Meinungsstreits Grundkurs Strafrecht I Flashcards
Was ist der Zweck der Strafe?
- Vergeltungstheorie
- Theorie der negativen Generalprävention
- Theorie der positiven Generalprävention
- Theorie der Spezialprävention
- Vereinigungsansatz (h.M)
(Details, siehe Grundwissen Strafrecht I WS 18/19)
Gibt es Erfolgsort bei abstrakten Gefährdungsdelikten iSd. § 9 I StGB?
- hM. –> Ja, Erfolgsort ist Ort, an dem die abstrakte Gefahrenlage entsteht
zB.: Volkshetze gegen nach Deutschland kommende Flüchtlinge in Texas veröffentlicht, stellt jedoch abstrakte Gefahr in Deutschland dar, daher begründung des Erfolgsortes in Deutschland.
Ab wann stellt ein noch ungeborenes Kind eine Person dar?
A1 –> “ungeborenes Leben” (§ 219 I 1) werde in dem Moment zur “Person” iSd. § 229 bzw. zum Mensch iSd. § 212, wenn die Geburt vollendet ist.
(+) StGB differenziert zwischen “ungeborenem Leben” und “Personen” und Kind ist im Geburtskanal noch ungeboren
A2 (hM.) –> Die Schwelle vom Ungeborenen zur Person bzw. menschen sei bereits mit Beginn der Geburtswehen d.h. Eröffnungswehen überschritten.
(+) A1 würde zu Schutzlücken führen und ist daher unbillig. Halbgeborenes soll auch vor fahrlässiger Verletzung geschützt sein
(-) Aufgabe des Gesetzgebers und nicht Anwenders, die Schutzlücken im Gesetz zu schließen
(-) hM. stellt auf Beginn der Eröffnungswehen ab und daher Problem in den Fällen in denen Eröffnungswehen vorübgergehend aufhören und erst Tage oder Wochen später wieder einsetzen –> wäre gem. hM. also paradoxerweise geborener Mensch im Mutterleib
Verbotsirrtum gem. § 17 S. 1 StGB wenn Täter die Einsicht fehlt Unrecht zu tun da er die geltenden Gesetze für ungültig hält? (Reichsbürger)
Bezugspunkt des Unrechtsbewusstseins ist die tatsächliche Rechtsordnung und bei Kenntnist dieser weiß sie auc, dass ihr Tun verboten ist. –> lediglich Ablehnung der Bindungswirkung.
(P) –> Ist eine Handlung überhaupt strafrechtlich relevant?
- Def. der Handlung
2. Subsumption (vis absoluta, compulsa, etc.)
(P) –> Unterstehen Tiere dem Schutz des § 303 I StGB obwohl § 90 a S.1 BGB ausdrücklich sagt, dass Tiere gerade keine Sachqualität aufweisen?
- Ja, da BGB Tiere als Mitgeschöpfe hervorheben und Tierschutz fördern will
- StGB will das Eigentum schützen
- Außerdem gerade wegen Tierschutz wichtig, dass auch Beschädigung und Zerstörung von Tieren unter strafrechtlichen Schutz gestellt wird.
- Anwendung des § 90a S. 1 BGB würde den Zweck der Vorschrift konterkarieren. –> Daher eigener, strafrechtlicher Sachbegriff zu prägen, der entgegen § 90 a BGB auch Tiere erfasst.
(P) –> Notwehrhandlung nicht (nur) gegen den Angreifer?
Eingriffe in Rechtsgüter unbeteiligter Dritter und der Allgemeinheit sind von § 32 nicht gedeckt. Freilich ist hier aber das Eingreifen anderer Rechtfertigungs- oder auch Entschuldigungsgründe möglich (zB § 34 oder § 904 BGB).
