1 Suizidalität und Umgang mit Krisensituationen Flashcards

1
Q

Häufigkeit von Suiziden

A
  • Häufigkeit in Industriestaaten schwankt zwischen 10 und 40 pro 100.000 Einwohnern
  • Deutschland: ca. jeder 70ste Mann und jede 140ste Frau begehen Suizid
  • Mehr Suizidtote als Verkehrstote
  • Bei 15-35-jährigen nach Unfällen häufigste Todesursache
  • Suizidrate steigt mit höherem Lebensalter
  • Auf 8-10 Suizidversuche kommt ein vollendeter Suizid
  • Suizide: 2-3 mal mehr Männer als Frauen
  • Suizidversuche: 3 mal mehr Frauen als Männer
  • Männer benutzen eher harte Methoden (Erhängen, Erschießen), Frauen eher weiche Methoden (Medikamente)
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2
Q

Aktuelle Suizidraten

A

• Deutschlands Suizidrate 2018: 11/100.000
sinkt mit den jähren
Männer mehr als Frauen
- bessere Versorgung
- psychische Erkrankungen weniger stigmatisiert
- statistische Änderung sonstige Kategorien
viele Suizide nicht in der Statistik

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3
Q

Rechtliche Situation Suizid

A

• §323c Strafgesetzbuch: Tatbestand der unterlassenen Hilfeleistung
• „Für diese Hilfepflicht des Dritten ist es…gleichgültig, ob der Wille, der den Selbstmörder zu seiner Tat trieb, gesund oder krank, entschuldbar oder unentschuldbar war, ob der Selbstmörder die durch den Selbstmordversuch entstandene Gefahrenlage noch beherrscht oder ob sie, etwa weil er inzwischen bewusstlos geworden ist, nicht mehr beherrscht.“
(Urteil Bundesgerichtshof 1954)

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4
Q

Professionelle Suizidverhütung

A

• Personen mit Suizidgedanken suchen Hilfe
• 80% sind im Nachhinein mit Rettung einverstanden
• „nur“25%wiederholenSuizidversuch
• Die meisten Suizidversuche sind Kurzschlussreaktionen
• AmbivalenzsuizidalerPersonen
Eigene Einstellung klären ! Professionelle Haltung !

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5
Q

Mythen über Suizid

A

• Wenn jemand davon spricht sich umzubringen, tut er/sie es nicht.
• Wenn ich jemanden auf Suizidalität anspreche, bringe ich die
Person womöglich erst auf die Idee sich umzubringen.
• Suizid wird ohne Vorwarnung begangen.
• Suizid begehen nur Angehörige einer bestimmten Klasse.
• Die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft ist ein guter Prädiktor für ein sehr geringes Suizidrisiko.
• Die Gründe für einen Suizid sind leicht festzustellen.
• Alle Menschen, die Suizid begehen, sind depressiv.
• Jemand mit einer unheilbaren Krankheit wird wahrscheinlich keinen Suizid begehen.
• Wer Suizid begeht ist verrückt.
• Suizidneigung ist erblich.
• Wenn sich die Gefühlslage bessert,
verringert sich die Suizidgefahr.

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6
Q

Allgemeine Risikomerkmale für Suizidalität

A

• Männlich und 35-54 Jahre (10 x höher als bei Frauen)
• Ende einer Partnerschaft
• Arbeitslosigkeit
• Alleinlebend (einsam, isoliert, kontaktgehemmt)
• Körperliche Krankheit
• Psychische Krankheit (v.a. Sucht, Depression, Essstörung,
Zwangsstörung, Psychosen, Borderline- Störung)
• Personen in Untersuchungshaft
• Alte, vereinsamte Menschen
• Frühere Suizidversuche, aktuelle Suizidankündigungen
• Hoffnungslosigkeit, mangelnde Problemlösefähigkeit

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7
Q

Unipolare affektive Störung

Risikomerkmale und Besonderheiten

A

erhöhte Symptomschwere, insbesondere Gewichts & Appetitverlust, Schlafstörungen, Wertlosigkeit & Schuldgefühle, Hoffnungslosigkeit, Konzentrationsstörungen, Suizidversuche

Bei beginn und Abklingend einer depressiven Episode wird ein erhöhtes Suizidrisiko vermutet

