VL20 Qualitative Forschung Flashcards
Was war die Marienthal-Studie und welche Methoden wurden dabei eingesetzt? Inwiefern unterscheiden sich die methodischen Ansätze von ”klassischer” quantitativer Forschung?
Die Marienthal-Studie war eine umfassende sozialwissenschaftliche Untersuchung, die die Auswirkungen von Arbeitslosigkeit auf die Bewohner des Dorfes Marienthal in Österreich während der Weltwirtschaftskrise in den frühen 1930er Jahren analysierte. Die Studie wurde von Marie Jahoda, Paul F. Lazarsfeld und Hans Zeisel durchgeführt und ist ein klassisches Beispiel für die Anwendung qualitativer Methoden in der Sozialforschung.
Forschungsfragen: Haltung und Wohlbefinden der Bevölkerung?, Folgen der Arbeitslosigkeit für Dorf und Dorfgemeinschaft?
Ziel: nicht spezifische Hypothesen zu testen, sondern den Gegenstandsbereich zu erkunden und differenziert zu beschreiben (über ca. 2 Monate)
Vorgehen: Forscher.Innen nahmen aktiv am Dorfleben teil, boten verschiedene Aktivitäten an (Näh- und Turnkurse, ärztliche Sprechstunden etc)
Erhobene Daten: sie erhoben die Lebensgeschichten von 60 Personen, Protokolle der Tagesabläufe von über 80 Personen, Gesprächsthemen in öffentlichen Einrichtungen,
Weihnachts- wünsche von Kindern, Ausleihzahlen aus Bibliothek etc.
Vier identifizierte Grundhaltungen der Bewohner:
Ungebrochene Lebenslust und Aktivitäten, neue Arbeitsplatzsuche: 16%
Resignierte Haltung, keine neue Arbeitsplatzsuche: 48%
− Verzweifelte Haltung, gekennzeichnet nur Hilflosigkeit & Depression: 11%
− Apathische, durch Depression gekennzeichnete Haltung: 25%
Verschiedene Erhebungs- und Analysemethoden:
Interviews zur Erhebung von Lebensgeschichten verschiedener Personen
Freie Beobachtung: Gesprächsthemen und Beschäftigung im öffentlichen Raum
Standardisierte Beobachtung: Zeitverwendungsbögen
Zählen: Entleihzahlen aus Bibliothek
Es ist eine Kombination aus qualitativen und quantitativen Methoden (Mixed Methods)
Anhand welcher Merkmale kann man die Unterschiede von quantitativen und qualitativen Methoden charakterisieren?
(Gibt noch Chat gpt Antwort in Pages)
Qualitative Forschung:
Naturalistische Vorgehensweise
Offene Verfahren
Fallorientierung
Holistisch
Induktives Vorgehen
Emergente Flexibilität des Designs
Ziel: Beschreibung, Verstehen
Interpretationsbedürftige Daten
Forschende als »Messinstrumente«
Theoretische Verallgemeinerung
Gütekriterium der Validität
Quantitative Forschung:
Aktive Manipulation
Vorgegebene Kategorien
Variablenorientierung
Elementaristisch
Deduktives Vorgehen
Festlegung der Vorgehensweise vor Untersuchungsbeginn
Ziel: Kausalerklärung
Numerische Daten
Standardisierte, objektive Messinstrumente
Statistische Verallgemeinerung
Gütekriterien der Objektivität, Reliabilität und Validität
Welche Arten von Stichprobenziehung gibt es bei qualitativen Verfahren und wodurch unterscheiden sie sich von quantitativen Stichproben?
Qualitative Stichprobenziehung: häufig nicht zufällig gezogen, sondern absichtsvoll oder bewusst: Die Stichprobe wird gezielt nach bestimmten Kriterien ausgewählt, deswegen spricht man auch von Fallauswahl. Die Größe der Stichprobe spielt eine geringere Rolle als in der quantitativen Forschung, wichtiger ist die Zusammensetzung – häufig
wird von typischen, extremen oder abweichenden Fällen gesprochen.
Zwei Verfahren: Bottom-up vs top-down
Bottom-up-Verfahren: Theoretische Stichprobenziehung: Ziel ist eine möglichst heterogene Stichprobe mit maximaler Variabilität des Gegenstandsbereichs
- Prinzip der maximalen Ähnlichkeit: Zunächst werden Fälle aufgenommen, die im Hinblick auf eine interessierende Eigenschaft oder einen möglichen Kausalfaktor möglichst ähnlich sind.
