5. Sanktionen und Haftung Flashcards
Worum ging es im BGE 132 III 715 (“Dotcom-Blase”) i.B. auf die Prospekthaftung?
- Zivilrechtlicher Anspruch aus aOR 752 jetzt FIDLEG 69
- Beachte: Kapitalmarktrecht ist heterogen!
- VSS sind
-
Pflichtwidrigkeit (aOR 752 jetzt FIDLEG 69)
- oder “Widerrechtlichkeit”? Gem. BGer deliktischer Natur…
-
Kausalität (i.c. zentral)
- Haftungsbegründende Kausalität: Information verursacht (Kauf-) Entscheid: Adäquate Kausalität zw. Pflichtverletzung und Schaden
- Hypothetischer Kausalzusammenhang i.B. auf die Schadensentstehung aufgrund unrichtiger/irreführender Angaben im Prospekt
- Beweismass der “überwiegender Wahrscheinlichkeit”
- Ausnahme bzw. Konkretisierung von ZGB 8
- Beweislast bleibt gleich; aber Beweiserleichterung
- Unterscheidung der KausalitätsVSS – d.h. des Bewiesmasses i.B. auf die Kausalität der überwiegender Wahrscheinlichkeit – bei Kauf auf dem Primär v. Sekundär Markt?
- Identisch! Preisbildung am Markt beruht (bzw. kann darauf beruhen) auf dem Prospekt (Law & Economics), Erwerber muss den Prospekt nicht einmal gelesen haben!!
- ABER: Im Laufe der Zeit divergiert die “angenommen Kausalität”
- Neue Unternehmensdaten
- Marktstimmung etc.
-
Schaden
- Vermögensschaden; d.h. Schutznorm wird benötigt: i.c. kein Problem: aOR 752/FIDLEG 69
-
Haftungsausfüllende Kausalität wird bei OR 42 II berücksichtigt: Inwieweit verursacht Information den Marktpreis zu dem das Papier gekauft wurde
- Kaufpreis so hoch, entscheidend für die Schadensberechnung aufgrund der Differenz, nicht nur aufgrund des fehlerhaften Prospekts
-
Verschulden
- (leichte) Fahrlässigkeit genügt
-
Pflichtwidrigkeit (aOR 752 jetzt FIDLEG 69)
- VSS sind
- I.c. konnte der Nachweis von “an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit” vom Kläger nicht erbracht werden
- I.c. (für den Kläger) relevant:
- Zukunftsglaube
- Risikobereitschaft
- Spekulation
- Marktstimmung
- Achtung! Nicht vom“Anlageprospekt geschaffene Stimmung”!!
- I.c. (für den Kläger) relevant:
Wer prüft und setzt die Einhaltung der AhP-Pflicht, MT, Beteiligungspublizität, Rechnungslegungsvorschriften und Regelmeldepflichten grundsätzlich durch?
-
Börse(n Organe)
- SIX Exchange Regulation
- Offenlegungsstelle
- Permanente elektronische Überwachung des Handels bezüglich auffälliger Kursreaktionen
- Prüfung von Rechnungslegung und CG-Bericht
- Prüfung von Ah-Meldungen
- Ah-Meldungen müssen 90min vor Veröffentlichung an die SIX zur Prüfung gesendet werden
- ggf. wird Handel eingestellt
- SIX screent auch allg. Medienberichte
- Ah-Meldungen müssen 90min vor Veröffentlichung an die SIX zur Prüfung gesendet werden
- Prüfung von Beteiligungsmeldungen und MT durch SIX Offenlegungsstelle
- Möglichkeit des Ausnahmegesuchs FinfraG 123 II
- “lernende Praxis”
- Möglichkeit des Ausnahmegesuchs FinfraG 123 II
Welche Aufgabe übernimmt der Bund i.B. auf die Einhaltung der AhP-Pflicht, MT, Beteiligungspublizität und Regelmeldepflichten?
- FINMA als Aufsichtsbehörde
- EFD als Strafverfolgungsbehörde
- Beide untersuchen und verfolgen z.B. Beteiligungsmeldepflicht-Verletzungen
Gegenüber welchen Subjekten kann die SIX Sanktionen verhängen?
- Verletzung von AhP-Pflicht, MT, CG-Publizität und Rechnungslegung
- Sanktion nur gegenüber kottierten Emittenten möglich
- nicht gegenüber natürlichen Personen!
