” –> In Ausnahmefällen Rechtfertigung nach § 34 StGB möglich da Vernichtungsschmerzen und Ermöglichung eines Todes in Würde und Schmerzfreiheit gem. Patientenwillen

89
Q

(P) –> Zulässigkeit der indirekten Sterbehilfe?

A

A1 “Tatbestandslösung” –> Verhalten schon nicht tatbestandsmäßig, da sozialem Sinngehalt nach keine Tötungshandlung vorliegend

A2 “Rechtfertigungslösung” hM. –> Das Verhalten ist nach § 34 StGB gerechtfertigt, weil die Ermöglichung eines Todes in Würde und Schmerzfreiheit gemäß dem Patientenwillen gegenüber der Aussicht, unter schwersten, insb. sog. Vernichtungs-schmerzen noch kurze Zeit länger leben zu können, das wesentlich überwiegende Interesse bildet.

90
Q

(P) –> Abschalten mechanischer Rettungsmittel/Behandlugnsabbruch: unzulässige aktive oder zulässige passive Sterbehilfe?

A

A1 “Energieeinsatzlösung” –> Das Abschalten des Geräts erfolgt i.d.R. durch den Einsatz von körperlicher Energie und stellt damit ein Tun, also eine an sich unzulässige aktive Sterbehilfe dar.

A2 “Schwerpunktlösung” früher hM. –> Es ist zu differenzieren:
a) Schaltet der behandelnde Arzt oder auf seine Anordnung das ärztliche Hilfsper-sonal das Gerät ab, ist zu berücksichtigen, dass die Maschine nur eine mechanisierte Form der Rettungshandlung darstellt. Das Abschalten entspricht hier deshalb wertungsmäßig dem Unterlassen der Weiterbehandlung – sog. Unterlassen durch Tun. Es handelt sich also um einen Fall der passiven Sterbehilfe.

b) Schaltet ein unbefugter Außenstehender das Gerät ab, entspricht dies grds. dem Abbrechen fremder Rettungsbemühungen durch aktives Eingreifen. Deshalb liegt hier im Normalfall ein Tun vor.

A3 “Autonomielösung” Rspr. –> Eine Sterbehilfe durch Unterlassen, Begrenzen oder Beenden einer medizinischen Handlung – sog. Behandlungsabbruch – ist gerechtfer-tigt, wenn dies dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Patientenwillen entspricht und dazu dient, einem ohne Behandlung zum Tode führenden Krankheitsprozess seinen Lauf zu lassen.

  • -> sowohl durch Unterlassen oder aktives Tun möglich
  • -> Kann der Patient aufgrund seines Selbstbestimmungsrechts das Unterlassen einer Behandlung verlangen, muss dies auch für das Beenden einer nicht (mehr) ge-wollten Behandlung gelten, und zwar auch dann, wenn diese Beendigung durch ak-tives Handeln erfolgt.
    a) Für die Ermittlung des Patientenwillens gilt:
  • -> Kranke noch urteilsfähig und verlangt einen Behandlungsabbruch, ist dieser Wille bindend.
  • -> Patient nicht mehr urteilsfähig, muss geprüft werden, ob er seinen Willen für die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation vorab in einer Patien-tenverfügung schriftlich fixiert hat.
  • -> keine Patientenverfügung vor oder trifft diese auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation nicht zu, kommt es auf den mutmaßlichen Willen des Kranken an.
    b) Subjektiv muss der Handelnde zumindest in Kenntnis (nach aA auch aufgrund) des Patientenwillens die Behandlung abbrechen.
    c) Gezielte Tötungen eines Menschen außerhalb des Behandlungsabbruchs (d.h. sonstige Fälle der aktiven Sterbehilfe) sind einer Rechtfertigung nicht zugänglich und bleiben strafbar.
91
Q

(P) –> Abgrenzung Tun und Unterlassen?

A

A1 “Energieeinsatzlösung” –> Tun und Unterlassen sind rein naturalistisch voneinander zu unter-scheiden.
→ Ein positives Tun liegt vor, wenn der Täter ein Geschehen durch den Einsatz körperli-cher Energie in Gang setzt oder in eine bestimmte Richtung lenkt.
→ Ein Unterlassen liegt vor, wenn der Täter den Dingen ihren Lauf lässt und von der Mög-lichkeit des Eingreifens keinen Gebrauch macht.

A2 “Schwerpunktlösung” hM. –> Der Einsatz körperlicher Energie bildet zwar ein wichtiges Indiz. Es gibt aber mehrdeutige Verhaltensweisen, bei denen die Abgrenzung nicht rein natura-listisch, sondern nur wertend erfolgen kann.
→ Entscheidend ist, wo unter Berücksichtigung des sozialen Handlungssinns der Schwer-punkt der Vorwerfbarkeit liegt.

92
Q

(P) –> Abbruch Lebenserhaltener Maßnahmen nach dem Patientenwillen, nicht durch Arzt, sondern durch Dritte zulässig und aktives Tun oder Unterlassen?

A

A1 “Energieeinsatzlösung” –> Nach der Energieeinsatzlösung liegt eindeutig positives Tun vor, da das Drücken auf den Abschaltknopf mit dem Einsatz von körperlicher Energie verbunden ist.

A2 “Schwerpunktlösung” früher hM. –> Auch die Schwerpunktlösung führt hier zu kei-nem anderen Ergebnis, da es hier nicht um den Abbruch einer eigenen, sondern um den einer fremden Rettungsmaßnahme geht und ein solcher stets als positives Tun bewertet wird.

A3 “Autonomielösung” neue Rspr. –> Herstellen eines rechtmäßigen Zustands: Abbruch der Behandlung gemäß dem Patientenwillen: Entscheidend ist nicht, in welcher Form – Tun oder Unterlassen – der Behandlungsabbruch hier erfolgt, sondern allein, dass er dem mutmaßlichen Willen von Selma entspricht.

93
Q

(P) –> Versetzen in Hilflose lage gem. § 221 StGB wenn schutzbereiter und schutzfähiger Garant sich plötzlich entschließt dem hilfsbedürftigen Opfer nicht mehr zu helfen?

A

A1 –> Solange der Garant schutzbereit und -fähig ist, befindet sich das Opfer noch nicht in einer hilflosen Lage. Indem er seine Bereitschaft zur Hilfe aufgibt, versetzt er das Opfer daher durch sein Unterlassen erst in die hilflose Lage.
→ Der Täter macht sich nach §§ 221 I Nr. 1, 13 I StGB strafbar.

A2 –> Das Opfer befindet sich bereits dann in einer hilflosen Lage, wenn es zu seinem Schutz auf den Beistand des Täters angewiesen ist. Gibt der Täter seine Bereitschaft zur Hilfe auf, lässt er das Opfer in dieser hilflosen Lage im Stich.
→ Der Täter macht sich nach §§ 221 I Nr. 2 StGB strafbar.

94
Q

(P) –> Notwehrrecht des Freunds bei Schwangerschaftsabbruch?

A

Von der hM wird hier ein Notwehrrecht verneint. Es fehle die Gebotenheit der Notwehr (dazu später mehr): Habe sich der Gesetzgeber entschieden, das ungeborene Leben gegenüber der Mutter in den ersten zwölf Wochen prinzipiell nicht durch Zwang, sondern ausschließlich durch ein Beratungskonzept zu schützen, dürfe ein weitergehender Schutz auch nicht durch Nothilfe erzwungen werden.

95
Q

(P) –> Weshalb gewährt § 32 StGB ein so weitreichendes Verteidigungsrecht, das keine Verhältnismäßigkeitsschranke enthält?

A

A1 “individualistischer Ansatz” –> Die Notwehr dient der Verteidigung der durch den An-griff bedrohten Rechtsgüter des Einzelnen.
(+) Die subjektiven Rechte eines jeden, von den jeweils anderen nicht ver-letzt zu werden, beinhalten die Befugnis, diese Ansprüche im Falle ihrer Missachtung auch zwangsweise durchzusetzen. Der Angreifer ist hier nicht schutzwürdig, da er sich durch den Abbruch seines Angriffs selbst vor Schaden bewahren kann. Führt er seinen Angriff fort, ist er für die Folgen seines Tuns selbst verantwortlich.

A2 “dualistischer Ansatz” hM. –> Die Notwehr dient nicht nur der Verteidigung der Rechtsgüter des Angegriffenen sondern auch der Bewährung (= Verteidigung) der Rechtsordnung.
(+) Der dualistische Ansatz erklärt, weshalb eine Verteidigung auch dann zulässig ist, wenn aus Individualgüterschutzgesichtspunkten ein Ausweichen bzw. die Flucht die sinnvollere Option darstellt. Denn das Recht braucht dem Unrecht nicht zu weichen. Zudem ergibt sich auch erst durch das Zusammenwirken beider Komponenten ein solches Übergewicht, dass demgegenüber die Interessen des Angreifers stets nachrangig sind.

96
Q

(P) –> Sind Rechtsgüter der Allgemeinheit notwehrfähig?

A

Nicht notwehrfähig sind nach hM Rechtsgüter der Allgemeinheit (z.B. die Umwelt oder die Sicherheit des Straßenverkehrs; deshalb ist das Ausbremsen des Rasers – Nötigung nach § 240 StGB – nicht nach § 32 StGB ge-rechtfertigt). Aus dem Wortlaut von § 32 StGB – „von sich oder einem anderen“ – folgt, dass der Angegriffene eine Person sein muss und damit als verteidigungsfähig nur solche Güter in Betracht kommen, die einem individualisierbaren Subjekt zuge-ordnet werden können. Nicht von § 32 gedeckt ist deshalb auch die sog. Staatsnothil-fe, d.h. die Verteidigung staatlicher Interessen durch Privatpersonen.

97
Q

(P) –> Von welcher Art muss die Handlungspflicht beim Unterlassen sein iR. eines Angriffs gem. § 32 StGB?

A

A1 –> Es genügt dass der Unterlassene die allgemeine Hilfspflicht missachtet

A2 –> Verlangt dasss gegen eine Garantenpflicht verstoßen wird, die Unterlassen iSd. § 13 StGB der Herbeiführung des Erfolges durch aktives Tun gleichstellt

98
Q

(P) –> Wann soll ein Angriff als rechtswidrig gelten?

A

A1 “Duldungslösung” –> wenn der Betroffene ihn nicht zu dul-den braucht, weil der Angreifer über keine besondere Eingriffsbefugnis verfügt.
→ Auch ein nicht sorgfaltswidriges Verhalten kann rechtswidrig sein.

A2 “Pflichtwidrigkeitslösung” hM. –> Der Angriff ist nur rechtswidrig, wenn der Angreifer gegen eine rechtliche Verhaltensnorm verstößt, also pflichtwidrig handelt. Auf die Schuldhaftigkeit des Angriffs kommt es dagegen nicht an.
→ Wer sich sorgfaltsgemäß verhält, greift nicht rechtswidrig an.

99
Q

(P) –> Notwehrbefugnis von Amtsträgern gem. § 32 StGB wenn Verhalten nach staatlichem Gefahrenabwehrrecht nicht zulässig ist, jedoch unter Notwehrgesichtspunkten gerechtfertigt wäre?

A

A1 “polizeirechtliche Lösung” –> 32 StGB ist auf Amtsträger nicht anwendbar; ihr Verhal-ten kann allein durch die speziellen polizeirechtlichen Eingriffsbefugnisse gerechtfer-tigt werden. Die z.T. strengeren Voraussetzungen dieser Normen dürfen nicht durch den Rückgriff auf § 32 StGB unterlaufen werden.
(-) Der Wortlaut von § 32 StGB unterscheidet nicht zwischen Amtsträgern und Privatpersonen. Zudem enthalten zahlreiche Polizeigesetze einen Notrechtsvorbehalt, demzufolge die zivil- und strafrechtlichen Wirkungen nach den Vorschriften über Notwehr und Notstand unberührt bleiben.

A2 “strafrechtliche Lösung” hM. –> § 32 StGB ist auch auf Amtsträger anwendbar.
- Ergänzungsmodell: § 32 StGB enthält nicht nur ein privates Verteidigungsrecht, sondern zugleich eine hoheitliche Eingriffsgrundlage, die die polizeirechtlichen Regelungen ergänzt.
(-) § 32 StGB genügt nicht den Anforderungen des Bestimmtheitsgebots und des Verhältnismäßigkeitsprinzips an hoheitliche Eingriffsgrundlagen. Weder wer-den die zuständigen Organe benannt noch die zulässigen Eingriffe nach Art und Ausmaß näher präzisiert. Außerdem müssen staatliche Eingriffe stets dem verfas-sungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gerecht werden.
a) “Aufspaltungsmodell”:
Es ist zu differenzieren zwischen der polizeirechtlichen und der strafrechtlichen Bewertung.
–> Polizeirechtlich bleibt das Handeln des Amtsträgers rechtswidrig, da § 32 StGB keine hoheitliche Eingriffsgrundlage darstellt. Eine disziplinarrechtliche Ahndung ist daher möglich.
–> Strafrechtlich kann das Handeln des Amtsträgers dagegen durch § 32 StGB ge-rechtfertigt sein, da ihm im Hinblick auf die strafrechtliche Beurteilung der Rechtfertigungsgrund der Notwehr wie jedem anderen zusteht.

100
Q

(P) –> Führt enge persönliche Beziehung zwischen Angreifer und Angegriffenem zu Notwehreinschränkung?

A
  1. hM: ja!
  2. Danach besteht nur ein abgestuftes Notwehr-recht i.S. des Drei-Stufen-Modells (Ausweichen vor Schutzwehr vor Trutzwehr); dabei muss der Angegriffene ggf. auch das Risiko leichter Beeinträchtigungen hinnehmen. Be-gründet liegt diese Notwehreinschränkung in der Beschützergarantenstellung des Angegriffenen für die Güter des Angreifers.
101
Q

(P) –> Einschränkung des Notwehrrechts bei Abwehrprovokation –> Wann gilt angriffsauslösendes Verhalten als Provokation?

A

A1 “Missbilligungslösung” Rspr. –> Das Vorverhalten braucht nicht rechtswidrig zu sein; es genügt, wenn es sozialethisch zu missbilligen ist – zumindest sofern die Moralwidrigkeit einen gewissen Schweregrad aufweist.

A2 “Rechtswidrigkeitslösung” hM. –> Das Vorverhalten muss rechtswidrig sein. Ist ein bestimmtes Verhalten – ungeachtet seiner moralischen Kritikwürdigkeit – rechtlich erlaubt, wäre es wertungsmäßig ein Widerspruch, es durch bestimmte Rechtsfolgen so zu behandeln, als sei es rechtlich verboten.

Unstreitig:

  1. keine Provokation liegt aber jedenfalls vor, wenn das Vorverhalten weder rechtswidrig noch sozialethisch zu missbilligen ist.
  2. Ebenfalls unstreitig muss sich der Angriff als adäquate, d.h. aus der Sicht eines Dritten nachvollziehbare Reaktion auf das Vorverhalten darstellen – sog. Provokationszu-sammenhang. Daran fehlt es etwa, wenn zwischen Provokation und Angriff bereits ein längerer Zeitraum verstrichen ist.
102
Q

(P) –> Anwendung des Notwehrrechts bei Absichtsprovokation?

