VL10: Motivtheorien Flashcards
Was sind Ziele und welche Funktionen erfüllen sie?
Ziele sind proximale Determinanten des Handelns. Sie bestimmten einen Großteil unseres Verhaltens direkt, sie sind kognitive Repräsentationen erwünschter Zustände und mit der Absicht verbunden den angestrebten Zielzustand aktiv herbeizuführen.
Erläutern Sie die Studie von Förster und Kollegen (2005) zur Zugänglichkeit zielrelevanter Informationen (Aufbau, Befunde, Interpretation).
Die Studie von Förster et al. (2005) untersucht, wie sich die kognitive Zugänglichkeit von Informationen verändert, wenn Personen auf ein bestimmtes Ziel fokussiert sind. Konkret geht es darum, ob zielrelevante Begriffe schneller verarbeitet werden und ob diese erhöhte Zugänglichkeit nach Zielerreichung wieder abnimmt.
Aufbau der Studie:
Die Versuchspersonen sehen Bildabfolgen mit alltäglichen Objekten (z. B. Brille, Regenschirm, Schere, Glocke, Brief). Sie werden in zwei Gruppen aufgeteilt:
Zielbedingung: Die Probanden erhalten die Aufgabe, die Sequenz „Brille – Schere“ in den Bildserien zu identifizieren.
Kontrollbedingung: Diese Gruppe erhält keinen spezifischen Suchauftrag.
Während der Präsentation durchlaufen die Probanden vier Bildserien, wobei die kritische Abfolge in Serie 3 erscheint – hier könnte das Ziel als „erreicht“ gelten.
Nach jeder Bildserie folgt eine lexikalische Entscheidungsaufgabe, bei der die Probanden angeben müssen, ob ein dargebotener Stimulus ein Wort (z. B. „SONNE“) oder ein Nicht-Wort (z. B. „ONNES“) ist. Dabei gibt es drei Wortkategorien:
Semantisch assoziierte Wörter (z. B. „Sonne“ für „Brille“)
Nicht assoziierte Wörter (z. B. „Katze“)
Nicht-Wörter (z. B. „ONNES“)
Die abhängige Variable ist die Reaktionszeit in der lexikalischen Entscheidungsaufgabe.
Befunde und Interpretation:
In der Zielbedingung reagieren Probanden 150 ms schneller auf Wörter, die semantisch mit den zu suchenden Begriffen verknüpft sind. Dies zeigt, dass zielrelevante Informationen eine erhöhte kognitive Zugänglichkeit haben, solange das Ziel aktiv bleibt.
Gleichzeitig sind die Reaktionszeiten für nicht assoziierte Wörter 250 ms langsamer, was darauf hindeutet, dass die Aufmerksamkeit gezielt auf zielrelevante Begriffe gerichtet ist.
Nach Erreichen des Ziels (nach Serie 3) verschwindet die erhöhte Zugänglichkeit zielrelevanter Begriffe – ein Hinweis darauf, dass einmal erledigte Ziele die Informationsverarbeitung nicht mehr beeinflussen.
Schlussfolgerung:
Ziele steuern die Informationsverarbeitung: Solange sie unerreicht sind, wird zielrelevante Information bevorzugt verarbeitet.
Der Zeigarnik-Effekt erklärt die erhöhte mentale Aktivierung unerledigter Absichten – offene Ziele bleiben mental präsenter.
Nach Zielerreichung wird die kognitive Zugänglichkeit herunterreguliert, um Ressourcen für neue Ziele freizusetzen.
Dies belegt die zentrale Rolle von Zielen in der selektiven Aufmerksamkeit und Handlungssteuerung.
Was ist mit den Begriffen Äquifinaliät und Multifinalität gemeint? Erläutern Sie diese im Kontext von Zielhierarchien.
