11. Psych. Störungen im Ki/JuAlter: Diagnostik und Klassifikation Flashcards
Ki/JuAlter: Diagnostik und Klassifikation
Definition für Die Klinische Kinder- und Jugendpsychologie
- Definition: „Die Klinische Kinder- und Jugendpsychologie stellt jene Teildisziplin der Psychologie dar, die sich mit psychischen Störungen, den psychosozialen Aspekten körperlicher Erkrankungen und Risikoverhaltensweisen im Entwicklungsverlauf von Kindern und Jugendlichen beschäftigt.“
- Schnittstelle zwischen Klinischer Psychologie und Entwicklungspsychologie
Ki/JuAlter: Diagnostik und Klassifikation
Warum ist die Klinische KiJu-Psychologie relevant?
- 20% der Bevölkerung ist minderjährig, 16 Mio. Kinder in Deutschland
- 4-6% (ca. 800.000) aller Kinder in Deutschland leiden unter einer behandlungsbedürften psychischen Störung
- bei 1-1.5 Mio. ist eine fachliche Abklärung von vorhandenen Störungen im Funktionsniveau nötig
- Häufigkeit psychischer Störungen im KiJu-Alter: 13.4 % der Kinder und Jugendlichen weisen mindestens eine psychische Störung auf (Punktprävalenz)
- Relevante Zahl: Erstmanifestation psychischer Störungen in Kindheit und Jugend!
- Chronizität: Störungen bleiben meistens bis ins Erwachsenalter bestehen
- Entwicklungsrisiko: Psychische Störungen im KiJu-Alter stellen Entwicklungsrisiko für psychische Störungen im Erwachsenalter dar
Ki/JuAlter: Diagnostik und Klassifikation
Besonderheiten der KJPsychTh (6)
-
Altersspanne mit den größten Entwicklungsschritten!
- Entwicklungsabhängigkeit der Symptomatik
- zusätzliche Störungsbilder
- Multiaxiale Diagnostik
- Entwicklungsangepasstheit der Intervention
- Eltern und Umfeld
- Rechtliche Rahmenbedingungen
Ki/JuAlter: Diagnostik und Klassifikation
Entwicklungsabhängigkeit der Symptomatik
Ki/JuAlter: Diagnostik und Klassifikation
Was ist anders als in der Klinischen Psychologie des Erwachsenenalters?
- Zusätzliche Störungsbilder: Verhaltens und emotionale Störungen mit Beginn in Kindheit und Jugend
- Teilweise andere Verläufe, teilweise weniger schwere Fälle (im Vergleich zu bspw. Akutpsychiatrie Erwachsenenalter) – aber: Entwicklungsrisiko und Chronizität!
- Psychotherapeutisch und diagnostisch stärkerer Setting- Einbezug: Eltern und Familie! Schule! ggf. Kinder- und Jugendhilfe!
- Anpassung an den Entwicklungsstand in Diagnostik und in Therapie! 0-21 Jahre!
- Andere rechtliche Voraussetzungen (z.B. Sorgerecht)
Ki/JuAlter: Diagnostik und Klassifikation
Zentrale Herausforderungen im KiJu-Bereich:
- Störungsbild abhängig vom Alter
- mangelnde Übereinstimmung von Eltern/Bezugsperson und Kind im Symptombericht
Ki/JuAlter: Diagnostik und Klassifikation
Entwicklungsstadienspezifische Klassifikation (im ICD-10 und DSM-5)
- ICD-10 und DSM-5 enthalten eigenständige Kapitel mit Beginn im Kinder- und Jugendalter
- Im ICD-10 sind das folgende Kapitel:
- F7: Intelligenzminderungsstörungen
- F8: Entwicklungsstörungen
- F9: Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend
- Im DSM-5 beschäftigt sich das Kapitel „Störungen der neuronalen und mentalen Entwicklung“ mit Störungen die sich typischerweise mit Schuleinstritt manifestieren
- Im Allgemeinen werden bei Kindern und Jugendlichen die gleichen Diagnosekriterien wie bei Erwachsenen angewendet.
