Strafzumessung in der Revision Flashcards
Stunde 10 (fertig)
Wenn sich der Schuldspruch (13 Fälle eines Diebstahls) ändert, dann ändert sich auch der…?
Rechtsfolgenausspruch (Strafausspruch und damit auch die Strafzumessung)
Was ist die Berufung?
Eine zweite erste Instanz (eine zweite erstinstanzliche Hauptverhandlung). Das Berufungsgericht führt das Verfahren als zweite Tatsacheninstanz so durch wie es auch die erste Instanz getan hat und setzt eine RF fest. Am Ende steht eine Strafe wie nach der ersten Instanz auch.
Was macht das Revisionsgericht?
Es arbeitet nicht noch einmal das ganze Geschehen auf, sondern überprüft nur das Urteil auf Rechtsfehler hin, § 337 StPO.
Es sieht den Angeklagten nicht noch einmal vor sich und es erhebt keinen Beweis.
Es hebt das Urteil der Vorinstanz auf und verweist zurück an das neue Tatgericht, in der Sache, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Revisionsgerichts, neu zu entscheiden und eine RF zu setzen.
Welche Frage stellt sich für das Revisionsgericht?
Welche Grenzen bestehen für das Revisionsgericht bei der reinen rechtlichen Überprüfung eines RF-Ausspruchs durch das Tatgericht?
Welche Möglichkeit hat das Revisionsgericht überhaupt, auf die Strafe zuzugreifen zumal es den Angeklagten nicht in einer öffentlichen Hauptverhandlung erlebt und selbst keine Beweise erhebt, sondern nur das Urteil auf Rechtsfehler überprüft?
Um welche Fragen geht es bei der Strafzumessung in der Revision?
Inwiefern kann die Strafzumessung revisionsgerichtlich überprüft werden?
Gibt es Fälle, in denen das Revisionsgericht ausnahmsweise eine eigene RF-Entscheidung treffen kann?
Ja:
- § 354 Ia StPO
- § 354 StPO + Analogien hierzu
In welche beiden Gruppen können die Rechtsfehler eingeteilt werden?
In der Revision können zwei verschiedene Rügen erhoben werden:
- Sachrügen: betreffen die Anwendung des materiellen Rechts auf den festgestellten SV (Subsumtion unter die Strafnormen, Beweiswürdigung, Strafzumessung + Strafzumessungsbegründung)
- Verfahrensrügen: betreffen Verfahrensfehler
Vgl. § 344 II 2 StPO
Was passiert auf die Sachrüge hin?
Die Strafzumessungsbegründung so wie sie im Urteil steht wird vollständig vom Revisionsgericht überprüft.
Was muss das Revisionsgericht bei der Sachrüge überprüfen?
Bestimmung des Strafrahmens
- Gibt es einen Sonderstrafrahmen?
- Gibt es Strafrahmenverschiebungen gem. § 49?
- Liegt ein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot des § 50 vor?
Das konkrete Strafmaß ist für das Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüfbar denn es gibt nicht nur ein rechtlich vertretbares konkretes Strafmaß, sondern einen Spielraum der schon und noch schuldangemessenen Strafe; innerhalb des Spielraums finden general- und spezialpräventive Gesichtspunkte Berücksichtigung. Es verbleibt ein Bereich innerhalb dessen der letzte Akt (Festsetzung der konkreten Strafe) durch das Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüfbar ist (Ermessen => Strafzumessung = Domäne des Tatrichters; Einschätzungsprärogative des Tatgerichts, da dieses den Angeklagten in der Hauptverhandlung live erlebt).
Anhand welchen Maßstabs prüft das Revisionsgericht?
Rechtsanwendung hinsichtlich
- Bestimmung des Strafrahmens
- Verschiebung des Strafrahmens (§ 49)
- Sammeln der zu berücksichtigenden Strafzumessungserwägungen gem. § 46 II
Ermessen des Tatrichters hinsichtlich der Festsetzung der konkreten Strafe innerhalb des Spielraums der schon bzw. noch schuldangemessenen Strafe.