Äquifinalität: Dasselbe Ziel kann durch unterschiedliche Handlungswege erreicht werden („viele Wege führen nach Rom“)
Multifinalität: Ein Handlungsweg dient mehreren Zielen (mit einer Freundin joggen gehen -> soziale Kontakte pflegen und etwas für die Gesundheit tun)
s.h. Abbildung Pages
Inwiefern beeinflussen Selbstaufmerksamkeit und Kontrollerwartungen die Zielverfolgung? Beantworten Sie diese Frage unter Bezugnahme auf die Studie von Carver, Blaney & Scheier (1979), indem Sie zunächst Aufbau und Befunde erklären und diese dann beurteilen.
Die Studie von Carver, Blaney & Scheier (1979) untersucht, wie Selbstaufmerksamkeit (SAM) und Kontrollerwartungen die Zielverfolgung beeinflussen. Sie basiert auf dem kybernetischen Modell der Handlungsregulation (Carver & Scheier), welches davon ausgeht, dass Personen ihre aktuellen Handlungen kontinuierlich mit ihren Zielen abgleichen (Ist-Soll-Vergleich). Eine hohe Selbstaufmerksamkeit bedeutet, dass Menschen stärker auf Diskrepanzen zwischen ihrem aktuellen Zustand und ihren Zielen achten. Kontrollerwartungen wiederum bestimmen, ob eine Person glaubt, ihr Ziel erreichen zu können – dies beeinflusst die Entscheidung, an einem Ziel festzuhalten oder es aufzugeben.
Versuchsaufbau:
Die Versuchspersonen bearbeiten Anagramme (Buchstabensalat wie „KEIWLN“ → „WINKEL“). Allerdings sind einige dieser Anagramme unlösbar (z. B. „TOWMRE“). Die Forscher manipulierten zwei Variablen:
Selbstaufmerksamkeit (UV1)
Hohe SAM: Probanden arbeiten vor einem Spiegel → Fokus auf sich selbst und eigene Leistung.
Niedrige SAM: Kein Spiegel → weniger Reflexion über eigene Leistung.
Kontrollerwartung (UV2)
Hohe Kontrolle: Aufgabe wird als „leicht lösbar“ beschrieben → Probanden erwarten Erfolg.
Niedrige Kontrolle: Aufgabe wird als „schwer lösbar“ beschrieben → Probanden erwarten Misserfolg.
Die abhängige Variable ist die Zeit, die Probanden mit den unlösbaren Anagrammen verbringen. Dies dient als Maß für die Hartnäckigkeit in der Zielverfolgung.
Ergebnisse:
Selbstaufmerksamkeit bestimmt, ob Kontrollerwartungen eine Rolle spielen:
Ohne Spiegel (niedrige SAM) nehmen Probanden Schwierigkeiten nicht als selbstrelevantes Problem wahr → sie lösen sich unabhängig von ihren Erwartungen ähnlich schnell von der Aufgabe.
Mit Spiegel (hohe SAM) beeinflussen die Kontrollerwartungen stark, wie lange sie an den unlösbaren Anagrammen arbeiten.
Probanden mit hoher SAM und positiven Lösungserwartungen (= hohe Kontrolle) arbeiten länger an den unlösbaren Anagrammen.
Interpretation: Sie glauben, die Aufgabe sei lösbar, und investieren daher mehr Anstrengung.
Probanden mit hoher SAM und negativen Lösungserwartungen (= niedrige Kontrolle) lösen sich schneller von der Aufgabe.
Interpretation: Sie erkennen die geringe Erfolgsaussicht und geben das Ziel schneller auf (Disengagement).
Schlussfolgerung & Interpretation:
Selbstaufmerksamkeit führt zu einer bewussteren Reflexion über die eigene Leistung und Zielerreichung.
Menschen mit hoher SAM achten stärker auf Diskrepanzen zwischen ihrem aktuellen Zustand und ihrem Ziel.
Kontrollerwartungen haben nur bei hoher Selbstaufmerksamkeit einen Effekt.
Ohne SAM bemerken Personen Schwierigkeiten nicht als selbstrelevantes Problem.
Eine hohe Selbstaufmerksamkeit kann Zielverfolgung verstärken oder zu einem schnelleren Loslassen eines unerreichbaren Ziels führen.
Hohe Kontrolle → Hartnäckigkeit.
Niedrige Kontrolle → Schnelle Zielablösung.
