Versuch und Rücktritt Flashcards
Prüfungsschema Versuch
- Vorprüfung:
- Nichtvollendung des Delikts (mangels Erfolgs oder Kausalität/Zurechnung)
- Strafbarkeit des Versuchs (Verbrechen: §§ 212 I, 22, 23 I Var. 1, 12 I; Vergehen: §§ 223 I, II, 22, 23 I Var. 2, 12 II) - Tatentschluss
- Vorsatz und evtl erforderliche Absichten
- hier werden die objektiven Tbmerkmale geprüft: “war Tatentschluss auf Wegnahme gerichtet….Def…As Tatentschluss war daher auf eine Wegnahme gerichtet” –> perfekte Formulierung - Unmittelbares Ansetzen zur Verwirklichung des Tatbestands nach der Vorstellung des Täters
- Rechtswidrigkeit
- Schuld
- Rücktritt vom Versuch als persönlicher Strafaufhebungsgrund (aA Schuldausschließungsgrund)
Strafgrund des Versuchs
- die Erschütterung des Rechtsfriedens in der Allgemeinheit
- Roxin: beim tauglichen Versuch ist es die Gefährdung des Rechtsguts; beim untauglichen Versuch ist es der rechtserschütternde Eindruck
- hM: objektiv-subjektive Theorie
–> Inhalt der Versuchsstrafbarkeit ist die Vollständigkeit im subjektiven Bereich, und das Defizit im objektiven Bereich (rechtsfeindliche Gesinnung, die betätigt wird), arg. §§ 22, 23 III
Der vorbehaltlose Tatentschluss
= der unbedingte Handlungswille
- wird angenommen, wenn der Täter keine inneren Vorbehalte mehr hinsichtlich der Tatausführung hat
- der unbedingte Handlungswille ist anzunehmen, wenn er subjektiv vollständig entschlossen ist, wenn auch die objektive Ausführung (willensunabhängig) noch von bestimmten objektiven Bedingungen abhängt
- -> Tatentschluss auf bewusst unsicherer Tatsachengrundlage genügt
Roxin verlangt eine “überwiegende Deliktsbegehungsgeneigtheit”, weil sich nie vollends sagen lässt, ob der Täter bei Vorfeldhandlungen vollends entschlossen war
Der untaugliche Versuch bei abergläubischem und grob unverständigem Versuch
- in Vorprüfung prüfen am besten
- mit untauglichen Mitteln, am untauglichen Objekt oder durch das untaugliche Subjekt
- der untaugliche Versuch ist grundsätzlich strafbar, es sei denn, § 23 III greift ein. (Strafbefreiung nur für grob unverständigen Versuch, daher in Vorprüfung Strafbarkeit ex 23 III erwähnen)
- der abergläubische Versuch (religiös-weltanschauliche Bereich) fällt nicht unter § 23 III, sondern war schon davor straflos: dadurch wird der Rechtsfrieden nicht erschüttert, keine Bestrafungsnotwendigkeit
- der grob unsinnige Versuch (naturwissenschaftlicher Bereich) fällt unter § 23 III, bei dem der Täter gemeinhin anerkannte Denkregeln außer Acht lässt –> hier wird Bestrafungsnotwendigkeit in Ermessen des Richters gestellt
Abgrenzung untauglicher Versuch und Wahndelikt
–> Irrtümer beim Versuch!
- strafbarer untauglicher Versuch und strafloses Wahndelikt in Tatentschluss prüfen (naja, geht auch schon bei Vorprüfung, da dann Strafbarkeit e § 23 III erwähnen, besser sogar)
untauglicher Versuch ist umgekehrter Tatbestandsirrtum, bei dem der Täter irrig Umstände annimmt, bei deren Gegebensein der deliktische Tatbestand verwirklicht wäre
Wahndelikt ist umgekehrter Verbotsirrtum, bei dem der Täter sein Handeln irrtümlich für strafbar hält. (Rechtsirrtum)
Besonders schwierig bei normativen Tatbestandsmerkmalen (eher § 16) und bei Irrtümern im Vorfeld der Strafnorm: Abgrenzung probieren, aber schwierig (?): nach hM ist es bei normativen Tatbestandsmerkmalen (fremd, rechtswidrig, va bei § 242) ein Tatbestandsirrtum nach § 16, also untauglicher Versuch, wäre dann anderer Prüfungsstandort
Abgrenzung Vorbereitungshandlung - Versuch
Die Theorien beim unmittelbaren Ansetzen
- bei Unmittelbarem Ansetzen prüfen
- Zwischenaktstheorie: Der Versuchsbeginn ist gegeben, wenn nach der Vorstellung des Täters zwischen dem Verhalten des Täters und der Tatbestandsverwirklichung kein wesentlicher Zwischenakt mehr liegt; Kritik: Was genau bedeutet wesentlich?
