VL23 Forschungsethik Flashcards

1
Q

Erläutern Sie Aufbau und Befunde des Milgram-Experiments. Welche Aspekte des
Experiments sind aus heutiger Sicht ethisch bedenklich?

A

Das Milgram-Experiment wurde in den 1960er Jahren von dem Psychologen Stanley Milgram an der Yale University durchgeführt. Es sollte die Bereitschaft von Personen untersuchen, Anweisungen einer Autoritätsperson zu befolgen, auch wenn diese Anweisungen im Widerspruch zu ihrem persönlichen Gewissen standen.

Rollenverteilung: Den Teilnehmern wurde gesagt, dass sie an einem Lernexperiment teilnahmen. Es gab drei Rollen: „Versuchsleiter“ (Autoritätsperson), „Lehrer“ (echter Teilnehmer) und „Schüler“ (Komplize des Versuchsleiters).
Apparatur: Die Versuchsanordnung beinhaltete ein fiktives Elektroschockgerät mit verschiedenen Spannungsstufen, die von milden Schocks bis hin zu lebensbedrohlichen Schocks reichten. In Wirklichkeit wurden keine Schocks verabreicht, der „Schüler“ simulierte nur Schmerzen.
Prozedur: Schüler liest Wortpaare vor (Testphase: VP liest erstes Wort vor und Schüler soll das zweite, passende Wort nennen.) Der „Lehrer“ wurde angewiesen, dem „Schüler“ jedes Mal einen elektrischen Schock zu verabreichen, wenn dieser eine Aufgabe falsch beantwortete. Die Intensität des Schocks sollte bei jeder falschen Antwort erhöht werden.
Druckausübung: Wenn der „Lehrer“ zögerte, die Schocks zu verabreichen, drängte der Versuchsleiter ihn mit standardisierten Anweisungen („Bitte fahren Sie fort“, „Das Experiment erfordert, dass Sie weitermachen“, etc.) zur Fortsetzung.

Antworten des Schülers vorher festgelegt (3 Fehler : 1 korrekte Antwort)
Je nach Expversion entweder keine weitere vokale Antwort des Schülers vs. Rufe
Wenn 300 V Schock versetzt wird: Schüler haut gegen die Wand (was im Nebenraum gehört wird)
Danach: keine weiteren Antworten mehr

Verhalten des Versuchsleiters bei Rückfragen des “Lehrers” (skripted), wenn dieser…
- …nicht mehr fortfahren will:
1. “Bitte fahren Sie fort”
2. “Das Experiment verlangt, dass Sie weitermachen”
3. “Es ist absolut essentiell, dass Sie weitermachen.”
4. “Sie haben keine andere Wahl, Sie müssen weitermachen.”
…wissen will, ob Schocks zu bleibenden Schäden führen:
“Schocks sind schmerzhaft, aber es kommt zu keinen bleibenden Schäden. Also machen Sie bitte weiter“
…darauf hinweist, dass der Schüler
nicht mehr weitermachen will:
“ob es dem Schüler gefällt oder nicht, Sie müssen weiter machen, bis der Schüler alle Wortpaare korrekt gelernt hat. Also machen Sie bitte weiter“

Ethisch bedenkliche Aspekte:
• Täuschung: Die Teilnehmer wurden über den wahren Zweck des Experiments und die Tatsache, dass die „Schocks“ nicht real waren, getäuscht. Diese Täuschung führte zu ernsthaftem emotionalem Stress.
• Gewährleistung der psychischen Unversehrtheit: Das Experiment verursachte bei den Teilnehmern erheblichen psychologischen Stress. Sie glaubten, sie würden einem anderen Menschen ernsthaften Schmerz zufügen, was zu intensiven emotionalen Reaktionen führte.
• Informierte Einwilligung: Die Teilnehmer wurden nicht vollständig über die Risiken und den wahren Zweck des Experiments aufgeklärt. Nach heutigen Standards wäre dies ein Verstoß gegen die ethischen Richtlinien für die Forschung.
• Transparenz der Untersuchung:
• Freiwilligkeit: Teilnahmeberitschaft darf immer zurückgezogen werden bzw das Experiment abgebrochen werden.
• Nachsorge: Die Nachsorge für die Teilnehmer war unzureichend. Viele von ihnen verließen das Experiment in einem Zustand emotionaler Erschütterung und erhielten nicht die notwendige Unterstützung, um das Erlebte zu verarbeiten.

