VL6 Wissenschaftsverständnis und Wissenschaftskommunikation Flashcards

1
Q

Was bedeutet kognitive Arbeitsteilung und warum ist sie nötig?

A

Stetige Zunahme des wissenschaftlichen Wissens –> man kann nicht alles wissen
–> Spezialisten

Kognitive Arbeitsteilung bedeutet, dass wir uns als Laien bei der persönlichen und gesellschaftlichen Gestaltung unseres Lebens auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse, Konzepte und Überzeugungen von Expert:innen verlassen (tieferes Verständnis und Validität)

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2
Q

Interaktionsprozesse bei der kognitiven Arbeitsteilung

A
  • Rezeption der wissenschaftlichen Erkenntnisse durch Laien
  • Kommunikationsprozesse zwischen Laien
  • Kommunikation zwischen Experten und Laien: Lehr-Lernprozesse, Vermittlung
  • Rolle der Medien
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3
Q

Inwiefern fallen Lehr-Lernprozesse der Vermittlung zwischen Experten und Laien in den Gegenstandsbereich der pädagogischen Psychologie?

A

Vermittlung = klassische Lehr-Lernprozesse mit der zusätzlichen Gewichtung von Überzeugungen, Glaubwürdigkeit und Vertrauen

Beratung als wichtiger Teil der pädagogischen Psychologie:
- Informationsbewertung (Objektivität, Reliabilität, Validität)
- Informationsvermittlung
- Problemanalyse & Interventionsvorschläge
- Umgang mit Widersprüchlichkeiten (versch. Positionen)
- Psychoedukation (Aufeinandertreffen von klinischer & pädagogischer Psychologie)

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4
Q

Inwiefern ist Widersprüchlichkeit ein Merkmal wissenschaftlichen Wissens?

A
  • Wissenschaftlicher Prozess beinhaltet Kontroversen und Widersprüche
  • Epistemische Überzeugung: Wissen ist stabil (Laien) vs. konkurrierende Geltungsbehauptungen (Wissenschaft)
  • Unterschiedliche Perspektiven auf Annahmen, Methoden, Randbedingungen –> Diskussionen und konditionales Wissen

–> Konkurrierende Geltunsgbehauptungen als zentrales Problem der Kommunikation
–> schwierig für Laien, diese Widersprüchlichkeiten zu verstehen und auszuhalten (Unsicherheit)

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5
Q

Eisberg-Analogie: Konsolidiertes Wissen; Methodisches Wissen & Messprozesse; Wissenschaftliche Paradigmen

A

Spitze über Wasser: “Konsolidiertes” Wissen (unkritisch, z.B. wie Lernen funktioniert, Verstärkung)

Unter Wasser:
Methodisches Wissen & Messprozesse
Wissenschaftliche Paradigmen:
- grundsätzliche Ideen, wie die Welt funktioniert
- Paradigma über wissenschaftliche Methoden
- individuelle Informationsverarbeitung
– z.B.: alles muss messbar & erforschbar sein, alles andere hat uns nicht zu interessieren; blinde Flecken (Themen außerhalb des eigenen Forschungsbereiches)

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6
Q

Ursachen für konkurrierende Geltungsbehauptungen

A
  • grundsätzliche Revidierbarkeit aller wissenschaftlicher Erkenntnisse
  • Konsens unter Wissenschaftlern als Ausnahme (+ langwierig)
  • Wissenschaftliche Revolutionen (geozentrisches –> heliozentrisches Weltbild)
  • Fehlbarkeit der Messprozesse und Methoden
  • Variation von wissenschaftlichen Paradigma (grundlegende Weltsichten, die erlaubte Fragestellungen, Methoden und Erkenntniswege definieren)
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7
Q

Erklärungswissen vs. Veränderungswissen

A

Erklärungswissen = Analyse von Ursachen

Veränderungswissen = Ansatz zur Veränderung / Intervention

Kein geradliniger Weg von Erklärungswissen zu Veränderungswissen: Auch bei vergleichbaren Problembeschreibungen und -erklärungen sind widersprüchliche Interventionsempfehlungen möglich und begründbar.

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8
Q

Socio-scientific issues - Definition

A

SSi = gesellschaftliche Problemstellungen, die vielfältige Bezüge zu wissenschaftlichen Theorien und Methoden haben, die aber nicht rein innerwissenschaftlich gelöst werden können

–> keine einfache und abschließende Lösung möglich
–> Entscheidung zwischen plausiblen Möglichkeiten, sollte informiert über wissenschaftliches Wissen erfolgen

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9
Q

Socio-scientific issues (Spannungsfeld zwischen wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Betrachtung praktischer Probleme)

A

Multidimensionalität:
Mischung aus ethischen, moralischen, politischen, sozialen & wissenschaftlichen Aspekten der Problembeschreibung und möglicher Lösungsansätze

–> Werteentscheidungen/ normative Entscheidungen: Welcher Dimension wird wieviel Gewicht beigemessen?

