VL10: Temperament, Gefühlsdispositionen, Persönlichkeitsstörungen Flashcards
Def. Temperament
- lat. tempere: mischen, abmischen
- Hippokrates (460-377 v. Chr.): Temperamtentstypen durch Vorherrschen von Körpersäften
- > Eysenck: zwei Dimensionen: Extraversion, Neurotizität
- Allport: Rohmaterial, aus dem Persönlichkeit geformt wird
- aktuell: rel.stabile, früh in der Entwicklung auftretende, biologisch fundierte Eigenschaft (Verhaltensstil)
- > beschreiben Art und Weise, wie jmd. etwas macht, unabhängig davon, was gemacht (Einstellungen, Fähigkeiten, Werthaltungen) wird oder warum (Bedürfnisse, Motive)
- > gen. Veranlagung
- > hohe Stabilität über Lebensspanne
Temperamentstypen nach Thomas, Chess & Birch
-durch Elterninterviews: 3 Temperamentstypen bei Kindern
Einfaches Temperament (40% der Kinder):
- regelmäßiges Verhalten
- wenig ängstlich, d.h. positive Annäherung an neue Reize
- Anpassungsfähigkeit
- positive Grundstimmung
Schwieriges Temperament (15% bzw. 10% der Kinder):
- Gegenpol zum einfachen Temperament
- Reaktionsintensität
Langsam auftretendes Temperament (15% der Kinder):
-in neuartigen Situationen dem schwierigen Temperament ähnlicher, bei wiederholter Erfahrung zunehmend dem einfachen Temperament ähnlich
->25 bzw. 30% nicht zuzuordnen !
Temperamentseigenschaften nach Buss & Plomin
1) Aktivität:
- Nutzen von physikalischer Aktivität
- Umfang motorischer Tätigkeit
- Geschwindigkeit und Intensität von Reaktionen
2) Emotionalität:
- Leichtigkeit, mit der sich primäre Emotionen wie Furcht oder Ärger erregen lassen (vgl. Grays hohe BIS-Sensitivität, Cloningers Schadenvermeidung, Neurotizismus)
3) Soziabilität:
- Häufigkeit und Nähe sozialer Kontakte (vgl. Extraversion, Cloningers Charakter)
4) Impulsivität (nur in früheren Arbeiten, später Teil der Persönlichkeit):
- Ausmaß, in dem akute Bedürfnisse oder Gefühle das Verhalten bestimmen
- Geschwindigkeit der Reaktion auf Stimuli
Temperamentseigenschaften nach Strelau
1) Lebhaftigkeit:
- schnelle Reaktionen
- hohes Aktivitätstempo
- leichter Reaktionswechsel
2) Beharrlichkeit (vgl. Cloninger):
- Tendenz zur Beibehaltung oder Wiederholung einer Aktivität
- schwerfällige Reaktionen auf wechselnde Anforderungen
3) Sinnesempfindlichkeit (vgl. Schwieriges Temperament)
- niedrige Reaktionsschwelle bei Sinnesreizen
- starke Reaktion auf Sinnesreize
4) emotionale Reaktivität (vgl. Schwieriges Temperament):
- niedrige Reaktionsschwelle bei emotionalen Reizen
- starke Reaktion auf emotionale Reize
- geringe emotionale Belastbarkeit
5) Ausdauer (~ Beharrlichkeit ?):
- Fähigkeit zur Beibehaltung stark beanspruchender Aktivitäten
6) Aktivität (vgl. Buss & Plomin):
- Neigung zu stark stimulierenden Tätigkeiten
Wichtigkeit von Temperamentsdispositionen ?