- Prinzip der maximalen Differenz: Sukzessive wird die Stichprobe um Fälle ergänzt, die im Hinblick auf eine interessierende Eigenschaft oder einen möglichen Kausalfaktor eine andere Ausprägung aufweisen.
- Abbruchkriterium: Ergeben sich aus der Einbeziehung weiterer Fälle keine Hinweise auf zusätzliche Einflussfaktoren wird die Stichprobenziehung beendet – sie gilt als theoretisch gesättigt.
Top-Down-Verfahren: die Kriterien werden vor der Stichprobenziehung festgelegt.
• Qualitative Stichprobenpläne: Ähnlich wie bei der theoretischen Stichprobenziehung ist das Ziel, eine möglichst große Variabilität des Gegenstandsbereichs abzubilden.
• Auswahl von Fallarten: Es werden gezielt bestimmte Arten von Fällen ausgewählt, z.B ”typische Fälle, “Extremfälle” und “abweichende Fälle”.
Quantitative Stichprobenziehung: Testen von spezifischen Kausalhypothesen und die statistische Verallgemeinerung, d.h von der Stichprobe wird versucht auf die Population zu schließen. Vorgehen strategisch, randomisiert um optimale Repräsentativität zu erlangen (meistens)
Was ist ein narratives Interview, wozu dient es und welche Phasen kann
man unterscheiden?
Narratives Interview= eine qualitative Methode der Datenerhebung, bei der der Interviewte aufgefordert wird, eine Geschichte oder Erzählung über bestimmte Ereignisse oder Erfahrungen aus seinem Leben zu berichten. Dient dazu, Erzählungen der gesamten Lebensgeschichte oder einzelner Episoden aus dem Leben der befragten Personen zu rekonstruieren. Geht davon aus, dass es eine inhärente Struktur von Erzählungen gibt, die sich nur dann entfaltet, wenn man Personen ungestört erzählen lässt.
Phasen:
• Erzählanstoß: Aufforderung zum Erzählen („Wie war das, als Sie aufgewachsen sind?“)
• Haupterzählung: Person erzählt ihre Geschichte; Interviewer:in beschränkt sich auf Zuhörersignale („mhm“)
• Nachfragephase: Gelegenheit für Verständnisfragen und Möglichkeit, weitere Aspekte anzusprechen
• Bilanzierungsphase: Abschließende Bewertung („Wie sehen Sie die Ereignisse heute? Würden Sie im Nachhinein anders handeln?“)
Was sind Fokusgruppen und wozu dienen sie? Welche Faktoren können sie beeinflussen?
Bei der Gruppendiskussion (auch Fokusgruppe genannt) diskutieren zwischen 5 und 15 Personen zu einem vorgegebenen Thema (“Fokus”). Die Diskussion wird meist von den Forschenden unter Rückgriff auf einen thematischen Leitfaden geleitet (teilstandardisiertes Interview). Die Forschenden moderieren die Diskussion, äußern sich aber nicht inhaltlich zum Thema. Ziel dieser Methode ist es, tiefere Einblicke in die Meinungen, Einstellungen und Erfahrungen der Teilnehmer zu gewinnen.
Gruppendynamische Faktoren, die Verlauf einer Gruppendiskussion
beeinflussen können:
• Grad der persönlichen Betroffenheit durch das Thema
• Gruppengröße, Zusammensetzung der Gruppe hinsichtlich soziodemografischer Merkmale
• Bekanntheitsgrad der Gruppenmitglieder
• Meinungsverteilung in der Gruppe
• Verhalten der Diskussionsleitung
Mittels welcher Methoden können qualitative Daten analysiert werden?
- Überführung von auditiver (oder visueller) in schriftliche Form (z.B. Interviews, Gruppendiskussionen, Gespräche, etc.)
- Kodieren= die Bedeutung relevanter Textstellen wird erfasst, indem ihnen ein “Bedeutungsetikett” (Code) zugeordnet wird. Die Codes werden häufig induktiv entwickelt, d.h. aus dem Textmaterial heraus. Können auch Grundlage für quantitative Analysen sein.
- Typenbildung= Ziel der Typenbildung ist es , ähnliche Fälle zu identifizieren und zu Gruppen bzw. Typen zusammenzufassen. Die Fälle innerhalb einer Gruppe sollten möglichst ähnlich zueinander sein (interne Homogenität), während unterschiedliche Typen sich möglichst unähnlich sein sollten (externe Heterogenität).
1.Identifikation von Merkmalen bzw. Vergleichsdimensionen
2.Gruppierung der Fälle und Analyse empirischer Regelmäßigkeiten
3.Analyse inhaltlicher Zusammenhänge und Typenbildung
4.Charakterisierung der gebildeten Typen