Solche Fragen müssen gesellschaftlich gelöst werden und sind meist politischer Natur. Die Lösung sollte wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht völlig widersprechen, muss aber auch nicht komplett harmonieren.

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10
Q

Beispiel für ein socio-scientific issue

A

Mehr Fahrradwege?
Wiss.: Besser für Gesundheit und Klima
Gesell./ökonomisch: Weniger Straßen für Autos hat Auswirkungen auf Ökonomie und Wirtschaftswachstum

Corona: Kinder nicht in Kita?
Wiss.: Eindämmung der Virusverbreitung
Sozial/pädagogisch: Nachteile für kindliche Entwicklung, Belastung der Eltern

Andere Beispiele:
- Verbrennungsmotoren
- Gentechnologie
- Lebenserhaltende Maßnahmen
- Inklusion
- G8/G9
- “Welche Schule für mein Kind?”

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11
Q

Welches Spannungsfeld eröffnet sich im Rahmen von SSI (socio-scientific issues) im Bereich Lehren und Lernen?

A

Pädagogisch-psychologisches Fachwissen: Relevante Befunde

Werte, ethische und gesellschaftliche Überzeugungen

Entscheidungen im Einzelfall: Keine Kontrollgruppen, Individuum, weder richtig noch falsch

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12
Q

Wissenschaftsdiskurs intern vs. extern

A

Intern: Kongresse, Artikel, Gespräche…

Extern: Interviews, beiläufige Beratungen, Talkshows, Podcasts…

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13
Q

3 zentrale Aspekte der Wissenschaftskommunikation

A
  1. Richtige Zielgruppe finden & erreichen
    - Zielgruppenanalyse
    - günstige Infokanäle
    - Aufmerksamkeitsmaximierung vs. Qualität
    –> Medienwissenschaften und Politik
  2. Umgang mit Sehnsucht nach Eindeutigkeit
  3. Wie kann Wissenschaft den aktuellen Vertrauensvorschuss retten?
    - Grenzen des eigenen Wissens deutlich machen
    - Grenzen deutlich machen: was ist gesichertes Wissen & was nicht
    - Eigene Partikularinteressen hinten anstellen
    - Dinge nicht nur für Geld machen
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14
Q

Was sind mediale Rahmungseffekte im Wissenschaftsjournalismus und welche Rolle spielt das Internet?

A

Mediale Rahmungseffekte:
- Verzerrende Berichterstattung
- Auswahl der Experten durch Laien

Internet gekennzeichnet durch Vielfalt, Zugänglichkeit, multiple Kriterien
- keine Trennung zwischen wissenschaftlichen und Laienwissen
- Herausforderungen für Rezipienten

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15
Q

Welche Strategien gibt es bei konkurrierenden Geltungsbehauptungen?

A

Experten & Studenten: Plausibilitätsstrategie - Was stimmt?
Bildung von direktem eigenen Urteil, um zwischen zwei konkurrierenden Behauptungen zu entscheiden

Laien: Vertrauensstrategie - Wem kann man glauben?
Veränderung der Fragestellung zu der Frage, welcher Expert ist vertrauenswürdiger?

Umschalten zwischen Strategien hängt ab von metakognitiven Urteilen: eigene Kompetenzeinschätzung, Vorwissen, Zeit, Motivation, vermutete Konsequenzen, epistemische Komplexität der Sache…

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16
Q

Epistemische Überzeugungen Definition

A

= subjektive Theorien, die Individuen für das Wissen und den Wissenserwerb entwickeln und für das Verstehen der Welt nutzen

Überzeugungen zu Wissen beinhalten: Struktur, Stabilität, Anwendbarkeit

Überzeugungen zum Wissenserwerb beinhalten: Quelle, Rechtfertigung

17
Q

Wie hängen epistemische Überzeugungen mit dem Umgang mit konkurrierenden Geltungsbehauptungen zusammen?

A

Epistemische Überzeugungen leiten Umgang mit wissenschaftlichem wissen.

Überzeugung, dass es zu vielen wiss. Fragen verschiedene Perspektiven auf die Wahrheit gibt –> konstruktiver Umgang mit konkurrierenden Geltungsbehauptungen
(Struktur- & Stabilitätsaspekt)

18
Q

Modell der Elaborationswahrscheinlichkeit ELM - Petty & Cacioppo (1986)

A

Modell der Informationsrezeption

Es gibt die zentrale und die periphere Route der Einstellungsbildung und -änderung.