- Zusammenhänge zwischen den Theorien
- Umgang mit Kindern
- > adäquate Lernbeziehungen
- Passung in Paarbeziehungen
- Herangehensweise in unbekannten Situationen
Def. Gefühl
1) Gemütsbewegung:
- hat körperliche Verankerung (Spüren im Körper; Bewegung der Muskeln)
- sinnesbezogen
2) Stimmung:
- Valenz
- positiv (angenehm) vs. negativ (unangenehm/aversiv)
3)Affekt bzw. Emotion:
-Qualität, kognitive Einordnung
-7 Basisemotionen nach Ekmam (2010):
Freude, Wut, Ekel, Furcht, Verachtung, Traurigkeit, Überraschung
Mehrdimensionaler Befindlichkeitsfragebogen (MDBF) (Steyer et al., 1997)
-Befindlichkeit=Gemütsbewegung, in Richtung Stimmung (recht abstrakt; Gestimmtheit, aber zeugt von keiner Qualität)
5-stufige Antwortskala mit 2 Polen:
- aktuell/State
- habituell/Trait
- 3 Hauptgefühlsdispositionen:
- -Gute vs. schlechte Stimmung
- -Ruhe vs. Unruhe
- -Wachheit vs. Müdigkeit
Def. Gefühlsdisposition
Personen unterscheiden sich konsistent und stabil
- in ihrer Tendenz, auf bestimmte Situationen mit bestimmten Gefühlen zu reagieren
- in ihrer Intensität, mit der sie Gefühle erleben und ausdrücken
- in ihrer Grundgestimmtheit (positive vs. negative Affektivität bzw. subjektives Wohlbefinden)
- Eigenschaften, die in Wechselwirkung mit emotionsauslösenden Situationen Gefühlszustände wie Angst, Ärger, Eifersucht erzeugen
- > hierarchische Ordnung
- > Valenz (positive vs. negative Affektivität)
Hierarchie der Gefühlsdisposition bzw. der Grundgestimmtheit/Subj. Wohlbefinden
Subjektives Wohlbefinden
- > affektiv:
- ->positive Emotionen und Stimmung
- ->negative Emotionen und Stimmung
- > kognitiv (kognitive Interpretatiom, Sinngebung):
- ->allgemeine Lebenszufriedenheit
- ->bereichsspez. Lebenszufriedenheit
Subjektives Wohlbefinden -
State vs. Trait
Habituelles Wohlbefinden (Trait):
- mittlere Stabilität ->R bei ca. .50
- hohe Konsistenz ->R ca. .70
- > Set Point (Baseline; State schwankt um Baseline)
Momentanes Wohlbefinden (State):
- situative und tageszeitspezifische Einflüsse
- schwankt um habituellen Set Point
-entscheidend für Valenz der Grundgestimmtheit:
Bilanz positiver und negativer Gefühle
Intensität mittelt sich durch Oszillation aus
Bedingungen und Korrelate subjektiven Wohlbefindens (SWB)
1) Soziodemografische Variablen:
- erklären nur 15% der Varianz des SWB
- Geschlechterunterschiede nur in Intensität des Erlebens (zB durch Geschlechterrollen und Selbstdarstellung)
- keine systematischen Alterseffwkre
- damals (vgl. Maslow): Grundbedürfnisse und dann erst Einkommen ( als Bedingung für SWB)
aber: Einkommen entscheidet auch über Befriedigung der Grundbedürfnisse
- SWB von Personen mit Partnern höher als das Alleinstehender
- nur subjektiv beurteilte Gesundheit hat Einfluss auf SWB, nicht objektiv gemessene ! (s. Entwicklungspsychologie B)
2) Personenbezogene Variablen:
- Erblichkeit zwischen 36% und 50%
- hohe Korrelationen mit Extraversion (positiv) und Neurotizismus (negativ)
- >anlagenbedingte Sensitivität für pos./neg. Stimuli ? (vgl. Grays BIS-/BAS-Sensitivität)
- hohe Korrelation mit verwandten Merkmalen wie Selbstwertgefühl und Optimismus
- Motivation bei positivem SWB eher intrinsisch, bei negativem eher extrinsisch
3) Situationale Variablen:
- “Daily Hassles” haben nur befristeten Einfluss:
- -Set Point nach ca. 3 Monaten wiederhergestellt
- ->aber starke individuelle Differenzen in Emotionsregulation
- starker Einfluss der Erziehungsumwelt auf Set Point:
- -negativ: elterlicher Ärger, körperliche Bestrafung, Zurückweisung usw.
- -positiv: geringe (mütterliche) Kontrolle, (mütterliche) Zuneigung, höhere (väterliche) Kontrolle
- ->Kind braucht beide Instanzen der Kontrolle !
- starke interkulturelle Unterschiede:
- -Wohlstandsunterschiede
- -individualistische vs. kollektivistische Normen
Aggressivität
- Gefühlsdisposition
- Freud: Aggressivität als Trieb (Thanatos)
- > Abwendung vom Triebansatz durch nähere Betrachtung der situativen Komponente
- bestimmt aggressives Verhalten mit
- breit generalisierte Disposition, aggressiv und feindselig zu handeln
- Frage der Impulskontrolle, wird durch situative Randbedingungen begünstigt und hat Korrelate mit zB Empathievermögen
- > Bedürfnis (angeboren) + Sozialisation + Situation + Kognition + Persönlichkeitsvariablen (zB “hostile attribution bias”/feindseliger Attributionsstil)
Frustrations-Aggressions-Theorie (Dollard et al.)
