Sicherungsverwahrung Flashcards

Stunde 13 (fertig)

1
Q

Wo ist die Sicherungsverwahrung geregelt?

A

§§ 66 ff. StGB

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2
Q

Worum handelt es sich bei der Sicherungsverwahrung?

A

um eine stationäre Maßnahme

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3
Q

Was ist der Unterschied zwischen der Sicherungsverwahrung und der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus?

A

Die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus erfolgt aufgrund der fehlenden Schuldfähigkeit. Die Sicherungsverwahrung betrifft Fälle, in denen eine Strafe ausgesprochen wurde (sie kann neben der FS angeordnet werden). Nach Ablauf der schuldangemessenen Strafe erfolgt eine weitere stationäre (nicht nur ambulante (Führungsaufsicht)) Sicherung. Die Gesellschaft will sich vor Tätern schützen, die nicht als krank iSv schuldunfähig bewertet wurden.

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4
Q

Warum handelt es sich um eine besonders einschneidende Maßnahme?

A

Über das Maß der schuldangemessenen Strafe hinaus wird jemanden weiter die Freiheit entzogen. Die Schuld ist verbüßt. Es geht nur noch um Prävention (Gefährlichkeit). VHMK speilt daher eine große Rolle (grundrechtsinvasiv).
Jemand wird aufgrund einer Prognose die Freiheit entzogen. Niemand weiß allerdings, ob sich diese Prognose bewahrheitet. Der Täter erbringt also ein Sonderopfer. Die Maßnahme ist daher verfassungsrechtlich im hohen Maße legitimationsbedürftig.

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5
Q

Wie wird die Sicherungsverwahrung angeordnet?

A
  • die Verhängung einer Maßregel ist abhängig von einer Anlasstat und der Einsicht, dass ein Mensch gefährlich ist
  • mit der strafrechtlichen Verurteilung wird zugleich die Sicherungsverwahrung ausgesprochen
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6
Q

Kann die Sicherungsverwahrung auch nachträglich angeordnet werden?

A

Ein Urteil hat die Tat in seinem Urteil vollständig strafrechtlich gewürdigt (z.B. 10 Jahre FS sind zur Resozialisierung nötig). Stellt sich vor Entlassung aus der Strafhaft (Vollverbüßung) heraus, dass er nach wie vor ein erhebliches Risiko hat, das über die Führungsaufsicht als ambulante Maßnahme nicht abgefangen werden kann, stellt sich die Frage, ob die Möglichkeit einer nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung
besteht.
pro: Es geht um rein präventive Maßnahmen, nicht um Strafmaßnahmen.
contra: Ein Gericht hat in seinem Urteil die Tat vollständig strafrechtlich gewürdigt. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen an einer nachträglichen Verschlechterung des Urteils.
Mittelweg: Anordnung eines Vorbehalts der Sicherungsverwahrung nach Ende der Freiheitsentziehung im Urteil.

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7
Q

Welche Möglichkeiten der Anordnung einer Sicherungsverwahrung gibt es?

A
  • § 66: Anordnung im Urteil anlässlich einer Straftat (Normalfall)
  • § 66a: Vorbehalt der Unterbringung
  • § 66b: nachträgliche Anordnung
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8
Q

Was beinhaltete die Entscheidung des EGMR aus dem Jahre 2009?

A

Der EGMR hat sich gegen eine rückwirkende bzw. rückwirkende verlängernde Anordnung der Sicherungsverwahrung ausgesprochen.

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9
Q

Was hat der EGMR als problematisch angesehen?

A

Die rückwirkende Verschlechterung des Urteils

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10
Q

Was war die Konsequenz der EGMR-Rechtsprechung?

A

Das Gesetz zur Neuregelung der Sicherungsverwahrung (2011).

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11
Q

Was passierte danach?

A

Der EGMR hat sich gegen das Institut der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung ausgesprochen.

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12
Q

Was war die Auffassung des BVerfG hierzu?

A

Das BVerfG hat das Gesamtsystem der Sicherungsverwahrung als verfassungswidrig erklärt (2011). Eine Neuregelung war bi 2013 erforderlich.

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13
Q

Was war die Konsequenz daraus?