A

A1 “Unzulässigkeitslösung” hL. –> Das Notwehrrecht entfällt vollständig. Da es dem Pro-vokateur in Wirklichkeit um eine Schädigung des provozierten Angreifers und nicht um Selbstschutz geht, ist eine Berufung auf Notwehr rechtsmissbräuchlich

A2 “Drei-Stufen-Lösung” –> Ist die Bedrohung für den an-gegriffenen Provokateur nicht nur marginal und kann er sie nicht anders als durch Trutzwehr abwenden, kommt dem Schutzzweck neben dem Schädigungszweck ein eigenständiges Gewicht zu. Hier muss daher eine aktive Gegenwehr zulässig bleiben.

103
Q

(P) –> Ergibt sich aus Art. 2 EMRK ein Verbot tödlicher Notwehr zur Verteidigung von Sachen?

A

A1 hM. –> Nein, Art. 2 EMRK richtet sich alein an den Staat und sei deshalb auf das Verhalten von Privaten von vornherein nicht anwendbar

104
Q

(P) –> Rettungsfolter im Rahmen der Notwehr zulässig?

A
  • Der Verteidiger kann einen rechtswidrigen Angriff auf das Leben nur dadurch abwenden, dass er den Angreifer durch Androhung oder Zufügung von Schmer-zen zur Preisgabe rettender Informationen zwingt – sog. Rettungsfolter. Fraglich ist, in-wieweit die Menschenwürdegarantie in Art. 1 I GG der Notwehr hier Schranken setzt.
  • Unterscheiden in Amtsträger und Private:
    1. Amtsträger:
    A1 “Abwägungslösung” –> Die Notwehr ist zulässig. Es kollidiert die Pflicht des Amtsträ-gers, die Menschenwürde des Angreifers zu achten mit seiner Pflicht, die Menschen-würde des Angegriffenen zu schützen. Diese Würdekollision kann nur durch Abwägung aufgelöst werden. Vorrang hat i.d.R. die Würde des unschuldig Angegriffenen.

A2 “Eingriffslösung” hM. –> Die Notwehr ist nicht zulässig. Das Verbot, in die Menschenwürde des Angreifers einzugreifen, gilt absolut. Die Schutzpflicht des Amtsträ-gers zugunsten des Angegriffenen kann immer nur so weit reichen, wie durch sie die Achtungspflicht zugunsten des Angreifers nicht verletzt wird. Deshalb ist für eine Abwägung kein Raum.

105
Q

(P) –> Rettungsfolter durch Private?

A

A1 “Eingriffsverbotslösung”–> Notwehr ist unzulässig und Verbot wegen Menschenwürde gilt auch für Privatpersonen

A2 “Abwägungslösung” –> Zulässige Notwehr, da Belange des Angegriffenen Vorrang.
(+) Adressat des Art. 1 GG ist der Staat
(+) Angreifer nicht schutzbedürftig
(+) Notwehrverbot wäre seinerseits staatlicher Eingirff in Würde des Angegriffenen

106
Q

(P) –> Notwehr gegen Nötigung oder Erpresseng?

A

A1 –> Keine Gegenwärtigkeit des Angriffs, da Willensentschließungsfreiheit mit Aussprechen der Drohung bereits abgeschlossen sei.

A2 hM. –> Solange Drohung noch im Raum steht, erfolgt aufgrund weiterwirkenden psychischen Drucks eine fortdauernde Beeinträchtigung der Willensentschließungsfreiheit, sodass Angriff gegenwärtig
–> ABER so geringes Geheimhaltungsinteresse (falls überhaupt schutzwürdig), sodass Unverhältnismäßigkeit und keine Gebotenheit

107
Q

(P) –> Kann ein Heimtücke Mord bei Verteidigung gegen Chantage (Nötigung/Erpressung) vorliegen?

A

Rspr –> NEIN! Angreifer muss bei Gegenwärtigkeit des Angriffs damit rechnen Gegenwehr zu erfahren und ist somit nicht arglos

108
Q

(P) –> reicht beim subjektiven Merkmal der Notwehr aus, dass Verteidiger bloße Kenntnis besitzt?

A

A1 “voluntative Lösung” hM. –> Kenntnis der notwehrbegründenen Umstände allein genügt nicht, der Notwehrübende muss mit Verteidigungsabsicht, d.h. zum Zweck der Angriffsabwehr handeln damit tatbestandliches Unrecht vollständig ausgeglichen wird
–> Falls Fehlen der Verteidigungsabsicht, hat das welche Folgen? (str.)

A2 “kognitive Lösung” –> Kenntnis der notwehrbegründenden Umstände reicht aus. Solange Täter im Rahmen des rechtlich Erlaubten bleibt und dies auch weiß, sind Handlungsgründe rechtlich irrlevant
–> Bestrafung wegen “falschem” Motiv, wäre “Gesinnungsstrafrecht”

109
Q

(P) –> Welche rechtlichen Konsequenzen hat das Fehlen der Verteidigungsabsicht wenn man der hM. folgt?

A

A1 “Vollendungslösung” –> Handeln ohne Notwehrwillen = Strafbarkeit wegen vollendeter rechtswidriger Tat
–> Tatunrecht setzt sich aus Erfolgsunwert UND Handlungsunwert zusammen

A2 “Versuchslösung” hM. –> Handeln ohne Notwehrwillen = Strafbarkeit wegen versuchter rechtswidriger Tat
–> wegen Bestehen einer objektiven Rechtfertigungslage fehlt Erfolgsunwert der Tat, welcher für Bestrafung wegen vollendetem Delikt vorliegen muss

110
Q

(P) –> Kann bei Defensivnotstand auch Tötung des Gefahrurhebers gerechtfertigt sein?

A

A1 “Nicht-Abwägbarkeitslösung” hM. –> Aufgrund der Nicht-Abwägbarkeit des menschlichen Lebens ist auch die Tötung des Gefahrurhebers im Defensivnotstand nie zu rechtfertigen.

A2 “Haftungslösung” –> Anders als im Aggressivnotstand kann im Defensivnotstand ausnahms-weise eine Tötung zur Gefahrenabwehr gerechtfertigt sein. Im Aggressivnotstand scheidet eine Tötung als zulässige Abwehrmaßnahme aus, weil die Aufopferung des eigenen Le-bens als Akt der Solidarität von niemandem erzwungen werden kann. Beim Defensivnot-stand geht es aber auf Seiten des Eingriffsadressaten nicht um eine Solidarverpflichtung, sondern um eine Haftung für Gefahren, die aus seiner eigenen Rechtsphäre herrühren. Hier kann umgekehrt der Gefährdete nicht verpflichtet werden, aus Solidarität mit dem Gefahrurheber gravierende Schädigungen hinzunehmen.

111
Q

(P) –> Bedeutung der Angemessenheitserfordernisse?

A

A1 –> Teilweise wird darin nur eine im Grunde überflüssige Kontrollklausel gesehen, da alle rele-vanten Umstände bereits bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen sind.
Problem: Das entspricht offenkundig nicht der Konzeption des Gesetzes.

A2 –> Nach aA handelt es sich um eine eigenständige zweite Wertungsstufe neben der Interessen-abwägung.
Problem: Das verträgt sich wiederum kaum mit dem Postulat einer Gesamtabwägung, die nur einheitlich erfolgen kann

112
Q

(P) –> Wie wird der Nötigungsnotstand behandelt? (Täter verwirklicht Straftatbestand um dadurch gedrohtes Übel für Fall der Nichtbegehung abzuwenden)

A

A1 “Entschuldigungslösung” h.M. –> Eine Rechtfertigung nach § 34 StGB scheidet aus; möglich ist nur eine Entschuldigung nach § 35 StGB. Der Genötigte tritt – wenn auch gezwungenermaßen – auf die Seite des Unrechts. Durch eine Rechtfertigung würde dem Opfer der im Nötigungsnotstand begangenen Tat das Notwehrrecht genommen.

A2 “Rechtfertigungslösung” –> Dem Genötigten steht die uneingeschränkte Notstandsbe-fugnis zu. Überwiegt das von ihm geschützte Interesse das beeinträchtigte Interesse wesentlich, ist er gerechtfertigt. Das Unrecht, das der Nötiger als mittelbarer Täter verwirklicht, kann dem Genötigten in keiner Form mit zugerechnet werden. Weder ist sein Verhalten frei noch trifft ihn eine besondere Gefahrtragungs- oder Widerstands-pflicht. Er tritt deshalb auch nicht auf die „Seite des Unrechts“; auf dieser Seite befin-det sich vielmehr allein der Nötiger.

113
Q

(P) –> Einwilligung des Einzelnen bei Rechtsgütern der Allgemeinheit möglich, wenn der Tatbestand neben dem Allgemeininteresse auch ein Interesse des Einzelnen schützen soll?

A
  • Man muss differenzieren:
    1. Keine Einwilligung: Wenn bereits die nichteinwilligungsfähige Schädigung des Universalrechtsugt allein den Unrechtsvorwurf trägt
  1. Einwilligung möglich: Legitimiert hingegen erst eine Beeinträchtigung des Allgemeininteresses und des Individual-interesses gemeinsam die Strafandrohung, führt die Einwilligung zu einem Wegfall des (Straf-)Unrechts
114
Q

(P) –> Welche Folgen haben Irrtümer bei Fehlvorstellungen die für das Einwilligungsmotiv maßgeblich sind?

A

A1 “Rechtsgutlösung” –> Nicht-rechtsgutsbezogene Irrtümer sind stets unbeachtlich.
A2 “Zwecklösung” –> Auch zweckbezogene Irrtümer sind beachtlich
(-) Beide Auffassungen berücksichtigen den Verantwortungsaspekt nicht zureichend

A3 “Zurechnungslösung” –> Die Fehlvorstellung führt zu einem wesentlichen Wil-lensmangel, wenn sie dem Täter, etwa weil er den Einwilligenden getäuscht hat, zugerechnet werden kann.

115
Q

(P) –> Muss Festgehaltener für Festnahmerecht tatsächlich eine Straftat begangen haben?

A

A1 “prozessuale Lösung” –> Dringender Tatverdacht genügt

A2 “materiell-rechtliche Lösung” –> Straftat muss wirklich begangen worden sein

116
Q

(P) –> ärztlicher Heileingriff als Körperverletzung gem. § 223 StGB?

A

A1 “Tatbestandslösung” –> Unter bestimmten Voraussetzungen erfüllt heileingriff schon nicht Tatbestand der Körperverletzung
1. “Erfolgslösung” –> Eine Körperverletzung liegt nicht vor, wenn der Patient geheilt wird oder sein Zustand sich zumindest bessert. Denn maßgeblich sind insoweit nicht die einzelnen Behandlungsakte (Bsp.: Einschnitte, Injektionen), sondern der Gesamterfolg.
→ Tatbestandsmäßig ist nur der erfolglose Eingriff
2. “Lösung des kunstgerechten Eingriffs” –> Eine Körperverletzung liegt nicht vor, wenn die ärztliche Maßnahme medizinisch indiziert ist und lege artis durchge-führt wird.
→ Tatbestandsmäßig ist nur der nicht indizierte oder nicht sachgerecht vorgenommene Eingriff.

  • Fehlen der Zustimmung des Patienten unerheblich, denn nicht Verletzen der körperlichen Integrität, sondern Selbstbestimmungsfreiheit des Patienten

A2 “Rechtfertigungslösung” hM. –> Der ärztliche Heileingriff erfüllt stets den Tatbestand der Körperverletzung. Dass die mit einer Verletzung der körperlichen Integrität ver-bundene Behandlungsmaßnahme den Eintritt eines anderen – größeren – Schadens verhindert, ändert daran nichts. Möglich ist deshalb nur eine Rechtfertigung auf der Rechtswidrigkeitsebene – i.d.R. durch die Einwilligung oder mutmaßliche Einwilli-gung des Patienten
–> Die Einwilligung ist nur wirksam, wenn der Arzt zuvor seiner Aufklärungspflicht genüge getan hat (vgl. §630e BGB
ABER: Entfallen ausnahsmweise wenn:
a. tatsächlich erteilte Einwilligung wegen Aufklärungsmangels unwirksam und mutmaßliche Einwilligung scheidet wegen Möglichkeit den Berechtigten nach seiner Zustimmungs zu fragen aus aber dieser hätte eingewilligt wenn man ihn hinreichend aufgeklärt hätte –> hypothetische Einwilligung
Kritik: Durch die Anerkennung dieser Rechtsfigur droht die Selbstbestimmungsfrei-heit des Rechtsgutsinhabers ausgehöhlt zu werden.

117
Q

(P) –> Wann wird eine Körperverletzung mittels einer lebensgefährdenden Behandlung begangen gem. § 224 StGB?

A

A1 “enge Lösung” –> Mittels einer lebensgefährdenden Behandlung wird die Körperverlet-zung nur begangen, wenn der Täter durch die Tathandlung eine konkrete Lebensgefahr für das Opfer herbeiführt.
–> Diese Lebensgefahr muss sich allerdings nicht aus dem Körperverletzungserfolg (Bsp.: Verletzung durch Faustschlag) ergeben, sondern kann auch aus der Körperverlet-zungshandlung (Bsp.: das Opfer stolpert infolge des Faustschlags auf die Straße und wird bei-nahe überfahren) folgen. Die „Behandlung“ iSd § 224 I Nr. 5 meint die gesamte Tathandlung
(-) § 224 I Nr. 5 StGB wird damit zu nahe an den versuchten Totschlag herangerückt.

A2 “weite Lösung” hM. –> Eine das Leben gefährdende Behandlung liegt bereits dann vor, wenn die Verletzungshandlung den konkreten Umständen nach objektiv generell geeignet ist, das Leben des Opfers in Gefahr zu bringen.
–> Es ist nicht erforderlich, dass das Opfer auch tatsächlich in eine Lebensgefahr ge-rät.

118
Q

(P) –> Verhältnis von direktem Vorsatz zur Verwirklichung der schweren Foge und Tötungsvorsatz gleich welcher Art?

A

A1 “Vereinbarkeitslösung “(Rspr.) –> Tötungsvorsatz und direkter Vorsatz hinsichtlich der schweren Folge sind miteinander vereinbar, wenn der die Tötung anstrebende Täter alternativ die schwere Folge als sichere Auswirkung seiner Tat voraussieht.

A2 “Unvereinbarkeitslösung: “ –> Tötungsvorsatz und direkter Vorsatz hinsichtlich der schweren Folge schließen einander stets aus, denn ein Täter, der den Tod des Opfers zumindest für möglich erachtet, kann nicht zugleich dessen Weiterleben als so gut wie sicher ansehen

119
Q

(P) –> Wann bleibt eine Körperverletzung gem. § 228 StGB trotz Einwilligung gegen die guten Sitten verstößt?

A
  • Wenn sie gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkdenen verstößt

A1 “Zwecklösung” –> Die Körperverletzung ist sittenwidrig, wenn mit ihr ein rechtlich oder sittlich missbilligenswerter Zweck verfolgt wird.
→ Nach dieser Auffassung müsste nun geprüft werden, ob nach den gegenwärtigen allgemein anerkannten Moralanschauungen die sexuelle Befriedigung durch sa-domasochistische Praktiken als sittlich missbilligenswert angesehen wird. Das er-scheint zumindest zweifelhaft, sofern durch die Tat allein die körperliche Unver-sehrtheit der Beteiligten betroffen ist.

