Unterlassen Flashcards

1
Q

Klausurprüfungsreihenfolge:

A
  1. Vorprüfung: Positives Tun oder Unterlassen?
  2. Objektiver Tatbestand:
    - Erfolg
    - Unterlassen der Abwendung des Erfolgs bei objektiver Möglichkeit zur Vornahme der gebotenen Handlung
    - Quasi-Kausalität
    - Objektive Zurechnung
    - Garantenstellung
    - (Entsprechensklausel nur bei verhaltensgebundenen Delikten)
  3. Subjektiver Tatbestand: Vorsatz bzgl. des Erfolgs und Kenntnis bzgl. der Tatsachen, die die Garantenstellung begründen
  4. RF
  5. Schuld
    - Zumutbarkeit normgemäßen Verhaltens
    - Gebotsirrtum (§ 17 StGB)
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2
Q

Theorien zur Abgrenzung von Tun und Unterlassen:

A

Schwerpunktformel: Abzustellen ist nach normativen Gesichtspunkten auf den Schwerpunkt der strafrechtlichen Vorwerfbarkeit; Kritik: sehr unbestimmt

Lehre vom Energieeinsatz: Aufwenden oder Nichtaufwenden von Energie; Kritik: bei mehrdeutigen Verhaltensweisen untauglich

Lehre “im Zweifel für die Handlung”: ergibt für den Schwerpunkt des strafrechtlichen Handelns häufig keinen Sinn, wenn Tun nichts zum Erfolg beigetragen hat

Lehre vom Primat des kausalen Tuns

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3
Q

Kausalität beim Unterlassen?

A

hM: Kann das Tun des Täters hinzugedacht werden, ohne dass der Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entfiele ?(Vermeidbarkeitstheorie)

aA: Risikoverminderungslehre: dabei genügt schon die Möglichkeit, dass das Tun den Erfolg abgewendet haben könnte; Begründung: Täter hätte durch Unterlassen Risiko geschaffen, das er abzumildern verpflichtet war; Kritik: durch das Unterlassen wurde gerade kein nachweisliches Risiko geschaffen wie bei den Fahrlässigkeitsdelikten

–> Aufbauhinweis:
Man sollte die Kausalität nach der Vermeidbarkeitstheorie feststellen und dann: “Eine weitergehende Auffassung stellt den Zusammenhang nach Zurechnungsgrundsätzen in der Weise her, dass…abzulehnen, weil…Es ist daher der herrschenden Vermeidbarkeitstheorie zu folgen.”

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4
Q

Warum ist es relevant, das Tun vom Unterlassen zu unterscheiden?

A
  • weil der Unterlassungstäter milder bestraft werden kann nach § 13 II StGB
  • weil eine Begehung durch Unterlassen nur bei weiteren Voraussetzungen gegeben ist (Garantenstellung etc.)
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5
Q

Unterlassen durch Tun 1:

Abbruch von Rettungsbemühungen

A

er begründet keine neue Gefahr oder erhöht eine bestehende, er belässt die Situation einfach so, wie sie war, und ist daher wegen Unterlassens zu bestrafen.

–> je nach Situation abgrenzen: Ob aktiv in einen rettenden Kausalverlauf eingegriffen wird, oder ob die Dinge einfach laufen gelassen werden

–> entscheidend ist, ob eine bei ungehindertem Geschehensablauf realisierbare Rettungschance zunichte gemacht wird: dann Tun

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6
Q

Unterlassen durch Tun 2:

Einstellung lebenserhaltender medizinischer Maßnahmen

A

Fraglich, ob es sich um ein Tun oder Unterlassen handelt: Lit. sagt, dass es Unterlassen gleichkommt; BGH bleibt bei Tun

bei “Hilfe im Sterben”: lebensrettende Maßnahmen werden in unmittelbarer Todesnöte eingestellt: begründet schon nicht den Tatbestand, weil keine Garantenpflicht mehr besteht.

auf RF-Ebene dann passive Sterbehilfe/Einwilligung der Betroffenen prüfen; muss wohl durch Arzt durchgeführt werden, um von “Behandlungs”Abbruch sprechen zu können; aber auch durch Hilfspersonen mit Zustimmung des Arztes

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7
Q

Unterlassen durch Tun 3:

Omissio libera in causa

A

wie actio libera in causa, nur ist man im relevanten Zeitpunkt dann unfähig, etwas zu tun; und das wird dann alles als Unterlassen gewertet (?)