A

Das Gesetz zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebots. Daraus ist die jetzige Gesetzeslage entstanden.

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14
Q

Was haben die Entscheidungen der Obergerichte festgestellt?

A

Die Sicherungsverwahrung ist ein besonders schwerwiegender Eingriff. Sie stellt ein Sonderopfer für den Betroffenen dar, weil ihm über die schuldangemessene Strafe hinweg die Freiheit entzogen wird. Dies geschieht weil eine Gefahr besteht zur Sicherung der anderen, wobei nicht bekannt ist, ob sich diese Gefahr realisieren wird.
Verfassungsrechtlich sind daher sowohl an den Vollzug der Sicherungsverwahrung als auch an nachträgliche Verschärfungen/ Rückwirkungen besondere Anforderungen zu stellen.

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15
Q

Was ist die Verletzung des “Abstandsgebots”?

A

Da die Sicherungsverwahrung kein Teil des regulären Strafvollzuges ist, muss die Ausgestaltung (Vollzug der Sicherungsverwahrung) vom normalen Strafvollzug maßgeblich unterscheiden.

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16
Q

Wozu führen Entscheidungen des EGMR?

A

Der EGMR argumentiert nicht in der Dogmatik der StPO oder des StGB, sondern autonomer auf Grundlage der EMRK (liegt ein Verstoß gegen die EMRK vor?). Seine Entscheidungen entsprechen keiner Revisionsentscheidung (das Urteil wird nicht abgeändert). Sie begründen eine besondere Wiederaufnahmemöglichkeit des Verfahrens und führen nur zu SEA ggü der BRD. Das konkrete Strafverfahren bleibt im Ausgangspunkt unberührt.

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17
Q

Wie wirken Entscheidungen des BVerfG demgegenüber?

A

Wenn das BVerfG eine Entscheidung für verfassungswidrig erklärt, wird diese Entscheidung aufgehoben und sie ist nichtig.

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18
Q

Was gilt für den Einsatz von Lockspitzeln und durch sie hervorgerufene Tatprovokationen?

A

BVerfG: Der Einsatz ist in Ordnung soweit die staatliche Tatprovokation nicht zu intensiv ist.
EGMR: Der Einsatz führt zu einem Verfahrenshindernis.

19
Q

Wie sieht das BVerfG die Möglichkeit einer nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung bzw. eine nachträgliche Verlängerung derselben?

A

Es hat sich dagegen ausgesprochen. Es gibt jedoch nach wie vor den § 66b StGB.

20
Q

Inwiefern soll sich die Sicherungsverwahrung an Art. 5 I 2 e) EMRK orientieren (Regelung über Freiheitsentzug psychisch Kranker)?

A

Obwohl der Sicherungsverwahrte nicht krank iSd § 20 StGB ist, ist er abnorm gefährlich und kann daher über seine Schuld hinaus in der Freiheitsentziehung verbleiben. Die Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung muss sich daher eher an den freiheitsentziehenden Maßnahmen für psychisch Kranke orientieren als am “normalen” Strafvollzug, bei dem es um den Schuldausgleich geht.

21
Q

Was sind die VSSen der normale Sicherungsverwahrung gem. § 66 I StGB (= die Sicherungsverwahrung wird mit dem Strafurteil neben der Strafe angeordnet)?

A
  • eine Kombination von Anlasstaten als Anzeichen für die besondere Gefährlichkeit und WH-Gefahr
    (1. Art der Taten
    2. Zahl der Vorverurteilung
    3. Verbüßungsdauer)
  • eine allgemeine, hervorgehobene Gefährlichkeitsprognose
22
Q

Was sind die materiellen VSSen der Sicherungsverwahrung?

A
  • Hang zur Begehung schwerer Straftaten, § 66 I 1 Nr. 4
  • Gesamtwürdigung von Tat und Täter
  • VHMK
23
Q

Müssen die VSSen der Nr. 1 - 4 kumulativ oder alternativ vorliegen?

A

kumulativ
arg.: “und” zwischen § 66 I 1 Nr. 3 und Nr. 4

24
Q

Müssen die VSS innerhalb der Nr.1 a - c kumulativ oder alternativ vorliegen?