A2 “Schwerelösung” hM. –> Die Körperverletzung ist sittenwidrig, wenn sie mit einer kon-kreten Lebensgefahr verbunden ist oder die konkrete Gefahr eines besonderen Schweregrads (vergleichbar jenem aus § 226 StGB) aufweist
(+) Für diesen Ansatz spricht zumindest im Grundsatz, dass die Einwilligungsschranke hier nicht nach diffus-weltanschaulichen Gesichtspunkten, sondern anhand nachvoll-ziehbarer rechtlicher Maßstäbe bestimmt wird. Freilich melden sich Zweifel, ob jenes in der Sache überzeugendere Kriterium nicht mit einer Überdehnung des gesetzlichen Begriffs der Sittenwidrigkeit erkauft ist.
(-) Allerdings ist auch nach der Schwerelösung eine lebensgefährliche oder besonders schwere Körperverletzung ausnahmsweise nicht sittenwidrig, wenn sie ein notwen-diges Mittel zur Erreichung eines nach intersubjektiven Maßstäben positiven oder je-denfalls einsehbaren Zweckes darstellt –> Bsp.: Der Patient willigt in die medizinisch indizierte Amputation seines Beines ein

120
Q

(P) –> Beim Täter liegt zum Tatzeitpunkt infolge eines von ihm zuvor schuldhaft herbeigeführten Rauschzustands eine seelische Störung i.S. des § 20 StGB vor?

A

A1 “Vollrauschlösung” –>Eine Bestrafung würde der Vollrauschtatbestand, § 323a StGB, ermöglichen. Dieses Delikt sanktioniert allerdings nicht die Rauschtat, sondern nur die Gefährlichkeit des Sich-Berauschens als solchem; die Rauschtat bildet hier nur ei-ne objektive Bedingung der Strafbarkeit. Wegen der Strafobergrenze von maximal fünf Jahren sieht die hM § 323a StGB zur Ahndung der Tat als nicht ausreichend an.

A2 “actio-libera-in-causa-Lösung” –> Der Täter soll trotz seiner Schuldunfähigkeit wegen der verwirklichten Rauschtat bestraft werden können, weil diese Tat zwar in ihrem Vollzug unfrei, aber in ihrem Entstehungsgrund frei, d.h. voll verantwortlich, war.
→ Actio libera in causa bedeutet eine „im Ursprung freie Handlung“.

121
Q

(P) –> Vereinbarkeit der a.l.i.c. mit den Regelungen des § 20 StGB? (wegen Koinzidentprinzip)

A

A1 “Ausnahmemodell” –> Die Fälle der a.l.i.c. bilden eine gewohnheitsrechtlich bzw. rich-terrechtlich anerkannte Ausnahme zum Grundsatz des § 20 StGB, dass die Schuld zum Zeitpunkt der Tat vorliegen muss (sog. Koinzidenzprinzip).
Kritik: Das Ausnahmemodell verstößt gegen Art. 103 II GG, der es untersagt, Strafvor-schriften durch Gewohnheitsrecht oder Richterrecht gegen ihren Wortlaut zu Un-gunsten des Betroffenen zu verändern.

A2 “Ausdehnungsmodell” –>„Bei Begehung der Tat“ in § 20 StGB ist so zu verstehen, dass hierunter nicht erst die Vornahme der tatbestandsmäßigen Handlung, sondern be-reits ein schuldrelevantes Vorverhalten fällt, d.h. hier das Sich-Versetzen in den Zustand der Schuldunfähigkeit. Um § 20 StGB auszuschließen, genügt es, dass der Täter zum Zeitpunkt dieses Vorverhaltens noch schuldfähig ist.
Kritik: „Tat“ ist nach § 11 I Nr. 5 StGB nur eine solche, die den Tatbestand eines Straf-gesetzes verwirklicht; Begehung der Tat heißt deshalb Vornahme der tatbestandli-chen Handlung und nicht Vollzug eines Vorverhaltens.

A3 “Vorverlegungsmodell” –>Der Beginn der tatbestandsmäßigen Handlung ist bereits das Sich-Versetzen in einen Zustand der Schuldunfähigkeit. Zumindest bei reinen Er-folgsdelikten ist eine solche Vorverlegung ohne weiteres möglich, da diese nicht mehr verlangen als eine beliebige Handlung des Täters, die mit einem tatbestandlichen Er-folg in objektiv zurechenbarer Art und Weise kausal verknüpft ist.
Bsp.: Als „Töten“ i.S.v. § 212 StGB gilt jedes Verhalten, das für den Tod eines Menschen kausal ist (sofern zudem noch die Voraussetzungen der objektiven Zurechenbarkeit erfüllt sind).
Hinweis: Anders sieht es allerdings bei verhaltensgebundenen Delikten aus, also solchen De-likten, bei denen die tatbestandliche Handlung näher umschrieben wird (z.B. § 315c, 316 StGB: Führen eines Fahrzeuges) – dazu sogleich mehr.
Kritik: Der Beginn der Tathandlung liegt nach § 22 StGB erst vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Tatbestandsverwirklichung unmittelbar ansetzt. Ein solches unmittelbares Ansetzen liegt jedoch nach allgM erst dann vor, wenn die Handlung des Täters aus seiner Sicht das Opfer bereits konkret gefährdet bzw. ohne weitere wesentliche Zwischenakte direkt in die Tatbestandsverwirklichung einmün-den soll. D.h. es kommen nur solche Handlungen in Betracht, die der eigentlichen Tatbestandsverwirklichung unmittelbar vorgelagert sind. Davon kann beim Sich-Berauschen jedoch nicht die Rede sein. Dies stellt nach der eben dargelegten Grenz-ziehung eine bloße Vorbereitungshandlung dar und lässt sich daher nicht als Beginn der Tathandlung begreifen.

A4 “Modell der mittelbaren Täterschaft” –>„ Die a.l.i.c. ist ein Sonderfall der mittelbaren Täterschaft, weil der Täter sich als sein eigenes schuldunfähiges Tatwerkzeug ver-wendet. Ein mittelbarer Täter setzt aber bereits dann unmittelbar i.S.v. § 22 StGB an, wenn er das Geschehen aus der Hand gibt – d.h. also in dem Augenblick, in dem er sich berauscht und damit die Kontrolle über sich selbst verliert.
Kritik: § 25 I 2. Alt. StGB verlangt die Tatbegehung „durch einen anderen“. Den Täter als sein eigenes Werkzeug zu qualifizieren, verstößt damit gegen Art. 103 II GG. Folgt man der Kritik, muss man die a.l.i.c. als mit dem geltenden Recht nicht vereinbar zurückweisen. Das hätte die Konsequenz, dass der Täter einer Rauschtat nur wegen Vollrauschs nach § 323a StGB bestraft werden könnte. Man mag das als unangemessen ansehen. Im Straf-recht ist es dem Rechtsanwender aber nun einmal untersagt, eine unbefriedigende Gesetzeslage, die den Täter in ungerechtfertigter Weise begünstigt, einfach zu korrigieren. Diese Aufgabe kommt allein dem Gesetzgeber zu. Er müsste hier ganz einfach eine Ausnahmeregelung in den § 20 StGB einfügen – so wie er dies etwa in § 35 I 2 StGB beim entschuldigenden Notstand auch getan hat. Entsprechende Reformvorschläge sind längst unterbreitet. Auch andere Länder wie etwa die Schweiz, Spanien oder Italien haben die al.i.c. ausdrücklich geregelt.

A5 “Rspr.” –> Der BGH ist lange Zeit dem Vorverlegungsmodell gefolgt. Vor einigen Jahren hat dann der 4. Senat in einer aufsehenerregenden Entscheidung sämtli-che Begründungsansätze der a.l.i.c. verworfen. Allerdings ging es dabei mit § 315c StGB um ein verhaltensgebundenes Delikt, bei dem die Tathandlung, anders als bei den reinen Erfolgsdelikten, näher umschrieben ist (dazu sogleich mehr im Hinweis). Nur kurz da-rauf hat der 3. Senat für die reinen Erfolgsdelikte ausdrücklich an der Zulässigkeit der vorsätzlichen a.l.i.c. festgehalten. Dem hat sich auch der 2. Senat angeschlossen.

Vertiefungshinweis: Besonders problematisch ist die Anwendbarkeit der a.l.i.c. bei verhaltens-gebundenen Delikten, also Delikten, bei denen nicht jedes beliebige mit einem tatbestandlichen Erfolg in objektiv zurechenbarer Weise kausal verknüpfte Verhalten ausreicht, sondern die tat-bestandliche Handlung näher umschrieben ist (z.B. in §315c StGB: Führen eines Fahrzeuges).
Bsp.: Der völlig betrunkene Autofahrer F (BAK 3,5 ‰) fährt, wie er von Anfang an vorhatte, mit seinem Auto nach Hause und verursacht dabei infolge seiner Trunkenheit beinahe einen Unfall mit einem entgegenkommenden Fahrzeug.
• Folgt man dem Ausnahmemodell und dem Ausdehnungsmodell, bleibt die Bestrafung nach den Grundsätzen der a.l.i.c. auch hier möglich.
→ Der Fahrer im Bsp. würde hier also wegen Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315c StGB bestraft.
• Folgt man dem Vorverlegungsmodell, scheidet eine Bestrafung nach den Grundsätzen der a.l.i.c. aus, weil eine zeitliche Vorverlegung hier nicht möglich ist (z.B. kann im Sich-Betrinken noch nicht der Beginn des Führens eines Fahrzeuges gesehen werden).
→ Der Fahrer im Bsp. könnte hier also „nur“ wegen Vollrauschs nach § 323a StGB bestraft werden.
• Folgt man dem Modell der mittelbaren Täterschaft, scheidet eine Bestrafung nach den Grundsätzen der a.l.i.c. aus, wenn es sich bei den verhaltensgebundenen Delikten zugleich um eigenhändige Delikte handelt (z.B. § 315c StGB), da diese nicht in mittelbarer Täterschaft begangen werden können.
→ Wiederum könnte der Fahrer

122
Q

(P) –> Anwendbarkeit des § 33 beim extensiven Notwehrexzess?

A

A1 “weite Lösung” –> § 33 StGB ist beim extensiven Notwehrexzess anwendbar. Die Not-wehrgrenzen können nicht nur im Maß, sondern auch zeitlich überschritten wer-den.

A2 “enge Lösung” hM. –> § 33 StGB ist beim extensiven Notwehrexzess nicht anwendbar. Ohne einen gegenwärtigen Angriff gibt es kein Notwehrrecht, dessen Grenzen überschritten werden können. Zudem fehlt hier die von § 33 StGB vorausgesetzte Unrechtsminderung, weil objektiv kein Rechtsgut vor Schaden bewahrt werde.
Eine aA will zwischen dem vorzeitig-extensiven und dem nachzeitig-extensiven Notwehrexzess unterscheiden.
- Hat der Angriff noch gar nicht begonnen (vorzeitig-extensiver Notwehrexzess), ist § 33 StGB nicht anwendbar. Dem Opfer kann die Verantwortung für den Affekt des Täters nur dann zugeschrieben werden, wenn es tatsächlich jemanden angegriffen hat.
- Ist der Angriff, wie in der Var. 1, dagegen schon beendet (nachzeitig-extensiver Notwehr-exzess), ist § 33 StGB anwendbar, wenn die Tat im unmittelbaren Anschluss an den Angriff erfolgt. Verwirrung, Furcht oder Schrecken können gleichermaßen in eine zu intensive wie in eine zu lange Verteidigung umschlagen. Auch sprachlich ist es ohne weiteres möglich, von einer Überschreitung zeitlicher Notwehrgrenzen zu reden.

123
Q

(P) –> Ist Notwehrexzess beim Provokateur möglich?

A

A1 “Planmäßigkeitslösung” Rspr. –> Die Anwendung von § 33 StGB ist dann ausge-schlossen, wenn der Täter sich planmäßig in eine tätliche Auseinandersetzung mit seinem Gegner eingelassen hat, um den ihm angekündigten Angriff unter Ausschal-tung der Polizei mit eigenen Mitteln abzuwehren und die Oberhand über seinen Wi-dersacher zu gewinnen. Der eigentliche Grund für die Notwehrüberschreitung liegt hier in dem vor Eintritt der Notwehrlage gefassten, auf sthenischen Affekten beru-henden Entschluss, den Konflikt mit dem Kontrahenten selbst auszutragen.

A2 “Wortlautlösung” hL. –> § 33 StGB ist (sofern nicht das Notwehrrecht wegen Absichts-provokation vollständig entfallen ist) uneingeschränkt anwendbar. Die Vorschrift enthält keine dem § 35 I 2 StGB entsprechende Beschränkung auf unverschuldete Notwehrlagen. Ferner kommt es allein auf die Motivlage zum Zeitpunkt der Notwehr-überschreitung und nicht auf die Motivlage zum Zeitpunkt der Provokation an.

124
Q

(P) –> Umfasst § 35 auch das ungeborene Leben?

A
  1. Nein, da Nasciturus aufgrund fehlender Personeneigenschaft kein “Angehöriger” und keine “nahestehende Person” sein kann
125
Q

(P) –> Inwieweit gilt der Entschuldigungssausschluss der Zumutbarkeit der Gefahrenhinnahme gem. § 35 StGB für die Notstandshilfe?

A

Situation1: “Gefahrenverursachung durch den Gefährdeten”
–> Nach hM ist das Selbstverschulden des Ge-fährdeten dem Notstandshelfer nicht zurechenbar. Auf den Motivationsdruck beim Not-standshelfer hat das Vorverhalten des Gefährdeten i.d.R. keinen Einfluss.

Situation 2: “Gefahrverursachung durch den Notstandshelfer”
–> Nach hM führt auch das Selbstverschul-den des Notstandshelfers bei diesem nicht zur Zumutbarkeit der Gefahrenhinnahme, da hier der Motivationsdruck besonders groß sein wird, den Fehler wiedergutzumachen.

126
Q

(P) –> Haben die Personen, die im Interesse der Allgemeinheit besondere berufliche oder berufsähnliche Schutzfunktionen haben, das Recht, sich auf § 35 StGB zu berufen?

A
  1. Nein, außer zumutbares Höchstmaß ist üebrschritten

2. Auch nur bei im Allgemeininteresse handelnden Personen

127
Q

(P) –> Gefahrenhinnahme im Rahmen der Notstandshilfe bei Angehörigen die im besonderen Rechtsverhältnis stehen zumutbar?

A
  1. Ja!
128
Q

(P) –> Wann kommt übergesetzlicher entschuldigender Notstand in Betracht?

A
  1. “Fälle der Gefahrgemeinschaft” –> Eine Entschuldigung ist nach hM in Lebensnotstandskonstel-lationen möglich, in denen die Betroffenen eine Gefahrgemeinschaft bilden, von der alle ver-loren sind, sofern nicht einige geopfert werden
  2. “Fälle des sog. “quantitativen Notstands” –> Nach einer aA soll darüber hinausgehend eine Entschuldigung auch dann möglich sein, wenn durch die Tötung Einzelner (die sich an-ders als bei der Gefahrgemeinschaft vor dem Eingriff nicht in Gefahr befunden haben) eine Vielzahl anderer Menschen gerettet wird.
129
Q

(P) –> Was ist der Strafgrund des Versuchs?

A

A1 “objektive Theorie” –> wegen Gefährdung des Rechtsguts
A2 “subjektive Theorie” –> Rechtsfeindlicher Wille des Täters
A3 “Eindruckstheorie” hM. –> Rechtsfeindlicher Wile Erschütter das Vertrauen der Bevölkerung in Geltung der Rechtsordnung

130
Q

(P) –> Abgrenzung Versuch vs. straflose Vorbereitungshandlung?

A

A1 “Gefährdungsthoeorie” –> Versuchsbeginn und nicht bloß eine straflose Vorbereitungs-handlung liegt vor, wenn nach der Vorstellung des Täters von der Tat durch die Hand-lung das betroffene Rechtsgut bereits konkret gefährdet wird.
(-) Gefährdungskriterium ist zu unbestimmt. Beginnend mit der ersten Vor-bereitungshandlung ist das betroffene Rechtsgut einer sich ständig steigernden Gefahr ausgesetzt.