-jeder Aggression geht Frustration voraus (Aggression ist Reaktion auf Frust)
->Aggression dient zur Beseitigung der Hindernisses, welches Frustration verursacht
(Bei Kelly: Aggressionen, um veraltete Konstruksysteme aufzubrechen)
Gemischte empirische Evidenz:
-Frustration nur ein Faktor, der zur Aggressivität beiträgt
-Frustration kann auch zu fatalistischer Ergebenheit, Apathie, Hoffnungslosigkeit führen
aber Phänomen der “non-frustrated-children”: hochgradig aggressive Kinder, die ohne Widerstand aufgewachsen sind und deshalb keine Frustrationstoleranz haben
Assoziationstheorie von Berkowitz
- Revision der Frustrations-Aggressions-Theorie
- > Frustration führt nicht immer zu Aggression
- > Frustration aktiviert zunächst nur negativen Affekt
- > negativer Affekt führt nur zu Aggression, wenn aggressive Verhaltensschemata durch passende Hinweisreize aktiviert werden (und heutzutage werden zusätzlich bestimmte Kognitionen angenommen, zB feindseliger Attributionsstil)
-Waffeneffekt: Menschen, die Waffen tragen, werden eher mit Aggressivität begegnet als Menschen ohne Waffen
Def. Persönlichkeitsstörung
- extreme Störung im Erleben und Verhalten
- Wirkung auf mehrere Aspekte der Persönlichkeit
- Wirkung auf soziales Umfeld
- i.d.R. früh im Leben einer Person beobachtbar
- > Manuale: ICD-11, DSM V
Die drei Cluster der Persönlichkeitsstörungen
1) Cluster A: exzentrische Störungen:
- paranoid, schizoid, schizotypisch
- >damit kann man in gew. Maße leben
2) Cluster B: emotionale und erratische (=impulsiv, unvorhersehbar, umherirrend) Störungen:
- antisozial, histrionisch, narzisstisch, Borderline
3) Cluster C: angst- und furchtbezogene Störungen:
- ängstlich-vermeidend, abhängig, zwanghaft
- gesamte Prävalenz: ca. 12%
- nicht unerhebliche Erblichkeit (geschätzt durch Heritabilitätsschätzung durch Zwillingsstudien)
Paranoide Persönlichkeitsstörung (Cluster A)
- extremes Misstrauen, “böswillige” Interpretation des Verhaltens anderer
- Prävalenz ca. 3%
Schizoide Persönlichkeitsstörung (Cluster A)
- Desinteresse an sozialen Beziehungen, abgeflachte Emotionen
- Prävalenz: 2,8%
Schizotypische Persönlichkeitsstorung (Cluster A)
- Unwohlsein in engen Beziehungen, magisches Denken, Exzentrik
- Prävalenz ca. 3%
Antisoziale Persönlichkeitsstörung (Cluster B)
- Unfähigkeit, soziale Normen einzuhalten, Impulsivität, Reizbarkeit
- Prävalenz ca. 3%
Histrionische Persönlichkeitsstörung (Cluster B)
- übermäßige Emotionalität und Aufmerksamkeitssuche (theatralisch)
- Prävalenz ca. 0,8%
Narzisstische Persönlichkeitsstörung (Cluster B)
- fragiler Selbstwert, Grandiosität vs. Scham, Mangel an Empathie
- Prävalenz ca. 1,2%
Borderline Persönlichkeitsstörung (Cluster B)
- extreme Stimmungsschwankungen, instabiles Selbstbild, instabile Beziehungsgestaltung, Suizidneigung
- Prävalenz ca. 1,9%
Ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung (Cluster C)
- Vermeidung (erwünschter!) Interaktion aus Angst vor Ablehnung und/oder Kritik
- Prävalenz ca. 2,8%
Abhängige Persönlichkeitsstörung (Cluster C)
- übermäßiges Interesse, versorgt zu werden, klammernd, unterwürfig
- Prävalenz ca. 0,8%
Zwanghafte Persönlichkeitsstörung (Cluster C)
- übermäßige Beschäftigung mit Ordnung, Perfektion und Kontrolle
- Leistungseinbußen, soziales Einbußen
- Prävalenz ca. 4,3%
Heritabilitätsschätzungen der Cluster A-C nach Torgensen et al. (2000)
Cluster A: Erblichkeit = 0.37
-paranoid=0.28, schizoid=0.29, schizotypisch=0.61
Cluster B: Erblichkeit = 0.6
-antisozial=nicht erhoben, histrionisch=0.67, narzisstisch=0.79, Borderline=0.69
Cluster C: Erblichkeit = 0.62
-ängstlich-vermeidend=0.28, abhängig=0.57, zwanghaft=0.78
Allerdings:
- Welche Gene wirken wie ? Vielleicht über Veränderungen der Neurotransmitteraktivität
- Raum für Umwelteinflüsse (Sozialisation, Umfeld) und biologische und neuropsychologische Faktoren (Neurotransmitter)
Ängstlichkeit:
- Was ?
- Angeboren ?
- Verortung ?
- Leistungsverhalten ?