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8
Q

Bipolare affektive Störung

Risikomerkmale und Besonderheiten

A

Erhöhte depressive Symptomschwerw, Hoffnungslosigkeit, klomorbider Substanzgebrauch, 1. Jahr nach Erkrankungsbeginn, Suizidversuche

Suizide Werder va. während einer depressivern Episode & seltener in gemischten oder manischen Episoden vollzogen

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9
Q

Schizophrenie

Risikomerkmale und Besonderheiten

A
  1. Jahr nach Erkrankungsbeginn, höherer Intelligenzquotient, höherer Bildungsstand, Depressivität, Hoffnungslosigkeit, klomorbider Drogenmissbrauch, Suizidversuche

Bedeutung positiver psychotischer Symptomatik unklar

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10
Q

Alkoholabhängigkeit

Risikomerkmale und Besonderheiten

A

Stärker ausgeprägtes Suchtverhalten, Vorliegen medizinischer Folgeprobleme, längere Dauer der Abhängigekitserkrankung & klomorbider Drogenmissbrauch, Depressionen, unterpersoneller Konflikt, Suizidversuche

Suizidrate Alkoholabhängiger Frauen deutlich erhöht ggü Frauen der Allgemeinbevölkerung

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11
Q

Borderline PSKS

A

Selbstverletzungen, Depressionen, Impulsivität & Aggressivität, frühkindlicher Missbrauch, Komorbidität mit anitisozialer PSKS, aktuelle & lebenszeitliche Alkohol & Drogenabhängigkeit, Suizidversucge

Suizide vielfach erst im späteren Verlauf der Erkrankung & nach einer Geschichte unwirksamer Behandlungen

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12
Q

Das Präsuizidale Syndrom (Ringel, 1953)

Untersuchung von 745 PatientInnen nach Suizidversuch:

A
  1. Einengung in persönlichen Möglichkeiten (Rigidität, keinen Ausweg mehr sehen)
  2. Frustration und Aggression gegen die eigene Person
  3. Selbstmordphantasien (vage bis konkret, aktiv herbeigeführt bis zwanghaft)
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13
Q

Spezielle Risikomerkmale

Problem: Es gibt keine eindeutigen Kriterien zur

A

Abschätzung des Suizidrisikos (Kontinuum)
Bei Suizidgefahr ist abzuklären:
• Ankündigung des Suizids
• Frühere Suizidversuche
• Familienanamnese von Suizidhandlungen
• Klarheit und Persistenz der Suizidgedanken
• Konkrete Planungen „Suizid-Leitfäden“, Vorbereitungen wie Abschiedsbrief
• Gefühl von Hoffnungslosigkeit, Ausweglosigkeit, Schuldgefühle
• Kontaktreduktion, Interessenlosigkeit
• Suizid im Umfeld (Modellwirkung)

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14
Q

Kognitives Modell suizidaler Handlungen (Wenzel und Beck, 2008)

A
  1. Vulnerabilitätsfaktoren/Psychische Erkrankungen
  2. Stressoren
  3. Suizidschemata
    - Hoffnungslosigkeit (Trait),
    - Unaushaltbarkeit
  4. Hoffnungslosigkeit
  5. Prozesse selektiver Aufmerksamkeit
  6. Attentionale Fixation
  7. Suizidgedanken
  8. Suizidversuch
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15
Q

Interpersonale Theorie suizidalen Verhaltens (Joiner, 2005)

A
  1. Thwarted belongingness
    - Fehlendes Zugehörigkeitserlleben
  2. Preceives Burdensomness
    - Wahrnehmung eine Last für andere zu sein
  3. Acquired Capability
    - Furchtlosigkeit vor Schmerz, Sterben & Tod
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16
Q

Forschungskriterien für suizidale Verhaltensstörung (DSM-5)

A

• Suizidversuchwahrendderletzten24Monate
• Suizidversuch:selbst-induzierteVerhaltenssequenz eines Individuums, welches zum Zeitpunkt des Beginns der Handlung
erwartet, dass diese Handlung tödlich enden wird
• KriterienfürnichtsuizidaleSelbstverletzungnicht erfüllt, also keine Selbstverletzung der Körperoberfläche zur Entlastung von einem negativen Gefühl oder zur Erlangung eines positiven Gefühlszustands
• Keine Diagnose, wenn lediglich Suizidgedanken oder vorbereitende Handlungen vorliegen, oder wenn die Handlung in delirantem Zustand oder wahrend eines Verwirrtheitszustandes begonnen wurde. Ebenso keine Diagnose, wenn die Handlung ausschließlich aus politischen oder religiösen Gründen durchgeführt wurde.
• Unterteilung in »gegenwärtig« (≤12 Monate seit letztem Suizidversuch) oder »in früher Remission« (12–24 Monate seit dem letzten Suizidversuch)
17