A2”Theorie der Feuerprobe” –> Versuchsbeginn liegt vor, wenn der Täter aus seiner Sicht die Schwelle zum „jetzt geht’s los“ überschritten hat.
(-) Diese Auffassung ist zu stark subjektiv akzentuiert. Der Täter kann sich auch schon bei bloßen Vorbereitungshandlungen „jetzt geht’s los“ sagen.

A3 “Sphärentheorie” –> Versuchsbeginn liegt vor, wenn der Täter in die Opfersphäre ein-gedrungen ist sowie zwischen Tathandlung und angestrebtem Erfolgseintritt ein en-ger zeitlicher Zusammenhang besteht.
(-)

A4 “Zwischenaktstheorie” hL. –> Versuchsbeginn liegt vor, wenn das Verhalten des Täters nach seiner Vorstellung vom Tatablauf ohne weitere wesentliche Zwischenakte di-rekt in die eigentliche Tatbestandsverwirklichung einmünden soll. Zu fragen ist also, ob nach der Vorstellung des Täters noch wesentliche Zwischenschritte erforderlich sind oder nicht.

A4 “Kombinationslösung” Rspr. –> Versuchsbeginn liegt vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat die Schwelle zum „jetzt geht’s los“ überschreitet und eine Handlung vollzieht, die nach seinem Tatplan in ungestörtem Fortgang ohne wesentli-che Zwischenakte unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung führen oder in einem unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen sollen.

131
Q

(P) –> Liegt bei Distanzdelikten ein versuchsbeginn oder eine Vorbereitungshandlung vor, wenn Täter schon alles erforderliche getan hat, aber der Erfolg erst zu einem späteren Zeitpunkt eintreten soll?

A

A1 “Handlungslösung” –> Der Versuch beginnt spätestens, wenn der Täter alles getan hat, was er zur Tatbestandsverwirklichung tun muss
(-) Der Versuchsbeginn wird zu weit vorverlegt, indem er auch einen Zeitraum erfasst, in dem noch keine konkrete Gefahr besteht und der Täter das Geschehen noch in seiner Hand hat.

A2 “Gefährdungslösung” –> Der Versuch beginnt erst, wenn sich das Opfer in den Wir-kungskreis des Tatmittels begibt und der Erfolgseintritt nahe gerückt ist, so dass das betroffene Rechtsgut konkret gefährdet wird (z.B. das Erscheinen des Opfers kurz vor der Explosion der Bombe).
(-) Der Versuchsbeginn wird vom Verhalten des Täters entkoppelt. Nach dem Wortlaut von § 22 StGB – „unmittelbar ansetzt“ – ist dieser aber gerade auf das Tä-terverhalten und nicht auf einen davon unabhängigen Gefahreneintritt bezogen.

A3 “Herrschaftslösung” hM. –> Der Versuch beginnt, wenn der Täter den weiteren Ge-schehensablauf aus der Hand gibt, ihn also aus seinem Herrschaftsbereich entlässt (z.B. das Sich-Entfernen nach dem Platzieren der scharfen Bombe).

132
Q

(P) –> wann beginnt bei der a.l.i.c. der Versuch?

A

A1 “Ausnahmemodell und Ausdehnungsmodell” –> Diese Auffassungen lassen die Tatbestands-ebene unberührt. Der Versuch beginnt daher (wie sonst auch) erst dann, wenn der Schuldun-fähige zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

A2 “Vorverlegungsmodell und Modell der mittelbaren Täterschaft” –> Diese Auffassungen ver-legen den Anfang der Tatbestandsverwirklichung nach vorn. Der Versuch beginnt danach be-reits dann, wenn der Täter sich durch das Sich-Berauschen in den Zustand der Schuldunfähigkeit versetzt

133
Q

Wie wird der Rücktritt begründet?

A

A1 “kriminalpolitische Lösung” –>Aus Gründen des Opferschutzes will das Gesetz dem Täter eine „goldene Brücke“ zurück in die Legalität bauen, damit er durch die Aus-sicht auf Straffreiheit einen Anreiz hat, die Tat nicht zu vollenden.
A2 “Verdienstlichkeitslösung” –> Der Täter soll für die Rückkehr in die Legalität belohnt werden.
A3 “Strafzwecklösung” –> Die Bestrafung des Täters erscheint weder spezial- noch general-präventiv erforderlich.

134
Q

(P) –> zeitliche Grenzen des Fehlschlagens der Tat?

A

A1 “Einzelaktstheorie” –> Jede auf die Tatbestandsverwirklichung gerichtete Handlung ist isoliert zu betrachten. Ein Fehlschlag liegt deshalb schon dann vor, wenn der Täter einen einzelnen aus seiner Sicht erfolgsgeeigneten Ausführungsakt vollzieht und dann dessen Scheitern erkennt. Dass er nach seiner Vorstellung womöglich noch wei-tere erfolgsgeeignete Handlungsmöglichkeiten besitzt, spielt keine Rolle. Argument: Dass der Erfolg hier nicht eintritt, ist reiner Zufall, so dass der Täter keine Strafbe-freiung verdient.
Kritik: Die Einzelaktstheorie spaltet einen einheitlichen Lebensvorgang unnatürlich auf. Zudem schränkt sie die Rücktrittsmöglichkeit zu sehr ein, was im Hinblick auf den Opferschutz wenig zweckmäßig erscheint.

A2 “Tatplantheorie” –> Ein Fehlschlag liegt dann vor, wenn der Täter das – u.U. aus mehreren Akten bestehende – Handlungsprogramm eines bestimmten Tatplans durchlaufen hat und dann dessen Scheitern erkennt. Dass er nach seiner Vorstellung noch weitere Handlungsmöglichkeiten besitzt, ist wiederum unerheblich.
→ Auch nach dieser Auffassung liegt ein Fehlschlag vor, da der Tatplan nur die Abga-be genau eines Schusses umfasste.
Kritik: Die Tatplantheorie privilegiert denjenigen, der viele Handlungsalternativen einplant und damit mit höherer krimineller Energie handelt, gegenüber demjenigen, der sich selbst in seinen Mitteln beschränkt. Zudem versagt sie bei Tätern, die ohne genauen Tatplan handeln.

A3 “Lehre von der Gesamtbetrachtung und dem Rücktrittshorizont” hM. –> Das auf die Tatbestandsverwirklichung gerichtete Verhalten des Täters ist in seiner Gesamtheit zu betrachten. Entscheidend ist dabei die Vorstellung des Täters nach Vornahme der letzten Ausführungshandlung (sog. Rücktrittshorizont).
- Glaubt er, die Tat im unmittelbaren Fortgang des Geschehens mit den bereits eingesetzten oder neuen zur Hand liegenden Mitteln noch vollenden zu können, liegt kein Fehlschlag vor.
Nach hM kann sich der Rücktrittshorizont auch ändern – sog. korrigierter Rück-trittshorizont.
→ Glaubt der Täter nach seiner letzten Ausführungshandlung zwar zunächst, die Tat nicht mehr vollenden zu können, ändert aber unmittelbar darauf bei fortbeste-hender Tatsituation seine Auffassung, ist der Versuch nicht fehlgeschlagen.
–> Umgekehrt gilt allerdings auch: Glaubt der Täter nach seiner letzten Ausführungs-handlung zwar zunächst, die Tat noch vollenden zu können, gelangt aber unmittel-bar darauf bei fortbestehender Tatsituation zu der Auffassung, dass ihm die Vollendung nicht mehr möglich ist, ist der Versuch fehlgeschlagen.

135
Q

(P) –> Rücktritt bei “Außertatbestandlicher Zielerreichung”: Täter handelt nicht weiter, weil er sein mit der Straftat verfolgte Handlungsziel schon durch bloßen Versuch erreicht hat?

A

A1 “Handlungsziellösung” –>Aufgeben i.S. von § 24 I 1 Alt.1. StGB bedeutet mehr als bloßes Aufhören. Es erfordert vielmehr das Nichtweiterverfolgen des Handlungszieles. Wer sein Ziel aber bereits erreicht hat, kann nichts mehr aufgeben.
→ Das bloße Nichtweiterhandeln ist hier kein „Aufgeben“ und damit keine Rück-trittshandlung.

A2 “Tatbestandslösung” hM. –> Der Begriff der Tat i.S.v. § 24 I 1 StGB bezieht sich allein auf die jeweilige tatbestandsmäßige Handlung mit dem tatbestandlichen Erfolg. Auf-geben muss der Täter daher nur die Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes. Außerdeliktische Ziele sind dabei unerheblich. Zudem erscheint es auch im Hinblick auf den Opferschutz vorzugswürdig, dem Täter die Rücktrittsmöglichkeit hier nicht abzuschneiden.
→ Auch hier ist das bloße Nichtweiterhandeln ein „Aufgeben“ und damit eine Rück-trittshandlung.

136
Q

(P) –> Wann ist der Täter erfolgreich vom beendeten Versuch zurückgetreten?

A

A1 “Optimalitätslösung” –> Die Handlung des Täters muss für das Ausbleiben des Erfolges nicht nur ursächlich sein, sondern aus Sicht des Täters auch die ihm bestmögliche Rettungsmaßnahme darstellen. Der Täter, der bewusst nur eine weniger sichere Maßnahme ergreift (sog. „halbherziger“ Rücktritt), lässt wissentlich ein Restrisiko be-stehen. In einem solchen Fall liegt nur ein unzureichender Teilrücktritt vor. Dass sich das Restrisiko nicht realisiert, ist nämlich Zufall und kann dem Täter daher nicht zu-gutekommen.

A2 “Kausalitätslösung” hM. –> Für das „Verhindern“ der Tatvollendung ist es nicht erfor-derlich, dass der Täter die ihm bestmögliche Rettungsmaßnahme ergreift. Es genügt, wenn er objektiv das Ausbleiben des Erfolges zurechenbar verursacht und subjektiv mit Verhinderungswillen handelt.
→ Wäre der tatbestandliche Erfolg ohne seine Handlung eingetreten, ist die Handlung für das Ausbleiben der Tatvollendung kausal.
→ Wäre der tatbestandliche Erfolg auch ohne seine Handlung nicht eingetreten, ist die Handlung für das Ausbleiben der Tatvollendung nicht kausal.
Der Wortlaut von § 24 I 1 Alt. 2 StGB verlangt nicht mehr als die (zurechenbare) Ver-ursachung des Verhinderungserfolges. Außerdem darf an die Verhinderungszurech-nung beim Rücktritt keine strengeren Anforderungen gestellt werden als an die Er-folgszurechnung bei der Deliktsbegehung

137
Q

(P) –> Was ist die rechtliche Konsequenz eines Erlaubnistatumstandirrtums?

A

A1 “strenge Schuldtheorie” –> Das Unrechtsbewusstsein ist, wie § 17 StGB zeigt, kein Bestandteil
des Vorsatzes, sondern ein Element der Schuld. Fehlt dieses, richten sich die
Rechtsfolgen daher stets („streng“) nach den Regeln des Verbotsirrtums:
→ War der Irrtum unvermeidbar, fehlt die Schuld.
→ War der Irrtum dagegen vermeidbar, wird der Täter aus Vorsatzdelikt bestraft; es
kann lediglich die Strafe gemildert werden.

A2 “eingeschränkte Schuldtheorie” –> Die Gleichbehandlung des Erlaubnistatumstandsirrtums
mit dem Erlaubnisirrtum überzeugt nicht. Bei ersterem irrt der Täter nicht über die rechtlichen Bedingungen eines Rechtfertigungsgrundes, sondern er
nimmt lediglich irrtümlich dessen tatsächliche Voraussetzungen an. Legt man seine
Tatsachenvorstellung zugrunde, handelt er daher ebenso wie beim Tatumstandsirrtum
„an sich rechtstreu“, d.h. in Übereinstimmung mit der Rechtsordnung. Sachnäher
erscheint deshalb die Anwendung von § 16 I StGB (Anwendungs widerums str.)
→ Der Täter wird nicht aus Vorsatzdelikt bestraft, sondern allenfalls – bei Vermeidbarkeit
des Irrtums – aus Fahrlässigkeitsdelikt.

138
Q

(P) –> Wie wird die Anwendbarkeit des § 16 I StGB beim Erlaubnistatumstandsirrtum genau begründet?

A

A1 “Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen” –> Die Voraussetzungen der
Rechtfertigungsgründe sind sog. negative Tatbestandsmerkmale eines „Gesamtunrechtstatbestandes“.
Sie bezeichnen Umstände, die nicht vorliegen dürfen,
damit eine Tat Unrecht darstellt. Da diese Umstände zum Gesamtunrechtstatbestand
gehören, muss der Vorsatz des Täters sich auch auf sie beziehen. Nimmt der
Täter aber irrtümlich rechtfertigende Umstände an, fehlt ihm die erforderliche
Kenntnis vom tatsächlichen Nicht-Vorliegen rechtfertigender Umstände.
→ § 16 I 1 StGB ist direkt anwendbar.
(-) Unvereinbar mit Dreistufigem Deliktsaufbaue
(-) trägt unterschiedlichen Zielsetzungen von generellen Verbotsnormen und Rechtfertigungsgründen als selbstständige Erlaubnisnormen für atypische Situationen nicht ausreichend Rechnung

A3 “Vorsatzunrechtsausschließende eingeschränkte Schuldtheorie” –> Der Tatumstandsirrtum
i.S. des § 16 I StGB und der Erlaubnistatumstandsirrtum sind qualitativ
gleichwertig. Es entfällt zwar nicht der Tatbestandsvorsatz i.e.S., wohl aber der
Handlungsunwert und damit das Vorsatzunrecht.
→ § 16 I 1 StGB ist analog anwendbar.
(-) Kann bei böswilligen Teilnehmern der Tat zu Strafbarkeitslücken führen, da mit Wegfall des Vorsatzunrechts keine teilnahmefähige rechtswidrige Haupttat mehr vorliegt

A4 “rechtsfolgeverweisende eingescrhänkte Schuldtheorie” –> Zwar lässt die irrige
Annahme rechtfertigender Umstände sowohl den Tatbestandsvorsatz unberührt
als auch dessen Unrecht weiter bestehen. Allerdings besitzt der Vorsatz eine Doppelfunktion
als:
- Tatbestandsvorsatz auf der Ebene der Tatbestandsmäßigkeit,
- Vorsatzschuld auf der Ebene der Schuld, durch die zum Ausdruck kommt, dass
den Vorsatztäter wegen des bewussten Abfallens von der Rechtsordnung i.d.R.
eine höhere Schuld trifft als den Fahrlässigkeitstäter.
Nimmt nun der Täter irrtümlich rechtfertigende Umstände an, darf ihm kein Vorsatzschuldvorwurf
gemacht werden, weil bei ihm (ebenso wie bei einem im Tatumstandsirrtum
Handelnden) das für Vorsatztaten typische bewusste Abfallen
von der Rechtsordnung fehlt. Der Erlaubnistatumstandsirrtum ist daher in seinen
Rechtsfolgen (= keine Bestrafung aus Vorsatzdelikt) dem Tatumstandsirrtum
gleichzustellen.
→ § 16 I 1 StGB ist in seinen Rechtsfolgen analog anwendbar.

139
Q

(P) –> Was sind die rechtlichen Folgen von selbstbelastenden Vorfeldirrtümern?