- Jetzt-gehts-los-Formel: Versuch dann, wenn nach der Vorstellung des Täters die Schwelle zum Jetzt-gehts-los überschritten ist; Kritik: dann hängt Versuchsbeginn nur von Täter ab
- Gefährdungstheorie: Versuch beginnt dann, wenn nach der Vorstellung des Täters das Rechtsgut konkret und unmittelbar gefährdet ist; Kritik: kein Rechtssicherheitsgewinn
- Sphärentheorie: Versuch beginnt, wenn Täter in die Schutzsphäre des Opfers eingedrungen ist und nach seiner Vorstellung zwischen Handlung und Erfolgseintritt ein enger zeitlich-räumlicher Zusammenhang besteht (Schutzminderung genügt)
–> in der Klausur: Jetzt-gehts-los und Zwischenaktsformel verwenden;
= der Täter hat dann unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt, wenn er subjektiv die Schwelle zum Jetzt gehts los überschritten hat und objektiv aus seiner Sicht keine wesentlichen Zwischenakte mehr zur Tatbestandsverwirklichung benötigt werden; seine Tathandlung also unmittelbar in die Tatbestandsverwirklichung einmündet und aus seiner Sicht das Rechtsgut konkret und unmittelbar gefährdet ist; dann ggf. noch Sphärentheorie
–> einzelne Handlungen des Täters durchprüfen
–> wenn letzter Teilakt vor Verwirklichung, dann meistens gegeben +
–> Diebstahl ist anders als Raub zu qualifizieren: Diebstahl beginnt später bei Türklingelfällen, weil Dieb noch Sachen suchen muss; Raub beginnt mit Gewalthandlung
- -> SonderP: unmittelbar angesetzt, wenn zum Regelbeispiel angesetzt? Nur Indiz, ist nicht maßgeblich, also nach obigen Theorien gehen. (kurz erwähnen)
- -> anderes SonderP: Versuch des Regelbeispiels möglich? hL: nein, Strafzumessungsregeln, Analogie zulasten des Täters, Gg absichtlich von Quali zu Strafzumessung; BGH: tatbestandsähnlich, § 242 II wirkt dafür, Indizwirkung ausgelöst für Strafzumessung
Sonderproblem 1: Teilverwirklichungslehre
- wenn bereits Tatbestandsnähe vorliegt und ein TBmerkmal teilweise erfüllt ist, dann liegt regelmäßig unmittelbares Ansetzen vor
- problematisch eigentlich nur bei Betrug, wenn Täuschungshandlung noch keine Tatbestandsnähe aufweist und nicht unmittelbar zur Schädigung führt, sondern erst spätere Handlung; dann noch kein unmittelbares Ansetzen, weil Betrug Vermögensdelikt ist und Vermögensschaden noch nicht in zeitlicher Nähe liegt (in einem Fall mal gemacht): muss unmittelbar zur Vermögensverfügung führen
Sonderproblem 2: Versuchsbeginn beim Unterlassungsdelikt
A1: Versuchsbeginn bereits, wenn der Täter die erste ihm mögliche Maßnahme zur Erfolgsvermeidung unterlässt; Kritik: weite Vorverlagerung des Versuchs, weil noch keine Gefährdung des Rechtsguts und daher gar keine Tatbestandsnähe vorliegt
A2: Versuchsbeginn erst, wenn der Täter die letzte Rettungschance unterlässt; Kritik: dort wäre für den Rücktritt kein Raum mehr, was der Systematik des Gesetzes widerspricht.