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Q

Nennen Sie mindestens vier ethische Prinzipien für psychologische Studien und erläutern Sie jeweils, was mit dem Grundsatz gemeint ist.

A
  1. Gewährleistung der psychischen wie physischen Unversehrtheit und Integrität der Teilnehmer
    Ziel: Wahrung der Intimsphäre
    Vermeidung von anstößigen, provozierenden oder demütigenden verbalen/bildhaftem Untersuchungsmaterial
    Prüfung der psychischen Belastung durch Teilnahme? (z.B. durch Misserfolgsinduktion)
    Proband:innen sind vor negativen Folgen der Studie zu schützen. Belastungen sind soweit wie möglich zu minimieren.
  2. Transparenz der Untersuchung
    Durchschaubarkeit der Untersuchungssituation/Fragestellung
    Problematisch; absolute Transparenz gefährdet oft das Untersuchungsziel!
    Abwägen: So transparent wie möglich, ohne das Untersuchungsziel zu gefährden
  3. Vermeidung von Täuschungen
    Täuschungen = Beeinträchtigung des Selbstwertgefühls der VP
    Aber: Viele Fragestellungen können nur dank Täuschung über die “wahren” Untersuchungsziele untersucht werden
    Kosten (für VP)-Nutzen (Erhalt von Information)-Abwägung
    Relevanz der Info, alternative Methoden
    Fordern methodische Grundsätze einer Studie ein Verheimlichen oeder eine Täuschung, müssen sich Forscher:innen ihrer Verantwortung für das Wohl und die Würde ihrer VP bewusst sein und zum frühestmöglichen Zeitpunkt für Aufklärung sorgen.
  4. Freiwilligkeit der Teilnahme
    Druck/Zwang zur Teilnahme prinzipiell zu vermeiden
    VP sind über alle Gesichtspunkte der Studie zu informieren, welche die Bereitschaft der Proband:innen zur Teilnahme beeinflussen kann (informed consent)
    VP muss immer die Freiheit eingeräumt werden, die Teilnahmebereitschaft zurückzuziehen oder zu jedem Zeitpunkt die Untersuchung abzubrechen
  5. Vertraulichkeit der Untersuchungsergebnisse
    Anonyme Auswertung!
    Keine Identifikation der VP in Publikationen oder gegenüber Dritten
    Kein Zugriff Unbefugter auf (persönliche) Daten!
    Im Vorfeld Einverständnis einholen, sofern Daten an Dritte weitergegeben werden (i.d.R.: andere Wissenschaftlicher! KEINE kommerzielle Nutzung!)
  6. Komplette Aufklärung nach Abschluss der Untersuchung (Datenerhebung bzw. Auswertung)
    Aufklärung über “wahres” Untersuchungsziel; Offenlegung von Täuschungen / Coverstory nach Abschluss der Studie
    Einlösen von Versprechungen (Entlohnung, Zusatzgewinne, individuelle Ergebnisrückmeldung
  7. Einholen einer schriftlichen Einwilligung in die Untersuchungsteilnahme (informed consent)
    Zustimmung zur Teilnahme und zur Verwendung der Daten
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3
Q

Was versteht man unter „informed consent“ und „debriefing“? Erläutern Sie beide Begriffe kurz.

A

“Informed Consent” bezieht sich auf den ethischen Grundsatz, dass Personen, die an einer Studie oder einem Experiment teilnehmen, vollständig über die Ziele, Verfahren, potenzielle Risiken und Nutzen informiert werden müssen, bevor sie ihre Zustimmung zur Teilnahme geben. Dies bedeutet, dass die Teilnehmer die Informationen verstehen und freiwillig entscheiden können, ob sie teilnehmen möchten oder nicht.

“Debriefing” ist der Prozess, bei dem den Teilnehmern nach Abschluss einer Studie oder eines Experiments zusätzliche Informationen zur Verfügung gestellt werden. Dies kann beinhalten, die wahren Ziele des Experiments offenzulegen, etwaige Täuschungen zu erklären, Fragen zu beantworten und sicherzustellen, dass die Teilnehmer keine negativen Auswirkungen durch ihre Teilnahme erleiden. Debriefing dient dazu, die Teilnehmer zu unterstützen und sicherzustellen, dass sie das Experiment verstehen und keine bleibenden negativen Auswirkungen erleiden.

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