A

A1 “Überdehnungslösung” –> Der Handelnde versteht das strafrechtliche Tatbestandsmerkmal als solches durchaus richtig. Er unterliegt damit im Hinblick auf dessen Bedeutung keiner be-grifflichen Fehlvorstellung. Vielmehr stellt er sich irrtümlich einen Umstand – nämlich eine bestimmte Rechtslage – vor, die, wenn sie tatsächlich gegeben wäre, den Tatbestand erfüllen würde.
→ Vorfeldirrtümer begründen damit stets einen untauglichen Versuch.

A2 “Umkehrlösung” hM. –> Aus den Regelungen zum Tatumstandsirrtum und zum Verbotsirrtum ist der Umkehrschluss zu ziehen.
→ Stellt die Unkenntnis der tatsächlich bestehenden Rechtslage im Vorfeld einen Irrtum über einen Tatumstand i.S. des § 16 I StGB dar, begründet die irrige Annahme der tatsächlich nicht bestehenden Rechtslage einen untauglichen Versuch.
→ Bildet die Unkenntnis der tatsächlich bestehenden Rechtslage im Vorfeld dagegen lediglich einen Verbotsirrtum, begründet die irrige Annahme der tatsächlich nicht bestehenden Rechtslage lediglich ein Wahndelikt.

140
Q

(P) –> Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme?

A

A1 “Tatherrschaftslehre” hL. –> Unterschied bereits objektiv.
–> Täterschaft bedeutet Tatherrschaft. Tatherrschaft ist das vom Vorsatz umfasste In-den-Händen-Halten des tatbestandsmäßigen Geschehen-sablaufs.
→ Täter ist, wer als „Zentralgestalt“ (= Schlüsselfigur) das „Ob“ und „Wie“ der Tatbe-standsverwirklichung beherrscht, die Tatbestandsverwirklichung also nach seinem Willen hemmen oder ablaufen lassen kann.
→ Teilnehmer ist, wer die Tat als „Randfigur“ ohne eigene Tatherrschaft veranlasst oder fördert.

A2 “Subjektive Theorie” Rspr. –> Täterschaft und Teilnahme unterscheiden sich primär nicht in objektiver, sondern in subjektiver Hinsicht. Maßgeblich sind die Willensrich-tung und die innere Einstellung des Handelnden.
→ Täter ist, wer mit Täterwillen (animus auctoris) handelt, d.h. die Tat als eigene will.
→ Teilnehmer ist, wer lediglich Teilnehmerwille (animus socii) besitzt, d.h. die Tat als fremde veranlassen oder fördern will.

141
Q

(P) –> Bei Tatausführung unterläuft einem Mittäter ein für ihn unbeachtlicher Identitätsirrtum, wie wirkt ein solcher sich auf den anderen Mittäter aus?

A

A1 “Exzesslösung” –> Der Identitätsirrtum begründet einen nicht zurechenbaren Exzess, wenn die getroffene Person nicht dem Personenkreis angehört, auf den sich der Tat-plan bezieht (z.B. Schießen nur auf etwaige Verfolger).

A2 “Unbeachtlichkeitslösung” –> Der Identitätsirrtum ist auch für die weiteren Mittä-ter unbeachtlich. Die Möglichkeit eines Identitätsirrtums ist im Tatplan angelegt, überschreitet diesen also nicht – sog. Risiko der Planverwirklichung.

142
Q

(P) –> Was passiert, wenn Mittäter dem die Handlung des Mittäters der einem unbeachtlichen Identitätsirrtum unterliegt, selbst das Opfer ist?

A

A1 “Straflosigkeitslösung” –> Eine Zurechnung nach § 25 II StGB kommt hier nicht in Be-tracht, da die Selbstverletzung nicht strafbar ist.

A2 “Versuchslösung” –> Aufgrund der Straflosigkeit der Selbstverletzung kann zwar der tatbestandliche Erfolg nicht zugerechnet werden, so dass eine Strafbarkeit aus vollendetem Delikt in Mittäterschaft ausscheidet. Möglich bleibt aber eine Zurech-nung der tatbestandlichen Handlung des Irrenden, weil diese subjektiv dem Tatplan entsprechend nicht auf die Verletzung des Komplizen, sondern auf die Ver-letzung eines anderen gerichtet war. Dies führt zu einer Strafbarkeit wegen un-tauglichen Versuchs in Mittäterschaft.

143
Q

(P) –> Bis zu welchem Zeitpunkt ist eine sukzessive Mittäterschaft möglich?

A

A1 “Bedingungslösung” Rspr. –>Ein gemeinsamer Tatentschluss kann auch noch nach Vollendung der Tat bis zur Beendigung gefasst werden. Zuvor verwirklichte Tatbe-standsmerkmale sind dann rückwirkend zurechenbar.

A2 “Volledungslösung” hL. –> Ein gemeinsamer Tatentschluss kann nur bis zur Vollendung der Tat gefasst werden, denn mit diesem Zeitpunkt ist die Begehung der Tat ab-geschlossen.

  • -> Eine Ausnahme besteht allerdings bei Dauerdelikten; hier soll auch nach hL auch nach Vollendung noch ein gemeinsamer Tatentschluss gefasst werden können.
  • -> Nach Beendigung der Tat ist unstreitig keine Mittäterschaft mehr möglich
144
Q

(P) –> Welche Anforderungen müssen im Rahmen der Mittäterschaft erfüllt sein, damit ein Beitrag objektiv als Teil einer gemeinschaftlichen Tatausführung gilt und damit eine Zurechnung der Tatbeiträge anderer ermöglicht?

A

A1 “Tatherrschaftslehre” –> Erforderlich ist ein wesentlicher Tatbeitrag, der sich mit den anderen Tatbeiträgen funktional ergänzt und so die gemeinsame Tatbestandsver-wirklichung ermöglicht.

A2 “Subjektive Theorie” –> Objektiv genügt jeder nicht völlig untergeordnete Beitrag, der die Tatbestandsverwirklichung fördert.

145
Q

(P) –> Kann bei einem Tatbeitrag im Vorbereitungsstadium schon von Mittäterschaft gesprochen werden gem. § 25 II StGB?

A

A1 “Strenge Tatherrschaftslehre” –> Erforderlich ist eine Mitwirkung im Ausführungssta-dium. Zwar braucht der Beteiligte nicht notwendig am Tatort anwesend zu sein, doch muss er mit den anderen Beteiligten so in Verbindung stehen, dass er sie – z.B. telefo-nisch – dirigieren und koordinieren kann. Anderenfalls kann er auf den Tatablauf kei-nen Einfluss mehr nehmen und besitzt somit auch keine Tatherrschaft.
(-) Es erscheint nicht angemessen, den Organisator einer Tat, der den Tatablauf wesentlich mitgestaltet hat, lediglich aufgrund seiner Abwesenheit bei der Ausfüh-rung nur als Anstifter und damit als eine „Randfigur“ des Geschehens zu behandeln.

A2 “Gemäßigte Tatherrschaftslehre” hL. –> Auch ein Tatbeitrag im Vorbereitungsstadi-um kann die Mittäterschaft begründen. Das setzt indes voraus, dass das „Beteiligten-minus“ bei der Tatausführung durch das „Plus“ bei der Vorbereitung, d.h. durch ein besonderes Gewicht des Tatbeitrages für die Tatverwirklichung, ausgeglichen wird

A3 “subjektive Theorie” –> Der Tatbeitrag kann auch als Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung erfolgen. Erforderlich ist nur, dass der Täter durch seinen Beitrag Ein-fluss auf die Tatausführung, d.h. das „Ob“, „Wann“ und „Wo“ nehmen kann oder zu-mindest nehmen will.

146
Q

(P) –> Versuchsbeginn bei der Mittäterschaft?

A

A1 “Einzellösung” –> Der Versuchsbeginn ist für jeden einzelnen Mittäter gesondert danach zu bestimmen, ob er zu seinem Tatbeitrag schon unmittelbar angesetzt hat.
(-) Die Einzellösung wird dem Wesen der Mittäterschaft nicht gerecht, denn die-ses besteht gerade in der wechselseitigen Zurechenbarkeit der Tatbeiträge. Außer-dem scheitert sie bei dem Mittäter, der nur im Vorbereitungsstadium tätig werden soll.
(+) Die Zurechnung des Handelns eines anderen setzt einen eigenen Tatbeitrag voraus, der jedoch noch nicht erbracht ist, wenn derjenige, dem zugerechnet werden soll (hier: Selma), selbst noch nicht unmittelbar angesetzt hat.

A2 “Gesamtlösung” hM. –> Der Versuchsbeginn wird für alle Mittäter einheitlich bestimmt. Er liegt vor, sobald nur einer von ihnen im Rahmen des gemeinsamen Tatent-schlusses zur Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes unmittelbar angesetzt hat. Hierfür spricht, dass die Mittäter im Wege bewussten und gewollten Zusammen-wirkens eine Tat begehen wollen, die sich einheitlich vollzieht und bei der sich ein je-der die Beiträge der jeweils anderen zurechnen lassen muss.

147
Q

(P) –> Versuchsbeginn bei der vermeintlichen Mittäterschaft?

A
Ein Täter (hier Skinner) hat selbst die Versuchsgrenze noch nicht überschritten. Irrtümlich hält er allerdings einen anderen für seinen Mittäter (hier Hausmeister Willie) und glaubt, dieser (vermeintliche) Mittäter habe zur gemeinsamen Tatbestandsverwirklichung bereits unmittelbar angesetzt (denn nach dem Tatplan stellt hier bereits das Klingeln an der Haustür den Versuchsbeginn dar).
Fraglich ist (sofern man grds. der Gesamtlösung folgt), ob ihm dieses vorgestellte unmittelbare Ansetzen des vermeintlichen Mittäters als eigener Versuchsbeginn zugerechnet werden kann. Dabei sind zwei Fallkonstellationen zu unterscheiden:
148
Q

(P) –> Abgrenzung der mittelbaren Täterschaft zur “eigenverantwortlichen Selbstschädigung”?

A

Eine mittelbare Täterschaft scheidet dagegen dann aus, wenn der Vordermann eigen-verantwortlich, d.h. frei von Irrtum oder Zwang gehandelt hat. Umstritten ist, nach welchen Kriterien sich das bemisst.

A1 “Exkulpationslösung” –> Die Freiverantwortlichkeit fehlt nur, wenn der Vordermann keinen Vorsatz besäße bzw. nach §§ 20, 35 StGB entschuldigt wäre, wenn er nicht sich selbst, sondern einen anderen schädigen würde.

A2 “Einwilligungslösung” hM. –> Die Freiverantwortlichkeit fehlt schon dann, wenn beim Vordermann eine Einwilligung an einem wesentlichen Willensmangel scheitern wür-de, wenn er nicht sich selbst, sondern ein anderer ihn schädigte. (Dass eine Einwilli-gung womöglich auch noch aus anderen Gründen scheitert, spielt an dieser Stelle kei-ne Rolle, da es nur um den Maßstab für die Freiverantwortlichkeit geht.)

149
Q

(P) –> mittelbare Täterschaft, wenn Vodermann die für ein Sonderdelikt erforderliche Tätereigenschaft fehlt? “Qualifikationslos-doloses Werkzeug”

A

A1 “strenge Tatherrschaftslehre” –> Der Hintermann ist kein mittelbarer Täter, denn das Geschehen wird hier allein vom Vordermann beherrscht. Allerdings sind Sonderdelik-te i.d.R. sog. Pflichtdelikte, bei denen jeder Verursachungsbeitrag des sonderpflichti-gen Hintermannes als Pflichtverletzung seine unmittelbare Täterschaft begründet.
(-) Diese Lösung gibt das Tatherrschaftskriterium zur Bestimmung der Täter-schaft bei der Deliktsgruppe der Sonderdelikte auf.

A2 “gemäßigte Tatherrschaftslehre” hM. –> Der Hintermann ist mittelbarer Täter. Die Tatherrschaft ist wertend zu bestimmen. Hier begründet das Fehlen der Tätereigen-schaft beim Vordermann dessen Unterlegenheit in einem normativen Sinne sowie das Vorliegen der entsprechenden Eigenschaft beim Hintermann dessen rechtlich beherr-schende Stellung.

A3 “subjektive Theorie” –> Der Hintermann ist mittelbarer Täter. Besitzt er die erforderli-che Tätereigenschaft, reicht sein Interesse an der Tat zur Bejahung der mittelbaren Täterschaft aus

150
Q

(P) –> Ist der Hintermann noch mittelbarer Täter, wenn der Vordermann ohne nötigenden Zwang oder Täuschung durch den Hintermann in voller Kenntnis aller Umstände handelt, ihm die Absicht also aus anderen Gründen fehlt, die nichts mit dem Verhalten des Hintermannes zu tun haben?

A

A1 “strenge Tatherrschaftslehre” –> Der Hintermann ist kein mittelbarer Täter, da das Ge-schehen allein vom Vordermann beherrscht wird.

A2 –> “gemäßigte Tatherrschaftslehre” hL.–> Der Hintermann ist mittelbarer Täter. Wer-tend betrachtet begründet das Fehlen der Absicht beim Vordermann dessen normati-ve Überlegenheit und das Vorliegen dieser Absicht beim Hintermann dessen rechtlich beherrschende Stellung.

A3 “subjektive Theorie” –> Der Hintermann ist mittelbarer Täter. Liegt die Absicht bei ihm vor, gibt wiederum sein Tatinteresse den Ausschlag.

151
Q

(P) –> Lässt sich der Gedanke des mittelbaren Täters bei Organisationsherrschaft auf auf Wirtschaftsunternehmen übertragen?

A

A1 “hL” –> Die Figur der Organisationsherrschaft ist nicht übertragbar. Das Handeln wirtschaftlicher Unternehmen erfolgt im Rahmen der Rechtsordnung, ist also nicht rechtsgelöst. Außerdem sind die Mitarbeiter i.d.R. nicht beliebig austauschbar.

A2 “Rspr.” –> Die Figur der Organisationsherrschaft lässt sich auf Wirtschaftsunternehmen übertra-gen. Sie hat hier folgende Voraussetzungen:

  • das Ausnutzen regelhafter Abläufe in einer hierarchisch gegliederten Organisation
  • das Bestehen eines hinlänglich deutlichen räumlichen, zeitlichen und hierarchischen Abstands zwischen dem Hintermann und dem die Tat unmittelbar ausführenden Mitar-beiter.
152
Q

(P) –> Wie ist der Hintermann zu qualifizieren bei einem “Irrtum über die Unrechtsqualifizierung” des Vordermanns?

A

A1 “Teilnahmelösung” –>Der Hintermann ist lediglich Teilnehmer, denn der das tatbe-standliche Unrecht kennende Vordermann wird allein durch die bloße Unkenntnis qualifizierender Umstände noch kein unfreies Werkzeug.

A2 “Täterschaftslösung” hM. –> Der Hintermann ist mittelbarer Täter. Zwischen seinem Wissen und Wollen und dem Wissen und Wollen des unmittelbaren Täters besteht ein erhebliches Unwertgefälle, das bei wertender Betrachtungsweise die Tat als Werk des überschauenden und lenkenden Hintermannes erscheinen lässt.

153
Q

(P) –> Wie ist der Hintermann zu qualifizieren bei einem “Irrtum über die Unrechtsquantifizierung” des Vordermanns?

A

A1 “Teilnahmelösung” –> Der Hintermann ist nur Teilnehmer, denn der Vordermann kennt alle tatbestandsrelevanten Umstände

A2 “Täterschaftslösung” hM –> Der Hintermann ist Täter, da er die eigentliche Scha-densverwirklichung dirigiere.