A3/hM: Versuchsbeginn dann, wenn der Täter die Herrschaft über das Geschehen aus der Hand gibt oder wenn das Rechtsgut unmittelbar gefährdet ist (früherer Zeitpunkt maßgeblich)
–> A3 vorzugswürdig, weil Raum für den Rücktritt ist und klarere Kriterien für Versuchsbeginn bereitstehen (und nicht mehr zu stoppende Gefahr ausgelöst wird)
Sonderproblem 3: Versuchsbeginn bei mittelbarer Täterschaft
A1 (Einzellösung): Versuch beginnt mit dem Einwirken des Hintermanns auf den Tatmittler; Kritik: noch keine Gefährdung des Opfers zu sehen, noch wesentliche Zwischenakte erforderlich und kein Eingriff in Opfersphäre: zu weite Vorverlagerung
A2 (Gesamtlösung): Versuch beginnt, wenn der Tatmittler unmittelbar angesetzt hat; Kritik: Der Hintermann weiß im Zweifel gar nicht, wann der Vordermann zur Tat ansetzen wird; wird dem Wesen der mittelbaren Täterschaft nicht gerecht; dann wäre versuchte Anstiftung strafbar, aber nicht gefährlicheres Losschicken
A3: Differenzieren, ob Tatmittler gut- oder bösgläubig ist. Ist er gutgläubig, setzt der mittelbare Täter mit Einwirken eine Kausalkette in Gang, dann Einzellösung; ansonsten modifizierte vermittelnde.
A4/hM: Versuchsbeginn, wenn der Täter das von ihm in Gang gesetzte Geschehen in der Weise aus der Hand gegeben hat, dass der daraus resultierende Angriff auf das Opfer nach seiner Vorstellung von der Tat ohne weitere wesentliche Zwischenschritte unmittelbar in die Tatbestandsverwirklichung einmünden soll; dadurch wird die eigentlich nicht mehr zu stoppende Gefahr ausgelöst
Sonderproblem 3: Versuchsbeginn bei Distanzdelikt ?
A1: Versuchsbeginn, wenn sich das Opfer (unter Zugrundelegung der Vorstellung des Täters) in den Wirkungskreis des Tatmittels begibt; Arg: dann unmittelbare Gefährdung des Rechtsguts gegeben; Kritik: wenn sich Täter keine Vorstellung davon macht, scheitert diese Variante; Rücktritt schwierig
A2: Versuchsbeginn schon dann, wenn der Täter alles zur Erfolgsherbeiführung Erforderliche getan hat; Kritik: sehr weite Vorverlagerung der Versuchsstrafbarkeit, keine konkrete Gefährdung des Rechtsguts gegeben
A3/hL: Versuchsbeginn mit dem Aus der Hand geben des Geschehens, andernfalls dann, wenn das Opfer nach der Vorstellung des Täters in den Wirkungskreis des Tatmittels tritt
Sonderproblem 4: Versuchsbeginn bei Mittäterschaft
A1 (Einzellösung): für jeden Mittäter beginnt der Versuch separat
A2 (Gesamtlösung)/hM: Sobald einer der Mittäter unmittelbar ansetzt, treten auch die anderen Mittäter in das Versuchsstadium ein
–> zweite Lösung ist vorzugswürdig, weil Mittäterschaft der Zurechnungsgedanke zugrundeliegt, da die Täter die Tat gemeinschaftlich begehen; wir rechnen ja auch verschiedene Tathandlungen über § 25 II zu
–> Merke: Gesamtlösung wirkt nur, wenn der unmittelbar ansetzende Mittäter noch mit dem Ziel der Ausführung der Tat handelt (subjektives Band also noch besteht); nicht wenn er vor Ausführung der Tat Polizei ruft und Tat nicht ernsthaft ausführen will
Grund der Strafbefreiung beim Rücktritt?