(P) Kausalität –> A und B wollen unabhängig voneinander X umbringen. Folgende Konstellationen:
1a) Jede einzelne Giftmenge war tödlich.
aa) Das Gift des A hat den Tod des X herbeigeführt, bevor das Gift des B wirken konnte.
bb) Beide Giftsubstanzen sind wirksam geworden.
cc) Nur ein Gift ist wirksam geworden, es lässt sich aber nicht mehr feststellen, welches.
- Erst beide Giftmengen zusammen waren ausreichend, um den Tod des X herbeizuführen. Jede Giftmenge für sich allein betrachtet war nur körperverletzungstauglich.
1aa) “abgebrochene/überholende Kausalität” = Bs relevante in Gang gesetzte Ursachenreihe wurde durch A abgebrochen und kontne somit nicht mehr fortwirken und zum Tode führen also nicht kausal!
bb) Hier stellt sich folgendes Problem: Nach der Äquivalenztheorie ist die Kausalität eigentlich zu verneinen, denn jede Bedingung (Giftmenge) könnte hinweggedacht werden, ohne dass der Tötungserfolg entfiele.
Allerdings wird die Äquivalenztheorie für den Fall der sog. alternativen Kausalität von der h.M. wie folgt modifiziert: Von mehreren Bedingungen, die zwar alternativ, aber nicht kumulativ hinweggedacht werden können, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele, ist jede für den Erfolg ursächlich.
cc) Nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ ist daher anzunehmen, dass das Gift des B zuerst wirkte. (–> Beide Tatbeiträge somit nicht kausal und beide nur versuchter Totschlag)
2. “Kumulative Kausalität” –> jede Giftmenge ist kausal und mitursächlich für den Eintritt des Erfolges ABER: keine objektive Zurechnung, da eigenes Gift allein nicht ausreichend gewesen wäre –> versuchter Totschlag
(P) –> Wirkung des Eingreifen eines Dritten in den Kausalverlauf auf die Kausalität?
A1 “Lehre vom Regressverbot” –> wird der Kausalzusammenhang durch die Vorsatztat eines anderen unterbrochen. Diese Lehre wird aber heute weitestgehend abgelehnt, da ein Kausalzusammenhang jedenfalls dann besteht, wenn die früher gesetzte Bedingung bis zum Eintritt des Erfolgs fortwirkt.
A2 (h.M.) –> Differenzierung zwischen zwei Punkten:
(1) Knüpft der Dritte an die vorausgehende Bedingung an, was insbesondere dann der Fall ist, wenn er die dadurch geschaffene Lage ausnutzt, ist Kausalität zu bejahen. (Dann aber Beachten der objektiven Zurechnung)
(2) Eröffnet der Dritte hingegen eine völlig neue Ursachenreihe („Neueröffnungseffekt“), welche die abgebrochene erste überholt, ist die Kausalität der ersten Handlung zu verneinen.
(P) –> Wirkung des vorsätzlichen Eingreifens eines Drittens in das Geschehen auf die objektive Zurechnung?
- Grundsätzlich ist Zurechnungszusammenhang unterbrochen, wenn der Dritte vollverantwortliche eine neue Gefahr begründet, die sich dann im Erfolg realisiert.
- Anders wäre es, wenn das Verhalten des Dritten typischerweise schon in der ursprünglichen Gefahr begründet erscheint. –> nicht aber, wenn Drittverhalten außerhalb jeglicher Lebenserfahrung liegt.
(P) –> Zeugung eines Mörders Mutter objektiv zurechenbar für späteren Morde?
- Nein, da Zeugung keine rechtlich relevante Gefahr darstellt sondern allgemeines Lebensrisiko.
(P) –> Lehre der objektiven Zurechnung?
- hL. –> objektive Zurechnung im OTB ankerkannt
- Rspr. –> Sie löst Zurechnungsfragen grundsätzlich im subjektiven Tatbestand. Der vorliegende Fall kann stattdessen auch so gelöst werden, dass die Strafbarkeit der K. erst im Rahmen des Vorsatzes (= subjektive Zurechnung) verneint wird:
(P) –> unwesentliche Abweichungen des Kausalverlaufes als Irrtum gem. § 16 I 1 StGB und somit kein Vorsatz?
