Rechtswidrigkeit: Notwehr Flashcards

1
Q

Was schützt das Notwehrrecht?

A

Es dient dem Individualrechtsschutz und der Rechtsbewährung.

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2
Q

Notwehrfähige Güter

A

= alle Individualrechtsgüter (Leben, Gesundheit, Freiheit, Eigentum, Gewahrsam, Ehre, Hausrecht…); = absolute Rechte
sie brauchen nicht strafrechtlich geschützt zu sein.

Nicht notwehrfähig sind relative Rechte (Forderungen oder sonstige vertragliche Ansprüche); Umkehrschluss aus § 229 BGB; § 127 StPO; s. AG Fall 1, str.

Nicht notwehrfähig sind auch Rechtsgüter der Allgemeinheit.

Immer aufpassen bei Taten, die die Allgemeinheit schützen (va §§ 315b ff. StGB); hier sauber abgrenzen –> eigentlich eher bei : gegen den Angreifer richten ansprechen, weil es sich hier ja gegen die Allgemeinheit richtet.

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3
Q

Parklücken-Fall zur Veranschaulichung der notwehrfähigen Rechtsgüter

A

P hat sich gem. § 240 I StGB strafbar gemacht, indem er F mit seinem Auto Schritt für Schritt aus der Parklücke drängte.
Eine Rechtfertigung durch § 32 StGB scheitert daran, dass § 12 StVO kein notwehrfähiges Rechtsgut ist.

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4
Q

Sonderproblem: Staatsnotwehr

A

Konstellation: Der Private P überwältigt den Spion S, der im Begriff ist, die Grenze mit wichtigen Staatsgeheimnissen zu überqueren.
–> gw, rw Angriff auf Rechtsgüter des Staates; Nothilfe des P möglich?

Grds können auch juristische Personen “ein anderer” iSd § 32 II sein; öffentliche Hand mit Eigentum etc. auch, was dann verteidigt werden darf, aber:

A1: Nicht möglich, weil sich Konstellation um Rechtsgüter der Allgemeinheit dreht und daher richtigerweise nach § 34 gelöst werden sollten; einziger Unterschied ist hohes Gewicht des Angriffs, aber nicht allein deshalb Notwehr –> stattdessen Notstand, § 34, mit Interessenabwägung, weil sonst politisch motivierte Gewalt naheliegt.

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5
Q

Die Voraussetzungen des Notwehrrechts

A
  1. Notwehrlage
    - gegenwärtiger, rechtswidriger Angriff gegen notwehrfähiges Rechtsgut
  2. Notwehrhandlung
    - gegen den Angreifer gerichtet (für Dritten kommt dann am ehesten § 35 in Betracht)
    - Erforderlichkeit
    - Gebotenheit
  3. Subjektives Element NICHT VERGESSEN
    - Kenntnis der Notwehrsituation und (nach Rspr) Verteidigungswille
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6
Q

Der Angriff

A

= jede durch menschliches Verhalten drohende Verletzung rechtlich geschützter Güter oder Interessen des Einzelnen

  • also kein tierisches Verhalten (dann § 228 BGB), außer wenn Mensch den Hund als Waffe gebraucht
  • allenfalls die für die juristische Person handelnde natürliche Person kommt als Angreifer in Betracht
  • auch fahrlässiges Verhalten kann einen Angriff begründen
  • keine Notwehr aber durch sorgfaltsgemäßes Verhalten, weil neben dem Erfolgsunwert eigentlich auch ein Handlungsunwert gefordert wird, hierbei muss der weniger schneidige § 34 StGB ausreichen, bei dem Abwägung möglich ist (ansonsten nur Entschuldigung nach § 35)
  • Angriff durch Unterlassen ist auch möglich (nur bei Garanten möglich)
  • kein Angriff, wenn Verhalten keine Handlungsqualität besitzt, dann nur § 34 StGB
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7
Q

Angriff durch untauglichen Versuch (Drohen mit Scheinwaffe)

–> hier unterscheiden zwischen Scheinangriff und Angriff mit Scheinwaffe!