A

alternativ
arg.: “oder” zwischen lit. b und c

25
Q

Was ist die RF des § 66 I StGB?

A

Mit dem Strafurteil wird neben der Strafe auch die Sicherungsverwahrung als stationäre Maßnahme angeordnet. Automatisch nach Ende des Strafvollzugs erfolgt die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung.

26
Q

Wie verhält es sich mit dem Ermessen?

A

Im Fall des § 66 I StGB handelt es sich um eine zwingende Entscheidung, daher gibt es hier kein Ermessen.
In allen anderen Fällen liegt Ermessen vor.

27
Q

Was ist ein anderer Fall, wo die Anordnung der Sicherungsverwahrung nicht mit dem Urteil erfolgt?

A

Der Vorbehalt der Anordnung der Sicherungsverwahrung, § 66a StGB.

28
Q

Wo ist der Vorbehalt der Anordnung der Sicherungsverwahrung geregelt?

A

§ 66a StGB

29
Q

Welche Fälle betrifft § 66a StGB?

A

Fälle, in denen die Prognose nicht so schlecht und nicht so eindeutig ist wie in den Fällen des § 66 I StGB, sodass die Sicherungsverwahrung nicht jetzt schon angeordnet werden kann. Der Vorbehalt der Sicherungsverwahrung muss im Urteil angeordnet werden.

30
Q

Warum gibt es den § 66a StGB?

A

Es bestehen verfassungsrechtliche Bedenken, die Sicherungsverwahrung erst zum Ende der FS, also nachträglich anzuordnen. Deswegen behält man sich die Anordnung der Sicherungsverwahrung schon im Urteil vor. Die Entscheidung, ob es zur Sicherungsverwahrung kommt oder nicht, muss bis zum Ende der Vollstreckung der FS getroffen werden.

31
Q

Was ist am Ende der FS zu berücksichtigen?

A

Es wird überprüft wie sich der Gefangene nach einer mehrjährigen Haftstrafe entwickelt hat. Wie ist sein Verhalten gewesen? Welche Aussagen liegen von den behandelnden Ärzten und der Anstalt vor? Wie kann seine Gefährlichkeit nach all dem eingeschätzt werden?

32
Q

Was ist der Unterschied zwischen § 66 und § 66a StGB?

A

Bei § 66 StGB ist sicher, dass die negative Gefahrprognose besteht. Bei § 66a StGB weiß man es nicht hinreichend sicher, aber man hält es für wahrscheinlich.

33
Q

Was sind die VSSen des § 66a StGB?

A

Hinsichtlich der Gefährlichkeitsprognose sagt das Gericht nicht, dass sie sicher vorliegt. Es sagt, sie liegt nicht sicher vor, jedoch hält man es für hinreichend wahrscheinlich, dass sie vorliegt.

34
Q

Welche BGH- Entscheidung aus dem November 2018 spielt im Zusammenhang mit dem Vorbehalt der Sicherungsverwahrung eine Rolle?

A

Das Tatgericht hat die negative Gefahrenprognose für gegeben angesehen, war sich aber nicht hinreichend sicher. Es hat daher den Vorbehalt der SV gem. § 66a angeordnet.
Der BGH hat das Urteil in der Revision aufgrund eines Fehlers aufgehoben und zurückverwiesen.
Der Fall wurde neu verhandelt und das neue Tatgericht ist
zu dem Schluss gekommen, dass die VSSen des § 66 I 1 Nr. 4 vorliegen (negative Gefahrenprognose liegt sicher vor). Es war jedoch der Auffassung, dass es jetzt nicht mehr gem. § 66a den Vorbehalt der SV anordnet kann, da die VSSen nicht vorliegen (hinreichend wahrscheinlich, aber nicht sicher vs. sicher).
Weiterhin kann es nicht die SV nicht jetzt gem. § 66 anordnen, weil dies eine Verschlechterung des Urteils auf das Rechtsmittel des Verurteilen hin bedeuten würde (Verbot der reformatio in peius).
Diese Entscheidung hat der BGH wiederum aufgehoben.

35
Q

Wie hat der BGH vorliegend argumentiert?