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8
Q

Schutzgarantenstellung

Überwachergarantenstellung

A

Der Garant hat sich vor den Beschützenden zu stellen und ihn vor allen äußeren Gefahren zu beschützen.

Der Überwachergarant hat die Außenwelt vor den ausgehenden internen Gefahren zu schützen.

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9
Q

Schutzgarantenstellung 1:

Garantenstellung aufgrund enger persönlicher Verbundenheit

A

Ehegatten, Verlobte, Verwandte in gerader Linie, Geschwister, Lebenspartner; Eltern für Kinder ja; Kinder für Eltern fraglich (§ 1618a als Indiz; ansonsten häusliche Lebensgemeinschaft und persönliche Verbundenheit prüfen?)

auch mal auf zivilrechtliche Vorschriften verweisen

bei familiären Beziehungen sollte man diskutieren, ob das allein genügt oder ob ein Obhutsverhältnis notwendig ist; nur dann ist eine Garantenstellung rational begründbar (LG Kiel)

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10
Q

Sonderproblem 1: Zerrüttung

A

Wenn Ehe zerrüttet ist und dies zu einem Getrenntleben geführt hat, dann soll das gegenseitige Vertrauensverhältnis gestört sein und die Garantenstellung nicht mehr bestehen.

Nach dem BGH ist der Trennungswille ausschlaggebend.

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11
Q

Sonderproblem 2: Anzeigepflicht unter Ehegatten aufgrund natürlicher Verbundenheit mit dem Kind?

A

BGH sagt ja, weil Schutz des Kindes Vorrang vor Art. 6 I GG genieße.

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12
Q

Schutzgarantenstellung 2:

Garantenstellung aus Gefahrengemeinschaft

A

Es muss sich dabei um Zusammenschlüsse handeln, die gerade deshalb eingegangen werden, um dadurch die Chancen zum Bestehen der aus der Unternehmung resultierenden Gefahren zu erhöhen (Soldaten im Ernstfall, Expeditionen, Tauchergruppen etc.)

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13
Q

Schutzgarantenstellung 3:

Garantenstellung aus tatsächlicher freiwilliger Übernahme von Schutz- und Beistandspflichten

A

Übernahme der ärztlichen Behandlung, der Geburtshilfe, der Bergführung, der Badeaufsicht, der Kinderaufsicht etc.

aufgrund des tatsächlichen Übernahmeaktes wird das Vertrauen des Schutzbefohlenen/Dritten begründet (egal, ob zivilrechtlicher Vertrag wirksam ist oder nicht)

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14
Q

Sonderproblem 1:
Kann aus einem Beginn der Hilfeleistung eine Garantenstellung aus tatsächlicher Übernahme einer Schutzfunktion erwachsen?

A

Ja, wenn der Helfende die Situation des Hilfsbedürftigen wesentlich, nachteilig verändert –> andere Personen verlassen sich auf eine ausreichende Versorgung und das Opfer wird andererseits dem Wirkungsbereich anderer (hilfsbereiterer) Personen entzogen.

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15
Q

Sonderproblem 2: Übernahme von Schutzfunktionen im Rahmen bestehender Arbeitsteilung

A

Wuppertaler Schwebebahn-Fall

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16
Q

Sonderproblem 3: Begründen Amts- und Dienstpflichten zugleich eine Garantenstellung aus Übernahme einer Schutzfunktion

A

nach hM trifft das auf Polizisten und Feuerwehrleute zu.

17
Q

Häufiges Klausurproblem: Schutzgarantenstellung und Pflicht zur Selbstmordhinderung?

A

Der Unterlassende muss Garantenstellung innegehabt haben und das Opfer muss im Rechtssinne unfrei gehandelt haben -> Tötung durch Unterlassen (sonst führte es zur Bevormundung des anderen)

manchmal hat der BGH eine Verantwortungsverschiebung nach eingetretener Handlungsunfähigkeit des Selbstmörders angenommen, weil es in diesem Moment zu einem Tatherrschaftswechsel komme –> diese Auffassung spricht jedoch gegen den Willen des Suizidenten und es ist nicht einzusehen, warum bloßes Untätigbleiben eine Täterschaft begründen soll, während aktive Beihilfe zur Selbsttötung straflos bleibt.