- Nein! Nach der Rechtsprechung lassen unwesentliche
Abweichungen des tatsächlichen Kausalverlaufs vom vorgestellten Kausalverlauf
den Vorsatz jedoch unberührt. Eine Abweichung ist immer dann unwesentlich, wenn sie sich
noch in den Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren hält und keine
andere Bewertung der Tat rechtfertigt.
(P) –> Abgrenzung Täterschaft und Teilnahme?
Die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme ist ein äußerst klausurrelevantes Problem.
A1. “Die h.L.” –> vollzieht diese Abgrenzung mittels des Kriteriums der Tatherrschaft, als das vom Vorsatz umfasste „In-den-Händen-Halten“ des tatbestandsmäßigen Geschehens. Somit ist derjenige Täter, der als Zentralgestalt des Geschehens die planvoll-lenkende oder mitgestaltende Tatherrschaft besitzt. Dagegen ist lediglich Teilnehmer, wer ohne eigene Tatherrschaft als Randfigur des tatsächlichen Geschehens die Begehung der Tat veranlasst oder sonst fördert.
A2 “Die neuere Rspr.” –> vertritt demgegenüber eine subjektive Theorie auf objektiv-tatbestandlicher Grundlage. Ausgehend von ihrer früher streng subjektiven Ausrichtung, die den Täter danach bestimmte, ob er mit Täterwillen (animus auctoris) handelte oder aber andererseits zum Teilnehmer erklärte, wer mit bloßem Teilnehmerwillen (animus socii) agierte, zieht sie nun weitere Kriterien heran. So sollen in einer Gesamtschau auch der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft als objektive Merkmale miteinbezogen werden.
(P) –> Nachweis des Ursachenzusammenhangs (zB. nicht Nachweis der genau schädlichen Substanz in Produkt, aber sicher, dass Produkt schädlich!)
A1 “BGH” –> ausreichend, dass die inhaltliche Beschaffenheit des Produkts schadensursächlich war und andere Schadensursachen auszuschließen sind (generelle Kausalität). Nicht erforderlich ist dagegen, dass festgestellt wird, warum diese Beschaffenheit schadensursächlich werden konnte, was also nach naturwissenschaftlicher Analyse und Erkenntnis letztlich der Grund dafür war
A2 –> Gegen diese Lösung könnte man anführen, dass ein Kausalzusammenhang gerade nur dann sicher feststellbar ist, wenn man die konkrete Ursache kennt.
(-) Andererseits ist in derartigen Erzeugnissen eine exakte Isolierung der einzelnen Substanzen oft nicht möglich.
(-) Außerdem lässt man, wenn ein Täter mehrfach auf ein Opfer mit einem Messer einsticht und man nicht feststellen kann, welcher Stich genau todbringend war, auch die Zuordnung der Todesursache zur Person des Täters genügen.
(P) –> Entfällt die objektive Zurechnung bei “Retterfällen” wegen “Eigenverantwortungsprinzip”?
A1 “Teile der Literatur” –> in den Fällen, in denen der um Rettung bemühte Dritte im Zeitpunkt der Verletzung Tatherrschaft hat und seine Gefährdung eigenverantwortlich und damit „freiwillig“ herbeiführt, ist der Zurechnungszusammenhang stets unterbrochen.
A2 –> die Schädigung des freiwillig dazwischentretenden Retters ist dem Erstverursacher immer zuzurechnen.
A3 “h.M.” –> Danach ist der Erfolg dem Erstverursacher immer dann zuzurechnen, wenn es sich um eine vernünftige und nachvollziehbare Selbstge-fährdung handelt. Dies gilt insbesondere, wenn der Retter aufgrund einer privaten Garanten-stellung (z.B. als naher Angehöriger eines Opfers) oder aufgrund öffentlich-rechtlicher Nor-men (z.B. als Feuerwehrmann/-frau) im konkreten Fall zum Eingreifen verpflichtet ist. Nur von vornherein sinnlose und offensichtlich unverhältnismäßig riskante Rettungshandlungen können einen Zurechnungsausschluss bewirken.