A

Es wurde von einem falschen Verständnis vom Verhältnis des Vorbehalts der SV gem. § 66a zur SV gem. § 66 I StGB ausgegangen. Es handelt sich um ein normatives Stufenverhältnis, nicht um ein Verhältnis eines strikten aliuds. Wenn das Tatgericht sicher weiß, dass die Gefährlichkeitsprognose vorliegt, dann umfasst dies auch das nicht sicher Wissen jedoch für hinreichend wahrscheinlich Halten.

36
Q

Wo ist die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung geregelt?

A

§ 66b StGB

37
Q

Welche Ausgangssituation liegt vor im Fall des § 66b?

A

Jemand ist in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Die Unterbringung ist für erledigt erklärt worden, weil er nicht mehr in seiner Schuldfähigkeit beeinträchtigt ist, jedoch aus anderen Gründen nach wie vor gefährlich. Die SV kann daher nachträglich angeordnet werden.

38
Q

Wie unterscheidet sich § 66b von § 66 I und § 66a?

A

Es ist eine zeitlich nicht begrenzte Maßregel (§ 63) angeordnet worden. Jetzt wurde festgestellt, dass die psychische Erkrankung nicht vorlegt. Trotzdem glaubt man, dass der Untergebrachte unabhängig von dieser gefährlich ist. Die Unterbringung wird daher in eine SV umgewandelt.

39
Q

Welche VSSen hat der § 66b StGB?

A
  • bestimmte Taten
  • Gefährlichkeitsprognose
  • Sachverständigengutachten
40
Q

Wie verhält es sich mit der RF?

A

Die Entscheidung der nachträgliche Anordnung der SV steht im Ermessen des Gerichts

41
Q

Was gewährt einen gewissen Kontrollmechanismus?

A

Die Tatsache, dass das Ermessen pflichtgemäß ausgeübt werden muss.

42
Q

Was wurde durch das Gesetz zur Sicherung des Abstandsgebots bewirkt?

A

Die §§ 66 ff. wurden neu geregelt. Die SV soll eine Einrichtung “zwischen JVA und forensischer Psychiatrie” sein (therapieorientierter Vollzug, § 66c StGB). Die SV soll keine verdeckte FS sein, sondern Personen, die nicht den Anforderungen des § 20 StGB genügen, eine Betreuung ermöglichen.

43
Q

Welche Regelungen gelten für die Übergangszeit bis zur Geltung des neuen Gesetzes?

A

Art. 316e, 316f EGStGB.
Im Einführungsgesetz regelt, wie sich altes zu neuem Recht verhält und wie mit Fällen umzugehen ist, die schon anhängig sind und nun mit den neuen Regelungen kollidieren.

44
Q

Was ist mit “Abstandsgebot” gemeint?

A

Das Abstandsgebot im Zusammenhang der Sicherungsverwahrung bedeutet, dass sich der Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vom Vollzug der Strafhaft (Freiheitsstrafe) deutlich unterscheiden muss. Es handelt sich um eine verfassungsrechtliche Anforderung, die von dem Bundesverfassungsgericht im Jahr 2004 festgelegt wurde.
Die Sicherungsverwahrung dient allein dem Zweck der Vorbeugung von künftigen Straftaten, während die Freiheitsstrafe eine Sanktion für vergangene Straftaten darstellt. Um diese Unterscheidung zu wahren, muss die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung auf einem “freiheitsorientierten und therapie-gerichteten Gesamtkonzept” aufbauen und sich von einer Gefängnishaft abheben.
Dies bedeutet, dass die Bedingungen und Maßnahmen in der Sicherungsverwahrung sich von denen in einer Strafhaft unterscheiden müssen. Insbesondere müssen die Ziele und Methoden der Therapie, der Betreuung und der Überwachung in der Sicherungsverwahrung auf die spezifischen Bedürfnisse der Sicherungsverwahrten ausgerichtet sein und sich auf die Vorbeugung von künftigen Straftaten konzentrieren.
Das Abstandsgebot soll sicherstellen, dass die Sicherungsverwahrung nicht als eine Art “langfristiger Knast” fungiert, sondern vielmehr als eine spezielle Maßnahme zur Vorbeugung von künftigen Straftaten und zur Wiederintegrierung des Verurteilten in die Gesellschaft.