Was sind mögliche Eingriffsmöglichkeiten des Revisionsgerichts hinsichtlich der Strafzumessungsentscheidung?
- die Strafzumessung als solche ist fehlerhaft (betrifft Rechtsanwendung)
- im Rahmen der Strafzumessungsbegründung wurden allgemein anerkannte Strafzwecke nicht berücksichtigt (general- oder spezialpräventive Gesichtspunkte), obwohl sich dies im konkreten Fall anbieten würde (betrifft Ermessen)
- die Strafe bewegt sich nicht innerhalb des Spielraums, der für den Fall angemessen wäre (betrifft Ermessen)
P: Was steht in Rede, was noch durch das Revisionsgericht überprüfbar sein soll?
Entspricht die Strafe dem, was üblicherweise als Strafe verhängt wird (Vertretbarkeitskontrolle)? Wird der Bereich des Üblichen verlassen (Ausreißer)? Ist die Strafe deutlich zu hoch oder deutlich zu niedrig? Hebt das Revisionsgericht die Strafe deshalb auf und verweist es sie daher zurück an das Tatgericht?
Welche Anknüpfungspunkte gibt es für die Vertretbarkeitskontrolle?
- Das Verfehlen des angemessenen Strafmaßes an sich ist schon ein Rechtsfehler
- Wenn die Abweichung von dem was üblicherweise als Strafe verhängt wird zu groß ist, bedarf es eines größeren Begründungsaufwandes. Diesem ist das Tatgericht vorliegend nicht nachgekommen (= Darstellungsmangel/ Begründungsdefizit). Der Angeklagte hat einen AS darauf zu erfahren, warum er so viel strenger behandelt wird als andere. Dem Begründungsaufwand ist das Tatgericht nicht nachgekommen. Es wird nicht behauptet, dass die Ungleichbehandlung rechtsfehlerhaft ist, sondern es wird festgestellt, dass es zu einer erheblichen Abweichung gekommen ist im Vergleich zu dem, was üblicherweise verhängt wird und dass das Urteil nicht genügend Anhaltspunkte dafür warum es zu dieser Abweichung gekommen ist (Begründungsdefizit).
Welche Probleme stellen sich im Zusammenhang mit der Vertretbarkeitskontrolle?
-
Was ist der Maßstab an dem sich das Tatgericht orientieren soll?
Es fehlen empirische Daten um einen Maßstab festzulegen für das, was das Übliche ist; zudem gibt es regionale Unterschiede -
Die Gleichsetzung von Üblichkeit und Richtigkeit ist problematisch
(die Abweichung von der Übung soll einen Rechtsfehler iSd § 337 StPO darstellen, was ist aber wenn die Übung ihrerseits unrichtig ist?)
Was gilt für die Urteilsbegründung (relevant im Hinblick auf ein Begründungsdefizit)?
§ 267 III StPO: Gegenstand des Strafurteils muss insbesondere auch die Begründung der Strafzumessung sein.
Das Revisionsgericht kann anmerken, dass zwar alles so stimmen mag (Abweichung vom Üblichen ist in Ordnung), es liegt aber ein Begründungsmangel vor: Das Tatgericht hat nicht genügend begründet, wie es zu seinen Schlüssen bzw. zu seiner Beweiswürdigung gekommen ist. Möglicherweise ist diese richtig, das Revisionsgericht kann dies jedoch nicht überprüfen weil zu wenig dargelegt wurde.
Allein deshalb liegt ein Rechtsfehler vor (Darlegungsverstoß aufgrund eines Darlegungsmangels).
Was ist der erste Anknüpfungspunkt für das Revisionsgericht?
Das Abstellen auf die Unvertretbarkeit iS des Verfehlen des angemessenen Strafmaßes als Rechtsfehler (Strafe höher als das untere Drittel; hohe FS wegen einer Sachbeschädigung; alle Tatbeteiligten bekommen die gleiche Strafe obwohl nicht vergleichbare Tatbeiträge).
Begründungsdefizit als Ausweichskonstruktion.