(P) “Retterfälle” –> Entfällt Zurechnungszusammenhang bei bei objektiver Zurechnung des Brandstifters wenn “Retter” wie Feuerwehrmänner sich eigenverantwortlich und wissentlich dem Risiko des Todes aussetzen?
Brandstifter schafft auf jeden Fall eine rechtlich relevante Gefahr die sich realisiert!
A1 –> Mit einem Teil der Literatur könnte man annehmen, dass in den Fällen, in denen der um Rettung bemühte Dritte im Zeitpunkt der Verletzung Tatherrschaft hat und seine Gefährdung eigenverantwortlich und damit „freiwillig“ herbeiführt, der Zurechnungszusammenhang stets unterbrochen ist.
A2 –> Nach einer anderen Ansicht ist die Schädigung des freiwillig dazwischentretenden Retters dem Erstverursacher immer zuzurechnen. Danach wäre der Tod der F dem L hier zuzurech-nen, da L die Erstursache (Anzünden) gesetzt hat.
a) Würdigung:
Für einen Ausschluss der objektiven Zurechnung – und damit die erste Ansicht – könnte sprechen, dass F zwar als Berufsfeuerwehrfrau grundsätzlich zum Einschreiten verpflichtet war, jedoch jedenfalls ihren Beruf selbst gewählt und sich damit bewusst und in diesem Sinne „freiwillig“ den aus der Tätigkeit resultierenden Risiken ausgesetzt hat. Auch endet im Strafrecht grundsätzlich dort, wo der Verantwortungsbereich des Opfers beginnt, der des Täters. Zudem erfolgt die Entloh-nung von Feuerwehrleuten gerade aufgrund der Gefahrgeneigtheit der Tätigkeit. Daneben ließe sich argumentieren, dass es aus kriminalpolitischer Sicht verfehlt wäre, wenn der „be-reuende“ Brandstifter durch das Alarmieren der Feuerwehr Gefahr liefe, sich zusätzlich we-gen vorsätzlicher oder fahrlässiger Tötung der Retter strafbar zu machen.
A3 (hM) –> Die h.M. vertritt eine differenzierende Lösung: Danach ist der Erfolg dem Erstverursacher immer dann zuzurechnen, wenn es sich um eine vernünftige und nachvollziehbare Selbstge-fährdung handelt. Dies gilt insbesondere, wenn der Retter aufgrund einer privaten Garanten-stellung (z.B. als naher Angehöriger eines Opfers) oder aufgrund öffentlich-rechtlicher Nor-men (z.B. als Feuerwehrmann/-frau) im konkreten Fall zum Eingreifen verpflichtet ist. Nur von vornherein sinnlose und offensichtlich unverhältnismäßig riskante Rettungshandlungen können einen Zurechnungsausschluss bewirken. Im vorliegenden Fall war F als (bayerische) Berufsfeuerwehrfrau grundsätzlich gem. Art. 4 I BayFWG2 zum abwehrenden Brandschutz verpflichtet und es wird von ihr erwartet, sich zum Löschen eines Brandes und zur Rettung von Menschenleben auch in große Gefahr zu begeben.