Ki/JuAlter: Diagnostik und Klassifikation
Multiaxiales Klassifikationssysteme - MAS (übersicht)
- Achse: klinisch-psychatrisches Syndrom
- Achse: Entwicklungsstörungen
- Achse: Intelligenzniveau
- Achse: Körperliche Symptomatik
- Achse aktuelle abnorme psychosoziale Situation
- Achse globales psychosoziales Funktionsniveau (0-8)
Ki/JuAlter: Diagnostik und Klassifikation
Multiaxiales Klassifikationssysteme (ausführlich)
- besonderheiten
- MAS
- Multiaxiale Klassifikationssysteme ermöglichen eine möglichst vollständige Beschreibung des Störungsbildes einer Person mittels unterschiedlicher Beschreibungsdimensionen
- Sowohl für das ICD-10 als auch das DSM wurden multiaxiale Versionen entwickelt
- In Deutschland wird vorwiegend das „Multiaxiale Klassifikationsschema für psychische Störungen des Kindes- und Jugendalters“ (MAS) angewendet.
- Dieses basiert auf dem ICD-10
-
Multiaxiales Klassifikationssystem (MAS) (Remschmidt et al., 2017)
- Diagnosestellung im Kindes- und Jugendalter erfolgt auf 6 Achsen:
-
Achse: Klinisch-psychiatrisches Syndrom
- Psychische Störungen nach den ICD-10 (Kategorien von F0 bis F6 sowie tiefgreifende Entwicklungsstörungen (F84))
-
Achse Umschriebene Entwicklungsstörungen
- Beinhaltet umschriebene Entwicklungsstörungen (F80 - F83)
-
Achse: Intelligenzniveau
-
Erweiterte Erfassung des Intelligenzniveau:
- Intelligenzminderung (F7)
- Durchschnittliche Intelligenz
- Überdurchschnittliche Intelligenz
-
Erweiterte Erfassung des Intelligenzniveau:
-
Achse: Körperliche Symptomatik
- Hier wird ggf. eine vorliegende körperliche Symptomatik (gemäß anderer Sektionen des ICD-10) klassifiziert, welche zum Zeitpunkt der psychiatrischen Störung vorhanden sind und möglicherweise für den Umgang und ein besseres Verständnis der psychischen Störung relevant ist.
- Ein Zusammenhang mit der psychiatrischen Erkrankung ist unerheblich
-
Achse: Assoziierte aktuelle abnorme psychosoziale Umstände
- Ein Zusammenhang mit der psychiatrischen Erkrankung ist unerheblich
-
Bsp.: Abnorme intrafamiliäre Beziehungen; Psychische Störung,
abweichendes Verhalten oder Behinderung in der Familie; usw.
-
Achse: Globalbeurteilung des psychosozialen Funktionsniveaus
- Bezieht sich auf den Funktionszustand des/der Patient*in zum Zeitpunkt der klinischen Untersuchung
- Erfassung der psychischen, sozialen und beruflichen/schulischen Leistungsfähigkeit zum Zeitpunkt der klinischen Untersuchung
-
Beurteilung auf einer Skala von 0 bis 8
- 0: Herausragende soziale Funktionen
- 4: Ernsthafte soziale Beeinträchtigung in ein oder zwei Bereichen
- 8: Tiefe und durchgängige soziale Beeinträchtigung
Ki/JuAlter: Diagnostik und Klassifikation
Säuglings- und Kleinkindalter - Zero-to-Three
- DC 0-3 wurde entwickelt um Entwicklungsauffälligkeiten und psychischen Störungen, die typischerweise in den ersten drei Lebensjahren auftreten, festzustellen
- 2017 wurde das DC 0-5 publiziert (Zero To Three 2017) ➞ Ausdehnung des Altersbereichs auf 0-5 Jahre
-
Multiaxiales Klassifikationssystem
- um der Bedeutung des Kontextes im Baby- und Kleinkindalter angemessen Rechnung zu tragen
- Besteht aus 5 Achsen:
Ki/JuAlter: Diagnostik und Klassifikation
Operationalisierte psychodynamische Diagnostik im Kindes- und Jugendalter (OPD-KJ)
- was ist es
- welche Axen?