17
Q

Ablaufplan – Suizidbehandlung

A

• Vermutung von Selbsttötungsabsichten
• Beziehung aufbauen, „entstören“, „JA-Antworten“
produzieren
• Diagnose und Risikoabschätzung
• Zeit gewinnen
• Non-Suizidvertrag?
• Aufgaben geben
• Therapeutische Aufarbeitung der suizidfördernden Faktoren
• Immer wieder: Prüfung des therapeutischen Rapports; ggf. Verlängerung des Anti-Suizid-Vertrags
• Ggf. stationäre Unterbringung

18
Q

Diagnostik bei Suizidalität

A

Chronologischen Erfassung suizidaler Ereignisse

Chronological Assessment of Suicide Events, CASE, Shea 2011

19
Q

Chronologischen Erfassung suizidaler Ereignisse

Chronological Assessment of Suicide Events, CASE, Shea 2011

A
  1. Fragen zur aktuellen Suizidalität
  2. Fragen zum suizidalen Verhalten in den vergangenen 2 Monaten
  3. Fragen zu vergangenen Suizidhandlungen
  4. Fragen zu unmittelbar bevorstehendem suizidalen Erleben und Verhalten
20
Q
  1. Fragen zur aktuellen Suizidalität
A

Viele Menschen würden in Ihrer Lebenssituation am Sinn des Lebens zweifeln oder es für das Beste halten, nicht mehr zu leben. Wie ist das bei Ihnen?
Häufigkeit, Dauer, Intensität und Auslöser aktueller Suizidgedanken:
Wie sehen diese Gedanken aus?
Wie oft denken Sie derzeit daran, sich das Leben zu nehmen?
Wie lange dauern diese Gedanken normalerweise an?
Als wie überwältigend erleben Sie diese Gedanken? Was löst die Gedanken aus? Spezifität der Gedanken und konkrete Planung:
Haben Sie auch darüber nachgedacht, wie, wo und wann Sie sich töten werden? Haben Sie auch über andere Methoden sich zu töten nachgedacht? Verfügbarkeit der Mittel:
Haben Sie die notwendigen Mittel zu Hause?
Haben Sie überlegt, wie Sie die Mittel erhalten?
Vorbereitungen und Probehandlungen:
Haben Sie auch andere Dinge schon vorbereitet? (Internet nach Suizidmethoden abgesucht, Abschiedsbrief geschrieben, persönliche Sachen verschenkt, Testament verfasst, Zahlungsmodalität der Lebensversicherung abgeklärt etc.)?
Haben Sie schon mal probiert, wie es wäre, wenn Sie es dann wirklich tun würden? (potenziellen Suizidort aufgesucht, Seil geknüpft, Medikamentenmix erstellt etc.)?
Was genau haben Sie gemacht? Wie lange?
Entschlossenheit/Distanz zu suizidalen Impulsen:
Wie stark ist Ihre aktuelle Absicht, diesen Todeswunsch in die Tat umzusetzen?
Wo stehen Sie auf einer Skala von 0–10, wenn 0 heißt, »keine Absicht, die Gedanken umzusetzen« und 10 heißt, »die Gedanken bei der ersten sich bietenden Gelegenheit umzusetzen«?

21
Q
  1. Fragen zum suizidalen Verhalten in den vergangenen 2 Monaten
A

Während der letzten 6–8 Wochen, wie viel Zeit haben Sie da – an schlechten Tagen – darüber nachgedacht, sich das Leben zu nehmen? Eher so 90 % des Tages oder 70 % des Tages?
Wie oft haben Sie in den letzten 2 Monaten erwogen, sich mit [spezifische Methode] das Leben zu nehmen?
An wie vielen Tagen haben Sie einen Suizidversuch konkret vorbereitet oder geprobt?