a) Würdigung –> A1 lassen sich jedoch gewichtige Argumente entgegenhalten: So erscheint es einerseits nur gerecht, dem Erstverursacher auch das Risiko misslungener Rettungsversuche aufzuerlegen, da es ihm letztlich ja auch zugutekäme, wenn die Rettung durch die Feuerwehr gelänge, da auch dies seine Strafbarkeit beeinflusst. Daneben stellt es einen Wertungswiderspruch dar, wenn man die Feuerwehrfrau einerseits rechtlich dazu verpflichtet, sich bei vertretbarer Ge-fahrenlage dem Risiko auszusetzen, ein brennendes Haus zu betreten, ihr dies aber auf der anderen Seite doch wieder als „eigene und freiwillige“ Entscheidung auslegt und damit ihrem Verantwortungsbereich zuweist. Denn wenn sie sich geweigert hätte und dadurch ein weite-rer Schaden entstanden wäre, wäre sie wegen eines Unterlassungsdelikts strafbar. F handelte daher nicht „wirklich“ freiwillig. Und schließlich ist umgekehrt kein billiger Grund ersichtlich, warum der Täter auch vom Risiko des Eintretens vorhersehbarer und nicht aus offensichtlich unverhältnismäßigen Rettungsbemühungen resultierender Retterschäden freigestellt werden soll, hat er doch durch seine deliktische Handlung die naheliegende Möglichkeit und ein einsichtiges Motiv für die Rettungshandlung geschaffen. Im Ergebnis gewährleistet daher ins-besondere die Ansicht der h.M. eine gerechte Verteilung von Risikotragungspflichten und ist daher vorzugswürdig. Danach ist der Tod der F dem L auch objektiv zurechenbar.
(P) –> Ist Tötungsvorsatz zu bejahen bei Ertrinken, wenn Täter denkt, dass Opfer bereits tot gewesen ist, aber erst durch “Entsorgung” wie Ertrinken stirbt?
A1 –> Mit der veralteten Lehre vom “Gesamttötungsvorsatz” (dolus generalis) könnte man jedoch vertreten, dass immer dann, wenn mehrere Vorgänge ein einheitliches Geschehen bilden, der Vorsatz, den der Täter während des erstens Handlungsabschnitts aufweist, auch auf einen zweiten Handlungsabschnitt zu erstrecken ist.
A2 –> Gegen die Lehre vom dolus generalis spricht jedoch, dass ein tatsächlich zum Zeitpunkt der unmittelbaren Erfolgsherbeiführung erloschener Vorsatz nur fingiert wird. Die Lehre vom dolus generalis verstößt damit gegen das in § 16 I 1 in Verbindung mit § 8 verankerte Koin-zidenz- bzw. Simultanitätsprinzip („bei Begehung der Tat“). Ein bloßer dolus antecedens reicht für den Vorwurf einer Vorsatztat nicht aus. Die Lehre vom dolus generalis ist daher heute nicht mehr vertretbar.
ABER:
1. Neue Prüfung gem. § 212 I StGB wegen der Ersthandlung!
OTB objektive Zurechnung des tatbestandlichen Erfolgs:
A1 –> Eine Ansicht geht davon aus, dass bei zweiaktigen Geschehensabläufen – jedenfalls dann, wenn der Täter irrtümlich davon ausgeht, sein Ziel bereits durch den ersten Akt erreicht zu haben – der Ersthandlung (hier: Sand-in-den-Mund-Stopfen) nicht das spezifische Risiko des Erfolgseintritts durch die Zweithandlung (hier: Tod durch Ertrinken) anhaftet.
a) Würdigung: Für die erste Ansicht streitet, dass das „Sand-in-den-Mund-Stopfen“ für sich genom-men nicht geeignet ist, den Tod durch Ertrinken herbeizuführen.
A2 (hM) –> Nach h.M. realisiert sich hingegen die durch den Erstakt geschaffene rechtlich relevante Ge-fahr im durch den Zweitakt herbeigeführten Erfolg. Danach wäre der Taterfolg der A hier zurechenbar.
a) Würdigung: herbeizuführen. Für die h.M. spricht jedoch, dass es insgesamt nicht unüblich ist, dass aus der ursprünglichen Gefahrschaffung weitere Handlungen resultieren, die möglicherweise dann erst den Erfolg herbeiführen. Verspätete Erfolgseintritte durch Zweithandlungen sind daher grundsätzlich einzukalkulieren und zu fra-gen, ob ein solcher Geschehensverlauf außerhalb jeder Lebenserfahrung liegt. Ferner schafft die zweite Handlung keine völlig neue Gefahr, sondern schließt an die durch die erste Hand-lung erzeugte Ausgangsgefahr an. Denn anders als etwa beim Kopfabtrennen liegt das spe-zifische Risiko beim Sand-in-den-Mund-Stopfen darin, dass das Opfer nicht unmittelbar bei der Ersthandlung stirbt, sondern bewusstlos wird und erst durch die Folgen der Entsorgung der Leiche – hier des Werfens in die Jauchegrube - verstirbt.
