Unterlassen Flashcards
Klausurprüfungsreihenfolge:
- Vorprüfung: Positives Tun oder Unterlassen?
- Objektiver Tatbestand:
- Erfolg
- Unterlassen der Abwendung des Erfolgs bei objektiver Möglichkeit zur Vornahme der gebotenen Handlung
- Quasi-Kausalität
- Objektive Zurechnung
- Garantenstellung
- (Entsprechensklausel nur bei verhaltensgebundenen Delikten) - Subjektiver Tatbestand: Vorsatz bzgl. des Erfolgs und Kenntnis bzgl. der Tatsachen, die die Garantenstellung begründen
- RF
- Schuld
- Zumutbarkeit normgemäßen Verhaltens
- Gebotsirrtum (§ 17 StGB)
Theorien zur Abgrenzung von Tun und Unterlassen:
Schwerpunktformel: Abzustellen ist nach normativen Gesichtspunkten auf den Schwerpunkt der strafrechtlichen Vorwerfbarkeit; Kritik: sehr unbestimmt
Lehre vom Energieeinsatz: Aufwenden oder Nichtaufwenden von Energie; Kritik: bei mehrdeutigen Verhaltensweisen untauglich
Lehre “im Zweifel für die Handlung”: ergibt für den Schwerpunkt des strafrechtlichen Handelns häufig keinen Sinn, wenn Tun nichts zum Erfolg beigetragen hat
Lehre vom Primat des kausalen Tuns
Kausalität beim Unterlassen?
hM: Kann das Tun des Täters hinzugedacht werden, ohne dass der Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entfiele ?(Vermeidbarkeitstheorie)
aA: Risikoverminderungslehre: dabei genügt schon die Möglichkeit, dass das Tun den Erfolg abgewendet haben könnte; Begründung: Täter hätte durch Unterlassen Risiko geschaffen, das er abzumildern verpflichtet war; Kritik: durch das Unterlassen wurde gerade kein nachweisliches Risiko geschaffen wie bei den Fahrlässigkeitsdelikten
–> Aufbauhinweis:
Man sollte die Kausalität nach der Vermeidbarkeitstheorie feststellen und dann: “Eine weitergehende Auffassung stellt den Zusammenhang nach Zurechnungsgrundsätzen in der Weise her, dass…abzulehnen, weil…Es ist daher der herrschenden Vermeidbarkeitstheorie zu folgen.”
Warum ist es relevant, das Tun vom Unterlassen zu unterscheiden?
- weil der Unterlassungstäter milder bestraft werden kann nach § 13 II StGB
- weil eine Begehung durch Unterlassen nur bei weiteren Voraussetzungen gegeben ist (Garantenstellung etc.)
Unterlassen durch Tun 1:
Abbruch von Rettungsbemühungen
er begründet keine neue Gefahr oder erhöht eine bestehende, er belässt die Situation einfach so, wie sie war, und ist daher wegen Unterlassens zu bestrafen.
–> je nach Situation abgrenzen: Ob aktiv in einen rettenden Kausalverlauf eingegriffen wird, oder ob die Dinge einfach laufen gelassen werden
–> entscheidend ist, ob eine bei ungehindertem Geschehensablauf realisierbare Rettungschance zunichte gemacht wird: dann Tun
Unterlassen durch Tun 2:
Einstellung lebenserhaltender medizinischer Maßnahmen
Fraglich, ob es sich um ein Tun oder Unterlassen handelt: Lit. sagt, dass es Unterlassen gleichkommt; BGH bleibt bei Tun
bei “Hilfe im Sterben”: lebensrettende Maßnahmen werden in unmittelbarer Todesnöte eingestellt: begründet schon nicht den Tatbestand, weil keine Garantenpflicht mehr besteht.
auf RF-Ebene dann passive Sterbehilfe/Einwilligung der Betroffenen prüfen; muss wohl durch Arzt durchgeführt werden, um von “Behandlungs”Abbruch sprechen zu können; aber auch durch Hilfspersonen mit Zustimmung des Arztes
Unterlassen durch Tun 3:
Omissio libera in causa
wie actio libera in causa, nur ist man im relevanten Zeitpunkt dann unfähig, etwas zu tun; und das wird dann alles als Unterlassen gewertet (?)
Schutzgarantenstellung
Überwachergarantenstellung
Der Garant hat sich vor den Beschützenden zu stellen und ihn vor allen äußeren Gefahren zu beschützen.
Der Überwachergarant hat die Außenwelt vor den ausgehenden internen Gefahren zu schützen.
Schutzgarantenstellung 1:
Garantenstellung aufgrund enger persönlicher Verbundenheit
Ehegatten, Verlobte, Verwandte in gerader Linie, Geschwister, Lebenspartner; Eltern für Kinder ja; Kinder für Eltern fraglich (§ 1618a als Indiz; ansonsten häusliche Lebensgemeinschaft und persönliche Verbundenheit prüfen?)
auch mal auf zivilrechtliche Vorschriften verweisen
bei familiären Beziehungen sollte man diskutieren, ob das allein genügt oder ob ein Obhutsverhältnis notwendig ist; nur dann ist eine Garantenstellung rational begründbar (LG Kiel)
Sonderproblem 1: Zerrüttung
Wenn Ehe zerrüttet ist und dies zu einem Getrenntleben geführt hat, dann soll das gegenseitige Vertrauensverhältnis gestört sein und die Garantenstellung nicht mehr bestehen.
Nach dem BGH ist der Trennungswille ausschlaggebend.
Sonderproblem 2: Anzeigepflicht unter Ehegatten aufgrund natürlicher Verbundenheit mit dem Kind?
BGH sagt ja, weil Schutz des Kindes Vorrang vor Art. 6 I GG genieße.
Schutzgarantenstellung 2:
Garantenstellung aus Gefahrengemeinschaft
Es muss sich dabei um Zusammenschlüsse handeln, die gerade deshalb eingegangen werden, um dadurch die Chancen zum Bestehen der aus der Unternehmung resultierenden Gefahren zu erhöhen (Soldaten im Ernstfall, Expeditionen, Tauchergruppen etc.)
Schutzgarantenstellung 3:
Garantenstellung aus tatsächlicher freiwilliger Übernahme von Schutz- und Beistandspflichten
Übernahme der ärztlichen Behandlung, der Geburtshilfe, der Bergführung, der Badeaufsicht, der Kinderaufsicht etc.
aufgrund des tatsächlichen Übernahmeaktes wird das Vertrauen des Schutzbefohlenen/Dritten begründet (egal, ob zivilrechtlicher Vertrag wirksam ist oder nicht)
Sonderproblem 1:
Kann aus einem Beginn der Hilfeleistung eine Garantenstellung aus tatsächlicher Übernahme einer Schutzfunktion erwachsen?
Ja, wenn der Helfende die Situation des Hilfsbedürftigen wesentlich, nachteilig verändert –> andere Personen verlassen sich auf eine ausreichende Versorgung und das Opfer wird andererseits dem Wirkungsbereich anderer (hilfsbereiterer) Personen entzogen.
Sonderproblem 2: Übernahme von Schutzfunktionen im Rahmen bestehender Arbeitsteilung
Wuppertaler Schwebebahn-Fall