22
Q
  1. Fragen zu vergangenen Suizidhandlungen
A

Haben Sie schon versucht, sich das Leben zu nehmen?
Wie oft haben Sie in Ihrem Leben versucht, sich umzubringen? Letzter Suizidversuch:
Wann haben Sie zuletzt versucht, sich das Leben zu nehmen? Was genau haben Sie gemacht? Wie ist es dazu gekommen, dass Sie überlebt haben? Waren Sie im Anschluss in medizinischer Behandlung? Haben Sie den Versuch länger geplant, oder ist es eher plötzlich dazu gekommen? Wie fanden Sie es seinerzeit, überlebt zu haben?
Schwerster Suizidversuch: Welchen Suizidversuch würden Sie als Ihren schwersten bezeichnen, d. h., wann war Ihr Wunsch zu sterben am allergrößten bzw. wann waren Sie sich am sichersten, dass das gewählte Vorgehen tödlich sein würde?
Selbstverletzungen:
Haben Sie sich schon einmal oder mehrfach selbst Verletzungen beigefügt, ohne dass Sie hierbei sterben wollten? Was genau haben
Sie gemacht? Fügen Sie sich derzeit weiterhin Verletzungen zu?

23
Q
  1. Fragen zu unmittelbar bevorstehendem suizidalen Erleben und Verhalten
A

Wie sieht es eigentlich mit suizidalen Gedanken aus, während wir gerade miteinander reden?
Und wenn Sie jetzt die Praxis verlassen: Was denken Sie, passiert mit Ihrem Wunsch zu sterben?

24
Q

Ziele der Suizidbehandlung

A
  • Klärungs- und Entscheidungsprozesse einleiten
  • Perspektivenaufbau
  • Lösungsmöglichkeiten erarbeiten und umsetzen
25
Q

Richtlinien für die Behandlung suizidaler Klient*Innen

A
  1. Sprechen Sie offen und objektiv über den Suizid.
  2. Vermeiden Sie abwertende Erklärungen von suizidalem Verhalten und Motiven.
  3. Bieten Sie eine Problemlösetheorie für das suizidale Verhalten an und machen Sie deutlich, dass der Suizid eine unangemessene und/oder eine ineffektive Lösung darstellt.
  4. Beziehen Sie wichtige Bezugspersonen mit ein und auch andere Therapeut*Innen.
  5. Planen Sie ausreichend häufig Sitzungen und berücksichtigen Sie auch die längerfristigen Ziele, damit wenigstens ein gewisser Teil der Therapiezeit für die längerfristigen Ziele übrigbleibt.
  6. Seien Sie sich der Vielzahl der Einflüsse, die auf Patient*Innen einwirken, bewusst und vermeiden Sie eine omnipotente Einstellung oder die Übernahme der Verantwortung für das suizidale Verhalten der Patienten.
  7. Halten Sie gelegentlich Kontakt zu den Personen, die eine Therapie ablehnen.
  8. Antizipieren und planen Sie für Krisensituationen (z.B. Todestage, Trennungstage…).
  9. Überprüfen Sie ständig das Risiko für Suizid und suizidales Verhalten.
  10. Seien Sie erreichbar.
  11. Setzen Sie sich mit lokalen Notfall/Krisen/Suizid-Zentren in Verbindung.
  12. Geben Sie den Patienten eine Krisenkarte: Telefonnummern der Therapeut*In, der Polizei, Krisenzentren, Kliniken, Bezugspersonen.
  13. Behalten Sie die Telefonnummer und die Adressen der Patienten und ihrer Bezugspersonen bei sich.
  14. Schließen Sie einen kurzfristigen Antisuizid-Vertrag und passen Sie ihn zeitlich an.
  15. Nehmen Sie Kontakt zur ÄrztIn der PatientIn auf im Hinblick auf die Risiken der Überdosierung von Medikamenten
  16. Zwingen Sie Patienten nicht dazu, sich durch Gespräche über Suizid oder entsprechende Vorstellungen ihre Zuneigung zu verschaffen.
  17. Drücken Sie Ihre Sorge offen aus, sorgen Sie für nichtkontingente Wärme und Zuneigung
  18. Klären und verstärken Sie nichtsuizidale Reaktionen auf Probleme.
  19. Klären Sie dem Patienten über die wahrscheinlichen Reaktionen der Therapeut*In auf das suizidale Verhalten auf (z.B. wenn Pat. Stirbt, wird Th. traurig sein, aber sein Leben weiter führen).
  20. Stellen Sie sicher, dass die Patient*In realistische Erwartungen über die Reaktionen anderer auf zukünftiges suizidales Verhalten hat.
    In Anlehnung an Linehan, 1981
26
Q