- Das OPD-KJ-Manual ist ein modular aufgebautes, multiaxiales, psychodynamisches Klassifikationssystem
- Als Ergänzung zum „Multiaxialen Klassifikationssystem“ (MAS) gedacht
- Das innere Erleben der Patient*innen und die Resonanz des Untersuchers auf die Patient*innen stellen wesentliche Informationsquellen dar
- Im OPD-KJ erhält die dimensionale Betrachtung ein stärkeres Gewicht
-
Die OPD-KJ enthält zusammengefasst die folgenden Achsen:
- Beziehung
- Konflikt
- psychische Struktur
- Behandlungsvoraussetzungen
Ki/JuAlter: Diagnostik und Klassifikation
Herausforderungen der Diagnostik (3)
-
Herausforderungen der Diagnostik im Kindes- und Jugendalter:
-
Abgrenzung von entwicklungsphasentypischen Phänomenen
- Beurteilung der klinischen Relevanz von Symptomen im Kontext verschiedener Entwicklungsphasen
-
Integration der Berichte von Kind, Eltern oder anderer Bezugspersonen
- Problemverhalten wird unterschiedlich wahrgenommen
-
Situationsspezifität von Problemverhalten
- Problemverhalten kommt häufig nicht generell vor, sondern nur in bestimmten Situationen
-
Abgrenzung von entwicklungsphasentypischen Phänomenen
Ki/JuAlter: Diagnostik und Klassifikation
Aufgaben und Ziele der Diagnostik (10)
Teilziele des diagnostischen Vorgehens:
- Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung
- Erhebung einer Diagnose nach ICD oder DSM
- Differenzierte Erfassung der psychischen Auffälligkeiten auf
dimensionaler Ebene - Erfassung von Ressourcen und Kompetenzen
- Durchführung einer Problem und Verhaltensanalyse
- Selektive Indikationsstellung
- Erfassung von Störungskonzepten, Therapieerwartungen und
Therapiezielen - Klärung des therapeutischen Auftrages
- Aufbau der Änderungsmotivation
- Kontrolle des Therapieverlaufs
Ki/JuAlter: Diagnostik und Klassifikation
Komponenten der Diagnostik
-
Berücksichtigung mehrerer Ebenen:
- kognitive, emotionale, physiologische und Handlungsebene
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Multimethodale Diagnostik:
- Erfassung psychische Störungen und Verhaltensauffälligkeiten durch verschiedene Methoden
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Situationsspezifische Diagnostik:
- Neben der Erfassung der Untersuchungssituation, werden weitere natürliche Lebenssituationen (z. B. Familie, Schule und Gleichaltrigengruppen) erfasst
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Individualisierte Diagnostik:
- Erfassung individualisierte Ausprägungen psychischer Störungen und Verhaltensauffälligkeiten (z. B. individuelle Ziele oder Zielbeschwerden)
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Behandlungsbezogene Diagnostik:
- Kontrolle von Verlauf und Erfolg der Therapie
Ki/JuAlter: Diagnostik und Klassifikation
Grenzen und Schwierigkeiten der Diagnostik (4)
-
Fehlerquellen diagnostischer Verfahren:
- Einsatz von strukturierten Interviews, Checklisten und Fragebögen ist erst ab einem gewissen Alter möglich
- Angaben von Fragebögen können nicht näher exploriert werden
- Verhaltensbeobachtung: Diskrepanz zwischen dem beobachten Verhalten in der diagnostischen Situation und natürlichen Situationen
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Schlechte Compliance:
- Verweigerung der Mitarbeit des Kindes bzw. des Jugendlichen führt zu erheblichen Erschwernissen im Kontext der Diagnostik
- Auch auf der Seite der Eltern/Bezugspersonen möglich
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„Weiß-nicht“-Antworten:
- Kinder neigen dazu „Weiß-nicht“-Antworten zu geben
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Unterschiedliche Informationen von Eltern und Kind
- Die Angaben von Eltern und Kinder unterscheiden sich stark hinsichtlich der Art und Häufigkeit von Symptomen beim Kind
- Objektiv beobachtbare und klar definierten Beschwerden führen i.d.R. zu einer besseren Übereinstimmung
- Subjektiven Beschwerden führen i.d.R. zu einer schlechteren Übereinstimmungen