Diese Studie zeigt, dass Selbstaufmerksamkeit und Kontrollerwartungen gemeinsam die Zielverfolgung beeinflussen, indem sie entweder Beharrlichkeit fördern oder eine rationale Zielaufgabe erleichtern.
Wie sollten Ziele beschaffen sein?
Nach der Zielsetzungstheorie von Locke & Latham 1990, ist das mindset „Versuch dein Bestes“ eher suboptimal bzw. führt zu suboptimalen Ergebnissen.
Eine Leistungsförderung findet vor allem durch spezifische und herausfordernde Ziele statt, sowie:
* Vorhandensein der nötigen Fertigkeiten und Mittel
* Zielbindung: Ziel muss als verbindlich und Aufgabe als sinnvoll erachtet werden
* Selbstwirksamkeit: Person muss sich die Aufgabe zutrauen
* Aufgabe muss Rückmeldung über den Zielfortschritt geben
* Ursprung (Ziel vorgegeben vs. selbstgewählt) eher nicht so wichtig
Welche Phasen umfasst das Rubikon-Modell?
1. Abwägen: Motivation (prädezisional)
↓ Zielintention (commitment)
2. Planen: Volition (präaktional)
↓ Handlungsbeginn
3. Handeln: Volition (postaktional)
↓ Handlungsergebnis
4. Bewerten: Motivation (postaktional)
Was sind “Bewusstseinslagen” (mind sets), welche Rolle spielen sie im Rubikon-Modell und wie kann man sie experimentell hervorrufen?
Jede Phase des Rubikonmodells ist mit einer spezifischen Art der Informationsverarbeitung (Bewusstseinslage = mind set) verbunden, die für die Erledigung der jeweils anstehenden Aufgabe erforderlich ist.
Im Rubikonmodell wird angenommen, dass verschiedene Handlungsphasen mit unterschiedlichen Arten der Informationsverarbeitung („Bewusstseinslagen“, mind sets) verbunden sind.
Fokus der Forschung auf abwägende (prädezisional) und planende (präaktional) Bewusstseinslage
Experimentelle Induktion:
- Abwägend: Probanden reflektieren über offene Entscheidungen
Planend: Probanden planen Schritte zur Umsetzung des Ziels
Testen, ob sich die induzierte Bewusstseinslage auf die Informationsverarbeitung in einer anderen Aufgabe auswirkt, die keinen inhaltlichen Bezug zu Entscheidung oder Handlung hat.
Die Bewusstseinslagen sind dabei entscheidend für den erfolgreichen Übergang zwischen den Phasen:
Die abwägende Bewusstseinslage unterstützt die rationale Zielauswahl, indem sie Offenheit für Informationen fördert.
Die planende Bewusstseinslage minimiert Ablenkungen und ermöglicht eine effiziente Vorbereitung und Umsetzung.
Wie unterscheidet sich die Informationsverarbeitung in Abhängigkeit von abwägender und planender Bewusstseinslage (mind set)?
In Konzentrationstests, bei denen Probanden nebenbei irrelevante Wörter eingeblendet wurden, zeigten die Probanden eine bessere Gedächtnisleistung im abwägenden mindset. Das spricht für eine offenere Informationsverarbeitung in der abwägenden als in der planenden Bewusstseinslage, da Probanden in der planenden Bewusstseinslage anscheinend eine nicht so gute Gedächtnisleistung erbrachten.
Was sind Durchführungsintentionen und inwiefern unterscheiden sie sich von Zielintentionen?
Durchführungsintentionen (= implementation intentions) sind Spezifikationen bestimmter konkreter Situationen, die dann mit spezifischen Handlungen verknüpft werden. Sie spezifizieren also konkretes Handeln in einer Situation anhand von wenn-dann Verknüpfungen (wenn Situation X eintritt, dann mache ich Handlung Y). Zielintentionen wiederum spezifizieren nur den Zielzustand (z.B. „Ich will die Prüfung bestehen.“) selbst und müssen erst in konkrete Handlungspläne übersetzt werden, welche dann festlegen, wie, wo und wann das Ziel erreicht werden kann.