154
Q

(P) –> Wie ist der Hintermann zu qualifizieren bei einem “manipulierten Identitätsirrtum” des Vordermanns?

A

A1 “Teilnahmelösung” –> Der Hintermann ist nur Teilnehmer (hier: Gehilfe). Allein der unmittelbare Täter beherrscht das Geschehen; sein Irrtum ändert daran nichts.

A2 “Täterschaftslösung” –> Der Hintermann ist Täter, denn die Tatbegehung an dem konkreten Opfer wird durch das Ausnutzen des Irrtums des unmittelbaren Täters von ihm gezielt gesteuert.
–> (Nach aA soll zwar mittelbare Täterschaft ausscheiden; der „Hintermann“ aber gleichwohl als Nebentäter zu bestrafen sein. Das erscheint jedoch wenig überzeu-gend, da auch der Nebentäter die Tat unmittelbar und gerade nicht vermittelt durch die vorsätzliche Handlung eines anderen begeht.)

155
Q

(P) –> Wie wirkt sich ein beim Tatmittler unbeachtlicher Identitätsirrtum auf den HIntermann aus, der diesen weder vorhergesehen, noch gewolt hat?

A

A1 “aberratio-ictus-Lösung” hM. –> Der unbeachtliche Identitätsirrtum des Tatmittlers ist für den Hintermann eine aberratio ictus. Es kann keinen Unterschied machen, ob sich der Täter eines fehlgehenden mechanischen Werkzeugs bedient oder ob es beim Ein-satz eines menschlichen Werkzeuges zum Fehlgehen der Tat kommt.
→ Der Hintermann wird bestraft wegen fahrlässigem Delikt am tatsächlichen Opfer in Tateinheit mit versuchtem Delikt in mittelbarer Täterschaft am vorgestellten Opfer.

A2 “differenzierende Lösung” –> Es kommt darauf an, von wem das Opfer individualisiert wurde.
→ Hat der Hintermann dem Tatmittler die Identifikation überlassen, trägt er das Verwechslungsrisiko, so dass der Irrtum auch für ihn einen unbeachtlichen Identi-tätsirrtum darstellt.
→ Hat der Hintermann das Opfer selbst individualisiert und der Tatmittler irrt gleichwohl, ist dieser Irrtum für ihn eine aberratio ictus.

156
Q

(P) –> Wann Beginnt der Versuch bei der mittelbaren Täterschaft?

A

A1 “Gesamtlösung” –> Der Versuchsbeginn liegt erst vor, wenn der Tatmittler zur Tatbe-standsverwirklichung unmittelbar ansetzt oder wenn sich diese Tatbestandsver-wirklichung an das Handeln des mittelbaren Täters zumindest ohne wesentliche wei-tere Zwischenakte anschließen soll. Das Verhalten des Hintermannes und des Tat-mittlers sind als Gesamthandlung zu sehen; §§ 22, 25 I Alt. 2 StGB müssen wie folgt kombiniert werden: Eine Straftat versucht, „wer durch die Handlung eines anderen zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.“
(-) Die Gesamtlösung verkennt, dass sich die mittelbare Täterschaft anders als die Mittäterschaft gerade nicht als eine vom gemeinsamen Tatentschluss getragene ge-meinschaftliche Begehung darstellt, sondern vielmehr als alleinige Tat des Hinter-mannes.

A2 “Einzellösung” –>Für den Versuchsbeginn ist allein das Handeln des mittelbaren Tä-ters relevant; §§ 22, 25 I Alt. 2 StGB müssen wie folgt kombiniert werden: Eine Straf-tat versucht, „wer durch seine eigene Handlung unmittelbar ansetzt zur Verwirkli-chung des Tatbestandes durch einen anderen.“
a) “strenge Einzellösung” –>Das unmittelbare Ansetzen liegt bereits mit dem Beginn oder dem Abschluss des Einwirkens auf das Werkzeug vor.
(-) Diese Auffassung trägt dem Unmittelbarkeitserfordernis des § 22 StGB nicht ausreichend Rechnung, denn sie bejaht einen Versuchsbeginn auch in Fällen, in denen der Hintermann das Geschehen noch in der Hand behält und auch noch kei-ne Gefahr besteht

A3 “weite modifizierte Einzellösung” –>Der Versuchsbeginn liegt erst vor, wenn auf der Grundlage der Vorstellung des mittelbaren Täters entweder bereits eine unmittel-bare Gefährdung für das betroffene Rechtsgut besteht oder der Hintermann das Geschehen aus der Hand gibt, es also aus seinem Herrschaftsbereich entlässt.

A4 “enge modifizierte Einzellösung” hM. –> Das Aus-der-Hand-Geben genügt nur, wenn nach der Vorstellung des mittelbaren Täters mit einer alsbaldigen Tataus-führung durch den Tatmittler zu rechnen ist.
(-) Da für den Versuchsbeginn allein das Verhalten des mittelbaren Täters maßgeblich ist, kann es keine Rolle spielen, wie viel Zeit bis zur Tatausführung durch den Tatmittler noch verstreichen soll.

A5 “Gefährdungslösung” –> Der Versuchsbeginn liegt vor, wenn das geschützte Rechtsgut nach der Vorstellung des mittelbaren Täters konkret gefährdet ist. Zu welchem Zeitpunkt er und sein Tatmittler gehandelt haben, spielt dagegen keine Rolle.
(-) Die Gefährdungslösung entkoppelt das Merkmal der Unmittelbarkeit vom Merkmal des Ansetzens. Nach der Formulierung „unmittelbar ansetzt“ in § 22 StGB bezieht sich aber das Unmittelbarkeitserfordernis auf die tatbestandliche Handlung und nicht auf einen davon unabhängigen Gefahreneintritt.

157
Q

(P) –> Wann beginnt der Versuch in Fallenstellkonstellationen?

A

A1 “hL.” –> Die Fallenstellungskonstellationen bilden eine Fallgruppe der mittelbaren Täter-schaft, in der der Hintermann die Tat durch das Opfer als Werkzeug gegen sich selbst begehen will. Es gelten daher die üblichen Regeln des Versuchsbeginns bei der mit-telbaren Täterschaft (also je nach der für richtig gehaltenen Auffassung die Kriterien der Gesamtlösung, Einzellösung usw.).

A2 “Rspr.” –> Es ist zu differenzieren:
- Steht für den Täter fest, dass das Opfer erscheinen und das selbstschädigende Ver-halten vornehmen wird, setzt der Täter bereits mit dem Abschluss seiner Tathand-lung unmittelbar an.
- Hält der Täter dagegen das Erscheinen des Opfers lediglich für möglich, aber noch für ungewiss, liegt ein Versuchsbeginn erst dann vor, wenn das Opfer tatsächlich erscheint und auch Anstalten macht, das erwartete selbstschädigende Verhalten tatsächlich vorzunehmen
a) Zur Abgrenzung: Ein Elektriker, den sein Vermieter aus der Wohnung herausgeklagt hatte, manipulierte vor dem Auszug die Elektroinstallationen der Wohnung so, dass dem Nachmieter beim Anschluss elektrischer Geräte an verschiedene Steckdosen ein tödlicher Stromschlag drohte. Bei einer Überprüfung der gesamten Elektroinstallationen des Hauses noch vor Ein-zug eines neuen Mieters wurden die Manipulationen allerdings entdeckt. Der BGH bejahte hier das unmittelbare Ansetzen mit dem Auszug des Elektrikers, da dieser sicher sein konnte, dass ein Nachmieter erscheinen und die Steckdosen nutzen würde (Elektrofalle).
(-) Es besteht keine gesetzliche Grundlage dafür, den Versuch je nach Vorsatzform einmal früher und einmal später beginnen zu lassen.

158
Q

(P) –> Wie wird mit einer “Aufstiftung” umgegangen?

A

A1 “Beihilfeslösung” –> Das Hervorrufen des Tatentschlusses zur Verwirklichung der Qualifikation reicht für ein „Bestimmen“ i.S. des § 26 StGB nicht aus, da die Qualifi-kation im Verhältnis zum Grunddelikt unselbständig ist. Zur Begehung des Grund-delikts ist der Täter aber schon fest entschlossen. Der Aufstifter kann daher nur wegen psychischer Beihilfe bestraft werden. Anders verhält es sich nur in den Fällen, in denen es sich bei dem veranlassten „Mehr“ um eine verselbständigten Abwandlung handelt (z.B. Raub statt Diebstahl).

A2 “Anstiftungslösung” hM. –> Durch den Aufstifter wird der Unrechtsgehalt der Tat wesentlich erhöht. Er haftet deshalb als Anstifter.
–> Der Rspr. zufolge ist eine Anstifterstrafbarkeit sogar dann möglich, wenn der Auf-stifter lediglich auf der Ebene desselben Tatbestandes eine deutliche Unrechts-erhöhung bewirkt (z.B. eine einfache Körperverletzung durch Faustschläge statt harmloserer Ohrfeigen)

159
Q

(P) –> wie wirkt sich der beim Haupttäter unbeachtliche Identitätsirrtum auf den Anstifter aus?

A

A1 “Unbeachtlichkeitslösung” Rspr. –> Der Identitätsirrtum, der den Vorsatz des Täters unberührt lässt, ist auch beim Anstifter unbeachtlich. Der Anstifter bestimmt den Täter dazu, denjenigen zu verletzen, den er als Opfer identifiziert. Eine dem Täter un-terlaufene Personenverwechselung stellt zudem nur eine unwesentliche Abweichung des Kausalverlaufes dar, da sie sich in den Grenzen des nach allgemeiner Lebenser-fahrung Vorhersehbaren hält und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigt.
(-) Erkennt der Täter seinen Irrtum und begeht dann eine weitere Tat, diesmal am richtigen Tatobjekt, führt diese Auffassung in ein Dilemma:
→ Entweder wird der Beteiligte wegen dieser zweiten Tat erneut als Anstifter be-straft, obwohl er nur Vorsatz hinsichtlich einer Tat hatte.
→ Oder der Beteiligte wird wegen dieser zweiten Tat nicht als Anstifter bestraft, ob-wohl es sich um genau die Tat handelt, zu der er den Haupttäter angestiftet hat und auch anstiften wollte.
→ Diese Problematik lässt sich noch weiter auf die Spitze treiben, wenn der Täter erst beim dritten, vierten, fünften, sechsten usw. Versuch den Richtigen trifft (sog. Blutbadargument).

A2 “aberratio-ictus-Lösung” hL. –> Der unbeachtliche Identitätsirrtum des Haupttäters stellt für den Anstifter eine aberratio ictus dar. Umstritten ist allerdings, welche Rechtsfolge dies nach sich zieht:
a1 “tvA” –> Der Anstifter wird wegen Anstiftung zum versuchten Delikt am vorgestellten Opfer (ggf. in Tateinheit mit fahrlässigem Delikt am tatsächlichen Opfer) bestraft, denn im Angriff auf das „falsche“ Opfer liegt zugleich einen Angriff auf das „richtige“ Opfer.

  • aA: Der Anstifter wird wegen versuchter Anstiftung (ggf. in Tateinheit mit fahr-lässigem Delikt am tatsächlichen Opfer) bestraft.
    (-) Diese Auffassung unterschlägt, dass der Anstifter den Täter nicht nur zu bestimmen versucht, sondern tatsächlich zu dessen Tat bestimmt hat. Zudem entstehen Strafbarkeitslücken, denn die versuchte Anstiftung ist nur bei Verbrechen mit Strafe bedroht, vgl. § 30 I StGB.

A3 “differenzierende Lösung” –> Es kommt darauf an, von wem das Opfer individualisiert wurde.
→ Hat der Anstifter dem Haupttäter die Identifikation überlassen, trägt er das Verwechslungsrisiko, so dass der Irrtum auch für ihn einen unbeachtlichen Identitäts-irrtum darstellt.
→ Hat der Anstifter das Opfer selbst individualisiert und der Haupttäter irrt gleich-wohl, ist dieser Irrtum für ihn eine aberratio ictus.

160
Q

(P) –> Wie wird der Anstifter behandelt wenn er über die Gutgläubigkeit des Haupttäters irrt?

A
  • Der Beteiligte veranlasst einen anderen zur Tatbegehung, der tatsächlich bösgläubig ist, den er aber irrtümlich für gutgläubig hält. Er handelt also objektiv als Anstifter und subjektiv als mittelbarer Täter.
    A1 “Versuchslösung” –> Der Tatveranlasser kann nicht wegen Anstiftung bestraft wer-den, da er keine vorsätzliche Tat des unmittelbar Ausführenden will, ihm also der Vorsatz hinsichtlich der vorsätzlichen rechtswidrigen Haupttat fehlt. In Betracht kommt deshalb nur eine versuchte Deliktsbegehung in mittelbarer Täter-schaft.
    (-) Diese Lösung behandelt den Tatveranlasser so, als habe er an der vollendeten Rechtsgutsverletzung nicht mitgewirkt.

A2 “Anstiftungslösung” hM. –> er Tatveranlasser ist wegen Anstiftung zur vorsätzli-chen rechtswidrigen Haupttat strafbar. Der fehlende Anstiftervorsatz kann durch den weitergehenden, qualitativ schwerer wiegenden Tatherrschaftswillen ersetzt werden. Anders verhält es sich nur dort, wo das Gesetz ausnahmsweise das Han-deln als mittelbarer Täter mit geringerer Strafe bedroht als die Anstiftung (z.B. § 160 StGB ggü. § 154 StGB).

161
Q

(P) –> Wie wird der Anstifter behandelt wenn er über die Bösgläubigkeit des Haupttäters irrt?

A
  • Der Beteiligte veranlasst einen anderen zur Tatbegehung, der tatsächlich gutgläubig ist, den er aber irrtümlich für bösgläubig hält. Er handelt also objektiv als mittelbarer Täter und subjektiv als Anstifter.

A1 “Anstiftungslösung” –> Der Tatveranlasser kann nicht wegen mittelbarer Täterschaft bestraft werden, da ihm der Täterwille bzw. das Tatherrschaftsbewusstsein fehlt. Möglich ist aber eine Bestrafung wegen vollendeter Anstiftung zur Haupttat. Tä-terschaft ist gegenüber der Teilnahme die höhere Beteiligungsebene. Wer objektiv auf der höheren Ebene handelt, subjektiv dagegen nur auf der niedrigeren, muss sein Verhalten zumindest auf dieser niedrigeren Ebene erfassen lassen.
(-)Diese Auffassung verstößt gegen den Wortlaut des § 26 StGB, der das objek-tive Vorliegen einer vorsätzlichen rechtswidrigen Haupttat verlangt.

A2 “Versuchslösung” hM. –> In Betracht kommt hier nur eine versuchte Anstiftung, die allerdings gem. § 30 I StGB lediglich bei Verbrechen strafbar ist.

162
Q

(P) –> Bis zu welchem Zeitpunkt ist die sukzessive Beihilfe noch möglich?

A

A1 “Beendigungslösung” Rspr. –> Ein Hilfeleisten kann auch noch nach Vollendung der Tat bis zur Beendigung erfolgen, da die Rechtsgutsverletzung erst zu diesem Zeit-punkt endgültig wird, ein Tatbeitrag also insoweit noch Wirksamkeit entfalten kann.

A2 “Vollendungslösung” hL. –> Ein Hilfeleisten kann nur bis zur Vollendung der Tat erfol-gen, denn mit diesem Zeitpunkt ist die Begehung der Tat abgeschlossen.

163
Q

(P) –> Wie wird Person bei der “neutralen Beihilfe” behandelt?