A
  • Das Niederschießen eines Täters, der mit einer ungeladenen Waffe droht, ist nicht gerechtfertigt, wenn der Schießende darum weiß

ex-post Beurteilung:

  • Bei Unkenntnis liegt Angriff auf Willensentschließungsfreiheit/Eigentum vor, wenn Täter Herausgabe von Geld fordert (§ 240)/ nicht aber, wenn er mit Tötung droht)
  • bei Drohung mit Tötung liegt § 241 StGB vor, der Notwehr rechtfertigt: also Rechtsbewährung und Individualschutz +
  • hL: ETBI: Putativnotwehr: Strafbarkeit aus Fahrlässigkeit scheitert mangels Erkennbarkeit der Scheinwaffe

eine Menge Wertungswidersprüche sind hier verborgen

unterscheiden, ob Scheinangriff (objektiv gar nicht gefährlich oder so gemeint: ETBI) vom Angriff mit Scheinwaffe: kann immer noch Angriff auf Eigentum/Willensentschließungsfreiheit sein –> in Klausur vllt eher ETBI annehmen, um diesen zu besprechen.

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8
Q

Rechtswidrigkeit des Angriffs

A

Sie fehlt, wenn sich der Angreifer selbst auf einen Rechtfertigungsgrund berufen kann.

Hier häufig Inzidentprüfungen in Klausuren; mit Standardsatz beginnen:
“An der Rechtswidrigkeit des Angriffs könnte es fehlen, wenn dem Angreifer selbst ein Rechtfertigungsgrund zur Seite stand”

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9
Q

Gegenwärtigkeit des Angriffs

A

= Der Angriff ist gegenwärtig, wenn er gerade stattfindet, noch fortdauert oder unmittelbar bevorsteht.
= unmittelbar steht er bevor, wenn es ohne weitere wesentliche Zwischenschritte zu einer Rechtsgutsverletzung kommen kann
= er dauert fort, wenn er tatbestandlich vollendet, aber noch nicht beendet ist (va in Diebstahlsfällen relevant: beim Fliehen ist Diebstahl noch nicht beendet; aber schon, wenn Opfer später zufällig sieht und Täter bereits gesichertes Gewahrsam erlangt hat)

  • dauert auch fort, wenn Wiederholung der Verletzungs- oder Angriffshandlung unmittelbar zu befürchten ist (Beleidigungen sind grds nach Ausspruch abgeschlossen und damit beendet, es sei denn, es drohen unmittelbar weitere Ehrangriffe: Dann Notwehr +)
  • Präventivnotwehr (für künftige Angriffe) ist abzulehnen, weil es den Anwendungsbereich des § 32 zu sehr ausdehnt und es am typischen “Kampf um das Recht” fehlt
  • Dauergefahr ist über § 34 StGB zu lösen
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10
Q

Haustyrannen-Fall

A

§§ 212, 211

  • Heimtücke +
  • § 32 scheitert an Gegenwärtigkeit (auch keine Präventivnotwehr)
  • § 34 + bei Dauergefahr, aber Unabwägbarkeit menschlichen Lebens (lässt keine Tötungen zu; auch nicht durch Rechtsgedanken des § 228 BGB)
  • § 33 -, weil extensiver Notwehrexzess
  • § 35 -, weil durch staatliche Stellen anders abwendbar
  • aber wohl Irrtum nach § 35 II und daher straflos, letzte Rettung! (Bei Heimtücke die Einschränkungen besprechen)
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11
Q

Erforderlichkeit der Notwehrhandlung

A

= erforderlich ist die Verteidigung, wenn sie nach einer objektiven ex-ante Betrachtung (!!!) zur sofortigen Beendigung oder Abschwächung des Angriffs geeignet und bei Wahlmöglichkeit das mildeste Mittel der Verteidigung darstellt

oder anders:
Eine in Notwehr verübte Tat ist gerechtfertigt, wenn sie zu einer sofortigen und endgültigen Abwehr des Angriffs führt und es sich bei ihr um das mildeste Abwehrmittel handelt, das dem Angeklagten in der konkreten Situation zur Verfügung stand.

Danach kann auch der sofortige, das Leben des Angreifers gefährdende Einsatz einer Waffe gerechtfertigt sein, wenn dem Angegriffenen nicht genügend Zeit zur Abschätzung der Lage verblieb.

Bei Schusswaffeneinsatz grundsätzlich drei Stufen:

  • Androhung/Warnschuss
  • nicht lebensgefährliche Körperteile
  • tödlicher Schuss
  • -> Stufen können aber auch übersprungen werden, wenn nur so der Angriff sicher abgewendet werden kann/nur so eine unkalkulierbare Gefährdungseskalation abgewendet werden kann

Eine Beeinträchtigung der späteren Verteidigung muss nicht hingenommen werden; der sichere Erfolg der Verteidigung geht vor.