Was sind Vergleichsmaßstäbe?
- Platzierung innerhalb der Schwereskala eines TB
- Vergleich mit Strafen für andere TB
- Vergleich der Strafen mehrerer Tatbeteiligter
Was stellt einen absoluten Revisionsgrund iSd § 338 StPO dar?
Ein Verfahrensverstoß
Was sind die (faktischen) Grenzen einer engen Vertretbarkeitskontrolle?
- Fehlen belastbarer Kenntnisse “üblicher Strafen” (keine hinreichenden statistischen Kenntnisse: es gibt keine Tabellen, wie die Strafen ungefähr aussehen sollten; ein Revisionsgericht, dass Erkenntnisse darüber hat, dass es unterschiedliche Üblichkeiten in HH, B, M gibt, kann nicht sagen, was “das Übliche” ist)
- Unzureichende Informationsgrundlage des Revisionsgericht (keine persönlichen Eindrücke des Angeklagten, keine Möglichkeit entsprechender Beweisaufnahme)
- Die Abfassung der Urteilsgründe steht stärker unter dem Gesichtspunkt der Rechtfertigung als der Offenlegung von Gründen (der Tatrichter schreibt das Urteil sodass es nach Möglichkeit revisionssicher ist und lässt seine tatsächlichen Beweggründe weg)
Was ist der Regelfall bei einer erfolgreichen Revision?
Eine Aufhebung des Urteils und eine Zurückverweisung. Ein neues Tatgericht entscheidet die Sache neu unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Revisionsgerichts.
Nur selten verurteilt das Revisionsgericht einen Fall abschließend.
Wann verweist das Revisionsgericht u.a. zurück?
Bei Fehlern im Bereich der Strafzumessung, wenn die Strafe aus Sicht des Revisionsgerichts (die Strafzumessung oder der Weg zur Strafzumessung) fehlerhaft ist.
Was beschrieben die §§ 349 ff. StPO?
Die Entscheidungsmöglichkeiten des Gerichts in der Revision:
Das Revisionsgericht entscheidet ohne Hauptverhandlung durch Beschluss.
Was sagt der § 354 Ia StPO?
Wann eine Sachentscheidung des Revisionsgerichts möglich ist (also nicht nur eine Aufhebung und Zurückverweisung an das Tatgericht).
Es hat zwar bei der Strafzumessung einen Fehler gegeben. Das, was herausgekommen ist, ist jedoch angemessen und in einer neuen Verhandlung wird nichts nenneswert anderes herauskommen. Unnütze Zurückverweisungen werden dadurch verhindert.
Wie sieht die Anwendung des § 354 Ia StPO konkret aus?
Würde das Revisionsgericht ein Urteil wegen der Bestimmung eines falschen Strafrahmens aufheben und zurückverweisen, würde das Verbot der reformatio in peius gelten:
D.h. die Strafe dürfte bei einer neuen Verurteilung nicht höher sein. Sie dürfte aber genauso hoch sein. Genau damit wäre aber zu rechnen.
§ 354: Ist damit zu rechnen, dass die Strafe nach Zurückverweisung in einem neuen Verfahren genauso hoch wäre, muss es kein neues Verfahren geben. Das Revisionsgericht kann daher eine angemessene Strafe aufrecht erhalten bzw. herabsetzen.
Welcher Gedanke liegt dem § 354 Ia StPO zugrunde bzw. worum handelt es sich hierbei?
Um eine eigene Strafzumessungsentscheidung des Revisionsgerichts (= eigene RF-Entscheidung): Wenn die Strafe angemessen ist, belassen wir sie, selbst wenn es einen Rechtsfehler in der Strafzumessung gegeben hat.
Das Revisionsgericht nimmt einen eigenen Strafzumessungsakt vor und legt diesen seiner Entscheidung zugrunde.
Würde sich das Revisionsgericht keine eigenen Gedanken darüber machen, wie es als Tatgericht die Strafe finden würde, könnte es nichts zur Angemessenheit der Entscheidung des Tatgerichts sagen.