- Mögliche Sanktionen sind
- Verweis
- Busse
- Fahrlässigkeit bis CHF 1 Mio.
- Vorsatz bis CHF 10 Mio.
- Naming & Shaming
- Einfluss auf Börsenkurs
- Vgl. Aussage Mark Branson dazu
- Sistierung des Handels
- Dekotierung
- KR 61
Was für aufsichtsrechtliche Sanktionen sind bei einer Verletzung der Beteiligungspublizität möglich?
- FinfraG 145 i.V.m. FINMAG
- Katalog abschliessend
- Feststellungsverfügung erlassen und veröffentlichen
- FINMAG 32 und 34
- Gewinneinziehung
- Stimmrechtssuspendierung und Zukaufsverbot
- FinfraG 144 f.
- Feststellungsverfügung erlassen und veröffentlichen
- Katalog abschliessend
Wie reagiert das Strafrecht auf eine Verletzung der Beteiligungspublizität?
- EFD: Strafverfolgung
- Wie Strafbefehl?
- Ja siehe FINMAG 50 I (wie Strafbefehl) und FINMAG 50 II: Trennung Anklage und Richter (wie StPO 319 ff.)
- Wie Strafbefehl?
- Bundesstrafgericht: Gericht
- Bussen:
- bei Vorsatz bis CHF 10 Mio.
- bei Fahrlässigkeit bis CHF 100’000
Wo findet sich eine allgemeine strafrechtliche Norm für Kapitalmarktkommunikation?
- StGB 152
- Unwahre Angaben über “kaufmännisches Gewerbe”
- in”öffentlichen Bekanntmachungen”
- “unwahre oder unvollständige Angaben”
- Setzt zumindest Eventualvorsatz voraus
- Ist auch Unterlassen erfasst?
- Auch Verschweigen ist gem. Botschaft erfasst
- These von Dedeyan: auch unterlassene Ah-Meldungen, da dies ein Verschweigen bzw. eine unvollständige Angabe darstellt
- M.E. gem. dem Vertrauen, welches das Unternehmen an seine Kommunikation bindet und den Massstab setzt
- These von Dedeyan: auch unterlassene Ah-Meldungen, da dies ein Verschweigen bzw. eine unvollständige Angabe darstellt
- Auch Verschweigen ist gem. Botschaft erfasst
In welchem Zusammenhang ist der VW-Abgas-Skandal (für uns) relevant?
- Mögliche Haftungsgrundlagen?
- Verkäufer der Aktien
- VW
- Vertrag
- Unerlaubte Handlung OR 41 I
- Prospekthaftung
- Aktienrechtliche Verantwortlichkeit
- Vertrauenshaftung
Was sind die allg. VSS für eine Haftung aus OR 41 I?
-
Schaden: Differenztheorie
- Achtung: i.c. lediglich Vermögensschaden (Wertverlust der Aktien)
-
Widerrechtlichkeit
- Absolut geschütztes Rechtsgut (z.B. Eigentum oder Persönlichkeit) oder Verhaltensnorm, die ein Gebot/Verbot darstellt und den Schutz vor Schäden wie dem eingetretenen bezweckt (mittels Schadenersatz)
- Da (bloss) Vermögensschaden vorliegt, setzt eine Haftung eine Verletzung einer haftungsbegründenden Norm voraus
-
Kausalität
- natürliche und adäquate
-
Verschulden
- leichte Fahrlässigkeit genügt
Ad-hoc-Publizität als Schutznorm?
- KR 53 (aufgrund von FinfraG 35: Selbstregulierung!)
- Rechtsvergleich
- EU: Art. 17 Marktmissbrauchsverordnung
- USA: Widerum Selbstregulierung (z.B. NYSE-Regeln)
- Rechtsvergleich
- Sehr umstrittene Rechtsfrage!
-
Zweifacher Test
- AhP(-Pflicht) Gebot der Rechtsordnung
- AhP als gesetzlich regulierte Selbstregulierung der Börse
- Bezweckt AhP Schutz des Vermögens vor Schäden wie dem eingetretenen mittels Schadenersatz?
- Zweck AhP: Funktionsschutz, aber sich auch Individualschutz
- AhP(-Pflicht) Gebot der Rechtsordnung
- Schlussendlich eine Wertentscheidung, ob AhP eine Schutznorm mit Haftungsfolge sein soll
- Schlüsselfrage nun: Wozu Haftung?
- SIX kennt schon Massnahmen
- Nutzen für Individuum?