Dann: Selbstmord als Unglücksfall nach § 323c I? Wohl eher -

18
Q

Gedächtnisprotokoll bei Selbsttötungsfällen:

A

I. §§ 212, 25 I Alt. 1 (unmittelbare Täterschaft):
liegt Fremdtötung oder Selbsttötung vor? Ausschlaggebend ist, wer die Tatherrschaft beim Point of no return innehatte.
Wenn diese beim Opfer lag, ist weiter zu prüfen:

II. §§ 212, 25 I Alt. 2 (mittelbare Täterschaft):
Freiverantwortlichkeit der Selbsttötungshandlung?
(1) Rechtsguts- und Schuldlösung
(2) Einwilligungslösung, § 216 entsprechend (hier werden Motivirrtümer beachtet)
Sofern Freiverantwortlichkeit gegeben ist, ist weiter zu prüfen:

III. §§ 212, 27 (Beihilfe zur Selbsttötung):
Straflosigkeit feststellen

IV. §§ 212, 13 I (Tötung durch Unterlassen):
Tatherrschaftswechsel ab Bewusstlosigkeit? (BGH +; zutr. Lit. zu verneinen, weil Bevormundung und Widerspruch mit Straflosigkeit der aktiven Beihilfe)

V. § 221 I Nr. 2 (Aussetzung):
erfordert Garantenstellung, die nach wohl obiger hM zu verneinen ist

VI. § 323 c (Unterlassene Hilfeleistung):
Suizid als Unglücksfall? nach Lit. bei Freiverantwortlichkeit zu verneinen

19
Q

Überwachungsgarantenstellung 1:

aus vorangegangenem gefährlichen Tun (Ingerenz)

A

derjenige, der durch vorangegangenes gefährliches Tun die Gefahr eines Schadenseintritts geschaffen hat, ist verpflichtet, diesen Schadenseintritt zu verhindern

  • es soll nahe adäquate Gefahr zwischen Vorverhalten und Folgeschaden bestehen
  • rechtliche Qualität des Vorverhaltens fraglich? BGH nimmt mittlerweile gerechtfertigte oder sozialübliche Handlungen heraus
20
Q

Überwachungsgarantenstellungen 2:

aus der Herrschaft über bestimmte Gefahrenquellen (Verkehrssicherungspflicht)

A

über Haus, Kfz, Fabrik, Tiere, AKWs

21
Q

Überwachungsgarantenstellungen 4:

aufgrund der Verantwortlichkeit für fremdes Verhalten

A

Fraglich ist besonders, ob der Arbeitgeber gegenüber seinen Arbeitnehmern eine Garantenstellung innehat

22
Q

Sonderproblem:

Ist ein Unterlassungstäter Gehilfe oder Mittäter, wenn er die aktive Tat des anderen durch sein Unterlassen unterstützt?

A

A1: Gehilfentheorie: Dadurch, dass der aktiv Handelnde die Täterposition innehat, ist diese besetzt und der andere ist immer nur Teilnehmer.

A2: differenziert nach Garantenstellungen: Schutzgaranten sind Täter, Überwachergaranten sind Teilnehmer (wobei nicht einzusehen ist, warum nach den einzelnen Stellungen differenziert werden soll)

A3: Garant ist kraft seiner Pflichtenstellung immer Mittäter

BGH: stellt auf innere Haltung zur Tat und zum Taterfolg ab

23
Q

Echtes Unterlassungsdelikt: § 323c

A

Unglücksfall = plötzlich eintretendes Ereignis, in dem die unmittelbare Gefahr eines erheblichen Schadens für andere Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert begründet ist.

gemeine Gefahr oder Not = für unbestimmte Anzahl an Menschen

(objektiv ex-post Sicht ausschlaggebend)

möglich

erforderlich ist die Hilfeleistung, wenn aus objektiver ex ante Sicht die Gefahr weiterer Schäden droht (auch Linderung ist erforderlich)

zumutbar: richtet sich nach dem Grad der eigenen Gefährdung und den persönlichen Fähigkeiten

vollendet ist die Tat, wenn Täter Möglichkeit erkennt und nicht sofort nutzt; wenn später nachgeholt, dann wendet Rspr Vorschriften über tätige Reue analog an.

  • 115 III wenn Behinderung mit Gewalt
  • 323c II wenn ohne Gewalt bei professionellen Helfern; auch mit Gewalt bei nicht professionellen (240)
  • -> Erschwernis der Hilfeleistung ausschlaggebend