- persönlicher (! für jeden Täter einzeln prüfen!) Strafaufhebungsgrund, im Anschluss an die Schuld zu prüfen
A1: Theorie der goldenen Brücke: Täter soll mit
der Inaussichtstellung auf Straffreiheit zur
Umkehr gebracht und der Erfolgseintritt somit
vermieden werden (Anreiz schaffen)
- A2: Prämientheorie: der Täter soll für Umkehr
belohnt werden; damit entfalle das Strafbedürfnis
für das Handlungsunrecht und die
Beeinträchtigung des allgemeinen Vertrauens in
die Geltung der Rechtsordnung
- A3: Strafzwecktheorie: bei freiwilligem
Rücktritt entfällt die Notwendigkeit einer
Bestrafung des Täters zur Erfüllung der dem
Strafrecht obliegenden Aufgaben (hier Strafzwecktheorien anbringen)
- Schulderfüllungstheorie: Pflicht zur Wiedergutmachung erfüllt
Prüfung des Rücktritts
- Kein fehlgeschlagener Versuch
- Unbeendeter/Beendeter Versuch
- Aufgeben/Verhindern
- Freiwilligkeit
Fehlgeschlagener Versuch
= Fehlschlag ist gegeben, wenn der Täter
nach seiner Vorstellung den
tatbestandlichen Erfolg mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln gar nicht oder nur
mit einer erheblichen zeitlichen Zäsur herbeiführen kann.
(auch Sinnlosigkeit des Weiterhandelns)
= liegt vor, wenn der Täter nach der letzten Ausführungshandlung davon ausgeht, noch nicht alles Erforderliche zur Erfolgsherbeiführung getan zu haben und für sich im unmittelbaren Fortgang des Geschehens auch keine Möglichkeiten mehr hierzu sieht.
–> dann ist es kein Aufgeben oder Verhindern mehr, wenn es ohnehin gescheitert ist
- kann aus physischen, psychischen (str) oder rechtlichen Gründen sein; wohl auch, wenn Tatobjekt hinter den Erwartungen des Täters zurückbleibt und er es deshalb liegen lässt (minderwertiger Briefbeschwerer etwa, Beulke Fall; Personenverwechslung)
- psychische Gründe werden eher in Freiwilligkeit gelöst (Scham weil Vergewaltigungsopfer eine gute Bekannte ist, oder Panikreaktion bei Raub; Beulke Fall 3 hat Panik vor Erkanntwerden bei Fehlschlag gelöst, aber auch bei Freiwilligkeit möglich)
Sonderproblem: Iterative Tatbegehung/wiederholte Tatausführung
Wann liegt da Fehlschlag vor?
IMMER ANDENKEN, WENN TÄTER MEHRERE ANLÄUFE FÜR GLEICHE TAT VORNIMMT !!! (nimmt Messer, dann Schlagstock, dann Pistole, dann treten….)
Schwer in der Klausur zu sehen, sensibel sein dafür.
–> dann alles zusammen prüfen, um Gesamtbetrachtunglehre zu folgen
A1: Tatplantheorie: Der Tatplan bei Beginn der Tat ist entscheidend; wenn sich Täter also auf eine Tathandlung beschränkt hat, ist der Versuch nach Ausführung dieser Handlung fehlgeschlagen, auch wenn er von weiteren erfolgsversprechenden Handlungen Abstand nimmt;
Kritik: Führt zur Bevorzugung des skrupellosen Täters, der jedes Mittel in Tatplan aufgenommen hat; Opferschutzgedanken und Theorien zu Rücktritt dagegen
A2: Einzelaktstheorie: Jeder Akt ist einzeln zu betrachten und zu bewerten.
Kritik: Die Theorie zerstückelt den natürlichen Lebenssachverhalt in unnatürliche Teile; berücksichtigt nicht, dass Täter trotz Vollendungsmöglichkeit in Legalität zurückgekehrt ist und dass aus Opferschutzgründen Straffreiheit zum Anreiz geschaffen werden muss; berücksichtigt nicht die aktive Entscheidung des Täters der Gefährdungsumkehr
A3: Gesamtbetrachtungslehre/hM: Rücktrittshorizont nach der letzten Ausführungshandlung ist entscheidend; einheitlicher Lebenssachverhalt bzw. eine natürliche Versuchseinheit ist zu fordern !, Opferschutz, Theorien
Pro: § 24 sieht vor, dass der Täter die “weitere” Tatausführung aufgeben muss, also zukünftig; Opferschutzgedanke spricht dafür
–> Aufbau in der Klausur: Die verschiedenen Teilakte sind also direkt zu Beginn alle zusammen zu prüfen, weil man sich schon von Anfang an für Gesamtbetrachtungslehre entscheidet!
so auch in Fall 4 Beulke III, weil man sonst nicht adäquat zum Problem kommt.