–> (P) im STB Vorsatz bezüglich Kausalität = nach allgemeiner Lebenserfahrung voraussehbar und somit unwesentliche Abweichung –> “Eventualvorsatz”
(P)–> Abgrenzung des dolus eventualis von der bewussten Fahrlässigkeit?
A1 (Verzicht auf voluntatives Element) –> Für die Vertreter dieser Ansichten soll lediglich ein gewisser Grad an subjektiver Gewissheit für die Annahme des Eventualvorsatzes ausreichen. Es genügt ein „Für-Wahrscheinlich-Halten“ bzw. „Für-Möglich-Halten“, mithin ein reines „Wissenselement“. Diese Ansichten führen zB an, dass der derjenige, der die konkrete Möglichkeit des Erfolgseintritts erkennt und gleichwohl handelt, den Erfolgseintritt akzeptiert.
A2 (fordern von abgeschwächtem voluntativem Element) –> Nach anderen Ansichten wird über eine subjektive Gewissheit im Sinne eines ernsthaften „Für-Möglich-Haltens“ hinaus noch als voluntatives Element eine billigende Inkaufnahme im Rechtssinne gefordert, dass sich also der Täter mit der Tatbestandsverwirklichung um des erstrebten Zieles willen abfindet. (Vgl. auch BGHSt 36, 1, 9 f.; zur Gleichgültigkeitstheorie vgl. Rengier, AT § 14, Rn. 24) Dieses Billigungserfordernis vermeidet zB, dass ein Arzt, der eine lebensrettende Operation vornimmt, obwohl er das ernsthafte Risiko eines tödlichen Ausganges kennt, wegen vorsätzlicher Tötung bestraft wird.
(P) –> Was bedeutet “billigend in Kauf nehmen” des Erfolgs iR. des Vorsatzes?
A1 –> In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass für die Bestimmung eines Billigens im Rechtssinne wiederum auf die erkannte Gefährlichkeit des Handelns abgestellt werden kann.
a) Würdigung: Entscheidend gegen die erste Ansicht spricht, dass sie auf das voluntative Element vollständig verzichtet. Die Möglichkeit, den Erfolgseintritt zu erkennen, verbindet gerade die bewusste Fahrlässigkeit und den Eventualvorsatz. Nur bei zusätzlicher Forderung eines Wollenselements im Vorsatz ist eine sinnvolle Abgrenzung zwischen bewusster Fahrlässigkeit und bedingtem Vorsatz möglich.
Für den Eventualvorsatz ist daher nach überzeugender Ansicht erforderlich, dass der Täter die konkrete Gefahr erkannt, die Gefahr ernst genommen und sich letztlich mit dem Risiko der Tatbestandverwirklichung abgefunden hat (Ernstnahmetheorie) bzw. den Erfolgseintritt für möglich hält und den Erfolg innerlich billigt (Billigungstheorie).
A2 –> In der älteren Rechtsprechung wurde im Bereich der Tötungsdelikte eine besondere sog. Hemmschwelle vor Bildung des Tötungsvorsatzes postuliert, um so der allzu raschen Bejahung vorsätzlicher Tatbegehung durch den Tatrichter vorzubeugen.
a) Würdigung: Dieser pauschale Hinweis auf die sog. Hemmschwellentheorie ist heute nicht mehr ausreichend. Vielmehr verlangt der BGH nun eine besonders genaue richterliche Prüfung anhand einer Gesamtschau aller relevanten objektiven und subjektiven Tatumstände. Die Berücksichtigung einer Hemmschwelle kann aber als Indiz im Einzelfall herangezogen werden.