Abgestufte juristische Sicherheitsvorkehrungen

A

• Suizidgefahr abklären
• Im Zweifelsfall: Vorgesetzte, Supervisor bzw. ggf.
Psychiater*In miteinbeziehen
• Einbeziehung von Kontaktpersonen
• Ärztlichen und polizeilichen Notdienst hinzuziehen
• Einweisung in Psychiatrie veranlassen
!!! Zur Rettung Suizidgefährdeter darf nach Abwägung der Rechtsgüter die Schweigepflicht gebrochen werden
(Zier, 2002)

27
Q

Die Strafrechtliche Seite

Psychotherapeut*Innen verletzen ihre Rettungspflicht, wenn:

A

• Arbeitsbeziehung bestand (wenn nicht: normal Pflicht zur Hilfeleistung)
• und konkrete Suizidgefahr bestand
• und der Suizid vorhersehbar war
• und der Suizid vermeidbar war, wobei die Suizidvermeidung zumutbar gewesen sein muss
Zivilrechtlich: Beurteilung wie strafrechtlich; Einklagemöglichkeiten bzgl. Schadensersatz, Schmerzensgeld, Behandlungskosten etc.

28
Q

Praktisches Vorgehen – a) Lebensvereinbarung treffen

A
  • Individuelle Vereinbarung aushandeln und festschreiben
  • Konkreter Zeitpunkt der Vereinbarungsdauer
  • Was muss von Pat. gemacht werden, wenn Selbstmordimpulse besonders stark werden (z.B. gestufter Notfallplan)
  • Was bietet Therapeut*in darüber hinaus an?
  • Vertrauensbasis betonen
29
Q

Praktisches Vorgehen – B) Management der Krisensituation

A
  • Lebensvereinbarung s.v.
  • Kontakt hochfrequent
  • Zwischenkontakte, z.B. per Telefon, Brief, SMS, Email
  • Therapie war Entscheidung, noch einen Versuch zu starten. Was gab Hoffnung?
  • Was hält am Leben (wichtige Personen, Freunde, Hoffnungen)
  • Maßnahmen zur Spannungs abfuhr
  • Hinweisreize, Verletzungs geräte ggf. wegschaffen
  • Team bzw. Vorgesetze einbeziehen
  • Dokumentation!
30
Q

Praktisches Vorgehen – C) Dokumentation

A
  • Verantwortlichen Umgang mit Situation dokumentieren

* Dokumentation ist Basis der juristischen Prüfung

31
Q

Praktisches Vorgehen – D) Vermittlung in Psychiatrie

A
  • Rechtsgrundlage entscheiden
  • Pat. Motivieren zur freiwilligen Aufnahme
  • Psychiatrie anrufen, bei Zwangs unterbringung über ärztlichen Dienst
  • Zeitliche Befristung und Rückübernahme betonen
  • Ggf.Polizeiverständigen
  • Bei akuter Suizidgefahr
  • Pat. nicht mehr in unserem Wirkungsbereich
32
Q

Vorgehen nach Suizid

A

• Supervision/Intervision einholen; stabilisierende Maßnahmen für sich selbst ergreifen
• Auch Ärger, Lähmungs gefühle, Blockaden, aggressive Impulse sind normal!
• Falls Pat. überlebt: Kontakt aufnehmen
• Polizei nimmt Informationen auf. Ggf. auch
Versicherung, Vorgesetzte hinzuziehen
• Angehörigen Gesprächsangebot machen
• Schweigepflicht gilt über Tod hinaus.

33
Q

Empirische Evidenz Suizid

A
  • Regelmäßige Kontakte (Briefe, Telefonate, Kurzbesuche) reduzieren Suizidalität nach stationärem Aufenthalt bzw. nach Suizidversuch (Motto & Bostrom, 2001; Fleischmann et al. 2008)
  • Metaanalyse: Effekt kognitiv-verhaltenstherapeutischer Interventionen auf suizidales Erleben/Verhalten.
  • Hochsignifikanter Effekt (Hedge‘s g = -0.59) hinsichtlich der Reduktion von Suizidversuchen.
  • Subgruppenanalysen: signifikanter Behandlungseffekt nur in Stichproben erwachsener Patienten (und nicht bei Jugendlichen), nur für Einzeltherapien (und nicht für Gruppentherapien), nur bei Therapien mit einem unmittelbaren Fokus auf suizidales Erleben/Verhalten (und nicht bei einem indirekten Fokus)