- Massnahmen gem. Markt Branson nicht effektiver…?
- Nutzen für Individuum?
- SIX kennt schon Massnahmen
- Schlüsselfrage nun: Wozu Haftung?
Wozu eine zivilrechtliche Haftung aus einer AhP-Pflicht-Verletzung? Pro und Contra?
- Pro
- Ausgleichsfunktion
- Präventionsfunktion
- Private Rechtsdruchsetzung
- Vertrauensschutz
- Contra
- Hohe Prozesshürden
- Milliardenschäden: Emittenten + Individuen können nicht zahlen
- Emittenten haften auf Kosten der anderen Aktionäre
- Die Haftenden, haben oft nicht den Vorteil aus der falschen Info
- Es klagen die “Falschen”: Anreiz zur Abwälzung von Börsenrisiken
- Vergleichszahlungen, auch wenn Klage unbegründet ist
- Haftung ggnüb. unbestimmt vielen in unbestimmer Höhe
- Haftung für schon “leichte Fahrlässigkeit”
- “Überabschreckung”: Infos am Markt werden nicht besser
- Jahrelange Prozesse: Rechtsunsicherheit für alle
Wie wird die AhP bereits heute i.S. einer Verhaltenssteuerung durchgesetzt?
- Sanktionen der Börse
- Bussen
- Naming & Shaming
- siehe #20
- Strafrecht
- Unwahre Unternehmensinformation StGB 152
- siehe #24
- Beachte auch: Insiderhandel & Marktmanipulation
- Insiderhandel: mit einer Ah-Meldung entfällt die Vertraulichkeit der Info (FinfraG 2 lit. j)
- Marktmanipulation? Unterlassen der AhP-Pflicht wohl keine Marktmanipulation aber kann präventiv für Transparenz sorgen
- siehe FinfraG Bestimmungen
- Unwahre Unternehmensinformation StGB 152
- Verwaltungsrecht (i.B. auf FinfraG 145)
- FINMA
- Feststellungsverfügungen
- Gewinneinziehung
- Naming & Shaming
- Berufsverbote (für Beaufsichtigte)
- BewilligungsVSS etc.
- M.E. am Besten: Argumentation Mark Branson
- FINMA
Inwiefern könnte StGB 152 als Schutznorm herhalten?
- Wenn Strafnorm als Schutznorm gilt, kann man bei ihrer Verletzung auch zivilrechtlich haften
- I.c. fraglich…
- ..und:
- Strafe nur bei mind. Dolus eventualis StGB 12 I
- also nicht bereits bei Fahrlässigkeit?
Wie sieht nun das Fazit für eine Haftung aus der Verletzung der AhP(-Pflicht) aus?
- AhP-Pflicht schützt Marktvertrauen (Funktionsschutz) aber auch Individuen
- Aber Haftung bereits für (leicht-)fahrlässige Information erscheint nicht ideal
- Es gibt alternative Durchsetzungsinstrument: Netzwerk privater und staatlicher Aufsicht und Sanktionen
- M.E. auch bzw. insb. Exit und Voice des Aktionärs (nicht Loyalty)
- Man kann argumentieren: AhP – und aus denselben Gründen alle kapitalmarktrechtlichen Normen – sind keine haftungsbegründenden Schutznormen
- D.h.: keine Haftung für bereits leichtfahrlässige Kapitalmarktkommunikation
- Ausnahme:
- Verträge
- aktienrechtliche Verantwortlichkeit
- sehr zurückhaltend auch Vertrauenshaftung
- rechtliche Sonderbeziehung etc.
- und eben Prospekthaftung: FIDLEG 69
- Ausnahme:
- Rechtsvergleich
- International gibt es (so weit mir bekannt) keine Haftung fürleichtfahrlässige Kapitalmarktkommunikation
Was ist die regulatorische Schlussfolgerung i.B. auf eine Haftung aus kapitalmarktrechtlicher Kommunikation, insb. AhP-Pflicht?
- Haftung hat ihren Platz neben anderen Instrumenten, ist aber nicht die Lösung für alles und wirkt oft nicht wie gewünscht
- siehe kurz Unterlagen CCL!
- Grund: Kapitalmarkt ist keine Ansammlung isolierter Zweierbeziehungen, sondern komplexes eigendynamisches Netzwerk
- Regulierungsziel: Nicht jedes Ungleichgewicht ausgleichen, sondern stabilsierend wirken
- siehe kurz Unterlagen CCL und WRG