A

A1 “Zurechnungslösung” –> Berufstypische alltägliche Handlungen sind kein „Hilfeleisten“, da die Tatbegehung dem Beteiligten aufgrund der Sozialadäquanz seines Verhaltens bzw. der Einhaltung des erlaubten Risikos nicht zugerechnet werden kann.
(-) Handlung sind nicht als solche neutral, sondern müssen stets in ihrem Kontext gesehen werden. Ohne eine solche Einordnung sind nämlich auch sonstige Beihilfe-handlungen für sich genommen „neutral“. Wer einem anderen privat eine Axt über-lässt, kann das ebenso wie ein Werkzeughändler aus völlig legitimen Gründen tun. Er hat es aber zu unterlassen, wenn ihm ein deliktischer Zusammenhang bekannt wird. Weshalb an dieser Stelle berufliches gegenüber sonstigem Handeln privilegiert wer-den sollen, ist nicht ersichtlich.

A2 “Vorsatzlösung” hM. –>Es kommt auf das Wissen des Beteiligten an:

  • Verfügt er über die sichere Kenntnis, dass er mit seinem Handeln die Begehung einer Straftat fördert, verliert dieses seinen neutralen Charakter und wird zur Bei-hilfe.
  • Hält er dagegen die Begehung einer Straftat nur für möglich, liegt eine Beihilfe nur vor, wenn die Deliktsbegehung objektiv wahrscheinlich ist und er dieses Risiko zu-treffend erkannt hat. Erforderlich ist in einem solchen Fall also ein sog. delikti-scher Sinnbezug: Aufgrund konkreter Anhaltspunkte gibt es außer einer geplan-ten Tatbegehung für das Interesse des Täters an der Handlung des Beteiligten kei-nen vernünftigen Grund.
164
Q

(P) –> Wie wird die nicht strafbare Teilnahme ander Selbsttötung von der “Tötung auf Verlangen” abgegrenzt?

A

A1 “allgemeine Tatherrschaftslösung” –>Es gelten die allgemeinen Täterschaftskriterien. Wer nach diesen Kriterien als Mittäter gilt, ist nicht bloß Teilnehmer einer Selbsttö-tung, sondern Täter einer strafbaren Fremdtötung.
→ Selbsttötung und Fremdtötung schließen einander nicht zwingend aus.
(-) Mittäterschaft setzt nach § 25 II die gemeinschaftliche Begehung einer Straftat voraus. Die Selbsttötungshandlungen des Suizidenten fallen aber unter keinen Straf-tatbestand und können deshalb auch nicht über § 25 II StGB zugerechnet werden.

A2 “modifizierte Tatherrschaftslösung” –> Die allgemeinen Täterschaftskriterien müssen hier modifiziert werden. Entscheidend ist, wer die Herrschaft über den unmittel-bar lebensbeendenden Akt bzw. den „point of no return“ besitzt:
→ Selbsttötung u. Fremdtötung schließen einander zwingend aus.
→ Hat der Suizident selbst die Herrschaft über den unmittelbar lebensbeendenden Akt, ist das Verhalten des Mitwirkenden lediglich eine straflose Teilnahme an Selbsttötung.
→ Besitzt dagegen der Mitwirkende die Herrschaft über den unmittelbar lebensbe-endenden Akt, stellt sein Verhalten eine strafbare Fremdtötung dar.

165
Q

(P) –> Wie wird es behandelt, wenn der Täter ein Mordmerkmal (zB. Habgier) erfüllt und der Teilnehmer dasselbe?

A

A1 “Rspr.” –> Der Täter wird bestraft wegen Mordes, der Teilnehmer wegen Teilnahme am Mord

A2 “hL.” –> Der Täter wird bestraft wegen Mordes, der Teilnehmer wegen Teilnahme am Mord.

166
Q

(P) –> Wie wird es behandelt wenn der Täter ein Mordmerkmal (zB. Habgier) erfüllt, der Teilnehmern aber nicht und zu welchem weiteren Proble führt dies?

A

A1 “Rspr.” –> Der Täter wird bestraft wegen Mordes, der Teilnehmer somit wegen Teil-nahme am Mord. Da er jedoch selbst kein Mordmerkmal erfüllt, ist seine Strafe gem. § 49 StGB zu mildern.
Hinweis: Dies führt zu einem ersten Problem, das sich aus der Eigenständigkeitsthese des BGH ergibt: Durch die Strafmilderung wird in einem solchen Fall der Anstifter zum Mord nämlich geringer bestraft als der Anstifter zum Totschlag:
- Bei der Anstiftung zum Totschlag beträgt der Strafrahmen fünf bis fünfzehn Jahre.
- Bei der Anstiftung zum Mord mit der Milderung des § 49 I Nr. 1 StGB beträgt der Straf-rahmen dagegen drei bis fünfzehn Jahre.
Die Rspr. löst diese Problematik, indem sie der Strafuntergrenze des § 212 StGB eine Sperrwirkung zuerkennt, d.h. diese Strafuntergrenze darf nicht unterschritten werden.

A2 “hL.” –> Der Täter wird bestraft wegen Mordes, der Teilnehmer nur wegen Teilnahme am Totschlag

167
Q

(P) –> Wie wird es behandelt, wenn der Täter keine Mordmerkmale erfüllt, der Teilnehmer jedoch schon (zB. Habgier)?

A

A1 “Rspr.” –> Der Täter wird bestraft wegen Totschlags, der Teilnehmer wegen Teil-nahme am Totschlag. Für eine Teilnahme am Mord fehlt die teilnahmefähige Haupttat.
Hinweis: Hier zeigt sich der zweite Mangel der Selbständigkeitsthese der Rspr. Sie kann das beim Teilnehmer vorliegende Mordmerkmal in dieser Konstellation nur bei der Straf-zumessung berücksichtigen – was freilich nichts daran ändert, dass die Strafe hinter der für eine Teilnahme am Mord zurück bleibt.

A2 “hL.” –> Der Täter wird bestraft wegen Totschlags, der Teilnehmer wegen Teilnahme am Mord

168
Q

(P) –> Der Täter erfüllt ein Mordmerkmal (zB Habgier), der Teilnehmer ein anderes (zB. andere niedrige Beweggründe)?

A

A1 “Rspr.” –> Der Täter wird bestraft wegen Mordes, der Teilnehmer wegen Teilnahme am Mord. Weil er selbst ein Mordmerkmal erfüllt, kommt ihm auch keine Straf-milderung nach § 49 StGB zugute, auch wenn das besondere persönliche Merkmal, welches die Strafbarkeit des Täters begründet, bei ihm nicht vorliegt und damit die Voraussetzungen von § 28 I StGB eigentlich gegeben sind.
Hinweis: Hierbei handelt es sich um das dritte Problem der Selbständigkeitsthese der Rspr: Die Ablehnung einer Strafmilderung ist mit der Grundannahme des BGH vom eigen-ständigen Deliktscharakter nicht vereinbar, denn danach hätte hier über § 28 I StGB die Strafe des Teilnehmers zwingend gemildert werden müssen.

A2 “hL.” –> Der Täter wird bestraft wegen Mordes, der Teilnehmer wegen Teilnahme am Mord.
Hinweis: Vor einigen Jahren äußerte der 5. Senat in einem obiter dictum erstmals Zweifel an der bisherigen ständigen Rspr. zum Verhältnis von Mord und Totschlag Allerdings hat diese Ent-scheidung keine Nachfolger gefunden. Und im Rahmen einer Fachtagung von BGH-Richtern und Vertretern der Strafrechtswissenschaften ist von Seiten der Rspr. signalisiert worden, dass der BGH derzeit nicht beabsichtige, seinen Standpunkt zu revidieren. Es ist also davon auszugehen, dass die hier erörterte Thematik bis auf Weiteres aktuell bleiben wird.

169
Q

(P) –> wann wird zu der versuchten Anstiftung unmittelbar angesetzt?

A

A1 “Handlungslösung” –> Der Beteiligte setzt zur Anstiftung unmittelbar an, sobald er seine Anstiftungshandlung vorzunehmen beginnt.

A2 “Zugangslösung” –> Der Beteiligte setzt zur Anstiftung unmittelbar an, sobald seine Auf-forderung dem Anzustiftenden so zugegangen ist, dass dieser sie zur Kenntnis neh-men kann.

A3 “Entlassungslösung” hM. –> Der Beteiligte setzt zur Anstiftung unmittelbar an, sobald er seine Aufforderung aus seinem Herrschaftsbereich entlässt.

Vertiefungshinweis: Bei bestimmten Delikten qualifiziert das Vorliegen eines besonderen per-sönlichen Merkmals die Tat vom Vergehen zum Verbrechen.
Bsp.: die Gewerbsmäßigkeit bei § 260a StGB
Umstritten ist, wer bei der versuchten Anstiftung dieses Merkmal erfüllen muss.
• Anstifterlösung (hL): Der Anstifter muss das besondere persönliche Merkmal erfüllen. Ent-scheidend ist allein, ob er im Falle der erfolgreichen Anstiftung wegen Anstiftung zu einem Verbrechen zu bestrafen wäre. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob die Tat, zu der angestif-tet werden soll, für den Täter ein Verbrechen darstellt. Die Tatbestandsverschiebung, die nach § 28 II StGB für die vollendete Anstiftung gilt, muss auch für die versuchte Anstiftung gelten.
• Täterlösung (Rspr): Der Täter muss das besondere persönliche Merkmal erfüllen. Ent-scheidend ist allein, ob die Tat, zu der angestiftet werden soll, für ihn ein Verbrechen dar-stellt. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob im Falle der erfolgreichen Anstiftung der Anstif-ter wegen Anstiftung zu einem Verbrechen zu bestrafen wäre.

170
Q

(P) –> Wie wird der Pflichtwidrigkeitszusammenhang beim Fahrlässigkeitsdelikt behandelt, wenn ein Erfoglseintritt bei pflichtgemäßem Verhalten zwar nicht feststeht, aber möglich erscheint?

A

A1 “Risikoerhöhungslehre” –>Für den Pflichtwidrigkeitszusammenhang genügt jede signi-fikante Risikosteigerung infolge des Sorgfaltspflichtverstoßes. Ist die Wahrschein-lichkeit des Erfolgseintritts bei sorgfaltsgerechtem Verhalten deutlich geringer, spielt es keine Rolle, dass der Erfolg auch hier hätte eintreten können.
(-) Diese Auffassung verstößt gegen den in-dubio-Grundsatz und verwandelt fahr-lässige Verletzungsdelikte in bloße Gefährdungsdelikte

A2 “Vermeidbarkeitslösung” hM. –> Der Pflichtwidrigkeitszusammenhang entfällt bereits dann, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Erfolg auch bei sorg-faltsgemäßem Verhalten möglicherweise hätte eintreten können. Eine bloß minimale statistische Wahrscheinlichkeit genügt dafür allerdings nicht.

171
Q

Wie wird das “rechtmäßige Alternativverhalten” im Rahmen des Fahrlässigkeitsdelikts behandelt nach hM.?

A

Nach der hL muss man das pflichtwidrige Verhalten – das Fahren im betrunkenen Zustand – hinwegdenken und fragen, ob es zu dem Unfall auch gekommen wäre, wenn Homer nüchtern gewesen wäre. Da dies hier der Fall ist, würde sie den Pflicht-widrigkeitszusammenhang verneinen. Zum gegenteiligen Ergebnis gelangt allerdings die Rspr. Entscheidend sei bei Trunkenheitsfahrten nämlich nicht, ob sich der Unfall bei gleicher (grds. sorgfaltsgemäßer) Geschwindigkeit auch ereignet hätte, wenn der Fahrer nüchtern gewesen wäre. Vielmehr komme es darauf an, wie langsam ein be-trunkener Fahrer fahren müsste, um trotz herabgesetzter Wahrnehmungs- und Reak-tionsfähigkeit der kritischen Verkehrssituation noch Rechnung tragen zu können und ob es auch bei dieser verringerten Geschwindigkeit zu dem Unfall gekommen wäre. Unterstellt man, dass Homer hier im Falle einer im Hinblick auf sein Alkoholisie-rungsgrad gebotenen Geschwindigkeitsreduzierung auf 25 – 30 km/h Maulwurf nicht angefahren hätte, liegt nach der Rspr. der Pflichtwidrigkeitszusammenhang vor. Ho-mer wäre somit der fahrlässigen Körperverletzung schuldig.

172
Q

(P) –> Wie wird der Notwehrwille beim Fahrlässigkeitsdelikt behandelt?

A

A1 “subjektive Lösung” –> Der Verteidiger muss in Kenntnis der notwehrbegründenden Umstände handeln (genereller Notwehrwille).
→ Der Verteidiger ist gerechtfertigt, wenn er die Notwehrlage kennt. Dass er keinen Willen zur Vornahme der konkreten Verteidigungshandlung besitzt, spielt keine Rolle.
Bsp.: Rechtfertigung im Falle des versehentlichen Anschießens des Angreifers in einer vom Erforderlichkeitskriterium noch gedeckten Weise beim Drohen mit der Waffe.
→ Der Verteidiger ist nicht gerechtfertigt, wenn er das Bestehen der Notwehrlage nicht erkannt hat.

A2 “objektive Lösung” –> Der Verteidiger braucht keinen Notwehrwillen. Es gibt keine versuchte Fahrlässigkeit; jede Fahrlässigkeitstat bedingt den Eintritt eines Erfolgsun-rechts. Dieses entfällt bei objektiv gegebener Rechtfertigungslage aber. Der verblei-bende Handlungsunwert allein genügt wie auch sonst im Falle eines folgenlos blei-benden Sorgfaltspflichtverstoßes nicht, um eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit zu begründen.
→ Liegen die objektiven Voraussetzungen der Notwehr vor, ist der Verteidiger stets gerechtfertigt.

173
Q

(P) –> Ist der Verlust der körperlichen Funktionsfähigkeit zu Bejahen iSd. § 226 StGB wenn sich der Defekt durch einen zumutbaren operativen Eingriff beseitigen lässt?

A

Der BGH verneint das. Es komme auf das Ausmaß der Rechtsgutsverletzung zum Tat-zeitpunkt an; inwieweit eine Möglichkeit bestehe, die eingetretenen Beeinträchtigun-gen abzumildern oder wieder zu beseitigen, sei unerheblich. Das gelte umso mehr, als das Tatopfer gute Gründe haben könne, sich auf eine Operation nicht einzulassen.
Mit dem Körper nur vorübergehend verbundene Hilfsmittel beseitigen die Einbuße unstreitig nicht

174
Q

(P) –> Muss ein Glied/ Körperteil mit dem Körper oder einem anderen Körperteil durch ein Gelenk verbunden sein?

A

Dies wird von einer verbreiteten Auffassung bejaht. Das verdient Zustimmung, da anderenfalls der Unterschied zwischen einem bloßen Körperteil und einem Körperglied ignoriert würde.
–> Glieder sind der Finger und der Fußzeh, keine Glieder die Nase und die Ohrmuschel.

175
Q

(P) –> Was ist maßgeblich für die Wichtigkeit eines Körperglieds iSd. § 226 StGB?

A

A1 “generalisierende Lösung” –> Maßgeblich ist allein die Bedeutung des entsprechen-den Gliedes für jedermann.
Bsp.: Bejaht für den Daumen und den rechten Zeigefinger, verneint für den linken Mittel-finger und den rechten Ringfinger.