Das Recht braucht dem Unrecht nicht zu Weichen (Ausweichmöglichkeiten müssen nicht ergriffen werden.)

BGH stellt bei der Prüfung der Erforderlichkeit auf Art und Maß des Angriffs, Gefährlichkeit des Angriffs, Möglichkeit der Verteidigung: Angaben aus dem SV auswerten! –> Einzelfallbetrachtung

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12
Q

Sonderproblem 2:
Selbstschussanlagen (Selbstschüsse, scharfe Hunde, Minen etc.)

–> antizipierte Notwehr, problematisieren?

A

kann gerechtfertigt sein; wird aber vielfach an der Erforderlichkeit scheitern, weil ein Reagieren auf den Einzelfall nicht möglich ist.
- bei § 34 scheitert es an Güterabwägung, weil Verteidigung des Eigentums nicht höher wiegt als körperliche Unversehrtheit

Wird ein Nichtangreifer getötet oder verletzt, kommt fahrlässige Tötung/KV des Installierenden in Betracht (oft über ETBI)
–>dazu Fall 16 Jäger: kausale Handlung ist Installation der Selbstschussanlage; keine freiverantwortliche Selbstgefährdung; unbeachtlicher error in persona!; antizipierte Notwehr grundsätzlich möglich; D wollte helfen, daher kein 123 und kein rw Angriff; § 34 scheitert auch an Gefahr; dann an ETBI DENKEN, weil Hausbesitzer von Einbrecher ausging; dann da prüfen, ob durch Notwehr gerechtfertigt wäre (in diesem Fall schon, Erforderlichkeit ausnahmsweise +), dann nur noch §§ 229/222; Ausnahme!

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13
Q

Hinweis: Woran ist zu denken, wenn Erforderlichkeit überschritten wird?

A

Dann immer mal an Entschuldigung durch § 33 denken, wenn derjenige aus asthenischen Affekten gehandelt hat!
–> nur Überschreiten + Affekte, nur in Kombi!!!

(bei Irrtum ist es wohl ETBI)

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14
Q

Gebotenheit

A

= sozialethisch bedingte Einschränkung des Notwehrrechts
- im Gegensatz zur faktischen Abwehrmöglichkeit in der Erforderlichkeit wird in der Gebotenheit die normative Angemessenheit der Reaktion bewertet

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15
Q

Fallgruppe 1: Der Angriff von Schuldlosen oder gemindert Schuldfähigen

A

Angriffe von Kindern, Geisteskranken, Betrunkenen, unvermeidbar Irrenden (Achtung! hier wie in AG Fall ETBI, weil der Notwehrhandelnde einen Irrtum über tatsächliche Umstände hat) ist das Rechtsbewährungsinteresse, das hinter der Notwehr steht, erheblich gemindert; geht sodann vor allem um Individualrechtsschutz.

Dabei muss sich der Verteidigende aber auf weniger einschneidende Maßnahmen wie Ausweichen, fremde Hilfe oder Rücksichtnahmemaßnahmen einlassen. (Warnen-Schutzwehr-Trutzwehr)

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16
Q

Fallgruppe 4: Garantenbeziehungen

A
  • wenn eine enge persönliche Verbindung besteht (Ehegatten und Eltern-Kind-Beziehung), ist Notwehrrecht eingeschränkt (nicht ausgeschlossen)
  • Rechtsbewährungsprinzip kann sich aufgrund der Verpflichtung zu gegenseitiger Rücksichtnahme und Solidarität nicht voll entfalten
  • str, ob eheliche Zerrüttung diese Einschränkung wieder aufheben kann
  • dies soll nur bei vollständiger und erheblicher Zerrüttung der Fall sein, weil gesetzlich fundierte Vermutung für fortbestehendes Vertrauen existiert (wenn Scheidung nicht eingereicht ist)
  • hier auch andere Anhaltspunkte diskutieren: woran macht man enge persönliche Verbindung fest? was ist, wenn sie nicht in Hausgemeinschaft wohnen? was ist, wenn sie sich nicht mögen? wenn enge persönliche Beziehung aufgehoben ist? –> diskutieren, Entscheidung am Ende egal, klausurtaktisch entscheiden.
17
Q