(P) —> HIV-Virus (oder andere Krankheit) als Gift iSd. § 224 I Nr. 1 StGB?
Krankheitserreger wie Viren sind zumindest als anderer gesundheitsschädlicher Stoff im Sinne von § 224 I Nr. 1 Var. 2 einzustufen, wenn sie – wie hier die HI-Viren – generell und konkret geeignet sind, ernsthafte Gesundheitsschäden zu verursachen.
Durch den ungeschützten Geschlechtsverkehr wurden sie so in Kontakt mit dem Körper der O gebracht, dass sie ihre schädigende Wirkung entfalten konnten. Sie wurden also „beigebracht“. Das Qualifikationsmerkmal des § 224 I Nr. 1 ist somit erfüllt.
Merke –> Nr.1 stellt eine Sepzialisierung von Nr. 2 dar, und schließt diesen daher aus!
(P) —> Eventualvorsatz bezüglich einer “das Leben gefährdenden Behandlung” gem. § 224 I Nr.5 StGB?
A1 (Rspr.) –> bejahen ist. Nach der Rechtsprechung genügt es für den Vorsatz bzgl. einer das Leben gefährdenden Behandlung, dass der Täter neben – zumindest bedingtem - Verletzungsvorsatz diejenigen Umstände kennt, aus denen sich die allgemeine Gefährlichkeit seines Tuns in der konkreten Situation für das Leben des Opfers ergibt. Dass der Täter zudem die von ihm erkannten Umstände als lebensgefährdend bewertet, ist hingegen nicht erforderlich.
(P) –> Vorsatz bei Irren über Identität des Tatobjekts bei Totschlag?
- “error in persona”
- Da das Gesetz aber lediglich Tatumstandskenntnis hinsichtlich des abstrakten Tatbestandsmerkmals „Mensch“ erfordert (§ 212 I setzt nach seinem Wortlaut lediglich die Tötung eines anderen Menschen voraus), ist ein derartiger Irrtum bei tatbestandlicher Gleichwertigkeit von vorgestelltem und tatsächlichem Tatobjekt unbeachtlich. –> Gleichwertigkeit zweier Menschenleben
- Erforderlich sind: Konkretisierung des Opfers und Treffen der Person –> wenn nicht Konkretisierung: Versuchsprüfung!
(P) –> welche rechtlichen Folgen hat es bei einem Fehlgehen der Tat (und wie nennt man dies), wenn das anvisierte und das getroffene Objekt tatbestandlich gleichwertig sind?
A1 “Gleichwertigkeitstheorie” –> Die sog. Gleichwertigkeitstheorie will bei tatbestandlicher Gleichwertigkeit von Ziel- und Verletzungsobjekt wegen vollendeten Delikts bestrafen. Hierbei stützt sie sich im Wesentlichen darauf, dass tatbestandlich gleichwertige Objekte auch den gleichen Schutz verdienen.
a) Würdigung: Gegen diese Theorie spricht jedoch bereits, dass sie einen Vorsatz hinsichtlich des getroffenen Objektes konstruiert, der tatsächlich (gerade im vorliegenden Fall) keinesfalls bestand.
A2 “Konkretisierungstheorie” –> Die sog. Konkretisierungstheorie bestraft demgegenüber (nur) wegen Versuchs (hinsichtlich des Zielobjekts) und Fahrlässigkeit (hinsichtlich des Verletzungsobjekts). Sie berücksichtigt sowohl die vom Täter bereits vorgenommene Individualisierung und Konkretisierung hinsichtlich des anvisierten Objektes, als auch, dass ihn in Bezug auf das tatsächlich getroffene Objekt nur ein Fahrlässigkeitsvorwurf trifft. Demnach ist diese Ansicht vorzugswürdig.