8. Zwangsstörungen Flashcards
Zwangsstörungen
Fallbeispiel, Diagnostische Kriterien, Epidemiologie - Komponenten der Zwangssymptomatik:
Zwangsstörungen
Diagnostische Kriterien (ICD-10)
A: Zwangsgedanken und/oder Zwangshandlungen an den meisten
Tagen über mindestens 2 Wochen
B: Zwangsgedanken und/oder Zwangshandlungen haben folgende Merkmale:
- Werden als eigene Gedanken/Handlungen angesehen und nicht als von anderen eingegeben
- Wiederholen sich, sind aversiv, und mindestens ein Gedanke/eine Handlung werden als übertrieben oder unsinnig angesehen
- Betroffene versuchen Widerstand zu leisten; gegen mindestens einen Gedanken/eine Handlung wird erfolglos Widerstand geleistet
- Ausführung ist nicht per se angenehm (außer durch Erleichterung)
- Betroffene leiden und werden in ihrer Leistungsfähigkeit behindert
(v. a. durch Zeitaufwand) - Geht nicht auf andere psychische Störung wie Schizophrenien oder affektive Störungen zurück
Zwangsstörungen
Dimensionalität der Symptomatik
- Tabu, z.B. wiederkehrende verbotene sexuelle Gedanken, gewalttätige Vorstellungen, wiederkehrende Befürchtung Gotteslästerung zu begehen, …
- Kontamination/Reinigung, z.B. Sorgen über Keime und Schmutz, exzessives und ritualisiertes Händewaschen, …
- Zweifel, z.B. Befürchtung verantwortlich zu sein dafür dass etwas Schreckliches passiert, exzessives Kontrollieren von Schlössern, Türen etc. …
- Aberglauben/Rituale, z.B. übermäßiger Glaube an Unglückszahlen, zwanghaftes Zählen nach bestimmten Regeln …
- Symmetrie/Horten, zwanghafte Symmetrie oder Genauigkeitsgedanken, exzessives Erstellen von Listen über Alltagsdinge …
Zwangsstörungen
Epidemiologie
-
Lebenszeit-Prävalenz:
- 2-3% der Bevölkerung (Ruscio et al., 2010),
- subklinische Symptome häufiger (10-15%), (Grisham et al., 2011)
-
Komorbidität (Lebenszeit):
- ca. 90%: v.a. soziale Phobien, spezifische Phobien, Depressive Störungen, Persönlichkeits- störungen (V.a. Zwanghafte PST (32%) und Selbstunsicher- vermeidende PST (15%)
-
Versorgungssituation:
- nur ca. jeder 10. Patient bekommt adäquate Behandlung! Zeitraum zwischen Beginn der Störung und Behandlung durchschnittlich 7 Jahre!
Zwangsstörungen
Störungsmodelle, kognitive und neurobiologische Befunde - Wie entsteht eine Zwangsstörung?
-
Genetisch/biologische Risikofaktoren
- Bestimmte Polymorphismen in Kandidatengenen
- Veränderte Struktur/Aktivität/Konnektivität im Gehirn
- Neuropsychologische Defizite
-
Psychosoziale Risikofaktoren
- Frühe Traumatisierungen
- Erziehungsstil, „Falsche“ Vorbilder (übergenaue Eltern)
→ Erwerb ungünstiger kognitiver Schemata (Bewertungen)
Zwangsstörungen
Störungsmodell - Kognitiv-behaviorales Modell (Salkovskis)
Zwangsstörungen
Kognitive Verzerrungen
-
Übertriebene Verantwortlichkeit:
- “es liegt nur an mir, ob ein Unglück passiert …”
-
Überbewertung von Gedanken:
- “an Handlung denken macht es wahrscheinlich, dass man sie auch ausführt …”
-
Bedürfnis nach Gedankenkontrolle:
- „ich bin nur in Ordnung, wenn ich Gedanken im Griff habe“
-
Überschätzung von Bedrohung:
- “extreme Ansteckungsgefahr außerhalb der Wohnung …”
-
Mangelnde Unsicherheitstoleranz:
- “erst entscheiden, wenn alle Vor- und Nachteile geklärt sind“
-
Perfektionismus:
- “Fehler sind nicht erlaubt …”
Zwangsstörungen
Therapie - Evidenz für Wirksamkeit
-
Hilft:
- Störungsspezifische Kognitive Verhaltenstherapie einschließlich Exposition und Reaktionsmanagement
- Pharmakologische Therapie mit SSRIs
-
Hilft nicht:
- Psychoanalyse, Gesprächspsychotherapie, Entspannung, Benzodiazepine, Elektrokrampftherapie, transkranielle Magnetstimulation.
- Für sehr schwere, therapieresistente Fälle evtl. zukünftig Tiefenhirnstimulation
Zwangsstörungen
Therapie - Hilfreiche kognitive Interventionen (Ziel?)
-
Ziel: Veränderung dysfunktionaler Grundannahmen (extreme Verantwortlichkeit)
- Vermittlung eines plausiblen Modells
- Veränderung der Verantwortlichkeit/Schuld
- Veränderung der Bedeutung eines Gedankens
- Differenzierung von Gedanken und Handlungen
- Aufzeigen der Effekte der Unterdrückung eines Gedankens
- Umgang mit Sicherheit und Unsicherheit
Zwangsstörungen
Therapie -
- Wirkweise der Exposition mit Reaktionsverhinderung
- und Vorraussetzungen
-
Vorraussetzungen:
- Erkennen der Zwangsgedanken
- Erkennen des Vermeidens
- Patient*in ist von Behandlung und der Notwendigkeit der Exposition überzeugt (nur Beginnen, wenn Patient*in ausdrücklich damit einverstanden ist und die Konfrontation will: „ja-Wort“)
- Patient*in kann Therapieziel formulieren, für das es sich lohnt die Expositionsbehandlung auf sich zu nehmen
Zwangsstörungen
Therapie - Durchführung der Exposition
-
In den Sitzungen vorher erarbeitet:
- Angstskala 0 – 100 % erstellen
- Erarbeitung konkreter Situationen, mit denen sich wo und wie konfrontiert werden soll
- Planung, mit mittelschweren Aufgabe zu beginnen
- Genaues Festlegen, welche Handlungen danach erlaubt und nicht erlaubt sind
- Hilfreiche Gedanken für Expositionssituation erarbeiten
- Es gilt: Gestufte Konfrontation ist nicht wirksamer, aber für Patient*innen leichter durchzuführen
-
Die Expositionssitzung:
- Zu Beginn: kurze Wiederholung der vorher getroffenen Absprachen durch Patient*in
- Durchführen der abgesprochenen Situationen
- Beispiel: Verlassen der Wohnung OHNE Kontrollhandlungen durchzuführen
-
Ziel: Neue Lernerfahrungen machen:
- Zwangshandlungen sind unnötig → Angst ist unbegründet
- Angst geht auch OHNE Zwangshandlungen von selbst mit der Zeit zurück: Man gewöhnt sich an die Situation (Habituation)