Worauf ist die Anwendung des § 354 I a StPO beschränkt?
Fehler, die die Strafzumessung betreffen.
Nicht Rechtsfehler in anderen Bereichen.
§ 337: Die Revision ist begründet, wenn das Urteil auf einem Rechtsfehler beruht.
Was ist die VSS für die Anwendung des § 354 I a StPO?
Eine tragfähige tatrichterliche Entscheidungsgrundlage
arg.: Revisionsgericht kennt den Angeklagten nicht, daher müssen genügend Strafzumessungstatsachen im Urteil stehen.
Welche Vorschrift gilt speziell für Einzel- und Gesamtstrafen?
§ 354 Ib StPO
§ 337 StPO: Die Revision ist begründet, wenn das Urteil auf einem Rechtsfehler beruht. Wie unterscheiden sich § 354 Ia StPO von der st. Rspr. der Revisionsgerichte?
st. Rspr.: Nichtaufhebung mangels Beruhen weil eine andere Strafe nicht vorstellbar ist:
Wird ein Rechtsfehler gerügt, glaubt das Revisionsgericht jedoch ausschließen zu können, dass das Urteil ohne diesen Rechtsfehler anders ausgefallen wäre, beruht das Urteil nicht auf dem Rechtsfehler und wird nicht aufgehoben.
Dies ist jedoch ein anderer Fall als der § 354 Ia StPO: Nichtaufhebung weil diese Strafe auch innerhalb des Spielraums liegt und daher als angemessen angesehen wird:
Die Strafe liegt laut Revisionsgericht innerhalb des Spielraums (= angemessene Strafe), eine andere Strafe ist aber vorstellbar.
In welchen Fällen darf das Revisionsgericht eine eigene RF-Entscheidung treffen, also nicht nur aufheben und zurückverweisen?
Kanon in § 354 I StPO
Was darf das Revisionsgericht für Entscheidungen treffen (vgl. § 354 StPO)?
- freisprechen, wenn es der Auffassung ist, der Inhalt des Urteils trägt den Schuldspruch nicht
- auf eine absolut bestimmte Strafe erkennen (lebenslang): hier gibt es keinen Strafzumessungsakt
- die gesetzlich niedrigste Strafe verhängen (Mindeststrafe) in Übereinstimmung mit der StA und dem Tatgericht
In welchen Fällen kann das Revisionsgericht in einer Analogie zu den in § 354 I StPO genannten Konstellationen noch eigene RF-Entscheidungen treffen?
-
Schuldspruchsberichtigung: Beibehalten der Strafe (RF), aber Änderung des Schuldspruchs (Analogie zu § 354 I): Änderung der Verurteilung wegen eines Diebstahls in eine Verurteilung wegen Betrugs unter Beibehaltung der Strafe
(Änderung des Schuldspruchs unter Beibehaltung des Strafausspruchs; Der Schuldapruch wird berichtigt indem er unter eine andere Norm gestellt wird) - Änderung der RF über den Katalog in § 354 I StPO hinaus
In welchem Fall findet diese Schuldspruchberichtigung Anwendung?
Wenn die Revision nur durch den Angeklagten eingelegt wird (Verstoß gegen das Verbot der reformatio in peius droht nicht wenn die RF gleich bleibt)
Können in einer Analogie zu § 354 I StPO auch die RFen über den Katalog hinaus durch das Revisionsgericht geändert werden?
(+)
- Korrektur einer Strafe, die das gesetzliche Höchstmaß überschreitet
- Korrektur eines Tagessatzes wenn bei dessen Berechnung etwas falsch gelaufen ist
- Nachholung einer unterlassenen Anordnung von Zahlungserleichterungen
Was ist ein weiteres Problem in der Revision?
Es gibt lediglich das Protokoll.
Audiovisuelle Aufzeichnung der Hauptverhandlung nur in bestimmten Fällen (§ 256 StPO).
Begrenzte Möglichkeit der Rekonstruktion der Hauptverhandlung.
Revisionsbegründung vs. Urteil