  • Tiefe Elaboration auf der zentralen Route bei hoher Fähigkeit und hoher Motivation
  • Periphere Route: Orientierung an peripheren Hinweisreizen (z.B. Status, Sympathie des Kommunikators, Impact-Faktor der Zeitschrift)
19
Q

Heuristisch-systematisches Modell - Chaiken (1980)

A

Modell der Informationsrezeption

  • Kontinuum zwischen beiden Verarbeitungswegen; leichtes Hin-und-Her-Wechseln
  • Verhältnis von systematischer & heuristischer Verarbeitung ist abhängig von dem ökonomischen Verhältnis von angestrebter Richtigkeit und Sicherheit und dem notwendigen Aufwand ab –> ein hinlänglich gutes Urteil reicht aus
  • bei konsistenten Infos werden weniger Aspekte betrachtet

Informationsverarbeitung als “kognitives Geizen”

20
Q

Welche Faktoren beeinflussen Plausibilitätsurteile?

A
  • Verständlichkeit der Geltungsbehauptung (im Spannungsverhältnis zur Überschätzung der eigenen Expertise von Laien)
  • Kohärenz der Geltungsbehauptung
  • Vorwissen
  • Übereinstimmung mit Überzeugungen
21
Q

Was sind die Ebenen der Textrerpäsentation von Kintsch (1996)

A

Oberflächenstruktur = wörtliche Formulierung
- eher irrelevant für Lehr-Lernsituationen
- wichtig bei Definition, Gedicht, Zitat etc.

Textbasis + elaborierte Textbasis = Bedeutungsrepräsentation

Situationsmodell = Integration von Vorwissen und Textgehalt

Tiefe Verarbeitung von Oberflächenstruktur zu Situationsmodell

22
Q

Textbasis - Lokale Kohärenzbildung (Kintsch)

A
  • Aussagen werden in Propositionen übertragen
  • von konkreter Formulierung unabhängig (aktiv, passiv, Ironie)

Lokale Kohärenzbildung = Beziehungen zwischen Proposition aufbauen als kognitives Netz
- weitgehend automatisch, wenn klare Bezüge im Text vorhanden sind: Argumentsüberlappung

Testung: Kam der Satz inhaltlich vor?

23
Q

Textbasis - Globale Kohärenzbildung (Kintsch)

A
  • Aussagen von größeren Textabschnitten werden zusammengefasst
  • Makro-Propositionen durch Auslassung von wenig relevanten Propositionen, Verallgemeinerungen, Konstruktion größerer Propositionen

–> Chunking

24
Q

Situationsmodell - Kintsch

A
  • Reichhaltige mentale Repräsentation der Textsituation
  • Grundlage für bedeutungshaltiges Lernen
  • Vorwissensaktivierung notwendig
  • Images werden gebildet
  • Graphiken erstellen
  • Testung: Beurteilung von Inferenzen oder Problemlösungen (Transferaufgaben)
  • Situationsmodell hat die geringste Vergessensrate
25
Q

Merkmale, die Textverstehen beeinflussen

A
  • Satzlänge, Wortwahl
  • Lokale Kohärenz: Argumentsüberlappung, explizite Bezüge
  • Vorwissensaktivierung
  • Inhaltliches Vorwissen
  • Lese- & Verständnisstrategien
26
Q

Wie kann Textverständnis und Informationsverarbeitung unterstützt werden (PädPsych Perspektive)?

A
  • Unterstützung bei der Konstruktion eines angemessenen Situationsmodells und dem Aufbau von Vorwissensstrukturen
  • Text- & Sprachgestaltung anpassen
  • zu starke Vereinfachung birgt Gefahren des Easyness-Effekts, Überschätzung der Plausibilität und der eigenen Kompetenz
  • Scientific Literacy als Bildungskonzept
27
Q

Was beinhaltet die Kohärenzprüfung?

A
  • Suche nach Kohärenzen wesentlich beim Aufbau des Situationsmodells
  • Automatisierter “Reparaturstrategien”, wenn Inkohärenzen auftreten

Interne Kohärenzprüfung = Gibt es Widersprüche im Text?

Epistemic Monitoring = Abgleich der Plausibilität zwischen Textargumenten und Weltwissen, mehreren Texten

Widersprüche in Texten werden noch seltener erkannt als solche zwischen Texten/Quellen

28
Q

Wie beeinflusst Vorwissen die Informationsverarbeitung und Lehr-Lernprozesse?

A
  • mächtigste Erklärungsvariabel in der Lehr-Lernforschung auf individueller Ebene
  • Confirmation bias: Bestätigende Informationen werden eher gesucht und auch als plausibler eingeschätzt
  • Wissen und Akzeptanz sind nicht direkt aufeinander bezogen
  • Wissen & Werte/Überzeugungen interagieren vielfältig miteinander
29
Q

Faktoren des zugeschriebenen Vertrauens

A
  • Integrität: Handeln an moralische Standards ausrichten
  • Wohlwollen: Keine Eigeninteressen
  • Fähigkeit: Expertise und Zuständigkeit

Vertrauen als Voraussetzung und Ergebnis gelungener Wissenschaftskommunikation