- Kognition ?
- Bewältigung ?
- Gefühlsdisposition
- Angst als Trait und State (vgl. Spielberger & Endler: Unterschiede in Interpretation von pot. bedrohlichen Situationen)
- Unterscheidung: Angst vor Bewertung, physischer Verletzung und soziale Angst
- interindividuelle Unterschiede in großem Maße angeboren, aber auch durch individuelle Lerngeschichte
- Ängstlichkeit als Facette des Neurotizismus
- Auswirkungen auf Leistungsverhalten:
- -bei einfachen Aufgaben Leistungsvorteil
- -bei schwierigen Leistungsnachteil
- Einfluss auf kognitive Prozesse:
- -steuert Aufmerksamkeit auf bedrohliche Reize und fördert spez. Informationsverarbeitung (selbstwertundienlich)
- Bewältigung:
- -Bewältigungsstrategie als Teil der Persönlichkeit
- -Unterschiede in:
- –Aufmerksamkeitslenkung
- > hohe Ausprägung: Sensitizer
- –Neigung, verspürte Angst zu leugnen oder zu unterdrücken (=kognitive Vermeidung)
- > hohe Ausprägung: Represser
Ärgerneigung
- nicht Aggression, eher Neigung zum negativen Affekt
- Ärger kann zu Aggression führen, wenn Aggression subjektiv legitim und zweckmäßig, um Ärgernis zu beseitigen
- > Aggression ohne Ärger: instrumenteller Ärger
- Menschen unterscheiden sich in Leichtigkeit, in Zustand des Ärgers zu gelangen
- State-Trait-Modell von Spielberger und Endler
- 3 Formen des Ärgerausdrucks(tendenzen) nach Spielberger (anger in, anger out, anger control (nicht begegnen/Strategie))
- Ärger generalisierter als Angst
- Beeinträchtigung des Wohlbefindens durch Ärgerneigung
Depressivität
- Gefühlsdisposition
- Tendenz, in eine depressive Verstimmung oder eine Depression zu geraten
- interindividuelle Variation
- Depression als Extremum
“Neigung zu Schuldgefühlen”
- Gefühlsdisposition
- bei Freud: durch das Über-Ich, welches als “Gewissen/moralische Kontrollinstanz” wirkt, durch Sozialisation erworben
- Unterschiede in Strenge des Gewissens
- Neigung zu Schuldgefühlen als stabile und generalisierte Eigenschaft
- spez. Form: Existenzielle Schuldgefühle (Montada et al., 1985): wenn Privilegierte konfrontiert sind mit Nichtprivilegierten und für Besserstellung keine Rechtfertigung erkennen oder gelten lassen
“Neigung zu Eifersucht”
- Triade: Selbst-Partner-Rivale (bildlich)
- > Selbst erwartet Bevorzugung vom Partner, Rivale macht Bevorzugung streitig
-soziobiologisch: wurzelt in Konkurrenz um Zugang zu Sexualpartnern und letzlich im Bestreben der Gene, sich zu reproduzieren
- generalisiert, zeitlich stabil
- starke Ausprägung wird im Volksmund “krankhafte Eifersuch” genannt
Def. Empathie
Fähigkeit, Gefühle anderer Menschen richtig wahrzunehmen, und die Bereitschaft, sich auf die Gefühle anderer einzulassen und sie nachzuempfinden
- > erleichtert Kommunikation und Interaktion
- > ermöglicht Koorientierung (=Abstimmungsprozess; sein Verhalten auf Gefühle und Sichtweisen anderer abstimmen)
Def. Perspektivenübernahme
Fähigkeit, sich mental in eine andere Person hineinzuversetzen und die Welt mit deren Augen zu sehen
- > erleichtert Kommunikation und Interaktion
- > ermöglicht Koorientierung (=Abstimmungsprozess; sein Verhalten auf Gefühle und Sichtweisen anderer abstimmen)
-Menschen ahmen instinktiv Mimik, Gestik und Körperhaltung eines Interaktionspartners nach und empfinden über die Wahrnehmung der eigenen Körperteaktionen die Gefühle anderer nach
- nach Piaget:
- -Perspektivenübernahme äußert sich in Wahrnehmung und Sprache
- -Kinder bis zu gew. Alter nicht dazu in der Lage (Egozentrismus: subjektive Sicht ist objektiv)
Paradigma der privilegierten Informationen (Flavell et al., 1968) (zur Perspektivenübernahme)
- Person A: sieht Bilder, erzählt Geschichte
- Person A beobachtet Person B, welche nach Person A den Raum betritt, die Bilder sieht und den Raum wieder verlässt
- Person A soll erzählen, wie Person B die Geschichte wohl erzählen würde
- > Maß für Perspektivenübernahme