A2 “teilweise individualisierende Lösung” hM. –> Zu berücksichtigen sind auch indi-viduelle körperliche Besonderheiten.
Bsp.: Linkshänder oder Rechtshänder, Gebrauch der Fußzehen als Fingerersatz bei feh-lenden Händen.

A3 “individualisierende Lösung” –> Zu berücksichtigen sind auch sonstige individuelle Verhältnisse des Verletzten.
Bsp.: Die berufliche Tätigkeit als Konzertpianist bei Verlust eines Fingergliedes.
(-) Die sozialen Folgen der Tat wie z.B. eine Berufsunfähigkeit liegen außerhalb des Schutzzwecks der Norm und sind lediglich bei der Strafzumessung zu berück-sichtigen

176
Q

(P) –> Wann liegt der tatbestandsspezifische Gefahrenzusammenhang zwischen Körperverletzung und Tot vor, sodass § 227 StGB einschlägig ist?

A

A1 “Letalitätslehre” –> Der spezifische Gefahrenzusammenhang muss zwischen dem vor-sätzlich verwirklichten Körperverletzungserfolg und der besonderen Folge bestehen, d.h. es muss sich im Tod gerade eine Gefahr realisieren, die von der Art und Schwere des Körperverletzungserfolges herrührt.
(+) Die tatbestandsspezifische Gefahr der vorsätzlichen Körperverlet-zungshandlung besteht allein in der Verursachung des angestrebten Körperverlet-zungserfolges, so dass sich eine typische Körperverletzungsgefahr nur realisiert, wenn dieser Körperverletzungserfolg die Todesursache bildet.

A2 “Handlungslösung” hM. –> Der spezifische Gefahrenzusammenhang kann auch direkt zwischen der Körperverletzungshandlung und der besonderen Folge bestehen.
(+) Die Erfolgslösung verkürzt den Schutzzweck der §§ 223 ff. StGB. § 227 StGB benennt in einem Klammerzusatz als möglichen Grundtatbestand auch den §
224 StGB, der es in Abs. 1 Nr. 5 als Qualifikationsgrund ansieht, wenn der Täter die Körperverletzung „mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung“ begeht. Damit drückt das Gesetz selbst die Vorstellung aus, dass bereits mit der Körperverletzungs-handlung als solcher spezifische Lebensgefahren verbunden sein können, vor denen der Einzelne geschützt werden soll.
→ Das Zuschlagen mit der entsicherten Pistole auf den Hinterkopf des Opfers fällt un-ter § 224 I Nr. 5 StGB, weil es die Gefahr begründet, dass das Opfer nicht bloß eine Schlagverletzung erleidet, sondern ihm durch einen sich lösenden Schuss noch ei-ne weitere, todbringende Schussverletzung zugefügt wird. Nicht im Hinblick auf die gewollte Körperverletzung, die Schlagverletzung, ist die Tatbegehung hier also lebensgefährlich, sondern im Hinblick auf eine durch sie mögliche weitere Ge-sundheitsschädigung, nämlich die Schussverletzung. Wird aber eine solche Sach-verhaltskonstellation, bei der sich die Lebensgefahr nicht auf den gewollten Kör-perverletzungserfolg bezieht, ebenfalls vom Tatbestandsmerkmal der lebensge-fährlichen Behandlung in § 224 I Nr. 5 StGB erfasst, gibt es keinen Grund mehr, § 227 StGB zu verneinen, wenn sich diese Gefahr dann tatsächlich realisiert. Der spezifische Gefahrenzusammenhang kann somit auch ohne eine Vermittlung durch den gewollten Körperverletzungserfolg allein zwischen der Körperverletzungs-handlung und dem Tod des Opfers als besonderer Folge bestehen.

177
Q

(P) –> Bedingt der tatbestandsspezifische Gefahrenzsuammenhang auch einen Unmittelbarkeitszusammenhang zwischen Körperverletzung und besonderer Folge iR. der Körperverletzung mit Todesfolge gem. § 227 StGB?

A

A1 “enge Auffassung” –> Zwischen Körperverletzung und besonderer Folge muss ein unmit-telbarer Zusammenhang bestehen. Sonst verwirklicht sich nicht mehr die dem Grund-tatbestand eigentümliche Gefahr.
→ Der Unmittelbarkeitszusammenhang fehlt, wenn das Handeln eines Dritten oder des Opfers selbst dazwischentritt.

A2 “weite Auffassung” h.M. –> Die besondere Folge kann auch durch das Handeln eines Dritten oder des Opfers vermittelt sein, wenn dieses in der Körperverletzung seinen Grund hat, so dass sich im Ergebnis die der Körperverletzung eigentümliche Gefahr realisiert. Allerdings entfällt der Gefahrenzusammenhang, wenn das Verhalten des Opfers bzw. des Dritten freiverantwortlich war.
(-) faktisches Aufgeben der Forderung nach einem spezifischen Gefahrenzusammenhang
(-) Abstellen nur noch im ergebnis auf allgemeine Zurechnungserwägungen der Farhlässigkeit

A3 “differenzierende Lösung” –>

  • Handelt das Opfer oder der Dritte unfrei und ist dies gerade auf die Körperverletzung zu-rückzuführen, realisiert sich eine Gefahr, die speziell in der Gesundheitsschädigung angelegt ist.
  • Resultiert die Unfreiheit des Opfers oder des Dritten dagegen aus irgendwelchen anderen Umständen, liegt der spezifische Gefahrzusammenhang nicht vor.
178
Q

(P) –> Kann es bei der “Körperverletzung mit Todesfolge” gem. § 227 StGB einen erfolgsqualifizierten Versuch geben?

A
  • Hängt davon ab, welche Anforderungen an den spezifischen Gefahrenzusammenhang gestellt werden

A1 “Erfolgslösung” –> Da der spezifische Gefahrenzusammenhang zwischen dem Körper-verletzungserfolg und der besonderen Folge bestehen muss, kann es bei § 227 StGB keinen erfolgsqualifizierten Versuch (= das Grunddelikt wird nicht vollendet, der Tä-ter führt die besondere Folge bereits durch sein unmittelbares Ansetzen herbei) ge-ben.

A2 “Handlungslösung” –> Da der spezifische Gefahrenzusammenhang auch direkt zwischen der Körperverletzungshandlung und der besonderen Folge bestehen kann, ist ein er-folgsqualifizierter Versuch möglich.

179
Q

(P) –> Wie wird ein Tun von einem Unterlassen unterschieden?

A

A1 “Energieeinsatzlösung” –> Tun und Unterlassen sind rein naturalistisch voneinander zu unterscheiden.
WS 2018/19 Grundkurs Strafrecht I
Seite 268
Prof. Dr. Armin Engländer
→ Ein positives Tun liegt vor, wenn der Täter ein Geschehen durch den Einsatz kör-perlicher Energie in Gang setzt oder in eine bestimmte Richtung lenkt.
→ Ein Unterlassen liegt vor, wenn der Täter den Dingen ihren Lauf lässt und von der Möglichkeit des Eingreifens keinen Gebrauch macht.

A2 “Schwerpunktlösung” hM. –> Bei mehrdeutigen Verhaltensweisen kann die Abgrenzung nicht rein naturalistisch, sondern normativ nur vorgenommen werden
–> Entscheidend ist, wo der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit liegt

180
Q

(P) –> Wie werden Tun und Unterlassen beim Abbrechen von Rettungsbemühungen abgegrenzt?

A
  1. Abbrechen fremder Rettungsbemühungen:
    a) Vereitelt der Täter fremde Rettungsbemühungen durch sein aktives Eingreifen, ist dies stets als Tun zu werten.
    b) Vereitelt der Täter die fremden Rettungsbemühungen dagegen durch bloßes Untätigbleiben, handelt es sich um ein Unterlassen.
  2. Abbrechen eigener Rettungsbemühungen
    a) Erfolgt der Abbruch, bevor er alles zur Rettung Erforderliche getan und das Opfer eine realisierbare Rettungschance erhalten hat, liegt der Schwerpunkt nach hM auf dem Unterlassen der weiteren Rettungsbemühungen
    b) Erfolgt der Abbruch der Abbruch dagegen erst, nachdem das Opfer eine realisierbare Rettungschance erhalten hat, liegt der Schwerpunkt auf der aktiven Entfal-tung von Gegenaktivitäten und damit auf einem Tun.
181
Q

(P) –> Wie wird ein Unterlassen bewertet, wenn ein Handlungsfähiger schuldhaft seine Handlungsunfähigkeit zum Tatzeitpunkt herbeiführt und wie nennt sich das?

A
  1. “omissio libera in causa”

A1 “Unmöglichkeitslösung” –>Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem die konkrete Ret-tungshandlung erforderlich wird. Zu diesem Zeitpunkt fehlt dem Nicht-Handelnden die Handlungsmöglichkeit.
→ Ein tatbestandliches Unterlassen liegt nicht vor.

A2 “Vorverlegungslösung” hM. –> Eine mit § 20 StGB vergleichbare Regelung, die anord-net, dass es auf die Handlungsfähigkeit zum Zeitpunkt der Erforderlichkeit der kon-kreten Rettungshandlung ankommt, existiert nicht. Damit spricht nichts dagegen, es ausreichen zu lassen, dass die Handlungsfähigkeit zu einem früheren Zeitpunkt bestanden hat. Einen Garanten trifft nämlich auch die Pflicht, seine Handlungsfähigkeit im Hinblick auf die Abwehr vorhersehbarer Gefahren zu erhalten.
→ Ein tatbestandliches Unterlassen liegt vor.

182
Q

(P) –> Wie bestimmt sich die Kausalität beim Unterlassen?

A

A1 “Risikoverringerungslehre” –>Ein Unterlassen ist für den tatbestandlichen Erfolg be-reits dann ursächlich, wenn die Vornahme der unterlassenen Handlung das Risiko des Erfolgseintritts vermindert hätte.
(-) Die Risikoverringerungslehre verstößt gegen den in-dubio-Grundsatz und verwandelt Verletzungsdelikte in bloße Gefährdungsdelikte

A2 “abgewandelte condicio-Formel” hM. –> Ein Unterlassen ist nur dann kausal, wenn das unterlassene Verhalten nicht “hinzugedacht” werden kann, ohne dass der tatbestandliche Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.
Das bedeutet beweisrechtlich:
→ Wäre der Erfolg bei Vornahme der unterlassenen Handlung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten, gilt das Unterlassen als kau-sal.
→ Wäre der Erfolg möglicherweise trotz Vornahme der unterlassenen Handlung eingetreten, muss das Unterlassen aufgrund des in-dubio-Grundsatzes als nicht kausal angesehen werden.

183
Q

(P) –> Wann setzt der Täter im Rahmen des versuchten Unterlassungsdelikts bereits unmittelbar zu Tat an?

A

A1 “extensive Lösung” –> Der Täter setzt stets schon dann unmittelbar an, wenn er die ers-te Rettungsmöglichkeit nicht ergreift
(-) Der Unterlassende würde auch in Fällen bestraft, in denen noch gar keine kon-krete Gefahr für das geschützte Rechtsgut besteht.

A2 “restriktive Lösung” –> Der Täter setzt stets erst dann unmittelbar an, wenn er die letz-te Rettungsmöglichkeit verstreichen lässt.
(-) Der Zeitpunkt des Versuchsbeginns wird mit dem Zeitpunkt des letztmögli-chen Rücktritts vom Versuch verwechselt.

A3 “modifizierte Gefährdungslösung” hM. –> Der Versuchsbeginn ist auf die gleiche Wei-se wie beim Begehungsdelikt zu bestimmen:
→ Der Täter setzt unmittelbar an, wenn er nicht handelt, obwohl nach seiner Vorstel-lung von der Tat das Rechtsgut unmittelbar gefährdet und der Erfolgseintritt damit nahe gerückt ist.
→ Besteht nach seiner Vorstellung noch keine unmittelbare Gefährdung, setzt der Tä-ter gleichwohl unmittelbar an, wenn er die Möglichkeit des rettenden Eingriffs aus der Hand gibt und dem Geschehen damit seinen Lauf lässt.
Bsp.: Das Flugzeug soll zwar erst in ein paar Tagen wieder starten; der Flugzeugmechani-ker befindet sich aber ab heute Abend im Urlaub.

184
Q

(P) –> Ist in Sonderkonstellationen ausnahmsweise ein Rücktritt vom versuchten Unterlassungsdelikt auch durch bloßes Untätigbleiben möglich?

A

A1 “Einzelaktstheorie” –> Vom Standpunkt der Einzelakttheorie ist das unstreitig zu verneinen. Nach diesem Ansatz ist der Versuch des Totschlags durch Unterlassen in dem Augenblick fehlgeschlagen, in dem der Täter erkennt, dass sein Nichteingreifen, anders als ursprünglich geglaubt, zur Herbeiführung des tatbestandlichen Erfolges doch nicht genügt

A2 “Gesamtbetrachtungslehre” hM. –> Für eine Rücktrittsmöglichkeit spricht: § 13 StGB soll es ermöglichen, den Unterlassenden so zu behandeln, als habe er den tatbestandlichen Erfolg durch aktives Tun herbeigeführt. Aus dieser Gleichstellungsfunktion folgt wertungsmäßig ein Schlechterstellungsverbot: Der Unterlassende darf nicht schlechter als der aktiv Handelnde behandelt werden. Im Falle eines aktiven Tuns anstelle des Unterlassens in der hier erörterten Konstellation stünde dem Täter der Rücktritt indes prinzipiell offen.

A3 –> Nach einer aA handelt es sich bei einer nachfolgenden Tatbestandsverwirklichung durch aktives Tun nicht mehr um dieselbe Tat, weil das aktive Tun gegenüber dem Unterlassen einen wesentlichen höheren Unrechtsgehalt aufweist.

185
Q

(P) –> Wie wird es gelöst, wenn ein handlungspflichtiger unf fähiger Garant nicht gegen die aktive Begehung einer Straftat durch einen anderen einschreitet?

A

A1 “Gehilfenlösung” –> Der Unterlassende ist stets nur Gehilfe, da er das Geschehen hier nicht in seiner Hand hält. Die Tatherrschaft liegt in Form der Handlungsherrschaft al-lein beim aktiv handelnden Täter.
(-) Das Tatherrschaftskriterium schließt eine Täterschaft des Unterlassenden nicht aus, denn je nach der konkreten Sachlage kann dieser das Geschehen durch sei-ne Handlungsmacht durchaus mit ablaufen lassen oder hemmen.

A2 “Pflichtenlösung” –>Der Unterlassende ist stets Täter. Unterlassungsdelikte sind Pflichtdelikte, bei denen das Unterlassen des Garanten als Pflichtverletzung seine unmittelbare Täterschaft begründet.
(-) Es überzeugt nicht, das Tatherrschaftskriterium zur Bestimmung der Täter-schaft im Bereich der Unterlassungsdelikte aufzugeben.

A3 “Tatherrschaftslösung” hL. –> Es ist nach Tatherrschaftskriterien zu differenzieren:
→ Der Unterlassende ist Täter, wenn er erheblichen Einfluss auf den Begehungstä-ter besitzt oder diesen sonst leicht aufhalten könnte.
→ Der Unterlassende ist Gehilfe, wenn er kaum Einfluss auf den Begehungstäter hat und diesen nur schwer stoppen könnte.

A4 “subjektive Theorie” Rspr. –> Maßgeblich sind die Willensrichtung und die innere Ein-stellung des Unterlassenden:
→ Der Unterlassende ist Täter, wenn er ein eigenes Tatinteresse besitzt.
→ Der Unterlassende ist Gehilfe, wenn er sich nur dem Willen des Begehungstäters unterordnet.