Warum gehen Durchführungsintentionen oft mit einer erfolgreicheren Zielerreichung einher? Nennen Sie mögliche zugrundeliegende kontrollierten und automatischen Prozesse, die daran beteiligt sind.
Durchführungsintentionen fördern die Zielerreichung, da sie konkrete „Wenn-Dann”-Pläne formulieren, die spezifische Situationen mit passenden Handlungen verknüpfen (z. B. „Wenn ich um 7 Uhr aufwache, dann gehe ich joggen”). Diese Verknüpfung aktiviert sowohl kontrollierte als auch automatische Prozesse:
Kontrollierte Prozesse: Die Planung schafft Klarheit über die nächsten Schritte und reduziert Unsicherheiten. Dadurch wird die Aufmerksamkeit gezielt auf relevante Umstände gelenkt, und die Wahrscheinlichkeit steigt, dass man in der vorgesehenen Situation an die Handlung denkt.
Automatische Prozesse: Die Wenn-Dann-Verknüpfung führt zu einer stärkeren mentalen Verknüpfung von Situation und Handlung. Dies erleichtert eine automatische Aktivierung der Handlung bei Eintreten der spezifischen Situation, ohne dass bewusste Anstrengung nötig ist.
Insgesamt helfen Durchführungsintentionen, Hindernisse wie Prokrastination oder Ablenkungen zu überwinden, indem sie Handlungssteuerung effizienter machen
Was sind mögliche Handlungskontrollstrategien, um ein Ziel hartnäckig zu verfolgen, auch wenn attraktive Alternativen verfügbar sind?
Aufmerksamkeitskontrolle:
Aufmerksamkeit auf solche Information fokussieren, die für Zielerreichung förderlich ist.
z.B. In einem Konfliktgespräch in der Mimik des Gesprächspartner auf versöhnliche Signale achten.
Enkodierungskontrolle:
Solche Merkmale von Reizen abspeichern, die sich auf eine aktuelle Absicht beziehen.
z.B. Bei einem Text nur die Inhalte abspeichern, die für das Referat relevant sind.
Motivationskontrolle:
Sich die positiven Anreize des Ziels vor Augen halten.
z.B. An die schönen Zeiten der Zielerreichung denken.
Emotionskontrolle:
Sich in einen emotionalen Zustand versetzen, der der Zielrealisierung zuträglich ist.
z.B. Sich nach einem Misserfolg durch eine angenehme Aktivität emotional wieder aufrappeln.
Was versteht man unter Handlungsorientierung, was versteht man unter Lageorientierung? Handelt es sich um eine Persönlichkeitstheorie (Dispositionelle Tendenzen) oder um ein situatives Modell? Begründen Sie Ihre Antwort.
Handlungsorientierung ist das flexible Reagieren auf Anforderungen mit Hilfe von Handlungskontrollstrategien.
In der Lageorientierung hat man Schwierigkeiten, sich mit Handlungskontrollstrategien auseinander zusetzen, weil man sich in negative Gedanken verfängt.
Es handelt sich hierbei um eine Persönlichkeitstheorie, also dispositionelle Tendenzen, weil sie stabile, personenspezifische Muster im Umgang mit Handlungsanforderungen und stressreichen Situationen darstellen. Sie berücksichtigen aber auch situative Einflüsse, die das Verhalten in spezifischen Kontexten beeinflussen können.
Zielablösung wird oft als Scheitern verstanden. Inwiefern kann es sich um einen funktionalen Prozess handeln, der fundamental für das persönliche Wohlbefinden ist?
Die funktionale Seite der Zielablösung:
- Es gibt langfristige Ziele, die trotz maximaler Anstrengung nicht erreicht werden können (endgültiger Verlust des Partners; Absage bei einer Stellenbewerbung; Altersbedingte Veränderungen!)
- Festhalten an blockierten Zielen (Perseveration) verschwendet Handlungsressourcen und dehnt Misserfolgserfahrungen aus
- Einziger Schutz: Zielablösung (notwendige Voraussetzung für Neuorientierung auf andere, vielversprechendere Ziele)