Fallgruppe 5: Erpressungsangriff (Chantage)

A

§ 240:

  • gegenwärtiger Angriff auf die Willensentschließungsfreiheit, der noch fortdauert, solange er im Raum steht; nicht mit Ausspruch beendet, sondern so lange gegenwärtig, wie Bedrohungslage weiter aufrechterhalten wird
  • Rechtswidrig +

Erforderlichkeit?
könnte sich an Strafverfolgungsbehörden wenden; Anzeige bei Polizei? damit müsste sich derjenige aber selbst belasten; dies ist ihm nicht zumutbar (nemo tenetur)
zwar § 154c StPO, aber keine Garantie, daher erforderlich.

Gebotenheit: Einschränkung, weil Rechtsbewährungsinteresse auch hier gemindert; nur leichte bis mittlere Beeinträchtigungen gerechtfertigt, weil er selbst auf der Seite des Unrechts steht.

18
Q

Fallgruppe 6: Gelten die Rechtfertigungsgründe auch für sich im Dienst befindliche Polizeibeamte?

§ 54 II PolG knüpft Schusswaffengebrauch an striktere Voraussetzungen.

A

A1: Die Befugnisse der Amtsträger sind in den entsprechenden Gesetzen geregelt; die allgemeinen Regeln des StGB sind daher nicht anwendbar; Grund: das PolG als spezialgesetzliche Ermächtigungsgrundlage; außerdem sind Polizeibeamte zu erhöhter Gefahrtragung verpflichtet
Kritik: Polizist steht schlechter als Privatperson.

A2: Darf sich auch auf StGB berufen; weil er nicht schlechter stehen soll als Privatperson; Kritik: haben Schusswaffen immer dabei und dürften sich derer derart unkontrolliert bedienen; eigentlich soll Notwehrrecht Ausnahmecharakter haben

A3: StGB nur, wenn zum Zwecke der Selbstverteidigung gehandelt; weil das PolG dem Polizisten nicht das natürliche Recht zur Selbstverteidigung nehmen darf

A4: Trennung zwischen StGB und PolG: Verhalten kann also strafrechtlich gerechtfertigt, aber polizeirechtlich rechtswidrig sein; gegen Einheit der Rechtsordnung ?

Bundesrecht geht dem Landesrecht vor!
Privatpersonen dürfen nicht besser stehen!
Selbstverteidigung muss gewährleistet sein!

19
Q

Existenz eines staatlichen Folterverbots (Daschner-Fall)

Stichwort: Androhung von Zwangsmaßnahmen geboten im Rahmen von § 32?

A

Unterliegen die Polizisten sozialethischen Einschränkungen?

  • dafür spricht der Menschenwürdegrundsatz gem. Art. 1 I GG (findet sich auch in Art. 104 I 2 GG); keiner Abwägung zugänglich
  • ABER es besteht Konflikt zwischen Menschenwürde des Täters und Menschenwürde des Opfers; zwar ist der Staat immer noch an Folterverbot gebunden, der Handelnde wäre als Privater dann aber nicht zu bestrafen
  • die körperliche Unversehrtheit wiege weniger als das Leben des Opfers, zumal sich der Täter bewusst in diese Situation manövriert hat (Erst-recht-Schluss wird auch aus finalem Rettungsschuss gezogen!)
  • andere plädieren dafür, dass nur solche Mittel eingesetzt werden dürfen, die nicht zu einer Misshandlung der Person führen (Hypnose/Täuschung)
  • aA will Drohung, aber nicht Anwendung von Gewalt zulassen

–> im Ergebnis muss Verfassung die Grenze setzen; es lässt sich nicht zwischen Staat und Privatem unterscheiden; finaler Rettungsschuss anders, weil Täterschaft dort sicher ist und sich gegen Recht auf Leben, nicht gegen Menschenwürde richtet

20
Q

Fallgruppe 7: Absichtliche Tötung zur Verteidigung von Sachwerten durch Art. 2 II a EMRK iVm Art. 2 I 2 EMRK eingeschränkt?

A

Siehe Repetico Ausführungen: und Heinrich Arbeitsblatt dazu!

A1: EMRK ist im Range eines einfachen Bundesgesetzes (Art. 59 II GG) und GG ist im Lichte der EMRK auszulegen (Völkerrechtsfreundlichkeit des GG); EMRK hat jedenfalls Reflexwirkung auf privater Ebene; Art. 13 lässt Rückschluss zu, dass private Verletzungen Normalfall sind; Kritik: Bürger-Staat Verhältnis normal
A2: nur unmittelbare Wirkung im Verhältnis Bürger-Staat
A3: Übereinstimmung, auch EMRK will nur die absichtliche Tötung verhindern, die im deutschen Recht wohl auch an der Erforderlichkeit scheitert

–> iE nur Bürger-Staat Verhältnis und kann gerechtfertigt werden im Einzelfall

21
Q

Anhang: Fallgruppe 2: Notwehrprovokation

WOHL DIE WICHTIGSTE FALLGRUPPE, IMMER MAL ANDENKEN !!!

A

So einleiten:
Denkbar wäre eine sozialethische Einschränkung des Notwehrrechts aufgrund der vorwerfbaren Herbeiführung der Notwehrlage. Diese Fallgruppe existiert, weil man schlecht von Rechtsbewährung sprechen kann, wenn Verteidiger selbst vorwerfbar an seiner Notwehrlage beteiligt war. (Gedanke des Rechtsmissbrauchs)

Man könnte mit der aiic argumentieren: Zwar sei die Verteidigungshandlung gerechtfertigt, jedoch das unerlaubte Herbeiführen führt zu einer Vorsatz-/oder Fahrlässigkeitsstrafbarkeit. Es ist jedoch schwer zu erklären, wie das Ermöglichen einer gerechtfertigten Handlung strafbewehrt sein soll. Wertungswiderspruch.

Daher führt das vorwerfbare Herbeiführen einer Notwehrlage zu einer sozialethischen Einschränkung des Notwehrrechts

22
Q

Wie unterscheidet man bei Notwehrprovokation?

A
  • bei Absichtsprovokation ist Notwehrrecht aufgrund des Missbrauchsgedankens gänzlich zu verwehren (kann gut dazu führen, dass beide Seiten rechtswidrig handeln.)

A1: volles Notwehrrecht, weil Rechtsgüterschutz vorgeht; es liegt rw Angriff vor, Rechtsbewährungsinteresse, das Recht braucht dem Unrecht nicht zu weichen, der Provozierte muss widerstehen
A2: gar kein Notwehrrecht, weil Gedanke des Rechtsmissbrauchs und Rechtsbewährungsprinzip dann gerade nicht trägt
A3: willigt in Angriff ein, sodass kein rw Angriff vorliegt; Kritik: § 216, 228 steht entgegen, bloße Fiktion
A4: actio illicita in cause: Notwehr zwar möglich, aber dann aus provozierender Handlung und damit aus Verursachung der Tat bestraft; Kritik: widersinnig, lebensfremd, abzulehnen wie actio libera in causa

Für nicht-absichtliche, aber sonst vorwerfbare (fahrlässige) Herbeiführung der Notwehrhandlung gilt Drei-Stufen-Theorie:

  1. Ausweichen oder Hilfe rufen
  2. Schutzwehr, selbst wenn damit geringe Beeinträchtigungen einhergehen
  3. Trutzwehr (Todesgefahr muss er sich dennoch nicht aussetzen)
    - -> hat sich eigens partiell dem Schutze der Rechtsordnung entzogen

Bei bedingt vorsätzlicher Provokation muss der Provozierende wohl alle Gelegenheiten der Schutzwehr wahrnehmen, auch wenn dies mit gewissen Lebensgefahren verbunden ist

23
Q

Muss Provokationsverhalten rechtswidrig sein oder sozialethisch wertwidrig, um Einschränkungen zu begründen? (bei sonst vorwerfbarem Verhalten)

A
  • hL verlangt rechtswidriges Vorverhalten (sonst kann kaum Notwehrrecht eingeschränkt werden)
  • BGH hat dafür auch sozialethisch wertwidriges Vorverhalten genügen lassen

–> BGH Meinung ist aber fraglich, weil Rechtsbewährungsinteresse eigentlich nur bei rechtswidrigem Vorverhalten zurücktreten muss

24
Q

Subjektives Rechtfertigungselement

A
  • die Kenntnis der Notwehrsituation
  • Verteidigungswille (dieser muss nicht alleiniges Motiv sein, muss aber mitbestimmend sein und darf hinter den anderen Beweggründen nicht völlig in den Hintergrund treten)

Wie prüft man?

  • Welche Anforderungen an Kenntnis der Notwehrlage?
  • Ist darüber hinaus auch Verteidigungswille zu fordern?
  • Was passiert beim Fehlen des subjektiven Elements?

ABGRENZUNG ZWISCHEN KENNTNIS UND WILLE NICHT SO RICHTIG KLAR BEI STREITSTÄNDEN..

25
Q

Frage 1: Ist ein Verteidigungswille überhaupt notwendigerweise zu verlangen ?

A

Nein, weil sonst unzulässige Bestrafung des Gesinnungsunwerts; Motive dürfen nicht über Rechtmäßigkeit entscheiden; Rechtsbewährungsinteresse auch unabhängig von Motiven da

Ja, weil §§ 32, 34 (um zu) subjektives Element fordern; und zur Kompensation des Handlungsunwertes;

26
Q

Frage 2: Was passiert, wenn Täter Vorliegen der Notwehrlage nicht kennt?

(nur wirklich relevant bei Vollendung, bei Versuch kann es offengelassen werden)

A

A1: mM: nur objektive Notwehrlage ist ausschlaggenbend, also auch gerechtfertigt, wenn er keine Kenntnis von Notwehrlage hatte; sonst Gesinnungsstrafrecht; Rechtsbewährungsinteresse auch objektiv
hM: fordert aber die Kenntnis der Notwehrlage, um Handlungsunwert zu kompensieren; nur derjenige, der darum weiß, kann die Rechtsordnung verteidigen

RF:
BGH/Lit.: nehmen Strafbarkeit aufgrund vollendeter Tötung an: Das Recht kann sich nur dort bewähren, wo es vom Verteidiger auch erkannt wird.

Lit.: nur wegen Versuchs zu bestrafen (direkt oder eher analog), weil Handlungsunwert der Tat zu bejahen ist, während der Erfolgsunwert fehlt; was genau der Konstellation des Versuchs entspricht –> das unter eigenem Prüfungspunkt prüfen, und an Fehlen einer objektiv rechtswidrigen Tötung anknüpfen)

–> wenn Versuch nicht strafbar ist, dann bleibt es bei Straflosigkeit

27
Q

Frage 3: Genügt für das subjektive Element der Kenntnis der Notwehrlage ein nur für möglich gehaltener Angriff?

A

Rspr: lässt das ausreichen
Lit.: lässt es nicht genügen; aber gespaltene Ansichten:

A1: für RF-Vorsatz muss gleiches gelten wie für Tatbestandsvorsatz (bedingter Vorsatz reicht also)
A2: teilweise wird ein über das bloße Fürmöglichhalten hinausgehendes Vertrauen oder positive Kenntnis gefordert, weil sich Täter sonst mit der Möglichkeit des Nichtangriffs abfindet

28
Q

Nothilfe, § 32 II Alt. 2

A

= Notwehr für einen Dritten

  • nicht gegen den ausdrücklichen oder konkludent zum Ausdruck gebrachten Willen des Angegriffenen möglich!
  • -> es existiert keine aufgedrängte Nothilfe; da scheitert es schon an der Nothilfelage (Obj) (nicht subjektiv durch missverständlichen “doppelten Verteidigungswillen”)
29
Q

Sind unter “einem anderen” in § 32 II Alt. 2 auch Tiere zu verstehen?

LG Magdeburg 2018!

A

nahm eine Rechtfertigung des Hausfriedensbruchs nach § 32 II Alt. 2 StGB an!

  • Tieren sei der Status des “anderen” iSd § 32 II zuzuerkennen; aA leitet aus durch Tierquälerei hervorgerufenem Mitleidsgefühl Notwehrrecht her, aber das ist kein Individualrechtsgut!
  • aber fraglich, weil Wortsinn etwas anderes ergibt
  • richtiger ist der Gang über § 34 StGB (Erforderlichkeit dann aber fraglich, weil Behörden vllt auf anderem Wege einschreiten könnten)
30
Q

Fallgruppe 2: Bagatellangriffe

A

hier muss Rechtsbewährungsinteresse wohl zurücktreten; auch Gedanke des Rechtsmissbrauchs; gänzlich versagen oder Abstufung, je nach Einzelfall..